Die Beratung wird gewünscht. Dann hat für die CDUFraktion der Kollege Braun das Wort. – Bitte schön, Herr Braun!
Meine Damen und Herren! Ich werbe bei Ihnen ausdrücklich, unserem Antrag zuzustimmen, Gail Halvorsen die Ehrenbürgerwürde der Stadt zu verleihen.
Ich habe es mir noch einmal angeschaut. Vor neun Jahren hat die politische Linke hier im Parlament einen Antrag eingebracht, Herrn Bersarin wiederum die Ehrenbürgerschaft der Stadt zu verleihen. Wir hatten damals eine sehr umfangreiche Diskussion. Ich habe mir heute noch einmal die Begründung der Anträge angeschaut. Die ist interessant. Dort wurde gesagt, der Herr war sieben Wochen im Amt und habe in diesen sieben Wochen maßgeblich dazu beigetragen, dass die Versorgung der Stadt wiederhergestellt wurde. Es wurde gesagt, er habe sehr viel dafür getan, dass das Gesundheitswesen wieder hergestellt wurde und andere Taten getan, die für die Stadt gut waren. Ich unterstelle einmal, dass er das nicht alles allein getan hat, selbst wenn es so gewesen ist. Er hatte auch seine Mitarbeiter. Ich gehe davon aus, dass die politische Linke damals mit ihrem Antrag Bersarin stellvertretend für die sowjetische Administratur ehren wollte.
Sie wissen, dass wir die Diskussion hatten. Viele haben das anders gesehen und Herrn Bersarin als jemanden betrachtet, der als Teil der Sowjetdiktatur, als einer der Mitarbeiter Stalins im Wesentlichen auch für die Unterdrückung der Stadt verantwortlich war. Das will ich aber einmal außen vor lassen. Sie haben damals anders argumentiert.
Heute liegt nun ein Antrag vor, Gail Halvorsen stellvertretend für die vielen Piloten zu ehren, die den freien Teil Berlins am Leben erhalten haben, die wesentlich dazu beigetragen haben, dass Westberlin weiter existierte, eine Voraussetzung nicht nur für die Wiedervereinigung der Stadt, sondern eine Voraussetzung für die Wiedervereinigung unseres Landes. Herr Halvorsen war vielleicht der Prominenteste unter ihnen. Er war der sogenannte CandyBomber, er war derjenige, der die Schokolade brachte, selbstgebastelt mit kleinen Fallschirmen hier über der Stadt abwarf. Dafür steht Gail Halvorsen.
Nun kann man fragen, warum ein Antrag gerade jetzt erfolgt. Wir haben eine unterschiedliche Diskussion zu Tempelhof gehabt. Diese Debatte will ich nicht mehr aufgreifen. Wir haben vor wenigen Tagen dem 60. Jahrestag der Beendigung der Blockade gedacht. Anlässlich eines solchen Zeitpunktes wäre es geeignet und richtig, einmal Dank zu sagen, und zwar sichtbar Dank einem der wenigen Überlebenden der Blockade zu sagen, die uns hier in der Stadt geholfen haben,
einem der wenigen Piloten, die heute noch leben, und ihm zu sagen: Wir verdanken im freien Berlin solchen Leuten, dass Berlin tatsächlich auch frei blieb und versorgt wurde. Das war eine große Leistung. Dafür ist es jetzt auch der richtige Zeitpunkt.
Herr Albers! Ich weiß, Ihnen passt das nicht in Ihre politische Linie. Ihnen passt Herr Bersarin, der bestenfalls
sieben Wochen etwas für die Stadt getan hat, sehr viel besser in Ihr Lebensbild. Er gehört damals zu der stalinschen Clique, die hier in Berlin gewütet und gesaut haben, um es auf Deutsch zu sagen, die massenhaft Vergewaltigungen gemacht haben. Das war Ihre Vorstellung von Versorgung! – Ich will das alte Thema nicht aufgreifen, aber jemanden, der sich derart um die Stadt verdient gemacht hat, sollte man würdigen. Es wäre eine Ehre für die Stadt, ihm heute diese Ehrenbürgerschaft zu verleihen. Springen Sie einmal über Ihren kommunistischen Schatten. Es würde Ihnen gut tun. – Vielen Dank!
Danke schön, Herr Braun! – Für die SPD-Fraktion hat nunmehr die Kollegin Lange das Wort. – Bitte schön, Frau Lange, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Braun! Ich staune, dass Sie neun Jahre gebraucht haben, um die Dringlichkeit für Ihren Antrag zu erkennen.
[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Uwe Goetze (CDU): Sie haben sie bis heute nicht erkannt!]
Wir wollen es auch gar nicht erkennen, weil es Unsinn ist. – Ich will aber auf die sachliche Ebene zurückkommen, versuche es jedenfalls. Am Dienstag, den 12. Mai 2009 zeigte Berlin mit einem gigantischen Fest seinen Dank an die Helden der Luftbrücke. Mit mehr als 100 000 Besuchern feierten die Berlinerinnen und Berliner das Ende der Luftbrücke vor 60 Jahre zusammen mit den vielen Veteranen und Rosinenbomberpiloten. Sie waren die umjubelten Stars in Berlin.
Aber auch der 78 Opfer wurde gedacht, genauso, wie es jedes Jahr geschah. 31 Amerikaner, 39 Briten und 8 Deutsche verloren bei der längsten Luftbrücke der Welt ihr Leben. Stellvertretend für alle diese mutigen Frauen und Männer wurde General Clay als der Initiator der Luftbrücke 1962 zum Ehrenbürger Berlins ernannt.
Leider konnte der Vater der Luftbrücke, General Clay, nicht mehr letzten Dienstag geehrt werden. Der Ehrenbürger unserer Stadt, dem wir die Luftbrücke zu verdanken haben, ist leider 1978 gestorben. General Clay hat unmittelbar mit der Organisation der Luftbrücke auf die Berlin-Blockade reagiert und damit die Freiheit Berlins gesichert. Er erhielt neben der Ehrenbürgerwürde viele andere Ehrungen. Unter anderem heißt die Kronprinzenallee seit 1949 Clayallee. Er erhielt die Ehrendoktorwürde der Freien Universität Berlin. Es gab viele andere, die an der Luftbrücke beteiligt waren und auch ihr Leben riskiert
Es wirkt etwas zufällig, dass Sie sich gerade Herrn Halvorsen für eine besondere Ehrung ausgesucht haben. Warum schlagen Sie beispielsweise keine Frau vor? Es gibt viel zu wenig Ehrenbürgerinnen auf der Ehrenbürgerliste.
Sie greifen aus der Schar von mehr als 100 mutigen Frauen und Männern ausgerechnet einen heraus, den Sie zum Ehrenbürger machen wollen. Wir lehnen dies ab, weil wir meinen, dass aus der Vielzahl der anwesenden Veteranen nicht einer herausgegriffen werden kann. Alle waren mutig und haben ihr Leben riskiert.
Und – auch das muss einmal gesagt werden, sehr geehrte Damen und Herren von der CDU-Fraktion – zwei Tage nach der Veranstaltung, die ein gelungenes Fest gewesen ist und das wir auch von Ihnen nicht kleinreden lassen, wachen Sie auf und bringen diese Entschließung ein. So geht man nicht mit der Ehrenbürgerwürde um. So geht man auch nicht mit den Veteranen um. Wie ich gehört habe, wollen sich die Grünen diesem Unsinn auch noch anschließen. Jamaika lässt eben doch grüßen.
Ich bedanke mich an dieser Stelle noch einmal im Namen der Berliner Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten bei all den mutigen Männern und Frauen, die ihr Leben für die Freiheit Berlins eingesetzt haben. Ihren Antrag lehnen wir ab.
Danke schön, Frau Kollegin Lange! – Für die Fraktion der Grünen hat nunmehr Frau Ströver das Wort. – Bitte schön, Frau Ströver!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seien Sie doch nicht so aufgeregt! Ich finde, man kann am Schluss eines ziemlich komplizierten Tages auch einmal innehalten und sich ernsthaft mit dem Anliegen beschäftigen, das dieser Antrag, den man vonseiten der CDU viel früher hätte stellen können und der sicher kein dringlicher Antrag hätte sein müssen, beinhaltet. Ich denke, es ist gut, sich damit zu befassen, Frau Lange. Aber sich vor einigen Stunden nicht ernsthaft zu der Frage „Frauen im BVGVorstand“ verhalten zu können und an dieser Stelle mit der Frauenfrage zu kommen – das finde nun wieder ich peinlich.
Unsere Fraktion – insofern ist es ganz interessant; ich würde die Wortwahl von Herrn Braun niemals wählen – hat sich damals sehr intensiv für die Wiederanerkennung
und -aufnahme der Ehrenbürgerwürde von Herrn Bersarin eingesetzt. Wir sind mitgegangen und haben es richtig gefunden, dass Bersarin Ehrenbürger wird,
und zwar stellvertretend für die Rote Armee für die Wiederherstellung einer zivilen Ordnung unmittelbar im Nachkriegsberlin.
Nun fragt man sich: Welche Bedeutung haben die Berliner Blockade und die Sicherung der Lebensverhältnisse durch die Westalliierten? – Ich denke, es wäre gut gewesen, wenn wir die Ehrentage rund um den 60. Jahrestag der Blockadeaufhebung genutzt hätten, um nicht nur zu feiern, sondern etwas intensiver politisch zu diskutieren: Was war diese Blockade, die fast ein Jahr gedauert hat, eigentlich für die Freiheit des Westteils der Stadt? – Die Luftbrücke war in der Folge des Zweiten Weltkriegs ein ganz wichtiges Element zur Sicherung des Status des freien Teils Berlins durch die Alliierten und zur Sicherung des Überlebens der Bevölkerung. – Deswegen wäre es richtig gewesen, nicht nur ein Volksfest zu Ehren von Tempelhof zu begehen – ein bisschen so war es in den letzten Tagen –,
sondern parallel einen politischen Diskurs zur Bedeutung der Luftbrücke zu initiieren und diese logistische Meisterleistung der Versorgung der Berliner Bevölkerung noch einmal politisch und gesellschaftlich zu diskutieren.
Ich glaube, es ist uns allen klar, dass es eine logistische Bravourleistung war. Diese Bravourleistung ist von Piloten tagtäglich mit insgesamt 280 000 Flügen durchgeführt worden. Frau Lange: General Clay halten Sie für ehrenbürgerwürdig, aber einen einfachen Piloten, der diese Transporte hundertfach durchgeführt hat, wollen Sie nicht ehren.
keine Aufregung! –, über diese Frage ernsthaft im Ausschuss zu diskutieren, damit man sich nicht husch, husch informieren und zu einer Haltung gelangen muss. Das ist bei solch einer Frage immer unangemessen.
Es scheint euch ja sehr zu treffen, weil ihr merkt, dass ihr auf dem falschen Dampfer seid, liebe Kollegen von der SPD!
Kollege Gaebler, weil Sie sich so aufregen: In der Abwägung – Ronald Reagan, Ehrenbürger des Landes und der Stadt Berlin – hat man durchaus das Recht, darüber zu
diskutieren, ob man nicht den 88-jährigen Gail Halvorsen, stellvertretend für die vielen alliierten Piloten während der Luftbrücke nachträglich zu einem Ehrenbürger erklärt. Ich frage mich das. Wir haben die Regelung, dass das Land Berlin nur noch lebende Personen zu Ehrenbürgern erklären kann. Es hätte schon viele Regierungen im Land Berlin gegeben, die so hätten verfahren können wie der Bund,
der Gail Halvorsen schon 1974 das Bundesverdienstkreuz für seine herausragenden Leistungen als Pilot während der Luftbrücke verliehen hat.