Protocol of the Session on June 11, 2009

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Wir haben Fakten, wir haben den Sozialstrukturatlas, wir haben das Integrationsmonitoring,

[Zuruf von Emine Demirbüken-Wegner (CDU)]

wir haben ein Integrationskonzept, wir haben jüngst einen Bericht der Integrationsbeauftragten erhalten. Was Sie brauchen, ist eine Strategie Ihrer Partei, wie Sie in Zukunft mit dem Thema Integration umgehen wollen, aber wir brauchen keine weiteren Zahlen und Berichte. Das ist eine Sache, die am Ende wenig wirkt. Gehen Sie einfach auf die Sache ein, und steuern Sie am besten ein Stück weit zum Umdenken in Ihrer Partei bei, was das Thema Integration betrifft. Denn bei Ihnen wird das Thema stiefmütterlich und wenig produktiv geführt.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion] hörde auf, weitere psychische Erkrankungen von Migran

Der SPD geht es in erster Linie nicht nur um eine Verbesserung der Lebenssituation der Menschen, sondern auch um eine Verbesserung der Lebenschancen. Wir wollen Menschen, Migrantinnen und Migranten, fit für die Zukunft machen.

Noch etwas möchte ich zu Ihren Forderungen nach Fakten und Zahlen sagen: In der letzten Sitzung des Integrationsausschusses haben Sie ein Verhalten gezeigt, das erstaunlich war. Wir haben über „Ausbildung in Sicht“ geredet, ein Erfolgsmodell für Berlin, in dem junge Migrantinnen und Migranten, eine Zielgruppe, die häufig doppelt und dreifach benachteiligt ist, fit für die Ausbildung gemacht werden.

Herr Saleh! Entschuldigung! Ich muss Sie schon wieder unterbrechen. Gestatten Sie eine Zwischenfrage von der Frau Abgeordneten Kosche?

Nein! –

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Und dann haben Sie gesagt: Das brauchen wir nicht. Machen Sie, bevor Sie nach Zahlen und Fakten rufen, die Augen auf und schauen Sie nach, wo heute der Bedarf ist. „Ausbildung in Sicht“ wollten Sie ablehnen. Derjenige, der solch ein Programm ablehnt, kann nicht zeitgleich einen neuen Bericht verlangen, in dem noch mehr Zahlen zur Situation von Migrantinnen und Migranten geliefert werden.

[Michael Dietmann (CDU): Sehr logisch, die Argumentation!]

Am Anfang habe ich zu Ihnen gesagt: Wissen Sie, was Sie machen sollten? – Sie sollten sich mit dem Thema Integration ehrlicher beschäftigen, auch die vorhandenen Zahlen kritisch analysieren. Und das ist mein Appell an Sie: Fordern Sie nicht, sondern handeln Sie! Und vor allem: Steuern Sie innerhalb Ihrer Partei bei, dass das Thema Integration in Zukunft positiv besetzt und nicht nur ein Problemthema ist. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Heidi Kosche (Grüne): Wer regiert denn hier?]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Saleh! – Für die CDUFraktion hat jetzt der Abgeordnete Wansner das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Saleh! Ihren Redebeitrag konnte man, wenn ich ehrlich bin, nicht verstehen, weil Sie komplett an der Sache vorbeigegangen sind, die wir eigentlich gemeinsam diskutieren wollten. Es stellt sich bei Ihnen die Frage: Welche Beiträge brin

gen Sie denn im Integrationsausschuss? – Ich habe Sie dort bis heute noch nicht ernsthaft wahrgenommen. Ich habe bei Ihnen auch das Gefühl, dass Sie es nicht richtig verstehen: Integration ist eigentlich eine der wichtigsten Aufgaben in Deutschland und eine der wichtigsten Aufgaben in dieser Stadt. Dass Ihr Senat hierbei absolut versagt, ist eine der größten Tragödien, die wir haben.

[Beifall bei der CDU]

Sie sollten von der Bundesregierung und von der Bundeskanzlerin lernen, die dieses Problem zur Chefsache erklärt hat und voller Leidenschaft dabei ist, die Probleme zu lösen und die Integration in Deutschland voranzutreiben. Die Perspektive insbesondere hier in Deutschland von Migranten, die gerade in dieser Stadt der Arbeitslosigkeit in Quartiere zurückgesteckt werden und nicht am Leben in dieser Stadt teilnehmen, ist eine Zukunftsaufgabe. Das ist Ihr Problem. Versuchen Sie nicht immer, es auf die CDU abzuwälzen! Wenn wir an die Regierung kommen werden – so lang ist die Zeit nicht mehr –, wird das der Punkt sein, mit dem wir uns massiv beschäftigen werden.

Zu unserem Antrag, umgehend einen Berliner Lebenslagenbericht mit Schwerpunkt Migration vorzulegen: Damit wollen wir erreichen, dass wir endlich aktuelle bzw. realistische Zahlen zur Lebenssituation von Menschen mit Migrationshintergrund in unserer Stadt erhalten. Übrigens hat uns die Senatorin Knake-Werner bereits Anfang 2008 in einer Sitzung des Integrationsausschusses diese Zahlen versprochen. Wir sollten bis zum Ende des Jahres 2008 einen aktuellen Lebenslagenbericht bekommen. Dieses Versprechen hat sie bis heute nicht eingelöst, obwohl wir diese Angaben dringend benötigen. Wir haben sie – auch das wissen Sie, wenn Sie im Integrationsausschuss zugehört haben – mehrmals dazu aufgefordert.

Gleichzeitig kritisiert die zuständige Senatorin jedoch, dass die Diskussion über die vor einiger Zeit vorgestellte Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung zur Integration von Menschen mit Migrationshintergrund auf Daten von 2005 aufbaut. Das heißt, sie beschuldigt diejenigen, die sich damit beschäftigen und vernünftige Zahlen erarbeiten wollen, damit, dass wir von ihr diese Zahlen nicht bekommen. Deshalb ist dieser Antrag, wie wir ihn gestellt haben, dringend notwendig.

Herr Saleh! Am 7. Mai haben wir im Integrationsausschuss auch über die Anträge der SPD und der Linksfraktion „Praktische Integration und Verknüpfung der Maßnahmen der Sprachförderung und beruflichen Qualifizierung für Migrantinnen und Migranten verbessern“ diskutiert. Ich hätte mich gefreut, wenn wir heute darüber diskutiert hätten. Aber Sie haben diese beiden Anträge zurückgezogen.

[Christian Gaebler (SPD): Nein, wir haben sie abgestimmt!]

Das heißt, Sie haben Anträge zurückgezogen, um hier mit uns zu diskutieren. Wir haben diesen Anträgen im Ausschuss zugestimmt, weil sie für uns Selbstverständlichkeiten enthalten.

Zu dem Antrag der Grünen „Chancengleichheit – auch bei der psychosozialen Versorgung von Migrantinnen und Migranten“ ist eine Diskussion im Ausschuss dringend erforderlich. Wir müssen uns mit Fachleuten darüber unterhalten, ob die in ihrem Antrag formulierten Forderungen notwendig sind. Wenn wir das in der Debatte bestätigt bekommen, werden wir uns den Vorschlägen nicht verweigern, weil in der CDU diese Themen immer im Mittelpunkt des Geschehens stehen. Sie haben als Grüne, was mich enttäuscht, unserem Antrag nicht zugestimmt. Wenn Sie sich Ihren eigenen Antrag ansehen, lesen Sie in der Begründung:

Das medizinische Versorgungssystem hat sich ungenügend auf die stetig wachsende Zahl von Migrantinnen und Migranten als Patienten eingestellt. Aufgrund der bisherigen Datenlage ist es kaum möglich, bezüglich der Gesundheit von Berlinerinnen und Berlinern mit Migrationshintergrund Aussagen zu treffen.

Deshalb kommt das, was wir fordern, Ihrem Antrag sehr nah.

Herr Wansner! Wenn Sie bitte zum Schluss kommen würden!

Ich kann Sie deshalb nur auffordern, diesem Antrag der CDU zuzustimmen, weil wir ein gemeinsames Anliegen haben. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Wansner! – Für die Linksfraktion ist der Herr Abgeordnete Albers bereits unterwegs und hat jetzt das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Herr Wansner! Integration ist wichtig. Aber vielleicht haben Sie dann auch die Bereitschaft, der geneigten Öffentlichkeit zu erklären, warum die CDU-geführten Bezirke Spandau und Reinickendorf bis heute keine Integrationsbeauftragten benannt haben

[Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und den Grünen]

und warum es der Bezirk Reinickendorf nicht fertig gebracht hat, für den Umsetzungsbericht zum Integrationskonzept II auch nur ein einziges Datum zu liefern. Sprechen Sie mit Ihren Parteikollegen, damit Sie die Daten, die Sie hier einfordern von denen entsprechend bekommen.

[Beifall bei der Linksfraktion – Beifall von Anja Hertel (SPD)]

Das Interkulturelle Frauenzentrum S.U.S.I. hat im Dezember 2008 eine Berliner Erklärung zur Notlage bei der psychologischen und psychotherapeutischen Versorgung von Menschen mit Migrations- und Fluchthintergrund veröffentlicht, die auf den Sonnenberger Leitlinien zur Integration von Migranten in Psychiatrie und Psychotherapie von 2002 basiert. Darin wird bemängelt, dass in Berlin eine ausreichende und qualitativ gesicherte gesundheitliche Versorgung im Bereich der psychologischen Beratung und psychotherapeutischen Versorgung, wie sie die Verfasser der Sonnenberger Leitlinien fordern, nicht gewährleistet sei. Vor allem für sozial und ökonomisch benachteiligte Kinder und Erwachsene mit Migrations- und Fluchthintergrund stehe eine wirkungsvolle, das heißt migrantenspezifische und gendersensible Beratung und Psychotherapie in Berlin grundsätzlich nicht oder nur unzureichend zur Verfügung. Der Anteil der Einwohnerinnen und Einwohner Berlins, die nicht über die deutsche Staatsbürgerschaft verfügen oder einen Migrationshintergrund haben, wächst stetig. 40 Prozent aller Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren in Berlin haben heute schon einen solchen Migrationshintergrund. Insofern sprechen wir, wenn wir über Migration und Einwanderung in Berlin sprechen, keineswegs über die Probleme einer zu vernachlässigenden gesellschaftlichen Minderheit.

Obwohl das Land Berlin über ein sehr gutes Versorgungsangebot für psychotherapeutische Leistungen verfügt und auch bezogen auf die spezielle Problematik der transkulturellen Psychiatrie und Psychotherapie teilweise in der Bundesrepublik eine Vorreiterrolle einnimmt – ich verweise auf die Arbeit des Zentrums für interkulturelle Psychiatrie und Psychotherapie an der Charité und die beiden ebenfalls an der Charité angesiedelten Spezialambulanzen zur Versorgung von Migranten –, sind Probleme bei der psychotherapeutischen Behandlung von Migrantinnen und Migranten nicht zu leugnen. Diese Probleme sind vielgestaltig: Sprachbarrieren, fehlende Aufklärung und Unkenntnis über Angebote und Funktionsweise unseres Gesundheitssystems, aber auch ein anderer, kulturell bedingter Umgang mit Krankheit. Ein weiterer Aspekt dieser Problemlage ist der, dass von den 1 419 niedergelassenen psychologischen Psychotherapeuten mit Kassenzulassung nur 142 über Sprachkenntnisse der größten Einwanderergruppen Berlins verfügen.

Entschuldigung, Herr Albers! Gestatten Sie ein Zwischenfrage?

Nein! Sie soll eine Kurzintervention machen. – So finden Sie im „Psych-Info“ der Psychotherapeutenkammer im Internet ganze fünf Arabisch und drei Bosnisch sprechende Therapeuten, ein einziger Therapeut spricht Suaheli, immerhin 11 Russisch und 15 Türkisch. Von den 375 psychologischen Psychotherapeutinnen und -therapeuten, die in Berlin zwischen 2002 und 2006 eine Approbation

erhalten haben, waren nur acht Ausländer. Im selben Zeitraum erhielten 187 psychologische Psychotherapeuten eine Berufserlaubnis, darunter war niemand mit einem ausländischen Pass. Für die Zukunft des Berliner Gesundheitswesens, aber auch für das Teilsystem der psychotherapeutischen Versorgung erscheint eine weitere Öffnung zur Interkulturalität deshalb zwingend erforderlich. So macht auch die Forderung nach einer Förderung von Sonderbedarfszulassungen für muttersprachliche Psychotherapeutinnen und -therapeuten einen Sinn, allerdings stößt das nach zwei Urteilen des Bundessozialgerichts von 2007 und 2008 auf erhebliche rechtliche Probleme, weil sich ein Versorgungsdefizit, das durch eine Sonderbedarfszulassung oder Ermächtigung zu beheben wäre, immer nur auf medizinisch-fachliche Kriterien beziehen darf. Hierzu zählen nach Auffassung des Bundessozialgerichts Sprachkenntnisse nicht. Das ist eine paradoxe und gesundheitspolitisch unhaltbare Situation, für die wir gemeinsam mit der Psychotherapeutenkammer, der Kassenärztlichen Vereinigung und natürlich den Kostenträgern eine Berliner Lösung finden müssen. Wir werden darüber im Ausschuss diskutieren und sollten uns dazu Experten mit Alltagserfahrung in dieser Problematik einladen, um kritisch zu objektivieren: Wo stehen wir bei der psychotherapeutischen Versorgung von Migrantinnen und Migranten in dieser Stadt, und welche der Forderungen aus Ihrem Antrag sind sinnvoll und welche nicht. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Albers! – Das Wort für eine Kurzintervention hat jetzt Frau Abgeordnete Bayram.

Ich möchte wirklich nur ganz kurz sprechen. – Herr Albers, Sie haben lange ausgeführt, wie die Situation aussieht. Sie haben versäumt zu sagen, dass Migrantinnen und Migranten zum Teil bis zu zwei Jahre auf einen Therapieplatz warten müssen, haben aber sonst viel Zutreffendes dargestellt. Sie haben gesagt, wir arbeiten doch schon seit Jahren daran. Meine Geduld ist aber am Ende. Die Menschen benötigen diese Unterstützung. Konkrete Vorschläge liegen meines Wissens aber nicht auf dem Tisch. Deshalb gehe ich sowohl nach Ihrem Wortbeitrag als auch dem des Kollegen Wansner davon aus, dass Sie im Ausschuss unserem Antrag zustimmen werden. Darauf freue ich mich.

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Frau Bayram! – Wollen Sie erwidern? – Nein. Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Lehmann das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Nach langen Jahren der integrationspolitischen Stagnation, in denen viele politische Akteure immer noch mit der überholten Vorstellung agierten, die Einwanderinnen und Einwanderer würden eines Tages wieder zurück in ihre Heimat gehen, besteht inzwischen Einigkeit, dass dem nicht so ist, sondern dass die Einwanderinnen und Einwanderer integraler Bestandteil unserer Gesellschaft sind.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Volker Ratzmann (Grüne) und Ramona Pop (Grüne)]

Wir sind uns einig darüber, dass wir die Einwanderinnen und Einwanderer, gerade diejenigen, die gut ausgebildet sind, brauchen, um den demografischen und sozialen Herausforderungen begegnen und unseren ökonomischen Wohlstand auch künftig sichern zu können.

[Beifall bei der FDP]

Leider haben wir noch ein gutes Stück Weg vor uns, bis wir das Potenzial unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger mit Migrationshintergrund auch voll ausschöpfen können. Dass wir noch nicht so weit sind, liegt mit Sicherheit auch an der Politik der letzten Jahrzehnte, die entweder davon ausging, dass Deutschland kein Einwanderungsland ist, oder einer Politik, die Einwanderung förderte, ohne den Menschen Integration abzufordern.

[Beifall bei der FDP]