Protocol of the Session on February 1, 2007

[Gelächter bei den Grünen]

Das ist wirklich erklärungsbedürftig, Herr Mutlu! Aus dem Antrag geht das nicht hervor. –

[Zuruf von Özcan Mutlu (Grüne)]

Sie laufen bei mir grundsätzlich offene Türen ein, wenn Sie sagen: Wir wollen Kulturinvestitionen verdoppeln. – Aber mich hat das ein bisschen hilflos gemacht, als ich gelesen habe, das Kulturinvestitionsprogramm sei – ohne Klärung der Qualität, nur der Quantität – zu verdoppeln.

[Oliver Schruoffeneger (Grüne) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Nein, Herr Schruoffeneger, jetzt nicht! – Mich hat das ein bisschen an Mark Twain erinnert. Mark Twain schreibt an einer Stelle: Tom Sawyer und Huck Finn waren auf dem Mississippi unterwegs, und nachdem sie das Ziel aus den Augen verloren hatten, verdoppelten sie die Anstrengungen. – Was wollen Sie konkret damit? Hier ist keine qualitative Aussage, sondern nur eine quantitative Forderung.

[Beifall bei der FDP]

Etwas mehr Fantasie hätte ich mir von Ihnen auch bei Ihrem letzten Punkt gewünscht, wo es heißt: Ein Schwerpunkt sollte die Nachqualifizierung erwerbsloser Jugendlicher sein usw. – Sehr unterstützenswert! Aber mir fehlt dabei der Hinweis: Es kann nicht nur um Nachqualifizierung gehen, sondern es muss auch darum gehen, diesen Jugendlichen eine Chance zu geben, im praktischen Bereich Qualifikation zu erwerben. – Warum so kurz?

[Zuruf von Ramona Pop (Grüne)]

Das Ganze, was Sie geschrieben haben, sieht so aus, wie es im Wirtschaftsausschuss angekündigt wurde, mit heißer Nadel zusammengenäht, um es uns hier vorzulegen. Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss, weil ich annehme, dass dieser Antrag dann von Ihnen in einigen Punkten nicht nur erklärt, sondern besser substanziell unterlegt werden wird. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Kollege Thiel! – Mit Rücksicht auf den Redebeitrag von Senator Wolf hat für die Fraktion der Grünen Frau Eichstädt-Bohlig das Wort für fünf Minuten.

Danke schön, Herr Präsident! – Ich will ausschließlich auf die Rede von Herrn Senator Wolf eingehen, obwohl viele andere interessante Aspekte in Richtung von Herrn Doering oder Herrn Thiel zu sagen wären. Vielleicht gelingt es in den Ausschüssen, darüber zu debattieren.

Als Erstes: Sie haben recht, in den 139 Millionen €, die ich für 2007 genannt habe, ist die Bugwelle der letzten Jahre enthalten. Ich bitte um Entschuldigung. Da war ich falsch programmiert.

Das Zweite, das mir sehr wichtig ist: Stoßen wir die Diskussion zu früh oder zu spät an? – Sie haben eben gesagt: Zu früh, weil die operationellen Programme noch gar nicht da seien! – Es stimmt, wir haben uns aus dem Internet alle Informationen und Materialien, die wir dazu bekommen konnten, herausgeholt. Danke, dass Sie sie hineingestellt haben! Wir haben auch in der Drucksache 15/5555 zwei wunderbare Übersichten über das, was vom Senat nach dem jetzigen Stand im Saldo in EFRE und

ESF geplant, wenn auch noch nicht verabschiedet ist, gefunden. Parlamentarier, die einen mittleren Intelligenzquotienten haben, können sich die Informationen durchaus besorgen, und wir tun das.

[Beifall bei den Grünen]

Aus unserer Sicht ist es vielleicht schon etwas spät. Das liegt aber an dem großen Problem, dass der Senat es nicht für erforderlich hält, diese Debatte, die jetzt durch unsere Priorität angestoßen wird, obligatorisch regelmäßig ins Parlament zu tragen. Deswegen ist das für uns eine zentrale Forderung: Diese Mittel, die Berlin bekommt, haben es verdient, dass sie in den Ausschüssen und hier im Plenum umfassend und differenziert diskutiert werden.

[Beifall bei den Grünen]

Zu den Schwerpunkten: Wenn Sie unseren Antrag gelesen haben, Herr Senator, dann wissen Sie, dass wir nicht ausschließlich den Schwerpunkt Energiepolitik und innovative Energiewirtschaft im Spektrum Wirtschaftsförderung haben wollen. Wir wollen aber auf der anderen Seite kein Sammelsurium aus den verschiedenen Ressorts. Das alles zusammengeschüttelt und mit etwas EU-gerechter Lyrik übergossen, das sei dann das EU-Förderprogramm. Genau dazwischen liegt die Wahrheit. Deshalb müssen wir klare Schwerpunkte setzen, nicht nur einen, das ist uns schon klar, denn sieben Jahre sind eine längere Förderperiode, wir können aber auch nicht alles einfach machen.

Konkret zum Schwerpunkt, warum es uns wichtig ist, die Energiewirtschaft, die innovativen Energietechnologien nach vorne zu tragen und nicht nur bei der Clusterdefinition der Enquetekommission zu bleiben: Wir reden über die kommenden sieben Jahre. Berlin mit 3,4 Millionen Einwohnern hat es durchaus verdient, dass auch neue Wirtschaftszweige, wissenschaftlich innovative Wirtschaftszweige, aufgebaut werden. Herr Senator, wenn Sie in der Verkehrspolitik immer noch darauf warten, dass Daimler-Benz in Berlin investiert, dann haben wir diesen Zeitpunkt einfach verpasst.

[Reg. Bürgermeister Klaus Wowereit: Aber die investieren doch laufend!]

Die Autoindustrieansiedlungen sind längst vorbei. Aber bestimmte Technologien – nicht nur Solar, sondern Energieeffizienz, Ressourceneffizienz, Erdwärme, verschiedene Technologien – sind zurzeit dran. Nur Städte und Regionen, die sich darum offensiv kümmern, bekommen jetzt von diesen Klimaschutzinvestitionen wirtschaftlich ein Pfund auf sich und auf ihre Stadt gelenkt. Wir Grünen kritisieren, dass Sie das schlicht aufs Abstellgleis schieben. Wir werden Sie in dieser Legislaturperiode immer wieder daran erinnern, dass Sie meinen, da könnten Sie lax und gleichgültig sein.

[Beifall bei den Grünen]

Zum Thema Chancengleichheit: Wenn es stimmt, dass Sie im Wirtschaftsausschuss gesagt haben, Sie würden sich dafür engagieren, dass mehr Frauen in der Pflege tätig sein könnten – ich weiß nicht, ob es genau so war –, dann

sollten Sie über das Wort Chancengleichheit noch einmal neu nachdenken.

[Beifall bei den Grünen – Bürgermeister Harald Wolf: Das ist absurd! Wer erzählt denn so etwas?]

Das wurde mir aus dem Ausschuss für Wirtschaft über die dortige Diskussion berichtet. Das kann ja noch einmal von den Beteiligten diskutiert werden. –

Mein letzter Satz zu dem, was Sie eben gesagt haben: „Wir – der Senat – brauchen hier keine Belehrung, dass das ein wichtiges Thema ist.“ – Es ist gut, wenn Sie das mit anderen Trägern und auch in der Öffentlichkeit diskutieren, aber wenn Sie meinen, dass das dafür ein Ersatz ist, das hier im Parlament zu diskutieren, dann weiß ich nicht, was Sie für ein Parlamentsverständnis haben. Mein Parlamentsverständnis ist so, dass dieses Thema hierher gehört. In dem Sinne bitte ich darum, dass der Senat allmählich lernt, was das Parlament selbst diskutieren darf und soll.

[Beifall bei den Grünen und der CDU – Zuruf von Martina Michels (Linksfraktion)]

Vielen Dank, Frau Eichstädt-Bohlig! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Frauen – federführend –, an den Ausschuss für Integration, Arbeit, Berufliche Bildung und Soziales sowie an den Hauptausschuss. – Hierzu höre ich keinen Widerspruch.

Wir kommen dann zur

lfd. Nr. 5:

I. Lesung

Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für das Land Berlin (Schulgesetz – SchulG) – flexible Schulanfangsphase gründlich vorbereiten

Antrag der CDU Drs 16/0064

Diesen Antrag hatte ich bereits vorab an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie überwiesen. Die nachträgliche Zustimmung hierzu stelle ich fest.

Zur Beratung steht den Fraktionen nach unserer Geschäftsordnung eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Ich eröffne die I. Lesung. Das Wort hat der Kollege Steuer von der CDU-Fraktion. – Bitte schön, Herr Kollege!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die flexible Schulanfangsphase ist ein Wortmonstrum, aber vor allem eine Antiphrase, also eine Redefigur, die einem Gegenstand einen Namen gibt, der zu dessen We

sen im Widerspruch steht. Denn flexibel ist an der flexiblen Schulanfangsphase nun gerade gar nichts. Ganz im Gegenteil.

Mit der Einführung der flexiblen Schulanfangsphase wurde die Flexibilität an Grundschulen gerade eingeschränkt und im Grunde genommen für die ersten Klassen sogar abgeschafft. Flexibel war die Situation vorher. Eltern konnten ihr Kind in die Vorschule schicken oder in die Kita oder es zu Hause erziehen bis zum Schuleintritt. Die Vorschule haben Sie abgeschafft. Bisher gab es für besonders verhaltensaufällige und lernbehinderte Kinder die Sonderschulen. Dort haben sich gut ausgebildete, spezialisierte Pädagogen dieser Kinder angenommen. Sie haben die ersten beiden Klassen an den Sonderschulen abgeschafft. Bisher gab es für verhaltensauffällige Kinder in den Grundschulen das Modell der Integrationsklassen. Hierfür gab es zusätzliche Personalzuschläge und kleinere Klassengrößen. Dies haben Sie auch im Rahmen der flexiblen Schulanfangsphase abgeschafft.

Wie so häufig glauben Sie, wenn Sie alle über einen Kamm scheren, Kinder mit völlig unterschiedlichen Ausgangsbedingungen zusammenpferchen, kommen sie auch mit den gleichen Lernchancen aus dieser Phase wieder heraus. Doch das Gegenteil wird der Fall sein. Gerade in dieser sensiblen Anfangszeit wäre es nämlich richtig, sich um die individuellen Bedürfnisse der Kinder zu kümmern, anstatt sie verkümmern zu lassen.

Anlässlich meiner Besuche von Hauptschulen war ich gerade in einer 7. Klasse, in der mir die Schüler berichteten, dass sie froh wären, von der Grundschule weg zu sein. Jetzt würden sie ernst genommen und wahrgenommen werden – zum ersten Mal in ihrer Schulzeit. In der Grundschule fielen sie immer weiter zurück. Niemand scherte sich mehr um sie. Sie waren stets Klassenletzte. Jetzt saßen sie in einer Integrationsklasse einer Hauptschule und waren motiviert wie nie. Das brauchen wir: motivierte Schüler, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten gefördert und unterstützt werden. Wir brauchen jedoch keine Gleichmacherei durch die Abschaffung guter Unterstützungsmaßnahmen.

[Beifall bei der CDU]

Schon jetzt erreichen uns die Hilferufe vieler Lehrer und vieler Schulen, die sich mit der Schulanfangsphase maßlos überfordert fühlen. Sie haben nicht genügend Personal und Zeit, sich um die Kinder zu kümmern, die diese Hilfe dringend nötig hätten: Kinder, die ADS haben, die bisher in Integrationsklassen beschult wurden, Kinder, die leichte Behinderungen haben und bisher in der Sonderschule waren, und Kinder mit Migrationshintergrund, die bisher zu Hause kein Deutsch gesprochen haben.

Kinder in der Schulanfangsphase haben nun Probleme im Umgang mit Stiften, mit Klebstoff, mit einer Schere, sie können keine Schnürsenkel zubinden.

[Elfi Jantzen (Grüne): Hatten wir vorher auch schon!]

Sie kennen keinen kameradschaftlichen Umgang mit Mitschülern und schon gar keinen Respekt vor dem Lehrer. In den Innenstadtbezirken nehmen diese Einzelprobleme zu, und sie verschränken sich dort miteinander. Was geschieht, wenn bald nicht nur ein oder zwei, sondern fünf oder sechs Kinder jeder Klasse anstatt zwei Jahre drei Jahre in der flexiblen Schulanfangsphase bleiben? Wie soll damit schulorganisatorisch umgegangen werden? Damit überlasten Sie die Schulen. Das liegt auf der Hand. Die Lehrer stehen vor dem Problem: Entweder konzentrieren sie sich auf die Defizite dieser Kinder und gehen dabei gleichzeitig weniger auf die Kinder ein, die besser sind, oder sie schaffen ein irgendwie mittleres Niveau. Was vielleicht anderswo auf dem Land funktionieren kann, wird in den Innenstadtbezirken Berlins zu einem Horrorszenario werden.

Die Hilferufe der Schulen haben im letzten Jahr auch die Senatsverwaltung erreicht. Die Koalition hat daher die Notbremse gezogen. Die verpflichtende Einführung der flexiblen Schulanfangsphase wurde um ein Jahr verschoben. Auf Antrag bis zum Ende diesen Monats können Schulen nun ein Jahr später mit der flexiblen Schulanfangsphase starten. Wie zu hören ist, beantragen die Schulen in großer Zahl eine Verschiebung. Die Koalition hat nun also den ersten Schritt getan und die verpflichtende Einführung um ein Jahr verschoben. Nun will Senator Zöllner, wie vorgestern zu hören war, auch die Absenkung des Schuleintrittalters flexibilisieren. Das ist richtig, und deshalb unterstützt die CDU-Fraktion Sie, Herr Senator. Wir fordern Sie aber auch auf: Gehen Sie diesen Weg zu Ende, und machen Sie die flexiblen Schulanfangsphase freiwillig!