Protocol of the Session on May 28, 2009

Die Landesarbeitsgemeinschaft Umwelt hat einen wortgleichen Beschluss gefasst. Die BVV-Fraktionen der Partei Die Linke in Friedrichshain-Kreuzberg, Lichtenberg und Pankow haben ähnliche Beschlusslagen.

[Christoph Meyer (FDP): Wir sind hier im Abgeordnetenhaus, Frau Matuschek!]

Der Landesausschuss der Partei Die Linke Berlin, das höchste Gremium der Partei zwischen den Landesparteitagen, beschloss:

Die Festlegung in der Koalitionsvereinbarung „Der Stadtring A 100 wird verlängert bis zur Anschlussstelle Treptower Park finanziert durch den Bund.“ ist ein für Die Linke Berlin schmerzlicher Kompromiss.

Ich leugne nicht, dass es auch in meiner Partei Befürworter des Projekts gibt,

[Oh! bei der CDU – Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne): Hört, hört!]

insbesondere in Treptow-Köpenick, allerdings nicht in Treptow-Nord. Aus Sicht des dortigen Bezirksamtes wie auch der BVV, für die übrigens die gefühlte Bezirksgrenze nach Norden eher der Britzer Zweigkanal, bestenfalls noch die Baumschulenstraße ist, ist deren Position parteiübergreifend vielleicht sogar noch verständlich, denn dieser Bezirk will die Tangentialverbindung Ost, also den direkten Autobahnanschluss an die A 113, aber nur ein bisschen, nämlich bis zur Wuhlheide. Der Bezirk will und plant auch den nächsten Autobahnzubringer an der Südostallee, aber auch nur ein bisschen, in diesem Fall ohne den unmittelbaren Anschluss an die A 113. Es könnten sonst nämlich zu viele Autos aus Neukölln und Tempelhof nach Köpenick kommen. Damit das alles klappt, ist die Befürwortung der A 100 unter Inkaufnahme des sozialen Abstiegs des Karl-Kunger-Kiezes irgendwie folgerichtig, und der heilige St. Florian fühlt sich wieder einmal bestätigt.

In meiner Partei, der Linkspartei, sind die Befürworter der Autobahnverlängerung der A 100 eindeutig in der Minderheit. Ich vertrete keine Einzelmeinung, sondern diejenige, die sich im Übrigen mit den programmatischen Positionen unserer Partei zu einer ökologisch orientierten und sozialen Stadtpolitik deckt.

[Beifall bei der Linksfraktion – Beifall von Michael Schäfer (Grüne)]

Hinter den Verlängerungsplänen für die A 100 verbirgt sich eine gewaltige Illusion, nämlich die, dass sich ein innerstädtischer Autobahnring wie ein Burgwall um das eigentliche Stadtzentrum legen könnte und damit den Verkehr innerhalb der Burg minimiert,

[Christoph Meyer (FDP): Welche Burg denn?]

außerhalb der Burg am Autobahnring abprallt oder von ihm aufgenommen werden würde. Diese Illusion taugte für das Mittelalter, aber nicht für das 21. Jahrhundert.

[Beifall bei den Grünen – Zuruf von rechts: Da gab es noch keine Autobahnen!]

Die ausschlaggebenden Faktoren für den Verkehr im Zentrum sind die Ziele und Quellen für wirtschaftliche, touristische oder sonstige Aktivitäten und die Möglichkeit, diese mit dem ÖPNV, dem Fahrrad, zu Fuß oder eben auch mit dem Auto günstig zu erreichen. Je engmaschiger das ÖPNV- und das Fahrradnetz, desto weniger Autoverkehr!

[Beifall bei der Linksfraktion – Zuruf von Christoph Meyer (FDP)]

Die angebliche Schildwirkung eines Autobahnrings lässt sich nicht einmal dort nachweisen, wo es sie doch geben sollte. Sowohl vor als auch hinter der Stadtautobahn im Westteil, gerade auch in zentrumsnahen Bereichen, gibt es trotz Autobahn sehr hohe Verkehrszahlen auf dem engmaschigen Netz vierspuriger Stadtstraßen z. T. mit Mittelstreifen. Das würde dem Osten der Stadt auch blühen, wo es allerdings dieses engmaschige Netz noch nicht überall gibt.

[Gregor Hoffmann (CDU): Eben!]

Wer über den 16. Bauabschnitt der A 100 zwischen Neukölln und Elsenbrücke nachdenkt, der muss weiterdenken, der muss daran denken, dass ein zweistöckiger Autobahntunnel unter dem Ostkreuz zwar technisch möglich, aber finanzpolitisch wahnwitzig ist,

[Beifall bei den Grünen – Zuruf von Rainer Ueckert (CDU)]

der muss daran denken, dass ein Autobahnverkehrsknoten an der Frankfurter Allee keine Entlastung, sondern eine nicht zu bewältigende Belastung bringt,

[Beifall bei der Linksfraktion und den Grünen – Zurufe von der CDU]

der muss daran denken, dass europäische Stadtentwicklungsprojekte, z. B. URBAN II in Lichtenberg, entwertet werden, weil genau da ein Tunnelmund auftauchen würde, wo gerade mit europäischen Fördermitteln eine Grünfläche angelegt wurde,

[Dr. Martin Lindner (FDP): An Grünflächen mangelt es nicht in dieser Stadt!]

der muss auch daran denken, dass eine Fortführung der Autobahn entlang der Storkower Straße als vierspurige Stadtstraße mit Mittelstreifen neue und weitere Be

lastungen für die Wohngebiete in Pankow bringt und dortige Initiativen zur Verkehrsberuhigung ad absurdum führt, weil mit der Bündelung des Verkehrs auf hochleistungsfähigen Schnellstraßen auch immer eine Verkehrszunahme durch Verlagerung und Neuinduzierung entsteht.

[Gregor Hoffmann (CDU): Entlastung aller anderen Bewohner!]

Mit großer Gewissheit kann man prophezeien, dass diese Autoverkehrslogik unweigerlich einen direkten Anschluss des A-100-Stadtstraßenrings an die Prenzlauer Promenade und von dort an die A 114 mit sich bringen würde.

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung verrät ihre eigenen und von dieser rot-roten Koalition beschlossenen stadtentwicklungspolitischen Ziele.

[Beifall von Benedikt Lux (Grüne) und Claudia Hämmerling (Grüne)]

Wir streben eine integrierte Verkehrspolitik an, die die verschiedenen Verkehrsträger nach ihrem jeweiligen Nutzen und der jeweiligen Belastung für Klima und Menschen bewertet und priorisiert.

[Christoph Meyer (FDP): Sie wollen die Menschen bevormunden!]

Und damit hatten wir Erfolg in den vergangenen Jahren. Die niedrigste Kfz-Ausstattung einer europäischen Großstadt ist kein Makel, sondern ein Gütezeichen moderner Stadtpolitik angesichts der Klimakatastrophe. Darauf können wir stolz sein.

[Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Was aber versteht die Verkehrsverwaltung unter integrierter Verkehrspolitik? – Für sie heißt es, nachdem ÖPNV und Fahrrad in den vergangenen Jahren gefördert wurden, sei jetzt mal wieder der Autoverkehr dran.

[Zuruf von Dr. Martin Lindner (FDP)]

Nicht Integration und Synergie, sondern Mittelverteilung nach dem Motto: Wir finanzieren alles. – Das versteht die Verkehrsverwaltung unter integrierter Verkehrspolitik, und dabei müssen wir sie stoppen. Mit großem Finanz- und Betonaufwand wird nach deren Logik erst einmal Autoverkehr ins Stadtzentrum reingelenkt. Es muss ja ganz schnell gehen vom Stadtrand, aus Potsdam, aus Hamburg, aus Stettin, aus Prenzlau und nun auch vom Flughafen, am besten gleich bis zum Alex. Anschließend sitzen die gleichen Planer der Verwaltung, angeführt von der Senatorin da und überlegen sich, wie dieser Verkehr in der Innenstadt irgendwie zivilisiert werden kann. Dieselbe Abteilung, die übrigens die Planungen für den 16. Autobahnabschnitt in weltrekordverdächtig kurzer Zeit hinbekommen hat und dabei nicht mal die Verkehrsprognose 2025 abwarten konnte, versucht seit zehn Jahren, die wenigen Hundert Meter Straßenbahn durch die Invalidenstraße zu planen und wird diese Planung aller Voraussicht nach auch in dieser Legislaturperiode nicht

fertig kriegen. Das alles ist das Gegenteil von integrierter Verkehrsplanung.

[Starker Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Und ein Satz zur Bundesfinanzierung: Die ist, wie sie ist. Aus dem großen Sack Straßenverkehrsinvestitionen bekommt Berlin einen Anteil nach dem Königsteiner Schlüssel und muss diesen Anteil auch für Bundesstraßeninfrastruktur ausgeben. Eine Änderung ist nicht absehbar. Da frage ich Sie – Herr Gaebler hat es vorhin schon angesprochen –: Wenn es nach ähnlichem Modell eine Bundesfinanzierung für Atomkraftwerke geben würde, würde Berlin dann auch ein Atomkraftwerk bauen wollen, nur um an das Geld ranzukommen?

[Beifall bei der FDP – Zurufe von Dr. Martin Lindner (FDP) und Gregor Hoffmann (CDU)]

Die Idee, Straßeninvestitionsmittel für Lärmsanierung an vorhandenen Autobahnen einzusetzen, die am Montag vom BUND im Ausschuss vorgetragen wurde, ist doch eine gute Idee. Warum sollte der OPA-Asphalt nicht auch am Innsbrucker Platz aufgetragen werden? – Das entspräche der Finanzierungssystematik, und Berlin hätte die Mittel zweckentsprechend und stadtverträglich eingesetzt.

[Beifall bei der Linksfraktion und den Grünen – Klaus-Peter von Lüdeke (FDP): Dann gehen Sie doch aus dieser Koalition raus!]

Ich komme zum Schluss. – Die Linke verschließt sich nicht den tatsächlich vorhandenen Verkehrsproblemen. Die mangelnde schnelle und leistungsfähige ÖPNVAnbindung der südöstlichen Stadtgebiete an das Zentrum wie auch zwischen den Bezirken Marzahn, Lichtenberg, Köpenick, Neukölln ist ein solches gravierendes Problem. Auch eine schnelle Bahnanbindung an den Flughafen aus diesem Bereich, ohne erst zum Ostkreuz oder gar zum Hauptbahnhof fahren zu müssen, fehlt bisher. Das sind die strukturellen Verkehrsprobleme, die einer Lösung harren, das fehlende ÖPNV-Angebot und die fehlenden Netzstrukturen und tangentialen Verkehrsverbindungen zwischen den östlichen Großsiedlungen und den Siedlungsgebieten. Daran sollten sich die Planer machen. Daran sollten wir uns machen. Auch deswegen hat die Linkspartei eine Verkehrskonferenz zu diesem Thema einberufen. Um dafür Lösungen zu finden, brauchen wir ganz andere Planungsverfahren als den 16. Bauabschnitt der A 100, denn dieses Verfahren schließt genau die von mir eben angesprochenen Verkehrsräume aus ihrem Fokus aus. Deshalb kann auch innerhalb eines solchen Verfahrens eine Alternativenentwicklung für die südöstlichen Stadtbereiche gar nicht entwickelt werden. Lassen Sie uns gemeinsam dieses Verfahren nicht fortführen! Lassen Sie uns die Tür öffnen für andere Verfahren zur Lösung der tatsächlichen Verkehrsprobleme! – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und den Grünen]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Matuschek! – Für die Fraktion Bündnis 90/Grüne hat jetzt Frau Abgeordnete Eichstädt-Bohlig das Wort.

[Zurufe von der FDP]

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Als Erstes möchte ich der Kollegin Matuschek meine Hochachtung für ihre Rede

[Gelächter bei der FDP]

und den beiden, der Kollegin Matuschek und dem heute zum Schweigen verdonnerten Kollegen Buchholz, mein herzliches Bedauern dafür aussprechen, dass sie sich letztlich schon wieder am Nasenring der Ewiggestrigen auch hier durch die Arena ziehen lassen müssen. Es tut mir wirklich aufrichtig leid.

[Beifall bei den Grünen – Christoph Meyer (FDP): Sie hätten nicht Frau Baba, Sie hätten Frau Matuschek anrufen sollen!]

Entschuldigung, Frau Eichstädt-Bohlig! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herr Abgeordneten Liebich?