Protocol of the Session on May 14, 2009

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Mutlu! – Für die Linksfraktion hat jetzt der Abgeordnete Zillich das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag der CDU hat zwei Teile. Im ersten Teil wird der Senat aufgefordert, ein Konzept vorzulegen, das dann im Parlament diskutiert werden kann. Dazu ist zunächst zu sagen, dass der Senat einen Vorschlag zu einer Schulstrukturreform vorgelegt hat. In der Stadt und im Parlament wurde und wird darüber diskutiert. Jetzt einen Antrag zu stellen und zu sagen, der Senat solle noch einmal einen Bericht machen, ist nicht das, was wir jetzt brauchen. Jetzt ist es vielmehr Sache und Verantwortung des Parlaments zu sagen, wie und in welcher Form diese Schulstrukturreform ausgestaltet werden soll.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Sie wissen, dass die Koalition in den nächsten Tagen einen Antrag einbringen wird – Frau Tesch hat das dargestellt –, in dem die Eckpunkte, die den Rahmen dieser Schulstrukturreform bilden sollen, dem Abgeordnetenhaus zum Beschluss vorgelegt werden. Sie wissen auch, sehr geehrter Herr Steuer, dass heute Vormittag zwischen allen Fraktionen die Tagesordnung für die nächste Ausschusssitzung vereinbart worden ist. Es wurde festgelegt, dass in der nächsten Sitzung die Schulstrukturreform auf der Tagesordnung steht. Sie wissen also, dass in jedem Fall bei der nächsten parlamentarischen Gelegenheit im Ausschuss darüber beraten und beschlossen wird. Egal, wie man mit dem Antrag umgeht – ob man ihn annimmt oder nicht, sofort abstimmt oder überweist –, die von Ihnen angemahnte parlamentarische Beratung und Entscheidung steht bei der nächsten Gelegenheit im Ausschuss sowieso auf der Tagesordnung. Der Antrag ist demnach in seinem ersten Teil bestenfalls folgenlos und überflüssig, und solchen Anträgen kann man nicht zustimmen.

Nun komme ich zum zweiten, zum inhaltlichen Teil Ihres Antrags.

Entschuldigung, Herr Zillich! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Steuer?

Ja, gerne!

Dann haben Sie das Wort. – Bitte sehr, Herr Steuer!

Herr Zillich! Sind Sie tatsächlich der Auffassung, dass eine so weitreichende Schulstrukturreform ohne eine umfangreiche Vorlage des Senats und ohne eine Schulgesetzänderung und nur durch einen kleinen Antrag der Koalition umgesetzt werden kann?

Nein, Herr Steuer, selbstverständlich nicht! Aber bevor wir ein Schulgesetz ändern, geht es erst einmal darum, im Parlament einen Beschluss darüber zu fassen. – Das haben Sie doch beklagt. – Genau das werden wir tun. Wir werden sagen, wohin es gehen soll, was die Eckpunkte, Ziele und Rahmenbedingungen sein sollen und wie es ausgestaltet werden soll. Darum wird es in der nächsten Ausschusssitzung gehen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Nun komme ich zum zweiten Teil Ihres Antrags, in dem Sie versuchen, Eckpunkte zu benennen. Er steht in einem merkwürdigen Verhältnis zu Ihrem Antrag auf Sofortabstimmung hier. Es scheint nicht der wichtigste Teil Ihres Antrags zu sein. Sie scheinen an einer wirklichen Debatte nicht interessiert zu sein.

Uns geht es mit dieser Schulstrukturreform darum, mehr und bessere Abschlüsse zu erreichen. Es geht darum, mehr Kinder bis zum Abitur zu führen und den Anteil derjenigen, die die Schule ohne Abschluss verlassen, deutlich zu reduzieren. Es geht um mehr Gerechtigkeit und darum, die Abhängigkeit des Bildungserfolgs von der sozialen Herkunft zu überwinden. Die Schulstrukturreform muss deshalb ein Schritt in Richtung eines nicht auslesenden Schulsystems sein, ein Zwischenschritt auf dem Weg der Überwindung der Gliederung des Schulsystems hin zu einer Schule des individuellen Lernens, die dem Selbstverständnis der Berliner Gemeinschaftsschulen entspricht. Wir werden mit dieser Reform die erfolgreichen Berliner Gemeinschaftsschulen stärken, in denen die Idee des gemeinsamen Lernens von der ersten bis zur zehnten Klasse beziehungsweise bis zum Abitur direkt umgesetzt wird. Wir werden ihre Zahl erhöhen und sie rechtlich absichern. Neben diesen und den Förderschulen, die sich in Zukunft immer mehr zu Unterstützungszentren der Inklusion des gemeinsamen Unterrichts entwickeln sollen, werden wir in der Sekundarstufe dann noch zwei Schultypen haben: die integrierte Sekundarschule und das Gymnasium.

Dabei sind uns vier Punkte wichtig. Der erste Punkt ist die Gleichwertigkeit. Dieser Punkt ist zentral, denn wir

müssen eine Situation verhindern, in der diese neue integrierte Sekundarschule komplementär zum Gymnasium ist. Es darf nicht darum gehen: gute Schüler aufs Gymnasium, der Rest auf die Sekundarschule. Es geht uns um eine Gleichwertigkeit. Alle Abschlüsse bis zum Abitur – in 12 und 13 Jahren – müssen auf der integrierten Sekundarschule erreicht werden. Es muss dort deswegen auch um die gleichen Lernvolumina gehen. Es muss um die gleichen Standards gehen, und es muss explizit darum gehen, dort auch Spitzenleistungen hervorzubringen und zu fördern.. Natürlich geht es auch darum, dass, wenn diese Schulen gleichwertig sein sollen, es auch kein Abschulen mehr geben darf, kein zwangsweises Wegschicken von der einen zur anderen Schule.

Der zweite Punkt, der uns ganz wichtig ist: Es muss um eine neue Lehr- und Lernkultur und um eine bessere Qualität gehen. Es geht nicht nur um das Zusammenlegen von haupt- und Realschule unter einem Dach, sondern um mehr individuelles Lernen, um Binnendifferenzierung, um mehr individuelle Förderung und um weniger äußere Leistungsdifferenzierung.

Wir sind froh, dass wir jetzt mit dem, was der Senat beschlossen hat, eine gute Grundlage für die – ganztägige – Ausstattung, die als dritter Punkt zu benennen wäre, haben. Die Senkung der Klassenfrequenz ist auch ein ganz wichtiger Punkt. Und es ist gut, dass Schulen in Brennpunktgebieten besser ausgestattet werden, und zwar entsprechend ihrem Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund und aus armen Familien.

Vierter Punkt: Es ist ganz wichtig, dass diese Schulreform durch ein schulbezogenes Fortbildungsprogramm, durch eine Veränderung der Lehrerausbildung, die wir angestoßen haben, begleitet wird.

Herr Zillich! Ihre Redezeit ist beendet.

Noch einen Schlusssatz?

Wir werden in der nächsten Ausschusssitzung darüber beraten und darüber beschließen, und wenn Sie hier auf eine Sofortabstimmung bestehen, werden wir das ohne Ihren Antrag tun.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Zillich! – Jetzt hat Herr Czaja für die FDP-Fraktion das Wort. – Bitte sehr!

[Dr. Felicitas Tesch (SPD): Wo ist Mieke?]

Frau Dr. Tesch! Das wird heute nicht die übliche Abklatschrunde, auch wenn Sie um Mieke bitten. Sie ist schon weg. Deshalb werde ich die Kollegin Senftleben vertreten und Ihnen unsere Auffassung zu dem Antrag verdeutlichen.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Mario Czaja (CDU)]

Der Antrag der CDU-Fraktion macht aus unserer Sicht weiterhin Sinn. Wir sind der Auffassung, dass er auch zur richtigen Zeit gestellt wurde, denn die Schulreform ist nach wie vor ein Buch mit sieben Siegeln, und das bleibt sie auch. Deshalb ist ein Antrag wie der heutige der CDUFraktion sinnvoll. Aus diesem Grund halten wir es auch für richtig, über ihn heute abzustimmen.

Wenn Sie in den letzten Wochen oder auch heute immer wieder von Eckpunkten sprechen, dann sage ich, dass wir eher über Pakete, und zwar unter der Überschrift Mutmaßungen, reden sollten. Ein Paket ist die Klassenfrequenz. Es ist davon auszugehen, dass diese bei 25 Schülerinnen und Schülern in der Sekundarstufe liegt. Das wird von Ihnen als Erfolg gefeiert. Für die ehemaligen Gesamt- und Realschüler ist das sicher auch ein Erfolg, denn dort hatten wir bisher 29 Schülerinnen und Schüler in einer Klasse beschult.

Aber was ist mit den ehemaligen Hauptschülern? – Ich darf Sie daran erinnern, dass das der Kern Ihrer Reform und Ihrer Lösungsansätze war, die Sie seit Tagen in der Stadt diskutieren. – An den Hauptschülern geht Ihre Reform weit vorbei. Es ist an der Zeit, auch hier die Frage, die Sie diskutieren wollten, in den Mittelpunkt zu rücken.

[Beifall bei der FDP]

Herr Senator Zöllner! Wir haben den Eindruck, dass Sie momentan, gerade was die Klassenfrequenz angeht, etwas sprunghaft sind. So haben Sie heute in der Aktuellen Stunde wieder herumgeeiert, als es um die Frage ging, wie Sie künftig bei den Brennpunktschulen verfahren wollen. Da ist es kein Wunder, wenn Eltern, Schüler und Lehrer Ihnen weiterhin das Misstrauen aussprechen und die Schulen dagegen in den nächsten Wochen Sturm laufen.

Das zweite Paket ist die sogenannte Profilbildung. Sie liegt künftig für lange Zeit darnieder. Sie wird in der gesamten Reformdebatte nicht thematisiert, beziehungsweise sie reduziert sich auf zwei Fragen: Zum einen auf die Frage, ob der Ganztagsbetrieb offen oder gebunden stattfinden soll, und zum anderen, ob die Schülerinnen und Schüler leistungsdifferenziert oder gemeinsam un

terricht werden sollen! – Diese Fragen sind jedoch nur Teilbereiche eines Schulprofils. Berliner Schulen haben inzwischen ausgewiesene Profile, und ich kann Sie nur ermutigen, sich diese Profile einmal anzuschauen.

[Beifall bei der FDP]

Das dritte Paket könnte wir unter die Rubrik Personal stellen. Beim Thema Personal sind Sie unserer Meinung nach nicht mutig genug. Zwar reden Sie von möglichst großer Freiheit beim Personalmitteleinsatz für den Ganztagsbetrieb – immerhin –, aber das war es dann auch. Nutzen Sie diese Reform, um wenigstens die lähmende Bürokratie in den Schulen abzubauen, und geben Sie den Schulen endlich die notwendige Freiheit, die sie an dieser Stelle brauchen!

[Beifall bei der FDP]

Die Lehrkräfte sollen zukünftig eine Stunde weniger arbeiten, so können wir es zumindest der aktuellen Debatte in der Stadt entnehmen. Das könnten wir grob unter dem Motto zusammenfassen: Reform schmackhaft machen und Lehrer einwickeln! Abgehakt! – So geht es nicht, und deswegen brauchen wir klare Richtlinien, und das sehen wir mit dem vorliegenden CDU-Antrag gegeben.

An dieser Stelle frage ich Sie: Wenn Sie hier eine große Chance haben, Probleme aufzugreifen, wieso nutzen Sie diese Chance nicht? Warum kündigen Sie nicht eine Reform der Lehrerarbeitszeit an? Warum setzen Sie sich nicht mit dieser wesentlichen Frage auseinander?

[Beifall bei der FDP]

Das vierte Paket könnten wir unter die Überschrift „300 neue Lehrerstellen“ stellen. 300 neue Lehrerstellen wird es geben, so erfahren wir wiederum aus der Presse. Aber aus diesen Presseberichten – und insofern ist diese Debatte sehr wertvoll – kann man wohl nicht klar entnehmen, ob es nun um Lehrkräfte, um Erzieher oder um Sozialpädagogen geht. Wer wird am Ende mit einbezogen? Hier bleiben Sie Antworten schuldig, Herr Zöllner! An der Stelle muss endlich eine klare Aussage von Ihnen kommen.

[Beifall bei der FDP]

Meine Fraktion – und das lassen Sie mich abschließend sagen – und vor allem die Menschen in dieser Stadt werden gespannt darauf sein, ob Sie für die anstehende Reform ausreichend Mittel und Gestaltungsfreiheit gewähren und ob Sie die Beteiligten vor Ort mit einbeziehen und – das ist wesentlich – überzeugen werden. Bisher konnten Sie weder die FDP-Fraktion noch die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt überzeugen. Nutzen Sie also die Chance!

[Beifall bei der FDP]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich lasse über den Antrag sofort abstimmen. Wer dem CDU-Antrag

seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktion der CDU und die Fraktion der FDP. Die Gegenprobe! – Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Enthaltungen sehe ich nicht. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Die Priorität der Linksfraktion war gemeinsame Priorität der Koalitionsfraktionen unter dem Tagesordnungspunkt 4 c.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 5:

II. Lesung