Protocol of the Session on September 10, 2009

[Zurufe von den Grünen – Volker Ratzmann (Grüne): Muss man jetzt etwas bezahlen, wenn man etwas auf die Tagesordnung setzen will?]

Vielen Dank, Herr Senator!

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Frau Abgeordnete Kubala das Wort.

Meine Frage geht auch an den Finanzsenator. Sie betrifft das Sport- und Erholungszentrum SEZ in Friedrichshain. Das SEZ wurde 2003 für einen Euro verkauft. Es wurde vertraglich vereinbart, dass der Badebetrieb dort bis 2007 wieder aufgenommen werden soll. Die Zeit ist nun lange verstrichen. Ihre Staatssekretärin hatte sich vor Ort davon überzeugen können, dass der Badebetrieb nicht aufgenommen wurde, und hat kommentiert, sie drücke hier ein Auge zu. Kann daraus geschlossen werden, dass Verträge mit dem Land Berlin nicht mehr ernst genommen werden müssen, weil der Senat ein Auge zudrückt, wenn es um Vertragsverletzung geht?

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Dr. Frank Steffel (CDU)]

Herr Senator Nußbaum, bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Der Senat drückt mit Sicherheit kein Auge zu, wenn es um eine Vertragsverletzung geht. Er müsste dann

beide zudrücken, um gar nichts mehr zu sehen. Soweit ich informiert bin, wird an dieser Stätte noch Sport betrieben. Es geht dabei also nicht nur um das Schwimmbad.

[Beifall bei der Linksfraktion – Klaus-Peter von Lüdeke (FDP): Da klatscht nur die Linke!]

Vielen Dank! – Eine Nachfrage von Frau Kubala gibt es nicht.

Wir hätten zwar noch etwas Zeit, aber es gibt niemanden, der sich gemeldet hat. Deswegen ist Sie Spontane Fragestunde beendet.

Ich rufe nun auf

lfd. Nr. 3:

Aktuelle Stunde

S-Bahn Chaos beispielhaft für Senatspolitik – Schlechte Verträge! Schlechtes Management! Schlecht für Berlin!

Antrag der Grünen

in Verbindung mit

lfd. Nr. 31:

Konsequenzen aus dem S-Bahn-Desaster

Antrag der CDU Drs 16/2596

in Verbindung mit

Dringlicher Antrag

Personelle Konsequenzen im Senat aus dem S-Bahn-Chaos unausweichlich – sofortige Entlassung der zuständigen Senatorin ist dringend geboten

Antrag der CDU, der Gründen und der FDP Drs 16/2619

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Für die Beratung der Anträge steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redebeiträge aufgeteilt werden kann. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Frau EichstädtBohlig hat das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister! Als wir unseren Antrag stellten, gab es eigentlich nur ein S-Bahnchaos, aber kaum war er gestellt, kam es noch dramatischer. Inzwischen haben wir den doppelten S-Bahn-GAU. Das ist ein ungeheuerlicher Schaden für Berlin, für sehr viele Menschen, für den alltäglichen Rhythmus dieser Stadt, für die Pendler, für die Wirtschaft, für den Tourismus, für die Messe, für die vielen Händler in den Bahnstationen und für viele andere mehr. Es ist gleichzeitig aber auch – und darüber soll heute diskutiert werden – eine ungeheuerliche Bankrotterklärung der Politik, dass dieses zu hundert Prozent öffentliche Unternehmen ganz offenbar Berlin – und dem Bund indirekt genauso – auf der Nase herumtanzen kann, in einer Form, die unbeschreiblich ist.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Ein Unternehmen, das vor lauter Geldgier nicht mehr weiß, wie man Räder und Bremsen wartet! Wer weiß, welche Schrauben vielleicht morgen locker sein werden! Wir müssen uns sicher auf noch mehr gefasst machen.

Die Hauptstadt wird in der Weltöffentlichkeit lächerlich gemacht, und Sie raten uns: Seid geduldig, liebe Berlinerinnen und Berliner! Seid solidarisch! – So kann man politisch auf so einen Super- GAU nicht reagieren.

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Ich selbst bin betroffene S-Bahnfahrerin und sage deutlich: Alle direkt und indirekt Betroffenen fordern umfassenden Schadensersatz und nicht nur freie Fahrt zwischen Advent und dem Heiligen Abend. Es ist lächerlich, darüber überhaupt nur zu reden.

[Beifall bei den Grünen]

Und wir fordern, dass diese enorme Gefährdung des öffentlichen Verkehrs auch rechtlich geahndet wird. Das ist in höchstem Maße eine Gefährdung der Sicherheit im öffentlichen Verkehr. Sie kann nicht einfach so hingenommen werden.

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Dr. Frank Steffel (CDU)]

Herr Regierender Bürgermeister! Die Opposition fordert Sie auf, die Verkehrssenatorin umgehend zu entlassen und das Heft des Handelns endlich in kompetente Senatshände zu geben. Frau Junge-Reyer ist dieser Verantwortung ganz offensichtlich nicht gewachsen.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Wir erleben nun schon wochenlang eine rot-rote S-Bahnkuschelpolitik zulasten des Steuerzahlers und zunehmend zulasten der Sicherheit in unserer Stadt. Das muss dringend geändert werden.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Sie wissen, dass das nicht stimmt!]

Das stimmt, Herr Kollege Albers! – Frau Junge-Reyer ist verantwortlich für einen miserablen Verkehrsvertrag,

einen typischen rot-roten Gefälligkeitsvertrag, der der Bahn mit 232 Millionen Euro satte Gewinne zubilligt, aber kaum klare Sanktionen und Regressforderungen und nicht einmal ein vernünftiges Kündigungsrecht enthält. Dieser Vertrag ist allein für sich schon ein Skandal. Wir werden in der EU prüfen lassen, ob dieser Vertrag nicht den Beihilfetatbestand erfüllt.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Eins nebenbei: In der üblichen Missachtung des Parlaments hat Frau Junge-Reyer uns den Vertrag wieder mit vielen schwarzen Balken gegeben, aber wir haben einige Seiten – da fuhr die S-Bahn noch – zufällig in der S-Bahn gefunden. Denken Sie also nicht, dass wir die entscheidenden Passagen dieses Vertrag nicht kennen!

2003, als der erste S-Bahnradbruch passierte, wurde das Verkehrsressort in keiner Weise hellhörig. Nächster Punkt: Die Möglichkeit, im letzten Jahr wenigstens die Nord-Süd-Strecke auszuschreiben und etwas Druck auf die S-Bahn auszuüben, hat Frau Junge-Reyer nicht genutzt, sondern wieder nur ihr übliches S-Bahnkuscheln gespielt. Und nun, in diesen dramatischen Wochen, haben Sie nur auf Schmusekurs mit der Bahn gesetzt. Von einer Vertragskündigung und Neuverhandlung dieser Nichtvertragserfüllung wollten und wollen Sie bis heute nichts wissen. Es ist ein Skandal sondergleichen, dass Sie das entscheidende Druckmittel einfach nicht nutzen wollen, Frau Senatorin! So kann man mit uns nicht umgehen.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP – Zuruf von Uwe Doering (Linksfraktion)]

Es ist nett, dass Sie inzwischen, nachdem die Opposition ständig drängt, zum ersten Mal ganz zart das Wort „Nachverhandlungen“ in den Mund nehmen,

[Zuruf von Uwe Doering (Linksfraktion) – Jutta Matuschek (Linksfraktion): So ein Quatsch!]

aber wir konnten heute in der „taz“ lesen, was für die Senatorin im Zentrum steht. Ihre Sprecherin hat heute erklärt, die Bahn „habe kein Interesse daran, dass wir den Vertrag neu ausschreiben.“ Genau das ist das Problem: Sie machen sich immer um die Interessen der Bahn Sorgen statt um die Interessen der Bürger und Bürgerinnen und die Situation in dieser Stadt. Das ist skandalös, Frau Senatorin!

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Ich kann wirklich nur sagen: So ein lasches Handeln bei so einem Super-GAU, da können wir uns diese Regierung wirklich abschminken und schenken. Das darf nicht wahr sein. Das ist beschämend für diese Hauptstadt, dass wir eine Nichthandlungsregierung haben, statt dass hier endlich zugepackt wird.