Protocol of the Session on November 12, 2009

Bei der weiterhin gleichbleibend großen Zahl arbeitsloser Jugendlicher unter 25 Jahren – derzeit über 24 000 – ist erschreckend, dass zwei Drittel keinen Berufsabschluss haben.

[Beifall bei der CDU]

Auch bezogen auf den aktuellen Bewerbermarkt mit immer noch 70 Prozent Altbewerberanteil brauchen wir eine moderne Berufsschule hinsichtlich der personellen und sächlichen Ausstattung sowie der vermittelten Inhalte. Beim Lehrernachwuchs bleiben vor dem Hintergrund, dass die Altersgruppe ab 50 Jahren 50 Prozent der Stellen einnimmt, schwerwiegende Zweifel hinsichtlich der Zukunft der Berufsschulen und deren Lehrerzusammensetzung. Die Absolventen zum Berufsschullehrer decken derzeit nur 65 Prozent des Nachwuchsbedarfs. Wir be

Sebastian Czaja

nötigend dringend Programme zur Behebung dieses Mangels.

Berlin ist im aktuellen Bildungsmonitor auf den 16. Platz zurückgefallen. Das ist hauptsächlich auf die Tatsache zurückzuführen, dass Berlin bei den 13 untersuchten Handlungsfeldern bei den MINT-Studiengängen einen 15. Platz belegt und einen letzten bei der beruflichen Bildung. Die Erfolgquote bei den Abschlussprüfungen ist eine der niedrigsten Deutschlands. Die Abbrecherquote ist erschreckend hoch. Wir sind es der nächsten Generation schuldig, alles Notwendige zu unternehmen, damit die Bildungssäule Berufliche Bildung im Sinn der daran Beteiligten zukunftsorientiert erfolgreich ist. – Danke schön!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die SPD-Fraktion erhält die Kollegin Müller das Wort. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist mit Sicherheit fraktionsübergreifend unstrittig, dass eine solide und qualitativ hochwertige Berufsausbildung die beste Versicherung gegen Arbeitslosigkeit ist. Berlin kann dabei auf gute Erfolge verweisen, aber solange Jugendliche, die geistig und körperlich dazu in der Lage sind, noch ohne Berufsabschluss dastehen, sind wir noch nicht am Ziel, und es gibt viel zu tun.

Wir müssen schauen, wer die Ausbildungsplätze zur Verfügung stellt. Das ist in erster Linie die Wirtschaft. Mein Eindruck ist, dass die Wirtschaft langsam begreift, dass sie ausbilden muss und Ausbildung kein Selbstzweck ist. Ausbildung ist dafür notwendig, dass die Betriebe innovativ arbeiten können, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit steigt und sich damit die Konkurrenzfähigkeit verbessert. Das Lehrstellenangebot hat sich in Berlin zum Glück stabilisiert. In diesem Jahr hatten wir erstmals mehr Lehrstellen als Bewerberinnen und Bewerber. Es konnten aber nicht alle Lehrstellen besetzt werden, weil die individuellen Bildungsvoraussetzungen noch nicht ausreichten, und bei etlichen Bewerbern gab es Defizite in den Ausbildungsberufen.

Mit der Einführung der integrierten Sekundarschule – das Gesetz ist auf dem Weg und wird in Kürze – wird größerer Wert auf Berufsbildungsreife gelegt. Das heißt, Schülerinnen und Schüler, die die Schule verlassen, werden dann die entsprechende Berufsbildungsreife haben und können einen Beruf erlernen.

Zu dem vorliegenden Antrag: Es ist sicher ein hehres Ziel, das Berliner Berufsbildungssystem verbessern zu wollen. Ich habe mich aber die ganze Zeit gefragt, was das Berliner Berufsbildungssystem sein soll. Es gibt doch gar kein Berliner Berufsbildungssystem. Sicher existieren bundesgesetzliche Strukturen in der Zusammenarbeit mit dem

LAB. Ebenso existiert die Sonderkommission Ausbildungsplatzsituation, die der Rat der Bürgermeister leitet, aber es werden vorab keine Berliner Ausbildungsgänge dem EQF zugeordnet, wie es in dem Antrag gefordert wird. Vielmehr werden bis 2010 die Niveaustufen für Deutschland entwickelt, die eine Einordnung der deutschen Niveaustufen in die vorgegebenen Stufen des EQF ermöglichen sollen. – EQF ist der europäische Qualifizierungsrahmen. – Das ist ein bundesweites und kein Berliner Verfahren. Eine direkte Zuordnung deutscher oder gar Berliner Niveaustufen zum EQF gibt es gar nicht.

Der Antrag schlägt zehn Punkte vor. Einige hätte man weglassen können, weil sie bereits erfüllt sind. Es geht um die geforderte Berufsvorbereitung. Diese ist unzweifelhaft wichtig, läuft aber bereits. Wir haben das Berliner Programm zur vertieften Berufsorientierung, und mit dem neuen Gesetz wird es auch an den Schulen die Berufsvorbereitung im Rahmen des dualen Lernens geben.

Wir werden auf diesem Gebiet einiges zu tun haben. Meine Vorstellung ist immer noch, dass wir fraktionsübergreifend ein Werk schaffen können, das alle mittragen können und das zur Verbesserung der Berufsausbildung beiträgt. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Frau Müller! – Für die Fraktion der Grünen erhält die Kollegin Herrmann das Wort. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dieser Stunde haben wir das Thema Berufsbildung. Frau Müller, ich glaube, wer im Glashaus sitzt, sollte zumindest nicht mit kleinen Steinen werfen. – So will ich einmal Ihre Rede bewerten. In den aktuellen Haushaltsberatungen kann man nicht erkennen, dass Ihre Prioritäten in diesem Bereich liegen. Sie kürzen vielmehr 16 Millionen Euro bei der Ausbildung. Sie sagen immer, daran sei der böse Bund schuld. Ja, der Bund kürzt da auch, aber eben nur 3 Millionen Euro. Der große Batzen, den Sie insbesondere für Ihren ÖBS benötigen klauen Sie der Jugend.

[Mieke Senftleben (FDP): Jawohl!]

Sie kürzen auch bei den Qualifizierungsangeboten, wie Zusatzjob und Bildung. Manchmal fragt man sich, mit welchem Blick die SPD durch die Stadt geht, denn man kann wahrlich nicht übersehen, dass Berlin die Stadt der Jugenderwerbslosigkeit und der Schulabbrecher ist. Damit ist Berlin leider auch eine Stadt, die vielen jungen Erwachsenen keine bzw. eine unzureichende Perspektive bietet.

Wenn Sie das ernst nehmen, dann würden Ihre Prioritäten zumindest in diesen Haushaltsberatungen woanders liegen. Dass der Senat, wenn er denn muss, auch mehrere Millionen umschichten kann, haben wir jetzt gesehen.

Joachim Luchterhand

Aus unserer Perspektive sind da noch Spielräume vorhanden.

Ich möchte aber auch die CDU hierbei nicht aus der Verantwortung nehmen, denn man könnte meinen, dass Sie, als Sie Ihren Antrag geschrieben haben, noch nicht gewusst haben, was in der schwarz-gelben Koalitionsvereinbarung zu diesem Thema steht. Diese Koalitionsvereinbarung könnte man allgemein als ideenlos bezeichnen. Es steht nämlich nicht das drin, was eigentlich originäre Aufgabe des Bundes im Bereich der Bildung ist und wo der Bund noch Kompetenzen besitzt, nämlich mit mutigen Schritten in der Ausbildung und Weiterbildung voranzugehen. Da sind nur Phrasen zu lesen, und es ist nur Ideenlosigkeit zu erkennen. Strukturelle Reformen im Bereich der Beruflichen Bildung packt Schwarz-Gelb nicht an. Stattdessen soll der unzureichende nationale Ausbildungspakt fortgesetzt werden. Union und FDP bleiben damit die Antwort schuldig, wie neue Ausbildungsplätze geschaffen werden können, wie der Übergang von der Schule in den Beruf ohne Warteschleifen funktionieren soll und wie man das Ausbildungssystem generell konjunkturunabhängiger gestalten kann. Zu all dem ist nichts zu lesen. Auch zum Thema Weiterbildung ist dieser neuen Koalition nicht besonders viel eingefallen.

Wir fragen uns, wie die Berliner CDU angesichts dieser Rahmenbedingungen, die der Bund bestimmt – wo die CDU gemeinsam mit der FDP regiert –, in ihrem Antrag fordern kann, dass Berlin ernsthaft ein zukunftsorientiertes Berufsbildungssystem aufbauen bzw. weiterentwickeln soll. Wir werden sicherlich im Fachausschuss noch die Details Ihres Antrags ausführlich diskutieren.

Ich finde es seltsam, dass in Ihrem Antrag fast gar nichts zur Aufgabe der Wirtschaft zu lesen ist. Denn auch die Berliner Wirtschaft hat die Aufgabe, auszubilden, und kommt dieser Aufgabe nicht nach.

[Mieke Senftleben (FDP): Tut sie doch!]

Im Ausschuss können wir uns die Zahlen vornehmen und uns darüber austauschen. Frau Senftleben! Das mache ich sehr gerne. Aber in einem Punkt stimme ich zu: Rot-Rot schiebt mit diesem Argument gern alles auf die Wirtschaft ab. – Damit machen Sie es sich zu einfach, denn mit diesem Argument könnte man die gesamte Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik abschaffen. Das ist wohl nach Auffassung von uns allen – um es deutlich zu sagen – Blödsinn.

[Beifall bei den Grünen]

Ich möchte noch einmal klar sagen, dass man den Berliner Senat hierbei nicht aus der Verantwortung nehmen kann. Sicherlich müssen wir auch über das Schulsystem reden. Dazu haben Sie einzelnen Punkte in Ihrem Antrag formuliert. Aber wir können nicht mit dem Argument der Ausbildungsunfähigkeit die Berliner Wirtschaft aus der Verantwortung nehmen.

Frau Kollegin Herrmann! Das müsste eigentlich der Schlusssatz gewesen sein.

Ich komme zum Schluss und möchte nur Folgendes anmerken: Angesichts dieser schwarz-gelben Bundesregierung – wenig Ideen, viele Prüfaufträge – und dieses rotroten Senats – wenig Ideen, Abschieberei – muss man keine Wahrsagerin sein, um zu erkennen, dass bis zur Verwirklichung dessen, was wir alle gemeinsam als hehres Ziel anstreben, wohl noch viel Wasser die Spree hinunter fließen muss. – Danke schön!

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön für diesen langen Schlusssatz! – Das Wort für die Linksfraktion hat Frau Abgeordnete Breitenbach. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Luchterhand! Ich möchte noch einmal etwas zu Ihrem Antrag sagen. Für mich ist das Hauptproblem, dass Sie in Ihrem Antrag zwischen anerkannten Ausbildungsberufen und Zertifizierungen hin- und herspringen und auch zwischen Bundes- und Landesebene hin- und herwechseln. Das macht den Umgang mit dem Antrag schwierig. Sie fordern beispielsweise die Neukonzeption und die Modernisierung von Berufen, und Sie sprechen dabei in Ihrem Antrag von „sich dynamisch entwickelnden Ausbildungsberufen“. Da war ich etwas erstaunt, denn ich sehe keine „sich dynamisch entwickelnden Ausbildungsberufe“. Im Gegenteil: Ich finde, dass die Neuordnungsprozesse unendlich lange dauern und dass sie oftmals in die falsche Richtung gehen. Aber – und auch das wurde schon gesagt – das ist eine Ebene, wo der Bund die Verantwortung trägt. Insofern sollten Sie sich mit solchen Forderungen an die Bundesbildungsministerin wenden, die Mitglied Ihrer Partei ist. Sie kann da vielleicht noch etwas machen.

Ich möchte auch noch mal auf Punkte eingehen, mit denen das Land Berlin angesprochen ist. Sie fordern beispielsweise die Berufsorientierung an den Schulen. Kollegin Müller hat dazu etwas gesagt. BvBo – Berliner Programm vertiefte Berufsorientierung für Schülerinnen und Schüler! Sie müssten es eigentlich kennen. Es ist eine gemeinsam Initiative der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung und der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales – gemeinsam mit den Agenturen für Arbeit in Berlin. Ihre Forderung, dass eine stärkere Zusammenarbeit stattfinden muss, ist erfüllt. Sie findet bereits statt.

Clara Herrmann

Sie fordern auch eine besondere Aufmerksamkeit für bildungsferne Schülerinnen und Schüler und für Jugendliche mit Migrationshintergrund. Hierzu möchte ich Ihnen nur drei Beispiele nennen: Zum einen „Berlin braucht dich!“. Das ist eine erfolgreiche Kampagne. Zweitens: „Ausbildung in Sicht“!

[Mieke Senftleben (FDP): Sie existiert seit einem halben Jahr. Wie wollen Sie wissen, ob Sie erfolgreich ist? – Senatorin Carola Bluhm: Seit zwei Jahren! – Weitere Zurufe]

Da täuschen Sie sich. Die existiert seit mehreren Jahren. Das hätten Sie sich genauer ansehen müssen. Sie wurde erweitert und wird erneut erweitert. Sie ist bislang erfolgreich und wird auch weiterhin erfolgreich sein. Frau Senftleben! Ich lade Sie gern zu uns in den Fachausschuss ein. Dort wird das diskutiert, und dann können Sie sich darüber informieren.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Herr Luchterhand! Das dritte Beispiel haben Sie auch selbst genannt. Das ist MDQM – also auch etwas, was wir schon haben.

Wir teilen übrigens auch Ihre Ansicht, dass es ausreichend Ausbildungsplätze geben muss. Sie fordern ein starkes Bündnis mit den unterschiedlichen Sozialpartnern, aber auch mit den Verbänden und der öffentlichen Hand. Das haben wir bereits. Das ist die Ausbildungsplatzkommission. Wir stark dieses Bündnis ist, können wir jedes Jahr daran erkennen, wie groß die Anzahl der Ausbildungsplätze ist. Frau Herrmann! Es stimmt nicht, dass die Privatwirtschaft nicht angesprochen wurde.

Ich finde, auch die Privatwirtschaft sollte endlich mal die Verantwortung übernehmen. Da wird uns nun vorgeschlagen, dass wir beschließen sollen, dass die Privatwirtschaft die Verantwortung für die Ausbildung wahrnimmt. Im CDU-Antrag steht, dass es bei den Unternehmen unstrittig sein muss, dass es auch künftig ihr ureigenstes Interesse sein muss, Ausbildungsplätze in ausreichender Zahl und in den Zukunftsfeldern der Wirtschaft anzubieten. Herr Luchterhand! Damit haben Sie recht. Aber ich glaube nicht, dass sich die Privatwirtschaft davon beeindrucken lässt, wenn wir das beschließen.

Ansonsten denke ich, dass wir die zehn Punkte aus Ihrem Antrag noch einmal im Fachausschuss im Detail diskutieren werden und auch sehen sollten, was wir in Berlin verbessern können. – Danke!

[Beifall bei der Linksfraktion]

Das Wort für die FDP-Fraktion hat Kollege Czaja. – Bitte!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Mein Eindruck ist, dass diejenigen, die sich hier immer wieder auf die Bundesregierung und die Koalition im Bund konzentrieren, lediglich die Synopse, aber nicht den Koalitionsvertrag gelesen haben und deswegen im Grunde dazu nicht sprechfähig sind.

[Beifall bei der FDP]

Wenn Sie sich den Antrag des Kollegen Luchterhand anschauen, werden Sie darunter das Datum 25. August 2009 finden. Da war zumindest die FDP noch nicht beteiligt, und insoweit ist das ein sinnvoller Antrag, um hier auch darüber zu sprechen, welche wesentlichen Dinge im Rahmen des Berufsbildungssystems zukunftsorientiert weiterentwickelt werden können.

Dass dieser Antrag heute hier diskutiert wird, freut meine Fraktion, die FDP, besonders, weil ein Blick in die Dokumentation des Parlaments sehr deutlich macht, dass sich dieses Haus sehr häufig mit bildungspolitischen Fragen auseinandersetzt. Sie werden feststellen, dass weit über 200 Initiativen in diesem Haus beraten wurden, allein fünf davon waren zum Thema berufliche Bildung. Allein drei weitere haben sich mit der Frage Oberstufenzentren auseinandergesetzt. Das ist entschieden zu wenig.