An anderer Stelle sagt er: „Dieser Entwurf ist handwerklich miserabel gemacht.“ Nun kommen Sie und sagen, der Senat möge doch bitte schön dieser Verfassungsänderung zustimmen, genau dem Entwurf, der von Ihren Experten in der Anhörung im Hauptausschuss zerpflückt worden ist. Das wird der Senat nicht tun, der Senat wird morgen im Bundesrat seine Zustimmung zur Schuldenbremse verweigern, und ich sage, das ist gut und richtig so.
Nun wird die Verfassungsänderung trotzdem die erforderliche Mehrheit bekommen, das Thema wird uns also erhalten bleiben. Wir werden viel darüber zu diskutieren haben, ob und in welcher Form auch Anpassungen unserer Landesverfassung notwendig sind. Wir werden auch viel darüber zu diskutieren haben, was es mit dieser Verwaltungsvereinbarung auf sich hat, die Umsetzung von Artikel 143d des Grundgesetzes. Viele haben noch gar nicht richtig durchschaut, was da auf uns zukommt. Man kann den Eindruck haben, dass der Sparkommissar durch die Hintertür über diesen Verfassungsartikel eingeschleust wird. Es kann sich durchaus erweisen, dass sich diese Konsolidierungshilfen als ein Danaergeschenk präsentieren, wenn man sämtliche Verpflichtungen betrachtet, die damit zusammenhängen.
Wir werden morgen im Bundesrat wahrscheinlich nur eine kleine Minderheit sein, die gegen diese Schuldenbremse stimmt. Auf lange Sicht wird es sich erweisen, dass unsere Kritik an der Schuldenbremse richtig und notwendig ist. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Thärichen! – Für eine Kurzintervention erhält Herr Abgeordneter Schruoffeneger das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Thärichen! Weil Sie im ersten Teil Ihrer Rede Ihren Umgang mit den Bezirken so gelobt haben, muss man dazu doch noch drei Sätze sagen.
Da gab es einen Antrag der CDU-Fraktion, den man so finden konnte oder auch so, dann kommt er aus der Koalitionsberatung zurück, und plötzlich steht ein Absatz zum politischen Bezirksamt darunter. Das, was bei Ihnen stattgefunden hat, erinnert mich sehr an einen Stadtteil im Abstieg: Der ehemalige Juwelier geht raus, und die Ramschläden ziehen ein. Die hochpreisige Ware wird auf den Schnäppchenmarkt feilgeboten. – Ich hätte mir vor wenigen Wochen noch nicht denken können, dass die PDS Teile ihres Programms für 8 Millionen Euro mehr in einem solchen Paket verramscht.
Ich finde Sie als SPD-Fraktion, Herr Thärichen, sehr inkonsequent. So, wie Sie verhandelt haben, ohne an der Sache zu sein, nur auf dem Basar und im Basarstil, hätten Sie weitergehen können. Sie hätten noch 5 Millionen Euro draufpacken können, dann hätten Sie der Föderalismusstruktur zustimmen können. Sie hätten noch einmal 10 Millionen Euro draufpacken können, dann hätten Sie vielleicht dem Lissabon-Vertrag zustimmen können, und Sie hätten Ihren Regierenden Bürgermeister nicht in der ganzen Republik der Lächerlichkeit preisgegeben. Das wäre alles in diesem Stil verhandelbar gewesen, und die Bezirke hätten auch etwas davon gehabt.
In der Sache haben Sie überhaupt nichts geregelt. Sie haben ein paar Millionen draufgepackt, aber Sie haben die Strukturen völlig zerstört. Sie haben die Altschuldenfrage nicht geregelt, sondern ein Moratorium für zwei Jahre eingeführt, frei in dem Sinne: Soll das doch die nächste Regierung 2012 regeln!
Sie haben sich nicht an unsere Systematik Produkte und Produktzuweisung gehalten, sondern nach einem völlig undurchschaubaren Stil einfach Summen gehandelt. Niemand weiß, warum. Es gibt endgültig keine Transparenz
mehr. Letztendlich haben Sie in diesem Verfahren den Bezirken nicht wirklich geholfen. Sie haben für ein Jahr eine halbwegs erträgliche Summe geschaffen, aber Sie haben die Bezirksfinanzierung insgesamt noch unklarer, noch unstrukturierter und noch mehr zur Verhandlungssache zwischen der Koalition gemacht und nicht zu sachgerechten Entscheidungen gebracht.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Schruoffeneger! – Herr Abgeordneter Dr. Thärichen! Möchten Sie antworten? – Das ist nicht der Fall. Dann hätte die Fraktion der Grünen noch eine Minute, aber das war wahrscheinlich schon der Redebeitrag.
Keine Pöbelei, Frau Präsidentin, und meine Damen und Herren, sondern einfach nur eine schlichte Feststellung. – Nach dem Beitrag, den Sie eben gehalten haben, Herr Thärichen, sollten Sie Ihren Antrag eigentlich zurückziehen, denn er ist völlig gegenstandslos geworden. Der Senat wird das morgen so nicht handhaben, sondern er wird scheinbar das, was ich anbieten wollte, einfach machen. Er wird nicht zustimmen, und alles Weitere wird man ihn nicht fragen. Enthaltungen oder Gegenstimmen – egal, und am Ende sind die Fakten so, wie sie sind. An denen haben Sie jetzt auch herumgerätselt. Die sind nämlich so, wie es der Finanzsenator meiner Ansicht nach gestern richtig gesagt hat: Das Grundgesetz gilt auch in der deutschen Hauptstadt, in Berlin. Da können Sie diese Konföderiertenfahne – ungefähr: Berlin tritt aus der Bundesrepublik Deutschland aus – getrost einziehen und müssen sich damit abfinden, womit ich mich auch abfinde – mal unter politikerfahrenen Leuten gesprochen – , –
dass Entscheidungen, die das gesamte föderale Gefüge der Bundesrepublik Deutschland betreffen, zu den schwierigsten Aufgaben unter der Sonne gehören und dass dabei am Ende nie die reine Lehre herauskommt, weswegen ich die Wissenschaftler verstehe, wenn sie weiter Kritik an Details aufrechterhalten.
Aber wir sind in der Politik, und wir wissen: Zweidrittelmehrheiten sind nicht leicht herzustellen, und die Regelungen sind nicht immer glatt.
Herr Esser! Sie strapazieren unsere Geduld hier vorn sehr. Wir werden uns das merken. – Jetzt hat der Herr Abgeordnete Liebich für die Linksfraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Weil jetzt mehrfach gefragt wurde, was dieser Antrag eigentlich solle, wo sich der Senat doch schon entschieden habe: Es geht uns nicht um die Senatorinnen und Senatoren. Wir wissen, wie der Senat im Bundesrat entscheiden wird. Die Entscheidung ist klar. Es geht uns um Sie! Wir möchten gern wissen, wie Bündnis 90/Die Grünen, wie die FDP und wie die CDU hier im Berliner Abgeordnetenhaus das Ergebnis der Föderalismuskommission bewerten.
Ich finde, dass das legitim ist. Wir haben, als die Beratungen begannen, hier im Abgeordnetenhaus darüber geredet. Wir haben einen Beschluss gefasst, und zwar damals mit rot-rot-grüner Mehrheit, was wir erwarten, was bei dieser Föderalismuskommission herauskommen soll, und da wird man am Schluss das Ergebnis bewerten können. Unsere Einschätzung – Linksfraktion und SPD – ist völlig klar, sie liegt Ihnen vor. Wir meinen, dass man diesem Ergebnis nicht zustimmen kann. Wir wollen aber gern wissen, wie Sie das sehen, Bündnis 90/Die Grünen: Sie haben am Anfang Erwartungen formuliert. Mich würde interessieren, ob Bündnis 90/Die Grünen der Meinung ist, dass die Erwartungen, die sie formuliert haben, bestätigt wurden. Ich bin sehr gespannt!
Natürlich muss man sich das Ergebnis auf der Bundesebene anschauen. Der Kollege Thärichen hat hier schon deutlich gemacht, dass es innerhalb der Sozialdemokratie dazu unterschiedliche Auffassungen gibt. Angestiftet von der FDP, vorangetrieben durch die CDU/CSU, nur mäßig gebremst durch die Sozialdemokratie und weiter vorangetrieben durch Bündnis 90/Die Grünen ist jetzt ein Ergebnis herausgekommen, das aus meiner Sicht ein Kuriosum ist. Das gibt es weltweit so nirgends. Die Bundesrepublik Deutschland setzt sich in der Zeit größter Verschuldung selbst eine Schuldenbremse, versieht sie gleichzeitig mit vielen Hintertüren, und das wird dann ungefragt – wenn auch nicht unwidersprochen – den Ländern aufgedrückt. Dazu kann man nur Nein sagen!
Es wird uns immer unterstellt – weil wir dazu Nein sagen –, dass wir uns gern verschulden wollen. Diese Geschichte wird hier jedes Mal erzählt. Ich will dazu noch mal ganz klar sagen: Es ist nicht so, dass wir nicht auch sehen würden, dass eine wachsende Staatsverschuldung ein Riesenproblem wäre. Nur die Antwort, die Sie darauf geben, finden wir falsch.
Gegen Staatsverschuldung muss man Haushaltskonsolidierung setzten und nicht irgendwelche absurden Verfassungsregeln. Deshalb bleiben wir bei der Position, dass die allerbeste Schuldenbremse eine steuergerechte Politik wäre. Dazu gehört es, dass die Einnahmen erhöht werden.
Entschuldigung, Herr Abgeordneter Liebich! Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten EichstädtBohlig?
Herr Kollege Liebich! Wissen Sie, dass schon jetzt eine Schuldenbremse in unserer Verfassung steht, nämlich dass die Schulden nicht höher sein dürfen als die Investitionen, die getätigt werden? Wissen Sie überhaupt, dass unsere Verfassung das vorsieht?
Ich bedanke mich recht herzlich für die Information! Wer in den letzten Jahren im Abgeordnetenhaus gewesen ist, dem dürfte nicht entgangen sein, dass es so eine Regel gibt, wie übrigens in vielen Bundesländern und auch auf Bundesebene. Wissen Sie, was in vielen Bundesländern und auf Bundesebene passiert ist? – Man hat festgestellt, dass sich diese Regel interpretieren lässt. Nun kommen die Schlaumeier von Bündnis 90/Die Grünen und denken sich: Oh! Da machen wir eine ganz neue Regel, die so strikt ist, dass sie sich keinesfalls interpretieren lässt. – Die gibt es aber nicht. Selbstverständlich ist auch in dieser neuen Schuldenbremse Interpretierbarkeit vorgesehen, sodass das politische Problem, Frau Eichstädt-Bohlig, ob man Schulden machen oder abbauen will, beantwortet werden muss. Da können Sie Regeln aufstellen, solange Sie wollen.
Mich wundert, dass ausgerechnet Bündnis 90/Die Grünen die Partei ist, die jetzt in allen Bundesländern dafür kämpft. Es ist ein Kuriosum, dass es Länder sind wie das
rot-rot regierte Berlin – okay, da können Sie sagen: Die Linke blockiert das alles – und nicht etwa Bremen oder Hamburg ist, die sagen: Wir hätten da vielleicht noch das eine oder andere Bedenken. – Nein! Sie finden das richtig.
Herr Goetze! Weil Sie hier über Solidarität klagen, was die anderen Länder so machen, will ich Ihnen sagen, dass Schleswig-Holstein mit Herrn Carstensen und Mecklenburg-Vorpommern, wo die CDU mit regiert, genauso wie das Land Berlin ihre Bedenken zum Vortrag bringen und genauso wie das Land Berlin im Bundesrat nicht zustimmen werden. Leider sind es zu wenig Bundesländer! Diese ganze Föderalismuskommission auf Bundesebene war ein einziges Trauerspiel.
Letztlich hat die große Koalition versucht, dort einmal Handlungsfähigkeit zu beweisen. Sie haben gesagt: Wir haben hier eine grandiose Mehrheit, die wir endlich einmal in einer ordentlichen Verfassungsänderung umsetzen wollen. – Die Verfassungsänderung selbst ist so absurd, dass Ihr Bundestagspräsident, Herr Lammert, völlig nachvollziehbar gesagt hat: Ich stimme dem nicht zu! – Das sollte Ihnen auch einmal zu denken geben: Der Bundestagspräsident, CDU-Mitglied, stimmt dem nicht zu. – Aber die CDU hier in Berlin sagt: Alles egal! Der rot-rote Senat muss zustimmen, koste es, was es wolle! – Ich finde, dass es richtig ist, dass dieses Trauerspiel jetzt beendet wurde, und dem Ergebnis sollte man auf keinen Fall zustimmen.