Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung beider CDUAnträge an den Hauptausschuss – wozu ich keinen Widerspruch höre.
Ich eröffne die I. Lesung. Für die Beratung stehen den Fraktionen wieder jeweils fünf Minuten Redezeit zur Verfügung. Das Wort für die Fraktion der Grünen hat die Kollegin Kofbinger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach unserer harschen Kritik an Senator Wolf und dem Regierenden Bürgermeister hat sich tatsächlich etwas verändert. Sie haben auf Vorschlag der Grünen, der FDP und der CDU beschlossen, dass Sie einen zukünftigen Vorstandsposten nunmehr öffentlich ausschreiben werden. Ich beginne meine Rede also – sehr untypisch – mit einem ausdrückli
chen Lob an den abwesenden Regierenden Bürgermeister und an Herrn Senator Wolf. Das passiert selten in der Opposition, und wir sehen das als gutes Zeichen, da gleich weiterzumachen. Deshalb beschäftigen wir uns heute in I. Lesung mit dem Gesetz zur Änderung des Landesgleichstellungsgesetzes. Damit – das freut mich sehr – erfüllen wir gleichzeitig den Herzenswunsch von Ulrike Neumann, der neuen frauenpolitischen Sprecherin der SPD.
Sie erinnern sich: Trotz der gesetzlichen Verpflichtung durch das Landesgleichstellungsgesetz, die Berliner Verfassung und das Berliner Betriebe-Gesetz, das insbesondere bei Organen sowie bei Vorgesetzten- und Leitungsfunktionen Ausschreibungen vorsieht, wurden die Stellenbesetzungen in den Vorständen von BVG und IBB intern vorgenommen. Diese Besetzungen waren – unserer Meinung nach – somit rechtswidrig. Wir wollen nun Abhilfe schaffen, indem wir zum Beispiel den § 5a in das LGG einfügen. In ihm wird eine Ausschreibung noch einmal explizit festgeschrieben. Damit wird klargestellt, dass eine Ausschreibung bei einer Unterrepräsentanz von Frauen auch bei der Neubestellung von Vorstandsmitgliedern der öffentlich-rechtlichen Anstalten vorzunehmen ist. Gleiches gilt für Geschäftsleitungen von Unternehmen, an denen das Land Berlin mehrheitlich beteiligt ist.
Des Weiteren haben wir mit dem neuen § 15 Abs. 2 LGG eine Konkretisierung vorgenommen. Damit wollen wir sicherstellen, dass die entsendenden Organisationen, Verbände und Institutionen dies ab jetzt auch geschlechterparitätisch tun und das LGG somit auch einhalten.
Das Herzstück unseres Gesetzentwurfs sind jedoch die §§ 18 bis 20. Mit der Einführung des Verbandsklagerechts in das LGG wollen wir dem seit 19 Jahren relativ zahnlosen Papiertiger-LGG endlich einen Zahn geben. Das ist kein Milchzähnchen, das wird ein ausgewachsener Schneidezahn.
Bis zum heutigen Tag krankt das LGG an der Unverbindlichkeit und der Abwesenheit von Sanktionen. Viele Veränderungen wurden schon vorgenommen, aber verbessert hat sich eigentlich nichts, weil die aus dem LGG abgeleiteten Ansprüche nicht einklagbar waren. Dies soll sich nun ändern. Durch das Verbandsklagerecht werden die Frauenrechte und die Rechte der Frauen in dieser Stadt entscheidend gestärkt. Und das ist nicht nur gut so, das ist auch allerhöchste Zeit.
Wir haben in den §§ 18 bis 20 – man muss immer dazu sagen: in den §§ 18 bis 20 neu – klargestellt, dass sich das Verbandsklagerecht gegen alle Verstöße richtet und nicht nur bei nicht erfolgter Ausschreibung geltend gemacht werden kann. In § 18 Abs. 1 wird festgestellt, dass ein Besetzungsverfahren per einstweiliger Verfügung aufgehalten werden kann, wenn eine Ausschreibung nicht erfolgt ist. – Ich denke, das ist auch im Sinne von Rot-Rot.
Darüber hinaus besteht eine sanktionsbewehrte Verschwiegenheitspflicht, damit wir das Vertrauensverhältnis zwischen Bewerberin und Ausschreibenden auch gesichert haben.
Endlich steht die Berlinerin nicht mehr allein einer riesigen Verwaltung gegenüber, sondern sie kann sich auf die Unterstützung eines starken Vereins, eines Verbandes, verlassen, der aus eigenem Antrieb, weil es seine ureigenste Aufgabe ist, ihr gutes Recht vertritt. Wenn wir das in den Ausschüssen und danach hier im Plenum zusammen verabschieden können, haben wir einen Paradigmenwechsel innerhalb der Gleichstellungsgesetzgebung herbeigeführt.
Das Gesetz zur Änderung des LGG, das wir Ihnen heute vorlegen, bezieht sich im Wesentlichen auf die Besetzung von Führungspositionen der landeseigenen oder mehrheitlich landeseigenen Betriebe. Es ist aber mein Wunsch, und ich weiß, auch der Wunsch meiner Fraktion, dass der Papiertiger noch viele Zähne bekommt. Das ist erst einmal – die vielen Mütter und Väter im Parlament werden mir da zustimmen können – ein außerordentlich schmerzhafter Prozess. Aber wenn die Zähne dann erst einmal da sind, kann man sich gar nicht mehr vorstellen, wie man jemals ohne sie leben konnte. Ich bin mir sicher, mit dem LGG wird es uns allen ebenso gehen. Deshalb bitte ich Sie um Ihre Zustimmung – die Sie heute ja nicht per Abstimmung geben müssen –, aber auch um Ihre konstruktive Mitarbeit. Zusammen können und werden wir für 52 Prozent der Berliner Bevölkerung etwas Großartiges schaffen. Das sollte uns allen Ansporn genug sein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir begrüßen ausdrücklich die Einsicht der Grünen, dass mit markigen Sprüchen und aussichtslosen Missbilligungsanträgen die Gleichstellung nicht vorangebracht wird.
Ach, nicht immer dazwischenrufen wie beim letzten Mal schon! – Die nun vorgelegten Vorschläge zur Ergänzung des Gleichstellungsgesetzes unterscheiden sich fundamental von der Initiative in der vorhergehenden Sitzungswoche.
Ach, Herr Esser! – Herr Präsident! Könnten Sie für ein bisschen Ruhe sorgen? Immer dieses Zwischengeblöke! Das ist wirklich unanständig, jawohl!
[Christian Gaebler (SPD): Er schreit selbst, das war kein Säugling! – Dr. Felicitas Tesch (SPD): Er benimmt sich wie ein Säugling!]
Die jetzigen Vorschläge können konkret diskutiert werden. Wir werden das im zuständigen Ausschuss auch tun und vor allem in dem Zusammenhang, in den sie hineingehören. Das Berliner Gleichstellungsgesetz war und ist ein Erfolg. Es hat sich im Wesentlichen praktisch bewährt. Wir werden daher nicht müde, das immer wieder zu unterstreichen.
Der Senat ist aufgefordert, in landeseigenen Unternehmen und in Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung des Landes Berlin die rechtlichen Vorgaben für die Gleichstellung von Männern und Frauen uneingeschränkt umzusetzen. In Unternehmen, in denen das Land Berlin eine Minderheitsbeteiligung innehat, wird sich das Land Berlin mit Nachdruck für eine geschlechterparitätische Besetzung stark machen. Oberstes Ziel ist die Beseitigung der Unterrepräsentanz von Frauen. Das ist unser politischer Ausgangspunkt.
Wenn man jetzt aber wie die Grünen daran gehen will, das Gesetz umfangreicher zu ändern und wenn schon Gespräche und Überlegungen mit Betroffenen wie z. B. den Frauenvertreterinnen stattgefunden haben, darf man die nicht einfach hinunterfallen lassen, meine Damen und Herren von den Grünen. Das ist unseriös.
Die jetzt von den Grünen unterbreiteten konkreten Vorschläge zur Gleichstellung im Bereich der Führungsfunktionen bedürfen im Einzelnen der sorgfältigen rechtlichen und politischen Prüfung. Vorrangig muss vor allem geklärt werden, ob wirklich Gesetzesänderungen notwendig sind. Manchen Probleme sind vielleicht mehr Fragen der konkreten Anwendung des Gesetzes. Da würde man durch Gesetzesänderungen möglicherweise denen noch recht geben, die das Gesetz bewusst oder unbewusst falsch angewandt haben. Manche Fragen sind auch nicht im Gesetz selbst, sondern in der jeweiligen Satzung oder in den einschlägigen Einzelgesetzen von Unternehmen und Einrichtungen zu regeln. Die vom Senat am 17. Februar beschlossene Mustersatzung trifft da wichtige Festlegungen.
Für die SPD-Fraktion ist Ausgangspunkt unserer weiteren parlamentarischen Schritte unser Landesparteitagsbeschluss vom 17. Mai. Er bietet deutliche politische Leitlinien und ist eine geeignete Grundlage für die weitere Arbeit. Er stellt eindeutig klar, dass es Fehlentscheidungen gegeben hat. Und er enthält die Entscheidung für eine ausdrückliche gesetzliche Festschreibung des Gebots der öffentlichen Ausschreibung durch eine Ergänzung des LGG.
Der Vorschlag der Grünen zur Einführung der Verbandsklage ist interessant. Wir kennen und unterstützen Verbandsklagen in anderen Bereichen. Wir sind aber nicht sicher, dass es als Ausgangspunkt für eine Verbandsklage ausreichen kann, dass allgemein gegen irgendwelche Bestimmungen eines Gesetzes verstoßen worden ist. Das kann ins Uferlose führen.
Auch ist im Vorschlag der Grünen ungeklärt, ja nicht einmal problematisiert, wie sich denn das Recht auf Verbandsklage zu Individualrechten Betroffener verhält. Über die dürfen die Gleichstellungsvereine – so nenne ich sie einmal, die Sie hier eingebracht haben – doch nicht gegen ihren Willen verstoßen.
Unklar ist auch das Verhältnis der Rechte der Vereine zu den Befugnissen der Frauenvertreterinnen. Schließlich sind die Kriterien, nach denen klagefähige Vereinigungen festgelegt werden sollen, trotz vieler Worte nicht hinreichend klar genug definiert.