Protocol of the Session on March 19, 2009

[Benedikt Lux (Grüne): Die Studentendatei, da steht das!]

Und dann soll das auch noch aufgeschlüsselt sein, ob mit oder ohne Migrationshintergrund, nach Staatsangehörigkeit, Qualifikation und Berufsgruppe – vielen Dank, Or

Orwell lässt grüßen! Warum haben Sie nicht auch noch die Schuhgröße abgefragt?

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Allerdings wird durch Ihre Frage 5 schon ein Problem deutlich: Wie hoch ist der Anteil von Migranten, die unterhalb ihrer Qualifizierung in Berlin einer beruflichen Tätigkeit nachgehen? – Auch da ist völlig unklar, wie das beantwortet werden soll. Wen wollen Sie fragen? – Angesichts der immer wieder beklagten Probleme in unserer Region, Stellen mit qualifizierten Fachkräften zu besetzen, erstaunt mich allerdings schon, dass offenbar bei der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit keinerlei Informationen zur beruflichen oder wissenschaftlichen Qualifikation der Migranten vorliegen sollen. Wenn in der Antwort zur Frage 9 die Rede davon ist, dass das sogenannte Erwerbspersonenpotenzial – auch so ein Wort für meinen alten Deutschlehrer, auweia! – besser auszuschöpfen ist, dann muss man es zunächst einmal erfassen. In der Antwort auf die Anfrage wird erwähnt, dass die Weiterentwicklung der Ausländerbehörde zu einer Serviceeinrichtung für Neuzuwanderer geplant ist. In diesem Zusammenhang dürfte es kein allzu großes Problem sein, diesen Mangel zu beheben und zukünftig auch berufliche oder wissenschaftliche Qualifikationen zu erfassen und mit einem eventuellen Bedarf abzugleichen, um diesen Menschen eine ihrer Qualifikation entsprechende Arbeit anzubieten. Ein solcher adäquater Einsatz dürfte im Übrigen auch ein ganz wesentlicher Bestandteil einer sinnvollen Integrationspolitik sein. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank! – Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Kollege Czaja.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich will zunächst feststellen, dass, solange wir uns zu Hochschulvertragsverhandlungen in unseren Wortbeiträgen äußern, ich zumindest erwartet hätte, dass der Wissenschaftssenator sich hinter dem Finanzsenator und umgekehrt versteckt, dass beide heute hier anwesend sind und dieser Debatte folgen.

[Beifall bei der FDP]

Ich möchte Ihnen sodann den Zusammenhang zwischen Einstein-Stiftung und Hochschulvertragsverhandlungen verdeutlichen.

[Lars Oberg (SPD): Da bin ich ja mal gespannt!]

Lieber Kollege Oberg! Im Herbst des vergangenen Jahres gelang es dem Wissenschaftssenator in der Tat, die Universitäten für sein Projekt Einstein-Stiftung zu überzeugen. Es gelang ihm mit einem gehörigen Vertrauensvorschub, die Gründung der Einstein-Stiftung mit der Unterstützung der Universitäten in der Stadt voranzutreiben. In diesem Zusammenhang wurde die Aussage des Senators

gegenüber den Universitäten getroffen – das ist im Übrigen im „Tagesspiegel“ vom 13. November 2008 nachzulesen –, dass er sich dafür einsetzen wird, dass es keine weiteren Sparmaßnahmen bei den Universitäten geben wird und dass die Anforderungen, die an die Universitäten gestellt werden, entsprechend abgefedert werden. Der Senator hatte den Universitäten in diesem Zusammenhang offenbar glaubhaft vortragen können, dass neue Sparmaßnahmen der Universitäten, ich zitiere aus dem „Tagespiegel“ „nur über seine Leiche“ stattfinden würden. Wenn Sie mit so einer vollmundigen Ankündigung in die Verhandlung gehen,

[Zuruf von Heidi Kosche (Grüne)]

dann haben die Universitäten ein Recht darauf, dass sie vertrauensvoll mit Ihnen verhandeln können. Dann verstehe ich es im Übrigen auch, dass die Universitäten seit Montag die Hochschulvertragsverhandlungen ausgesetzt haben, weil es ein verdammt dünnes Vertrauenseis gibt, auf dem Sie miteinander stehen. Daher kann ich diese Haltung völlig nachvollziehen.

[Beifall bei der FDP]

Herr Senator! Sie haben vielleicht die Äußerung des Finanzsenators Sarrazin in dieser Woche wohlwollend zur Kenntnis genommen, weil man fast vermuten könnte, er sei Ihnen zur Seite gesprungen, um genau diese Diskussion im Rahmen der Hochschulvertragsverhandlungen zu führen, die Sie führen. Ich glaube aber, dass Sie insbesondere im Rahmen dieser Verhandlungen deutlich machen müssen, dass Sie relevante Bausteine – wie z. B. die Gleitklausel – bis zum bitteren Ende vertreten werden,

[Lars Oberg (SPD): Haben Sie einen anderen Eindruck?]

damit die steigenden – –

Stellen Sie doch eine Zwischenfrage, Herr Oberg, ich lasse die zu!

Bitte schön, Herr Oberg, dann sind Sie dran!

Ja, danke! – Wenn man so eine freundliche Einladung erhält, dann nimmt man die gerne an. – Herr Kollege Czaja! Haben Sie den Eindruck, dass Senator Zöllner die Gleitklausel nicht mit der gebotenen Vehemenz innerhalb des Senats, innerhalb dieses Parlaments, in den Ausschüssen des Parlaments und in der Öffentlichkeit vertritt?

Den Eindruck müssten wir beide haben,

[Lars Oberg (SPD): Was?]

denn wir haben in den letzten Wissenschaftsausschusssitzungen immer wieder erlebt, dass er das nicht tut, sondern sich dahinter versteckt und uns als Parlamentariern eine

Nachhilfestunde gibt, wie Vertragsverhandlungen zwischen den Hochschulen derzeit laufen und dass in laufenden Vertragsverhandlungen hierzu keine Äußerungen gemacht werden dürfen.

[Beifall bei der FDP]

Deswegen habe ich heute ein klares Signal mit dem Stichwort Gleitklausel vermisst, das gab es nicht, das können wir im Wortprotokoll nachlesen. Solange es das nicht von dieser Stelle aus oder aber im Wissenschaftsausschuss gibt, werden wir dieses als FDP einfordern.

[Beifall bei der FDP]

Es ist wichtig, dass Sie, Herr Zöllner, zu Ihrer alten Form, die Sie erlangt hatten, als Sie in einer liberal-sozialen Koalition in Rheinland-Pfalz tätig waren, wieder zurückkommen, dass Sie diese Form wieder erreichen und das, was Sie sich an Ansehen und Tatkraft aufgebaut haben, jetzt mit ganzer Kraft in die Waagschale werfen, um sich gegenüber dem Finanzsenator durchzusetzen. Oder aber Sie gestehen ein, dass Sie den rot-roten Klimaschock in Berlin nicht überlebt haben und Sie an der Stelle leider nicht weiter im Sinne der Universitäten und damit im Sinne der Stadt Berlin verhandeln können.

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Große Anfrage sowie die schriftliche Antwort des Senats Drucksachen 16/1754 und 16/2155 sind damit beantwortet und besprochen.

Zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/1619 empfehlen die Ausschüsse gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke! Die Gegenprobe! – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag abgelehnt.

Die Priorität der Fraktion Die Linke unter der laufenden Nummer 4 c hatten wir bereits unter dem Tagesordnungspunkt 4 a behandelt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4 d:

Beschlussempfehlung

Ethischer Kodex: keine Tabakindustriegelder für die medizinische Forschung

Beschlussempfehlung WissForsch Drs 16/2188 Antrag der Grünen Drs 16/1171

Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP vor, Drucksache 16/1171-1.

Für die Beratungen steht wieder eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Das Wort hat die antragstellende Fraktion; für die Grünen spricht Frau Kosche.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Seit den 70er Jahren sieht sich die Tabakindustrie dazu veranlasst, Tendenzforschung in Auftrag zu geben. Damit soll der Trend umgekehrt werden, dass immer mehr, vor allem junge Menschen, das Rauchen aufgeben beziehungsweise gar nicht erst anfangen. In den Genuss dieser Forschungsgelder kommen hochrangige Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen außerhalb der Tabakforschung, zum Beispiel der Medizin. Dieses Vorgehen ist als WhiteCoat-Strategy oder Weißkittelstrategie weltweit bekannt. Zwischen 2003 und 2005 hat das Deutsche Herzzentrum Berlin 937 000 Euro für ein Forschungsprojekt des Kardiologen Prof. Fleck von Philip Morris erhalten. Das wissen wir auch aufgrund einer Kleinen Anfrage von Lisa Paus und mir aus dem Oktober 2008.

Hier besteht der Wunsch nach einer Zwischenfrage des Kollegen Mutlu. Frau Kosche, genehmigen Sie das?

Herr Mutlu? – Bitte, Özcan!

Liebe Kollegin! Liebe Heidi! Meinen Sie nicht, dass es sich um ein ernstes Thema handelt und der Senator anwesend sein sollte?

[Zuruf von der SPD: Da ist er doch!]

Jetzt habt ihr ihn gerufen. Ich finde es unverschämt.

Lieber Özcan! Ich beantworte die Frage damit: Ich finde das Thema sehr wichtig, denn es geht um unsere Wissenschafts- und Gesundheitseinrichtungen in der Stadt. Ich halte es für ein sehr ernstes Thema.

[Beifall bei den Grünen]

Das Deutsche Herzzentrum hat zwischen 2003 und 2005 937 000 Euro erhalten. Das Herzzentrum hat zu dieser Tatsache zwei Stellungnahmen herausgegeben. In der ersten sind alle diejenigen angegriffen worden, die diese Tatsache öffentlich gemacht haben. Es wurden Dinge verteidigt, die gar nicht kritisiert worden sind, wie beispielsweise der Drittmitteleinsatz für die Forschung allgemein. In der zweiten Stellungnahme musste Prof. Fleck einräumen, dass die Annahme dieser Gelder ein Fehler war, denn dem Deutschen Herzzentrum war alles wiederfahren, was die White-Coat-Strategy beinhaltet: Die Geldgeberin war keine unabhängige Stiftung, sondern die Tabakindustrie selbst, es war keine uneigennützige Grundlagenforschung, vielmehr durfte Philip Morris die Ergebnisse kommerziell für seine Interessen nutzten. Die Gefahren des Passivrauchens sollten auch mit den Ergebnissen dieser Forschung in Zweifel gezogen werden können.

Das Deutsche Herzzentrum Berlin hat aus diesem Vorfall für sich den Schluss gezogen, einen Ethikkodex gegen Gelder aus der Tabakindustrie haben zu wollen – so wie weitere 14 renommierte Wissenschaftseinrichtungen und Berufverbände wie die Pneumologen, die Kinderärzte und das Deutsche Krebsforschungszentrum. Den Brief haben Sie heute alle erhalten. Sie alle sagen: So ein Ethikkodex ist wichtig.