Aber auch der Senat und hier vor allem der Finanzsenator muss sich fragen, wie er diese Verhandlungen führt. Ich finde es inakzeptabel, in der heißen Phase der Gespräche per Zeitung in bester Basta-Manier verkünden zu lassen, dass es maximal 1,3 Prozent mehr gibt und zusätzliche Belastungen keine Rolle spielen können.
Was für Verhandlungen sollen das sein, bei denen die eigene Position für absolut erklärt wird und keinerlei Spielraum für eine Annäherung besteht? Ein solches Vorgehen wird der Bedeutung der Hochschulen und der Wissenschaft für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in Berlin nicht gerecht. Jetzt haben wir in dieser Woche auch hören können: Der Finanzsenator macht sich um die soziale Entwicklung in der Stadt Sorgen. Dann sollte er sich vielleicht auch Sorgen um die Hochschulfinanzierung machen.
Herr Zimmer! Ich möchte Ihnen gern einige Worte zur Frage entgegnen, welche Studienplätze unter einem neuen Zuweisungsmodell geschaffen werden. Sie haben in Ihren Darstellungen eines ausgeblendet: Studierende wählen nicht Studienplätze, die billig sind, sondern die gut sind. Das heißt, Hochschulen werden die Studienplätze anbieten, die nachgefragt werden.
Momentan nicht, danke! – Also werden die Studienplätze nachgefragt, die gut sind, und damit werden diese auch geschaffen. Es kann also nicht davon ausgegangen werden, dass die Hochschulen nur die Studienplätze schaffen, die billig sind, sondern sie werden die Studienplätze schaffen, für die es eine reale Nachfrage gibt.
Abschließend möchte ich einiges zur Einstein-Stiftung sagen. Erstens: Die Einstein-Stiftung ist ein Gewinn für den Wissenschaftsstandort Berlin und ein wichtiger Baustein zur Förderung der exzellenten Forschung in der Stadt.
Zweitens: Die Behauptung, dass mit der Einstein-Stiftung wesentliche Kernbereiche der Forschung aus den Universitäten herausgelöst werden, wird nicht richtiger, indem man sie wiederholt. Lesen Sie ausführlich die Mitteilung – zur Kenntnisnahme –, Herr Zimmer! Sie sind klug genug, um zu verstehen, dass nichts von dem drinsteht, was Sie hier behaupten.
Auch kann es nicht sein, dass man die Einstein-Stiftung in Verbindung mit den Hochschulverträgen diskutiert. Wer glaubt, dass der Verzicht auf die Einstein-Stiftung und auf den Masterplan im Jahr 2007 dazu führen würde, dass der
Finanzsenator im Jahr 2009 die Spendierhosen bei den Hochschulverträgen anhat, hat gar nichts von Politik verstanden.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass Berlin einer der wichtigsten Wissenschaftsstandorte Europas ist. Berlin ist attraktiv für internationale Studierende und kann sich in vielen Rankings behaupten.
Danke für den Hinweis! – Darum lohnen sich Investitionen in diesen Bereich, darum müssen die Hochschulen vernünftig ausgestattet werden, und dafür arbeiten wir gemeinsam mit dem Senat.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Visionen und den Glaubensbekenntnissen, die wir hier hören durften, möchte ich gern ein paar Takte zur Realität sagen. In seiner schönen Rede beschreibt der Senator das Zukunftspotenzial der Stadt in der Wissenschaft. In der Realität ringen die Hochschulen in dieser Stadt um ihre Zukunft. Nachdem es letzte Woche im Wissenschaftsausschuss noch hieß, dass unser Antrag veraltet und überholt sei, kann ich nur sagen, dass unsere Forderung, die Einstein-Stiftung und die Verhandlungen über die Hochschulverträge zusammenzudenken, aktueller denn je ist.
Von Anfang an hat sich die Frage gestellt, ob beides zusammen finanzierbar sein wird: die auskömmliche Ausstattung der Hochschulen und zusätzlich die EinsteinStiftung mit jährlich 35 Millionen Euro. Fakt ist, lieber Herr Oberg, das eine steht im Haushalt und das andere nicht.
Während Sie auf der einen Seite die Gründung der Einstein-Stiftung fleißig vorantreiben – im Nachtragshaushalt ist sie ja jetzt verankert –, erfüllen Sie bisher Ihr Versprechen gegenüber den Hochschulen nicht. Bis letzte Woche haben sowohl die Koalition als auch der zuständige Senator so getan, als ob eine auskömmliche Basisfinanzierung für die Hochschulen das politische Ziel sei. Im September 2008 sagte Stefan Zackenfels, der SPD-Haushaltspolitiker, im „Tagesspiegel“:
Eine auskömmliche Basisfinanzierung ist aber bei Ihnen nicht in Sicht. Sie wollen offensichtlich die Sahnehaube, aber keinen Kaffee darunter.
Die Fortschreibung des Status quo, die Sie hier andenken – das wissen wir hier alle –, wird zu einem Studienplatzabbau führen. Die Hochschulen kämpfen mit steigenden Pensionslasten, die wir der BVG gerade abgenommen haben.
Das Gleiche gilt für Tarifsteigerungen, die die Hochschulen selbst nicht verursacht haben. Es geht um das Auslaufen des Solidarpaktes im öffentlichen Dienst. Im Landeshaushalt planen Sie dafür Mehrausgaben ein, den Hochschulen zeigen Sie die kalte Schulter, die müssen das selbst aus ihrem Etat bezahlen. Fakt ist: Wenn man sich die steigenden Pensionslasten und die Tarifsteigerungen ansieht, für die der Senat verantwortlich ist, die er den Hochschulen aber nicht abfedern will, führt dies zum Studienplatzabbau. Ich möchte, dass Sie sich dazu verhalten!
Seit 2002 ist die Anzahl der Studierenden bereits gesunken, wie Ihre Große Anfrage zeigt – um einige Tausend. In Zukunft wird das, wenn es so weitergeht, ganz andere Dimensionen erreichen. Bei den Fachhochschulen – da haben wir jüngeres Personal – werden „nur“ 10 Prozent der Studienplätze abgebaut, bei den Universitäten mit dem älteren Personal leider schon 20 Prozent, und dazu sagen Sie politisch nichts. Dazu schweigen Sie und drücken sich vor der Verantwortung.
Nachdem Sie in den letzten Jahren alle Steuermehreinnahmen für dieses und jenes verplant haben, will jetzt bei Rot-Rot offenbar niemand mehr für den selbst erklärten Schwerpunkt Wissenschaft noch Geld lockermachen, trotz einer jahrelangen Debatte, die Wissenschaft zum Essential und Zukunftspotenzial für die Stadt erklärt hat. Es ist noch gar nicht lange her, dass Sie dies auch selbst so sahen, Herr Oberg. Ich zitiere den „Tagesspiegel“ vom September 2008:
Oberg will nicht ausschließen, dass Berlin sich sowohl eine „vernünftige Grundfinanzierung“ der Hochschulen als auch eine Förderung der Spitzenforschung … leisten kann: „Alles hängt davon ab, wo Berlin seine Schwerpunkte setzen will.“
Offensichtlich wollen Sie keinen Schwerpunkt mehr bei der Wissenschaft und der Basisfinanzierung der Hochschulen setzen, denn anders ist das, was hier gerade stattfindet, nicht erklärbar.
Sie haben über Monate alle Beteiligten im Unklaren gelassen und hoch gepokert. Es hätte auch gutgehen können. Die Hochschulen sollten die Einstein-Stiftung akzeptieren, die jetzt auf ihre Kosten gegründet wird, sie sollten die Umstellung auf die Kopfpauschale akzeptieren, die Sie mit ihnen verhandelt haben, und nun stellt sich die Frage: Wann haben Sie den Hochschulen mitgeteilt, dass in der Finanzierungsfrage schlicht und einfach nichts zu machen ist?
Im Wissenschaftsausschuss sprach der Senator noch von einem „atmenden System mit Spielräumen“. Diese Spielräume laufen bei Ihnen offensichtlich irgendwo zwischen 0,5 und 1 Prozent. Fakt ist, die Spielräume sind nicht in Sicht.
[Christian Gaebler (SPD): Glauben Sie nicht alles, was Herr Sarrazin sagt! – Lars Oberg (SPD): Sie haben eine leicht selektive Wahrnehmung!]
Das bedeutet, wie Herr Zimmer schon sagte, dass die Hochschulen immer mehr Studierende für das gleiche Budget „liefern“ sollen. Das heißt, immer mehr Studienplätze mit gedeckeltem Budget, das führt zum DiscountStudium, Masse statt Klasse – das ist offensichtlich Ihre Parole in der Wissenschaftspolitik. Diese können wir nicht teilen. Sie haben sich da hinein manövriert, jetzt müssen Sie den Karren wieder hinausziehen. Das geht nur mit klaren und verbindlichen Ansagen, und diese haben wir heute nicht gehört.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum Antrag der Grünen „Berlin International Forum for Excellence und Hochschulverträge müssen zusammen verhandelt werden!“ will ich nicht mehr viel sagen. Den hat mittlerweile die Katz’ gefressen, er ist von der Wirklichkeit überholt. Sie reiten mit Ihrer Kritik an der EinsteinStiftung ein totes Pferd. Die Gründung der EinsteinStiftung ist im Konsens mit den Hochschulen weitgehend abgeschlossen, und das ist gut für die Wissenschaftsstadt Berlin. Da wird überhaupt nichts herausgelöst, Herr Zimmer, sondern zusätzlich gefördert. „Jammer-maika“ hat zwar auch dazu noch auf einer legendären Pressekonferenz der Weltöffentlichkeit mit großem Getöse ein WPD-Gutachten präsentiert. Auf die vollmundig ange
kündigten juristischen und politischen Konsequenzen wartet die geneigte Öffentlichkeit aber weiterhin. Offenbar hat irgendjemand von Ihnen doch noch in Ruhe das Gutachten gelesen. Darin steht nämlich klar: Erstens, die Gründung der Einstein-Stiftung wirft keine rechtlichen Bedenken auf.
Zweitens: Die innere Konstruktion der Einstein-Stiftung lässt letztendlich kein Defizit an parlamentarischer Kontrolle erkennen, das ihre Errichtung verfassungsrechtlich problematisch macht. Auch in der Frage des Gesetzesvorbehalts liefert es Ihnen keine wirkliche Argumentation. Es kann auch kein Grund für ein Junktim zwischen den Hochschulvertragsverhandlungen und der Einrichtung der Einstein-Stiftung, wie es die Hochschulen gefordert haben, geben. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Die Einrichtung der Einstein-Stiftung stützt gerade die Hochschulen zusätzlich in ihrer Forderung nach einer soliden Finanzierung.
Für meine Fraktion will ich in diesem Zusammenhang noch einmal klar sagen: Wir stehen weiter zu der Aussage, dass – bei welchem Finanzierungssystem auch immer – die Conditio sine qua non die ausreichende Grundfinanzierung unserer Hochschulen ist.
Das erfordert natürlich einen entsprechenden Aufwuchs der Mittel, und selbstverständlich schließt das eine wie auch immer geartete Gleitklausel für die von den Hochschulen nicht beeinflussbaren steigenden Tarifkosten ein. Mit den 1,3 Prozent des Finanzsenators ist es nicht getan, es sei denn, man will Leistungseinschränkungen hinnehmen. Ich habe es bereits im Ausschuss gesagt: Es macht keinen Sinn, mit viel Geld ein prächtiges Penthouse Einstein-Stiftung auf den maroden Gemäuern einer unterfinanzierten Hochschule zu errichten. Gerade wenn man die Einstein-Stiftung will, muss man die Grundfinanzierung der Hochschulen langfristig sichern.
Nun zur Großen Anfrage der CDU „Wissenschaftspotenzial nutzen“. Der Senator hat dazu schon hinreichend Stellung genommen, aber zur Anfrage an sich möchte ich schon noch etwas sagen. Mir war bei manchen Ihrer Fragen völlig unklar, auf welcher Datengrundlage Sie eigentlich Antworten erwartet haben. Zur Beantwortung der Fragen 5, 7 und 12 z. B. bräuchten Sie den flächenhaften Überwachungsstaat. Sie fragen ein vollständiges Bewegungsprofil ganzer Bevölkerungsschichten ab – wer soll beantworten, wie viele Hochschulabsolventen in Berlin oder anderswo einer Beschäftigung nachgesucht haben, wie viele tatsächlich eine gefunden haben und wie viele in EU-Mitgliedsstaaten oder gar in Drittländer abgewandert sind?