Protocol of the Session on April 30, 2009

Und natürlich zu einer Steuerstrukturreform zu kommen! Dieses Land – und das merkt man doch gerade in der Krise – leidet unter einem seit Jahrzehnten aufgeladenen Ballast kaum überschaubarer steuerlicher Verästelungen, einerseits materieller, andererseits verfahrensmäßiger, und wenn wir den Finanzausgleich anschauen, dann sehen wir, dass hier nichts mehr in einer vernünftigen Weise noch Anreize bietet, zu einer Haushaltskonsolidierung und zu einer soliden Wirtschaftspolitik zu kommen, sondern dass wir hier ein unübersehbares Gestrüpp haben. Dies hätte auseinandergeschlagen werden müssen. Auch hierzu fehlte es insbesondere den beiden größeren Parteien in der Föderalismuskommission an Mut und auch an Durchsetzungskraft, vor allen Dingen in den eigenen Fraktionen.

[Beifall bei der FDP]

Uns unterscheidet von Linken und SPD, dass wir kritisieren, aber dass wir die Geschichte auch konstruktiv begleitet haben. Kollege Ratzmann! Sie haben vollkommen recht, es war lächerlich, wie sich das Land Berlin dort präsentiert hat, diese Arroganz von Wowereit und Sarrazin in der Kommission.

[Zuruf von Stefan Liebich (Linksfraktion)]

Nachdem man kurz zuvor noch auf Ergänzungszuweisungen durch den Bund geklagt hat, dann aufzutreten wie ein großer Maxe, der alles selbst kann, das war einfach lächerlich und vor allen Dingen unglaubwürdig. Deswegen haben wir am Ende bei der Verteilung so schlecht abgeschnitten.

[Beifall bei der FDP und den Grünen – Zuruf von Stefan Liebich (Linksfraktion)]

Natürlich! Das ist doch nicht glaubwürdig. – Aber was die Linken aufführen und warum ausgerechnet Sie, Kollege Liebich, dieses Thema hier auf die Tagesordnung gezogen haben, das versteht nun überhaupt niemand.

[Zurufe von Stefan Liebich (Linksfraktion) und Martina Michels (Linksfraktion)]

Der Vorsitzende der Föderalismuskommission Struck sagte mal bei der Prüfung eines Abstimmungsverhaltens, gut, bei Herrn Ramelow brauche ich gar nicht zu gucken, der ist sowieso dagegen, er hat immer mit Nein gestimmt und keinerlei konstruktive Vorschläge. – Das spüren die Menschen in dem Lande, und deswegen profitieren Sie auch nicht von der Krise. Sie wissen, dass von Ihnen nichts, aber auch gar nichts an Lösungsvorschlägen, die durchführbar und vernünftig in diesem Lande sind, kommt.

[Zurufe von Stefan Liebich (Linksfraktion) und Martina Michels (Linksfraktion)]

Deswegen merken sie auch, dass da tatsächlich viel heiße Luft kommt.

[Zuruf von Stefan Liebich (Linksfraktion)]

Mir gefällt auch ein Teil der Plakate der SPD insoweit sehr gut.

[Heiterkeit bei der FDP und den Grünen]

Den Hai finde ich auch nicht schlecht.

[Beifall bei der FDP]

Aber von Ihnen kommt nichts.

[Zuruf von Stefan Liebich (Linksfraktion)]

Es fehlt allerdings der SPD-Pleitegeier. Pleitegeier wählen SPD, nämlich die Partei, die hier seit zehn Jahren maßgebend für die Krise und das völlige Versagen bei den Regulierungsmechanismen verantwortlich ist, die seit zehn Jahren den Finanzminister stellt.

Entschuldigung, Herr Dr. Lindner! Ihre Redezeit ist bereits beendet. Kommen Sie bitte zum Schluss!

Aber das Entscheidende ist, man muss konstruktiv und zukunftsorientiert an die Sachen herangehen und nicht populistisch und rückwärtsgewandt wie die Linken. Deswegen wird es auch nichts mit Ihnen in diesem Land. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP – Beifall von Uwe Goetze (CDU) – Zurufe von der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Lindner! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Vorlage – zur Kenntnisnahme – Drucksache 16/2235 ist besprochen und zur Kenntnis genommen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 5 b:

I. Lesung

Kitakinder + Bildung von Anfang = Gewinn für Berlin

Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Weiterentwicklung des bedarfsgerechten Angebotes und der Qualität von Tagesbetreuung (Kindertagesbetreuungsreformgesetz)

Antrag der Grünen Drs 16/2279 – neu –

Das ist die Priorität der Fraktion der Grünen unter dem laufenden Tagesordnungspunkt 10. Ich eröffne die Erste Lesung. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion der Grünen. Frau Jantzen hat das Wort. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Ich kann mich nicht erinnern, dass Herr Zöllner entschuldigt ist, und würde jetzt einfach einen Moment warten, bis er im Raum ist.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Ich denke mal, er ist unterwegs. – Und die Uhr bitte zurück auf die Fünf, wenn er dann da ist!

[Zurufe von der Linksfraktion und der FDP]

Müssen wir halt warten. Ist dann so.

Wir beraten hier oben noch. Wir haben gedacht, es dauert vielleicht nur eine Sekunde, bis der Herr Senator kommt, aber ansonsten muss es natürlich einen Antrag auf Sitzungsunterbrechung geben. Bisher habe ich nur einen gesehen, der das möchte. Ansonsten lassen wir darüber abstimmen. Wird die Sitzungsunterbrechung gewünscht, bis Herr Senator Prof. Zöllner da ist? Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der Grünen, der FDP und der CDU. Gegenprobe! – Das sind die Koalitionsfraktionen.

[Zurufe von den Grünen: Auszählen!]

Einen Moment, wir konzentrieren uns hier oben. Es ist wirklich schwierig, wenn ich das so sagen darf.

[Mirco Dragowski (FDP): Er kommt!]

Wir ersparen uns vieles, einen eventuellen Hammelsprung auch, weil Herr Prof. Dr. Zöllner, der zuständige Senator, jetzt da ist. Ich hoffe, jetzt können wir fortfahren. – Frau Jantzen, Sie haben das Wort, bitte sehr!

Wir können fortfahren. – Schön, dass Sie da sind, Herr Zöllner! Vielleicht muss man Sie doch manchmal daran erinnern, dass Sie nicht nur Wissenschafts- und Schulsenator, sondern auch für die Jugend und die Familien zuständig sind.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Ich möchte alle, die erst in dieser Legislaturperiode in diesem Haus sind, kurz noch mal zurückführen. Dieses Parlament hat im Jahr 2005 ein Kindertagesstättenfördergesetz verabschiedet, mit dem wir hohe Anforderungen an die Bildung, Erziehung und Betreuung in den Kindertagesstätten stellen. Es geht um mehr und bessere Förderung von jedem Kind, und zwar bessere individuelle Förderung. Es geht um verstärkte Sprachförderung, insbesondere um die Bildungschancen von Kindern mit Migrationshintergrund zu verbessern. Es geht um die Einbeziehung der Eltern, auch um ihre Kompetenz zu stärken. Und es geht um eine Öffnung zum Stadtteil der Kindertagesstätten und um Kooperation mit familienorientierten Diensten und Einrichtungen. Nach der Verabschiedung dieses Gesetzes wurde ein Bildungsprogramm entwickelt und eingeführt. Für jedes Kind in der Kindertagesstätte ist ein Sprachlerntagebuch zu führen. Die Entwicklung der Kinder ist zu dokumentieren und mit den Eltern jeweils auch individuell zu besprechen. Die Kitas haben sich zur Qualitätsentwicklung und -sicherung verpflichtet. Diese Qualitätsvereinbarung erfüllen die Träger nach bestem Wissen und Gewissen, und die Erzieherinnen und Erzieher in den Einrichtungen erfüllen ihre Aufgabe bis weit über das geforderte Maß hinaus, vor allen Dingen auch in ihrer Freizeit und zulasten ihrer Gesundheit. Das ist nicht länger hinzunehmen.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Es ist an der Zeit, dass auch der Senat und dieses Parlament ihre Hausaufgaben machen. SPD und Linkspartei versprechen zwar seit Jahren, dass der Personalschlüssel verbessert werden soll und die Leitungsfreistellungen wieder auf den Schlüssel „100 Kinder – eine Freistellung“ verbessert wird, was von Rot-Rot ja mal verschlechtert wurde. Davon ist jedoch weder in dem Nachtragshaushalt was zu sehen gewesen noch in dem Referentenentwurf für ein Kitagesetz, der von der Senatsverwaltung vorgelegt wurde.

[Mirco Dragowski (FDP): Alles Lippenbekenntnisse!]

Alles Lippenbekenntnisse, alles leere Versprechungen bisher! – Und die Eltern draußen in der Stadt und vor allen Dingen die Erzieherinnen und Erzieher fühlen sich zu Recht von diesem Senat verschaukelt und getäuscht. Die ganze Stadt verlangt nach Qualitätsverbesserung.

Was macht der Senat? – Er setzt aus unserer Sicht weiter auf falsche Prioritäten. Er will die Gebührenfreiheit im Kindergarten für das zweite und dritte Jahr einführen. Ich gebe es unumwunden zu, auch wir, Bündnis 90/Die Grünen, möchten gerne den Kindergarten freistellen, weil auch wir denken, die Bildungseinrichtung Kita sollte nichts für die Eltern kosten. Natürlich soll es uns als Land was kosten. Sie wären nicht kostenfrei. Aber unter den Bedingungen der gegenwärtigen finanziellen Situation des Landes Berlin setzen wir die Priorität eindeutig auf den Vorrang für Qualität und für eine Verbesserung des Zugangs zu den Kindertagesstätten.

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Wir haben einen Gesetzentwurf eingebracht, der zum einen einen Rechtsanspruch für Kinder ab drei ohne Bedarfsprüfung für einen Teilzeitplatz einführt, der eine etwa 17-prozentige Verbesserung des Personalschlüssels, also eine Verkleinerung der Gruppengrößen in den Kitas vorsieht und die Leitungsfreistellung, wie bereits gesagt, ab 100 Kindern in einer Kita will. Wir sehen uns mit dieser Forderung, mit diesen Zielen in absolut guter und bester Gesellschaft.

Wir haben damit das Volksbegehren des Landeselternausschusses Kindertagesstätten im Wesentlichen übernommen. Wir erfüllen damit auch die Forderung des breiten Kitabündnisses, in dem sich sowohl die öffentlichen Träger – also die Eigenbetriebe – als auch die freien Träger, die Gewerkschaften und verschiedene Einzelpersonen sowie Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, auch unterschiedlicher Fraktionen und Parteien, versammelt haben. Sie fordern genau das, was in unserem Gesetzentwurf steht. Es gibt auch eindeutige Aussagen aus diesen Reihen, dass unter den gegenwärtigen Bedingungen der Vorrang auf der Qualitätsverbesserung liegen muss, und zwar vor der Kostenfreiheit. Das heißt, wir sind mit der Stadt im Wesentlichen eins.