Die Zahlen belegen, dass Wissenschaft schon jetzt für Berlin von großer Bedeutung ist. Wissenschaft ist ein eigenständiger Wirtschaftsfaktor für die Region. Das Betriebspanel 2007 hat darüber hinaus einen relativ geringen Fachkräftemangel und eine relativ günstige demografische Zusammensetzung der Bevölkerung bescheinigt. Mit diesen positiven Ergebnissen, die auch auf die einzigartige Wissenschaftslandschaft zurückzuführen sind, dürfen wir uns aber nicht zufrieden geben, und ich verspreche Ihnen: Der Senat wird sich nicht zufrieden geben!
Der Kollege Sarrazin hat kürzlich Probleme dieser Stadt beschrieben. Richtig ist – ohne Einzelheiten und Präsentationen näher zu kommentieren: Vor jeder Therapie hat der liebe Gott die Diagnose gesetzt! Nur, liebe Kolleginnen und Kollegen, ohne Therapie ist das Ganze Selbstzweck, ohne Therapie ist es keine Medizin!
So ist es auch mit der Politik. Politik braucht die Analyse, aber ohne Visionen und ohne konkrete nächste Maßnahmen ist die Analyse nichts.
Keine gesellschaftliche Spirale ist gottgegeben oder naturgesetzlich verankert. Ja, sie zu durchbrechen kostet Kraft, und sie kostet politische Standfestigkeit. Herausforderungen muss man sich stellen, und dies tun wir zum
Wenn es um Visionen geht, dann geht es darum, dass Chancen ergriffen werden müssen. Die Wissenschaft ist für diese Stadt eine Chance, und ich glaube sogar, dass es die größte Chance ist.
Visionen und konkrete Maßnahmen – we have a dream: Berlin, diese großartige, brodelnde und in vielen Bereichen noch unfertige Stadt als Motor einer gesellschaftlichen, einer ökonomischen und einer intellektuellen Entwicklung in der Welt des 21. Jahrhunderts. Ohne hervorragende Hochschulen wird dies nicht gelingen, denn wir können auf die Wissenschaft als Zugpferd in einem solchen Prozess nicht verzichten. Doch diese Vision wird nur dann Wirklichkeit, wenn wir auch handeln und wenn wir weitere Maßnahmen ergreifen.
Die Ausgangslage der Berliner Wissenschaft – wie ich gezeigt habe – ist außerordentlich gut, aber wir müssen mehr wollen. Die internationale Attraktivität und Leistungsfähigkeit der Spitzenforschung werden wir durch die Einstein-Stiftung in der Zukunft noch entscheidend erhöhen. Aber auch die Handlungsfähigkeit der Hochschulen muss durch eine Weiterentwicklung des Finanzierungssystems in den Hochschulen verbessert werden. Denn jetzt besteht die Autonomie der Hochschulen, wenn sie mehr Studienplätze anbieten wollen, darin, dass sie weniger Geld für die Forschung haben, aber, ich denke, wir wollen in diesem Haus beides.
Für mich macht der jetzige sogenannte leistungsbasierte Teil der Hochschulfinanzierung keinen Sinn, da eine Hochschule mehr Mittel nur auf Kosten der anderen Hochschulen erhalten kann. Dies hat übrigens den charmanten Nebeneffekt, dass die Hochschulen, wenn alle nur die Hälfte der Studierenden ausbilden, die gleiche Menge an Geld bekommen. Ich wüsste nicht, was ich als Präsident einer Hochschule tun würde, wenn ich mehr Studienplätze im Bereich der Physik oder der Ingenieurwissenschaften schaffen sollte, dadurch aber die dreifache Anzahl an Studienplätzen in den Geisteswissenschaften abbauen muss.
Wenn das der Zukunftsfaktor ist, muss verantwortungsvolle Politik vermeiden, die Hochschulen in ihrer Autonomie vor solche Entscheidungen zu stellen. Nur eine Hochschulfinanzierung, die sich an den Kosten der erbrachten Leistungen orientiert, entlässt einerseits die Hochschulen in die gewünschte Freiheit, autonome Entscheidungen zu ermöglichen, und bildet andererseits ein relevantes Incentive für gesellschaftlich gewollte Schwerpunktbildungen.
Eine solche Hochschulfinanzierung ist – auch mit Auswüchsen – innerhalb des stringentesten Sparhaushalts zu finanzieren. Ich rechne es Ihnen gern vor: Ein zusätzlicher Studienplatz kostet in Deutschland durchschnittlich 5 500
Euro pro Jahr. Das Land Berlin erhält dafür Mehreinnahmen – ich betone: Mehreinnahmen! – aus dem Hochschulpakt 2020 in Höhe von 2 150 Euro, außerdem erhält das Land Berlin für jeden hier gemeldeten Studierenden aus dem Länderfinanzausgleich Mittel in Höhe von 3 900 Euro. Einnahmen und Ausgaben haben also in jedem Fall mindestens die gleiche Größenordnung. Hochschulausgaben sind nicht automatisch Kosten für das Land. Man muss nur nach tatsächlich betriebswirtschaftlicher und volkswirtschaftlicher Logik vorgehen und entscheiden. Über die Hochschulfinanzierung nach diesen Prinzipien verhandele ich derzeitig mit den Hochschulen. Ich bin optimistisch, dass wir dadurch einen Qualitätssprung erzielen können.
Bildung und Internationalität – das ist wirklich, meine Damen und Herren von der CDU, eine Zukunftsformel für Berlin. Wir erfüllen diese Zukunftsformel mit Substanz. Diese Schritte und Ansätze mögen neu und ungewohnt sein, aber: Politik für die Zukunft ist immer Antwort auf bereits erfolgte, anstehende Veränderungen. Ein Ehrenbürger dieser Stadt hat einmal gesagt: Wer sich nicht bewegt, bleibt stehen und fällt am Ende zurück. – Ich bedanke mich!
Vielen Dank, Herr Senator Prof. Zöllner! – Das Wort für die Fraktion der CDU hat jetzt der Abgeordnete Zimmer. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Senator Zöllner! Sie haben Ihren Beitrag eingeleitet, indem Sie ein Resümee hinsichtlich der Leistungsfähigkeit und der Attraktivität des Hochschul- und Forschungsstandorts Berlin gezogen haben. Ich teile Ihre Einschätzung dahin gehend. Diese Gemeinsamkeit endet sehr schnell, aber ich teile Ihre Einschätzung. Natürlich hat Berlin ausgesprochen attraktive und leistungsfähige Hochschulen. Aber, Herr Zöllner, warum tun Sie dann mit dem von Ihnen angestrebten Systemwechsel alles, um das Erreichte zu gefährden? Das verstehe ich nicht. So, wie Sie Ihre Pläne verfolgen, habe ich den Eindruck, dass Sie nicht nur bei der Hochschulfinanzierung einen Systemwechsel anstreben, sondern auch insgesamt bei der Struktur von Wissenschaft, Forschung und Lehre in Berlin.
Das ist überhaupt nicht absurd! Ich werde darauf noch weiter eingehen, Herr Oberg! Das ist abzuleiten aus den einzelnen Mosaiksteinchen, die wir in den letzten Monaten von Herrn Zöllner präsentiert bekommen haben.
Sie haben eben gesagt, dass Sie mit den Hochschulen verhandeln. Ich weiß nicht, mit wem Sie im Augenblick überhaupt verhandeln, denn wenn ich mich recht erinnere, sind die Verhandlungen durch die Hochschulpräsidenten
ja beendet, jedenfalls ausgesetzt worden. Und das mit gutem Grund! In der letzten Sitzung des Wissenschaftsausschusses haben wir uns über die Frage unterhalten: Was bedeutet denn eigentlich das Preismodell, das Herr Zöllner anstrebt? Das Kopfgeld, das für jeden Studierenden und jede Studierende gezahlt werden soll? – Es bedeutet im Kern, dass Sie plötzlich in der Finanzierungsgrundlage der Hochschulen eine Schwankung haben, die zum einen dazu führen kann, dass Hochschulen mehr bekommen können als jetzt, aber es kann genauso gut dazu führen – so ist es im Wettbewerb und im Markt nun einmal! –, dass eine Hochschule auch weniger bekommt als vorher. Das haben Sie auch eingeräumt, Sie nicken auch jetzt wieder! Ich bitte, das im Protokoll zu vermerken: Der Senator nickt. – Natürlich, das ist der Kern des Problems.
Wenn Sie Studienplätze am Markt anbieten und feilbieten, dann passiert das Folgende: Die Hochschulen werden versuchen, möglichst viele möglichst günstige Studienplätze zu verkaufen. Das ist Betriebswirtschaft, Herr Zöllner! Mit möglichst geringem Mitteleinsatz möglichst hohe Gewinne zu erzielen – das ist Betriebswirtschaft. Aber wollen wir denn ernsthaft Hochschulen, die nach diesem Motto funktionieren? Wollen wir denn wirklich, dass es nur noch darum geht, wer kann am billigsten, am schnellsten Studierende durch seine Einrichtungen schleusen? – Ich sage: Ich will das nicht!
Das, was wir an Exzellenz in Berlin haben, ist doch der Tatsache geschuldet, dass sich Menschen im Hochschulbereich engagieren, und zwar nicht, weil es möglichst schnell geht, weil es möglichst billig ist, sondern weil sie Chancen darin erkennen, weil sie etwas erreichen wollen, weil sie persönlichen Einsatz und Zeit investieren. Ihnen geht es nicht darum, ob es möglichst schnell geht, ihnen geht es darum, dass sie möglichst gute Bedingungen haben. Darum muss es gehen! Den Hochschulen müssen weiter die Rahmenbedingungen garantiert werden, damit sie den Forschenden und Studierenden zugleich die bestmöglichen Rahmenbedingungen geben können, um Berlin weiterhin zu einem exzellenten Forschungsstandort zu machen.
Herr Zöllner! Was Sie wollen, ist ein Systemwechsel hin zu einer Spaltung. Hochschulen auf der einen Seite als reine Lehrveranstaltungen und Forschungseinrichtungen auf der anderen Seite.
Ein weiterer Anhaltspunkt dafür ist die aktuelle Planung: Wie geht es weiter mit dem MATHEON? Das MATHEON kennen vielleicht nicht viele, aber wenn Sie mit der U-Bahn fahren und Sie zukünftig tatsächlich Ihren Anschlusszug erreichen, dann ist das ein Ergebnis der Arbeit des MATHEON. Dort wird angewandte Mathematik betrieben. Die Finanzierung des MATHEON läuft demnächst aus. Die Frage ist also: Wie geht es weiter? – Da gibt es einen Gesetzentwurf aus Ihrem Haus, daraus
eine Körperschaft des öffentlichen Rechts zu machen. Sie sind also auf dem Weg, Institutionen zu schaffen, die früher oder später in Konkurrenz zu unseren Universitäten in Berlin den Status bekommen sollen.
Da passt natürlich auch Ihre Einstein-Stiftung nahtlos hinein. Ihre Einstein-Stiftung soll die exzellenten Forschungsbereiche aus den Universitäten herauslösen, soll sie in eine Institution packen, die von Ihnen im Wesentlichen gesteuert und finanziert wird. Das ist das Ende jeder Exzellenz an den Berliner Hochschulen!
Da wir gerade bei der Einstein-Stiftung sind, noch ein letzter Satz. Ich kann mich gut erinnern, dass Sie uns im Wissenschaftsausschuss erklärt haben, dass der schöne Name Einstein auch mit Blick auf die Rechte an diesem Namen geklärt sei. Ein Blick ins deutsche Markenregister zeigt uns, dass es dort tatsächlich eine Wortmarke namens Einstein gibt. Deswegen wird sich über den Beschluss des Hauptausschusses und später dieses Hauses, die EinsteinStiftung im Haushalt zu verankern, auch Roger Richman freuen. Die Frage ist: Wer ist Roger Richman? – Die Roger-Richman-Agency ist die lizenzgebende Institution, die für die Hebrew University of Jerusalem die Namensrechte an Albert Einstein vermarktet. Die kassieren zwischen acht und zwölf Prozent des Umsatzvolumens, so ist es jedenfalls in der Vergangenheit so gewesen.
Ich komme zum letzten Satz, Frau Präsidentin! – Das bedeutet im Jahr allein Lizenzgebühren in Höhe von 3 Millionen Euro. Ich weiß, dass Sie schon Post von den Anwälten bekommen haben, ich weiß, dass Sie die Lizenzvereinbarungen erst noch abschließen müssen, und ich weiß, dass das Hunderttausende von Euro kosten wird. Das zeigt in nichts zu wünschender Deutlichkeit Ihren Dilettantismus bei der Einstein-Stiftung. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Zimmer! – Für die Fraktion der SPD hat jetzt Herr Abgeordneter Oberg das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Die Wissenschaftspolitik, die Wissenschaft und die öffentliche Diskussion darüber haben gerade Hochkonjunktur. Das ist eigentlich ein Grund zur Freude. Schade ist nur, dass bei der Vielschichtigkeit der Themen manchmal der Überblick und die Sachlichkeit auf der Strecke bleiben. Ich bin mir sicher, das werden wir heute auch noch erleben.
Im Kern geht es aktuell um zwei große Fragen. Erstens: Wie sieht die Grundfinanzierung der Hochschulen in den nächsten fünf Jahren aus? Dabei geht es sowohl um die Höhe des Landeszuschusses als auch um das Zuweisungsmodell. Zweitens geht es darum: Soll die exzellente Forschung in Berlin mit zusätzlichem Geld über die Einstein-Stiftung finanziert werden?
Zur Grundfinanzierung: Ich glaube, fast alle hier im Raum sind sich einig, dass die Universitäten angemessen ausgestattet werden müssen. Dazu gehört auch, dass die Mehrkosten, die unabweisbar sind, die von den Hochschulen nicht beeinflussbar sind, berücksichtigt werden müssen. Das sind die Prämissen, unter denen vernünftigerweise die Hochschulverträge verhandelt werden sollten. Mit Blick auf die Entwicklung in dieser Woche muss man feststellen, dass der Prozess ins Stocken geraten ist. Dabei, das muss ich leider feststellen, haben sich beide Seiten – Hochschulen und der Senat – nicht gerade mit Ruhm bekleckert. An die Hochschulen gerichtet kann ich nur sagen, dass mir jedes Verständnis dafür fehlt, die Verhandlung aufgrund eines Zeitungsartikels und eines vermeintlichen Zitats des Wissenschaftssenators abzubrechen.
Das, was Jürgen Zöllner in der letzten Sitzung des Wissenschaftsausschusses gesagt hat – und ich war wie Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, anders als die Vertreter der Hochschulen, anwesend –, kann unmöglich rechtfertigen, dass man aus den Verhandlungen aussteigt.
Ich kann nicht verstehen, was sich die Hochschulen von diesem Vorgehen erhoffen. Scheitern die Verhandlungen, kommen keine Verträge zustande, dann werden die Hochschulen für die kommenden beiden Jahre vom Haushaltsgesetzgeber einseitig festgelegte Zuweisungen erhalten, ohne langfristige Sicherheit und bestimmt nicht in der Höhe, wie es beim Abschluss eines Hochschulvertrags möglich erscheint.
Ich sage ausdrücklich, gerade weil ich weiß, dass Aussagen immer wieder bewusst fehlinterpretiert und stellenweise verdreht werden: Wir, und das schließt den Senator mit ein, setzen uns für eine Fortsetzung der Hochschulverträge ein. Jede andere Behauptung ist abenteuerlich und an der Grenze zur Lüge. Also kann man den Hochschulen nur zurufen: Kommen Sie zurück an den Verhandlungstisch! Alles andere kann nicht im Interesse der Hochschulen sein.
Aber auch der Senat und hier vor allem der Finanzsenator muss sich fragen, wie er diese Verhandlungen führt. Ich finde es inakzeptabel, in der heißen Phase der Gespräche per Zeitung in bester Basta-Manier verkünden zu lassen, dass es maximal 1,3 Prozent mehr gibt und zusätzliche Belastungen keine Rolle spielen können.