Protocol of the Session on May 28, 2009

Ich möchte noch etwas zu Herrn Meyer sagen. Herr Meyer! Sie hatten gefragt, wie das jetzt mit dem Planfeststellungsverfahren und dem StEP Verkehr ist, sodass man sich dahinter versteckt. Darum geht es gar nicht. Der Stadtentwicklungsplan Verkehr ist im Jahr 2003 beschlossen worden und gilt natürlich aus unserer Sicht. Es läuft nur in diesem Jahr der Prozess der Fortschreibung des Stadtentwicklungsplans Verkehr. Dazu gibt es Gespräche am Runden Tisch. Es gibt den wissenschaftlichen Beirat. Das ist genau die Chance, so wie auch andere Dinge überprüft werden, zu überprüfen, ob die Planung für den Autobahnabschnitt noch zeitgemäß und sachgerecht ist: Gibt es andere Möglichkeiten, die Ziele der Verkehrspolitik, die wir formuliert haben, auch mit anderen Maßnahmen zu erreichen.

Auch die Abwägung, ob andere Straßenprojekte, auf die zugunsten der A 100 verzichtet worden ist, wirksamer sind und ob diese möglicherweise realisiert werden sollten. Ich bin gespannt darauf, was andere Fraktionen in diesem Haus zu diesen anderen Straßenprojekten sagen, die wieder auf den Prüfstand kommen müssen, ob man sie nicht doch realisiert. Genau diesen Prozess muss man verkehrsplanerisch vernünftig gestalten. Das ist auch kein Verstecken.

Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki

Ich sage auch für meine Person ganz deutlich, dass ich die Bedenken, die mit dem Landesparteitagsbeschluss der SPD verbunden, sehr gut nachvollziehen kann. Wir dürfen es uns nur nicht so leicht machen zu sagen, wir machen es trotzdem, oder wir tun es nicht. Wir sollten im Rahmen eines Gesamtkonzepts erläutern, dass wir es so oder so machen. Das ist kein Verstecken, sondern ein sachgerechter Weg. – Vielen Dank!

Vielen Dank, Herr Gaebler! – Jetzt darf Herr Meyer noch einmal antworten und hat dazu die Gelegenheit. – Bitte!

Herr Gaebler! So, wie Sie es jetzt dargelegt haben, kann ich es ein Stück weit nachvollziehen. Andererseits hatten Sie Anfang der Woche diverse Presseverlautbarungen, in denen Sie sich auf das Planfeststellungsverfahren als solches bezogen haben. Es wäre in der Tat gut, wenn Sie dies in nächster Zukunft nicht mehr auf das Planfeststellungsverfahren beziehen, sondern auf eine Weiterentwicklung des StEP.

Aber auch da sind Sie natürlich die Antwort schuldig geblieben, ob Sie bereit sind, 400 Millionen Euro an Bundesmitteln, die jetzt in der Planung enthalten sind, aufzugeben. Da gilt die Argumentation ein wenig wie bei Frau Eichstädt-Bohlig. Sie müssen dann so ehrlich sein und sagen, wo das Geld auch für Alternativprojekte herkommen soll. Das halte ich gerade, wenn man auf der anderen Seite die Verlautbarungen auch Ihres Finanzsenators hört und wenn man sich die aktuelle Finanzsituation des Landes Berlin anschaut, für eine Placebo-Politik, wenn Sie uns hier suggerieren wollen, dass Sie ein Volumen von 400 Millionen Euro durch Alternativplanungen stemmen können. Deswegen seien Sie bitte offen und ehrlich in der Auseinandersetzung im Haus!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Meyer! – Für den Senat hat jetzt die Senatorin für Stadtentwicklung, Frau Ingeborg Junge-Reyer, das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich gleich mit Ihnen beginnen, Frau Eichstädt-Bohlig! Ich hatte nach der Anhörung im Ausschuss für Stadtentwicklung und auch nach dem Beginn Ihrer Rede den Eindruck, als ob gerade wir beide Argumente miteinander austauschen könnten. Ich muss Ihnen allerdings sagen, dass Sie Ihre Rede mit einer Bemerkung zur Wahlkampfstrategie schließen, hat mich sehr enttäuscht. Eine ärmliche Argumentation, wenn man sich zum Schluss auf so etwas zurückziehen muss!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Ich werde deshalb, und nicht nur deshalb – auch wenn Sie es vielleicht nicht hören können – immer sagen, dass es darauf ankommt, Verkehrspolitik als Stadtentwicklungspolitik zu gestalten, die die lebendige, gesunde Stadt will, die eine Stadt von hoher Lebensqualität will. Ich dulde nicht, dass Sie den Begriff der hohen Lebensqualität als unser gemeinsames Ziel für Berlin auf eine Weise lächerlich machen, von der ich glaube, dass es nicht angemessen ist, so mit politischen Zielen umzugehen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf von Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne)]

Dennoch müssen wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Ziele immer wieder überprüfen. Aber Sie werden festgestellt haben – auch in der Anhörung –, dass moderne Verkehrsplanung schon lange nicht mehr angebots- oder nachfrageorientierte Politik ist. Da geht es nicht darum – wie Herr Meyer es gefordert hat; da widerspreche ich Ihnen gleich –, darauf zu setzen, dass Autofahrerinnen und Autofahrer die freie Fahrt wollen. Nein, wir müssen zielgerichtete Planung betreiben, und wir müssen mit dieser zielgerichteten Planung eine Gesamtstrategie verfolgen, so wie Herr Gaebler es zutreffend dargestellt hat. Das bedeutet, dass wir mit einer Gesamtstrategie, die wir im Stadtentwicklungsplan Verkehr definiert hatten, einen starken öffentlichen Personennahverkehr, den Ausbau der Radwege, die Parkraumbewirtschaftung, die Weiterführung der Straßenbahnplanung und das Ziel verfolgen, weniger Kraftfahrzeugverkehr in der Innenstadt zu haben. In diesem Gesamtkonzept ist allerdings schon im Stadtentwicklungsplan Verkehr beschrieben, dass die Weiterführung der A 100 ein konsequenter Schritt ist, um Stadtverkehre vom Durchgangsverkehr zu entlasten. Es geht deshalb nicht um die isolierte Fragestellung, ob wir eine Autobahnverlängerung – ja oder nein? – wollen, sondern es geht um die grundsätzliche Frage der Bedeutung der Gestaltung von Mobilität in der Stadt, und zwar um die grundsätzliche Frage der Gestaltung von Mobilität unter dem Ziel und unter der Strategie, gesunde Lebensbedingungen in der Stadt zu gestalten.

Berlins Verkehrsnetz ist auch 20 Jahre nach dem Fall der Mauer nicht mit dem anderer Städte vergleichbar. Zur Besonderheit Berlins gehört, dass dort, wo die Mauer die Stadt geteilt hat, die Verkehrsnetze immer noch nicht richtig zueinander passen. Das benachteiligt vor allen Dingen die östlichen Bezirke. Weil direkte Verbindungen fehlen, muss sich der Kraftfahrzeugverkehr auf den Radialen in die Innenstadt Umwege suchen. Es entsteht belastender, unnötiger Verkehr, eine übermäßige Belastung vieler tausend Menschen in Wohnquartieren in NordNeukölln, in Friedrichshain und in Treptow. Der Verkehr findet praktisch am falschen Ort und auf Umwegen statt.

Im westlichen Teil der Stadt haben wir mit dem Halbring der A 100 erreicht, dass es eine Entlastung von Wohnquartieren gibt.

Christian Gaebler

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Klaus-Peter von Lüdeke (FDP): Jawohl!]

Was wäre denn täglich in Reinickendorf, in Charlottenburg, in Tempelhof und auf den Stadtstraßen in Wilmersdorf Richtung Neukölln zu erleben, wenn es eine solche Entlastung durch die vorhandene A 100 nicht gäbe?

[Beifall bei der FDP]

Selbstverständlich haben wir mit der Planfeststellung nicht begonnen, ohne Voruntersuchungen durchzuführen. Eine solche Voruntersuchung hat im Ergebnis gebracht, dass 60 000 Menschen entlastet werden, weil die Autobahn den Verkehr auf sich zieht und ihn bündelt. Außerdem schafft eine Verlängerung der A 100 gerade zusätzlichen Raum, wie er hier gefordert worden ist, für Busverkehr, für Radverkehr, für Fußgängerverkehr.

Eine Entlastung der Quartiersstraßen kann dann stattfinden, wenn der Durchgangsverkehr herausgenommen wird. Das ist zum Beispiel da möglich, wo wir am Rande der A 113 jetzt mit solchen entlastenden Maßnahmen in Neukölln beginnen. Wir werden Fahrstreifen reduzieren, wir werden dort, wo wir Raum gewinnen, die Nutzung für Busse, für Radfahrer und für Fußgänger frei machen. Und wir bereiten so zum Beispiel auf der langen Strecke Schnellerstraße – Adlergestell, aber auch an anderer Stelle, wie etwa in der Karl-Marx-Straße in Neukölln, solche vom Durchgangsverkehr entlasteten Straßen für eine Veränderung vor, die in der Wohnumgebung zu spüren sein wird.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Entschuldigen Sie, Frau Senatorin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Behrendt?

Frau Senatorin! Wenn Ihre Autobahnplanung so ein Knaller ist – wie erklären Sie sich dann, dass Ihnen der SPDParteitag in Ihrer Argumentation nicht gefolgt ist, sondern offensichtlich vom Gegenteil überzeugt ist?

Ich freue mich über eine intensive Diskussion. Ich darf Ihnen versichern, dass gerade die qualifizierte Auseinandersetzung auf einem Parteitag Politik stärkt und stützt, dabei Wege für eine Gesamtstrategie zu finden. Ich wünsche Ihnen selbst, dass Sie eine Partei hätten, die sich so mit Ihren Planungen auseinandersetzt.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Gelächter bei den Grünen]

Ich höre immer wieder den Einwand, die Autobahn lenke zusätzlichen Verkehr in die Innenstadt. Es ist in Wirklichkeit genau umgekehrt. Richtig ist, dass gerade die Maßnahmen, die wir schon ergriffen haben – Parkraumbewirtschaftung, Tempo 30, zusätzliche Radstreifen auf den großen Straßen –, den Straßenverkehr in der Innenstadt so entlasten, dass der Individualverkehr in der Innenstadt zurückgeht. Darauf können wir, weil wir hier eine Gesamtstrategie verfolgen, stolz sein.

Frau Senatorin! Ich muss Sie leider noch einmal unterbrechen. Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten von Lüdeke?

Ja, gerne!

Frau Senatorin! Sie sind so schnell über Ihren Landesparteitag hinweggegangen. Wie haben Sie es denn empfunden, dass gerade die Gegner dieser A 100 sich auf dem Parteitag hinter dem Abgeordneten Buchholz versammelt haben, der für die Umweltpolitik zuständig ist?

[Andreas Otto (Grüne): Wer ist das denn? – Christoph Meyer (FDP): Der Vorstadtrevoluzzer!]

Frau Vorsitzende! Gestatten Sie eine persönliche Erklärung?

Ja, bitte!

Ich liebe den Abgeordneten Buchholz nach wie vor.

[Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Lassen Sie uns eine solche Diskussion emotional führen, aber lassen Sie uns bitte auch wieder zu Argumenten zurückkommen! Ich glaube, dass der Austausch von Argumenten nach wie vor wichtig und entscheidend ist.

Es lohnt sich, die vorliegende Planung anzuschauen. Die Autobahn soll nach der Planung, die wir jetzt in einem Planfeststellungsverfahren genauer anschauen, entlang der Trasse des S-Bahnrings geführt werden. Natürlich wird die Auseinandersetzung um die Gestaltung der Zu

Bürgermeisterin Ingeborg Junge-Reyer

Zufahrten, um die Situation an der Elsenbrücke, die schon begonnen worden ist, in einem solchen Planfeststellungsverfahren im Rahmen der Einwendungen, im Rahmen der Stellungnahmen geprüft. Natürlich wird es erneute Verkehrssimulationen geben. Aber lassen Sie die Fachleute doch bitte tatsächlich den Nachweis erbringen! Dafür sind Planfeststellungsverfahren da, um sich mit Fragestellungen auseinanderzusetzen, die beantwortet werden müssen. Solche Antworten im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens zu geben, das ist sachgerecht und richtig, und an diese Stelle gehört auch die Überprüfung der Zahlen, gehört die Überprüfung der Frage, wie zusätzliche Verkehrsmengen durch ein Bündel verkehrsorganisatorischer Maßnahmen gelenkt werden können.

Lassen Sie mich noch ein paar Sätze zu der hier schon versuchten Umverteilung von Geld sagen. Liebe Frau Eichstädt-Bohlig! Liebe Frau Matuschek! Ich glaube, auch Frau Hämmerling ist darauf eingegangen oder weist immer wieder darauf hin: Seien Sie sich dessen bewusst, was sie im Deutschen Bundestag beschlossen haben. Der Bundesverkehrswegeplan ist ein Gesetz und er enthält ein Maßnahmenbündel, die Darstellung der Maßnahmen. Wie wird dieses Geld verteilt und zugeordnet? – Es wird zugeordnet, indem zunächst den Stadtstaaten für ihre großen Projekte eine Ausfinanzierung zur Verfügung gestellt wird, weil in den Stadtstaaten wenige Projekte vorhanden sind, die dann, wenn sie in die Planung aufgenommen worden sind, auch tatsächlich ausfinanziert werden müssen. Alle anderen großen Bundesländer, die Flächenstaaten, sind darauf angewiesen, dass ihnen nach Schlüsseln für die Maßnahmen Geld zur Verfügung steht, das nicht ausreichend ist. Deshalb sind die Bundesländer, die als Flächenstaaten einen großen Bedarf an der Gestaltung, insbesondere von Autobahnen oder Ortsumgehungen haben, in vielen Fällen schon dazu übergegangen, vorzufinanzieren in der Erwartung, dass sie irgendwann im Rahmen einer weiteren Beschlussfassung zusätzliche Mittel bekommen.

Frau Senatorin! Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage der Abgeordneten Eichstädt-Bohlig?

Danke schön! – Nachdem eben der Kollege Meyer schon Schwierigkeiten mit bundesrechtlichen Verfahren hatte, möchte ich Sie fragen, ob Ihnen bewusst ist, dass der Bundesverkehrswegeplan ein reiner Bedarfsplan ist, während die Entscheidung über die konkreten Maßnahmen erst nach dem Planfeststellungsverfahren und nach konkreter Beantragung quasi nach Erteilung einer Art Baugenehmigung in einem separaten Verfahren vom Deutschen Bundestag und vom Haushaltsausschuss im Haushaltsver

fahren überhaupt erst bewilligt wird, sodass das Bewilligungsverfahren nicht der Verkehrswegeplan, sondern der konkrete Maßnahmeplan darstellt. Ist Ihnen das bekannt? Und können Sie das dem Abgeordnetenhaus auch ins Bewusstsein bringen?

Es ist, liebe Frau Eichstädt-Bohlig, liebe Damen und Herren, sogar noch ein bisschen komplizierter. Es muss nämlich zunächst mit dem Bundesverkehrswegeplan eine grundsätzliche Entscheidung getroffen werden, und dann muss mit der Bedarfsplanung geklärt werden, ob ein vorrangiger Bedarf bestätigt werden kann.

[Christoph Meyer (FDP): Richtig! Genau!]

Ausdrücklich wird dieser Begriff des „vorrangigen Bedarfs“ gewählt. Dann wenn ein solcher vorrangiger Bedarf festgestellt worden ist, wie hier bei dem 16. Bauabschnitt bis zum Treptower Park, wird die Finanzierung zur Verfügung gestellt. Danach – um zu sagen, wo es kompliziert wird – geht es selbstverständlich in den einzelnen Ländern vor Ort in die entsprechende Planfeststellung, um das, was Sie gerade Baugenehmigung genannt haben, erreichen zu können. Mag ein bisschen kompliziert sein, lohnt sich aber tatsächlich nicht bei einer politischen Betrachtung noch weiter ins Kalkül zu ziehen. Wissen muss man es, damit man darüber informiert ist, dass hier kein zusätzliches Geld für das Land Berlin zu verteilen ist.

Alle Argumente werden im Rahmen der Planfeststellung abgewogen. Alle grundsätzlichen verkehrspolitischen Fragen, alle strategischen Fragen zur Verkehrspolitik und damit zur Entwicklung der Stadt werden in der Weiterentwicklung des Stadtentwicklungsplans Verkehr dargestellt werden.

Lassen Sie mich noch einmal sagen, wo die Begründung des Projekts 100 tatsächlich liegt. Das Projekt ist in dreifacher Hinsicht nachhaltig. Es dient den Quartieren durch die Entlastung von Tausenden Einwohnern bis hin in die Transiträume. Es dient der Umwelt durch die Reduzierung des Kraftfahrzeugverkehrs in der Innenstadt um 10 bis 15 Prozent, allein durch die großräumige Verkehrsreorganisation. Es dient natürlich auch der Wirtschaft, insbesondere in den östlichen Bezirken durch verbesserte Wettbewerbschancen.