Protocol of the Session on April 2, 2009

Für die Lautstärke bin ich nicht verantwortlich. –

[Özcan Mutlu (Grüne): Dafür kann er nichts! – Weitere Zurufe: Mikro!]

Etwas mehr in das Mikro sprechen, Herr Dr. Körting!

[Weitere Zurufe]

Vielleicht kann das Haus ja auch etwas ruhiger sein, dann ist es auch leichter.

Also noch einmal: Die Zerschlagung der Strukturen der „Heimattreuen deutschen Jugend“ durch das Verbot vom Kollegen Schäuble schwächt nach unserer Einschätzung die rechtsextremistische Szene in der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin erheblich, und zwar im Hinblick auf den Wegfall der Betreuungs- und Schulungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen als Nachwuchs für die gesamte rechtsextremistische Szene. Der Verfassungsschutz Berlin hat seit 2004 regelmäßig auf diese Organisation hingewiesen.

Zu Frage 2 – welche Auswirkungen wir erwarten –: Die „Heimattreue deutsche Jugend“ war in Berlin nach unserer Einschätzung mit ungefähr 30 Mitgliedern vertreten, wobei wir nur die erwachsenen Mitglieder und nicht die Jugendlichen und Kinder zählen. Wir gehen davon aus, dass diejenigen, die dort Mitglied waren, durch das Verbot natürlich nicht ihr Gedankengut verloren haben. Aber wir gehen davon aus, dass die Schulung von Kindern und Jugendlichen schwerer wird und dass es auch schwer sein wird, das wieder zu organisieren. Wir haben seinerzeit beim Verbot der Wiking-Jugend eine ähnliche Entwicklung gehabt. Auch dort ist es schwergefallen, hinterher wieder eine Organisation auf die Beine zu stellen, um Kinder im extremistischen Sinne zu schulen.

Präsident Walter Momper

Kollege Schreiber hat das Wort zu einer Nachfrage. – Bitte schön!

Herzlichen Dank, Herr Innensenator! Ich möchte eine Nachfrage stellen. Wie wir wissen, war die „Heimattreue deutsche Jugend“ eine sogenannte Vorfeldorganisation der NPD. Wir wissen auch mit dem heutigen Tage, dass die NPD einen erheblichen Millionenbetrag an den Bund zurückzahlen muss. Meine Frage an Sie: Sehen Sie eine Chance, nach dem Verbot der „Heimattreuen deutschen Jugend“ seitens des Bundes nun endlich bei der Innenministerkonferenz auch auf der Seite der CDU-Länder ein Verbotsverfahren gegen die NPD konkret und konsequent um- und durchzusetzen?

Der Herr Innensenator hat das Wort. – Bitte!

Herr Kollege Schreiber! Sie wissen, dass sowohl der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit als auch ich sich seit langer Zeit für ein Verbot der NPD einsetzen. Sie wissen aber auch, dass das auf Bundesebene bei den Bundespolitikern durchaus umstritten ist. Insbesondere der Bundesinnenminister lehnt dies ab. Insofern bin ich schon etwas hoffnungsfreudiger dadurch, dass man zumindest einen Teil dieses rechtsextremistischen Sumpfes durch Verbote beseitigen kann, wie wir das mit den Kameradschaften „Tor“ und BASO getan haben und wie es der Bundesinnenminister jetzt mit der „Heimattreuen deutschen Jugend“ tut.

Die rechtlichen Voraussetzungen für beide Verbote sind allerdings völlig unterschiedlich, weil es relativ leichter ist, Vereine zu verbieten – nach dem Vereinsgesetz – als Parteien zu verbieten, die nach dem Grundgesetz einen besonderen Schutz haben – das sogenannte Parteienprivileg des Artikel 21. Ich gehe im Moment nicht davon aus, dass bei vielen Leuten ein Umdenkungsprozess stattfindet. Aber ich weise darauf hin, auch bei der CDU: Der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, Herr Caffier, ist eher der Auffassung, dass man verbieten sollte, und auch der bayerische Ministerpräsident, Herr Seehofer, von der CSU hat sich in letzter Zeit ähnlich geäußert.

[Mieke Senftleben (FDP): Der äußert sich morgen aber gleich wieder anders!]

Kollege Behrendt von der Fraktion Bündnis 90 hat das Wort zu einer Nachfrage. – Bitte, Sie haben das Wort!

Danke schön, Herr Präsident! – Herr Innensenator! Im Zusammenhang mit dem Verbot fanden Hausdurchsuchungen in Berlin und Brandenburg statt. Konnte dabei festgestellt werden, dass es auch in Berlin Strukturen der HdJ gegeben hat? Wenn ja, von welcher Beschaffenheit waren diese Strukturen?

Herr Senator Dr. Körting!

Herr Kollege Behrendt! Es gab schon vor dem Verbotsverfahren, wo es Beschlagnahmen gegeben hat, Beschlagnahmen und Hausdurchsuchungen, weil der Bundesinnenminister schon im letzten Jahr ein förmliches Ermittlungsverfahren nach dem Vereinsgesetz eingeleitet hat. In Berlin gab es nach meiner Kenntnis drei Hausdurchsuchungen bzw. Beschlagnahmen. Über das Ergebnis der Beschlagnahmen bin ich noch nicht unterrichtet.

Die CDU-Fraktion verzichtet auf ihre Mündlichen Anfragen und bittet um schriftliche Beantwortung.

Dann hat Frau Kollegin Matuschek von der Linksfraktion das Wort zu ihrer Mündlichen Anfrage über

Seniorenticket von Anfang an ein Erfolg?

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Wie viele Abonnenten für das Seniorenticket sind zum Start am 1. April 2009 gewonnen worden, wie viele davon sind Neukunden?

2. Wie bewertet der Senat diese Entwicklung?

Die Senatorin für Stadtentwicklung, Frau Junge-Reyer, hat das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Matuschek! Die Einführung des Seniorentickets durch die Verkehrsunternehmen auf erhebliche Veranlassung durch die Politik in Berlin und Brandenburg ist ein außerordentlicher Erfolg. Die neuesten Zahlen zeigen uns, dass inzwischen – seit gestern kann dieses Seniorenticket benutzt werden – schon fast 50 000 Bestellungen eingegangen sind. Dabei ist die Hälfte den Neukundinnen und

Neukunden zuzurechnen. Das heißt, es ist gelungen, ein Ziel umzusetzen, das wir von Anfang an bei dieser Diskussion verfolgt haben. Immer dann, wenn jemand aus dem Berufsleben ausscheidet, sich vielleicht das bisherige Umweltticket nicht mehr rechnet und zu teuer wird, weil die Wege kürzer werden oder weil man seltener fährt, steht damit ein preiswertes Angebot zur Verfügung, das die Möglichkeit eröffnet, in ganz Brandenburg und in Berlin preiswert unterwegs zu sein, und das wird offensichtlich stark nachgefragt.

Seit gestern wird das Seniorenticket – wie schon beschrieben – nun gültig sein. Wir rechnen damit, dass sehr viele unter dem Eindruck und dem Herumsprechen, dass man ein solches Ticket erwerben kann, sich ebenfalls mit einem solchen Seniorenticket Mobilität für ein ganzes Jahr sichern wollen.

Wichtig ist, dass wir ein attraktives und verständliches Angebot haben. Wichtig ist auch, dass jeder dies auch ab dem Alter von 65 erwerben kann. Insbesondere trägt offensichtlich die Reichweite des Tickets – ganz Brandenburg und ganz Berlin – zur Attraktivität bei. Mir ist wichtig, dass der Anteil der Älteren, die in Berlin und Brandenburg zukünftig ein solches Ticket in Anspruch nehmen werden, mit Sicherheit steigen wird. Es wird mehr Menschen geben, die älter werden, die in beiden Ländern leben. Und für sie, die auch nach dem, was wir inzwischen vorhersehen und erfassen können, ein geringeres Einkommen haben, ist die Teilhabe an allem, was in den Ländern geschieht, die Möglichkeit, sich einzumischen, Kultur und Natur zu erleben, von besonderer Bedeutung. Dies gilt ausdrücklich auch bei einem Einkommen, das zukünftig wohl nicht mehr so hoch sein wird, wie es jetzt im Durchschnitt ist. Es ist also ein Erfolg, das Seniorenticket.

Danke schön, Frau Senatorin! – Es gibt eine Nachfrage der Frau Kollegin Matuschek. – Bitte schön!

Vielen Dank! – Ich möchte Sie in der Bewertung unterstützen, dass es ein Erfolg ist. Es ist ein gutes Produkt mit entsprechender Werbung, das auch zu Neukunden führen kann. Das Ticket gilt für Berlin und Brandenburg. Sind Ihnen Zahlen bekannt, über welche Unternehmen – BVG, S-Bahn, VBB, Brandenburger Unternehmen – welche Anteile der fast 50 000 Abonnenten gewonnen werden konnten? Wie viele Berliner und wie viele Brandenburger Abonnenten gibt es dabei?

Frau Senatorin Junge-Reyer, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Matuschek! Wir haben den VBB gebeten, eine solche Erfassung bei den Verkehrsunternehmen durchzuführen. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir eine gleichmäßige Inanspruchnahme bei allen Verkehrsunternehmen zu verzeichnen haben. Auf der anderen Seite ist es so, dass die S-Bahn und die BVG untereinander einen Einkommensausgleich verabredet haben. Wichtig ist mir auch, dass die Unternehmen von vornherein darauf hingewiesen haben, dass sich das Seniorenticket auch für die Unternehmen rechnen muss, sodass das Seniorenticket kein Zuschussbetrieb für den einen oder anderen Betrieb eines Verkehrsunternehmens in Berlin und Brandenburg ist. Die genaue Aufstellung durch den VBB werden wir miteinander auswerten. Dann werden wir sehen, wo wir noch mehr werben müssen. Mit Sicherheit müssen wir mehr werben. Wir werden dies tun. Der Erfolg gibt uns gemeinsam mit den Verkehrsunternehmen jetzt schon Recht.

Danke schön, Frau Senatorin! – Dann hat Frau Villbrandt von den Grünen eine Nachfrage und das Wort.

Frau Senatorin! Einige Senioren, vor allem diejenigen, mit einer guten Rente, freuen sich sicherlich über das Seniorenticket. Billigere Umweltkarten für alle würden überhaupt zu mehr Nutzern führen. Was tut der Senat aber dafür, dass viele Geringverdienende, Nicht-Senioren, mit einem Einkommen unwesentlich über den Grenzen von ALG II, die arm trotz Arbeit sind, ebenfalls bezahlbare Tickets bekommen?

[Beifall bei den Grünen]

Frau Senatorin Junge-Reyer, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Villbrandt! Wie Sie wissen, gibt es für diejenigen mit einem sehr geringen Einkommen seit langem ein Sozialticket in Berlin. Wie Sie außerdem wissen, ist das Umweltticket, das wir zur Verfügung haben, im Vergleich zu anderen großen Metropolenräumen und Ballungsräumen in den letzten Jahren in außerordentlich geringer Weise im Preis erhöht worden. Ich bin sicher, dass dies von den Kundinnen und Kunden anerkannt wird. Glauben Sie mir, dass beispielsweise auch die Durchsetzung der Vier-Fahrten-Karte ganz erheblich dazu beigetragen hat, dass die Preise für ein Einzelticket für die Nutzerinnen und Nutzer nicht gestiegen sind. Schauen Sie sich genau an, welche Preiserhöhungen es im öffentlichen Personennahverkehr in anderen Großstädten gegeben hat. Sie wer

Bürgermeisterin Ingeborg Junge-Reyer

werden sehen, dass Politik in Berlin eine Preispolitik der Unternehmen durchgesetzt hat, die außerordentlich moderat ist und dazu geführt hat, dass mehr Kundinnen und Kunden den öffentlichen Personennahverkehr nutzen.

Danke schön!

Nun ist Frau Ströver von den Grünen an der Reihe mit einer Frage zu dem Thema

Mit SED-Vermögen Schloss Friedrichsfelde als Amtssitz für den Tierpark-Chef herrichten?

Bitte schön, Frau Ströver!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Welche Gründe waren maßgeblich dafür, dass der Senat mit Mitteln, die Berlin aus dem Vermögen der Parteien- und Massenorganisationen der DDR zugeflossen sind, das Schloss Friedrichsfelde als Amtssitz des Tierpark-Direktors Blaszkiewitz ausbaut, statt sie den Opfern der SED-Diktatur oder den Aufarbeitungsinstitutionen zukommen zu lassen?

2. Warum sieht sich ausgerechnet der rot-rote Senat nicht in einer besonderen moralischen Verpflichtung, im 20. Jahr nach dem Fall der Mauer ein Signal zu setzen und die lang erwarteten Gelder für die unter 1. genannten Zwecke zu verwenden?

[Beifall bei den Grünen]

Zur Beantwortung hat der Finanzsenator, Herr Dr. Sarrazin, das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Frau Abgeordnete! Das Gesetz, das im Mai 1990 von der Volkskammer der DDR verabschiedet wurde, wie man diese Mittel verwendet, gilt. Damals wurde gesagt, dass sie für investive und investitionsfördernde Maßnahmen der öffentlichen Hand sowie für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Zwecke im Beitrittsgebiet verwendet werden sollen. Alle diese Maßstäbe werden vom Schloss Friedrichsfelde erfüllt.

[Michael Schäfer (Grüne): Quatsch!]