Wir müssen also genauer hinschauen, was in der Innenwelt von Jugendlichen abläuft. Wir müssen wissen und berücksichtigen, wie sich ein allgemeines Krisengelände vor allem bei männlichen Jugendlichen in der Pubertät entwickelt, das durch unglaubliche Extreme gekennzeichnet sein kann. Wir müssen wissen, wie Rahmenbedingungen aussehen müssen, die ihnen die Möglichkeit geben, sich zu selbstbewussten und verantwortungsvollen jungen Männern zu entwickeln. Genau diese Richtung haben wir mit den von Ihnen so geschmähten Anträgen aufzeigen wollen. Nur zur Erinnerung: Aus taktischen Erwägungen und mit fadenscheinigen Begründungen haben die Koalitionsfraktionen alles abgelehnt, obwohl immer wieder beteuert wurde, dass man das Anliegen der Anträge teile.
Herr Wolf lehnte sogar eine engere Befassung im Sozialausschuss ab, weil das Thema angeblich mit dem Bereich Integration und Migration nichts zu tun habe. Ja, wo leben Sie denn, Herr Wolf? Nehmen Sie die Realität überhaupt noch zur Kenntnis oder nur mittels Ihrer ideologischen Brille?
Und Sie, Herr Saleh – er ist leider nicht im Saal –, haben behauptet, dass die im Antrag enthaltenen Vorschläge
schon überall flächendeckend umgesetzt werden. Sie müssten es aus Ihrer praktischen Arbeit eigentlich doch besser wissen. Aber auch Sie zimmern sich lieber Ihre kleine Welt unter parteipolitischem Blickwinkel zurecht.
Herr Kohlmeier will eine zu starke Fokussierung auf die Migranten bemerkt haben. Verehrter Kollege! Darf ich Sie darauf aufmerksam machen, dass Ihre Wahrnehmung Sie wieder einmal trügt. Dieser Begriff kommt nur ein einziges Mal in dem dreiseitigen Antrag „Junge Männer stark machen!“ vor. Das hat auch einen guten Grund, denn die CDU-Fraktion ordnet eben Gewaltphänomene nicht einseitig bestimmten Gruppierungen zu. Für uns sind die Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis maßgebend.
Vor diesem Hintergrund verfolgen wir seit Jahren sehr aufmerksam die Diskussion zum Thema „Männliche Sozialisation und Gewalt“, die seit langem auch im Berliner Forum Gewaltprävention geführt wird. Die Ergebnisse dieser und anderer Debatten haben wir in unseren Anträgen aufgegriffen, denn es muss darum gehen, die vielen Defizite zu beseitigen, die es insbesondere in der pädagogischen Arbeit mit männlichen Kindern und Jugendlichen immer noch gibt. Dazu muss es natürlich flankierende Maßnahmen wie z. B. mehr Elternberatung und Familienbildung, geeignete Vorbilder in Schule und Freizeit und mehr männliche Bezugspersonen im Erziehungsprozess geben. So kann ein positives Männlichkeitsbild herausgebildet und männliches Rollenverhalten erarbeitet werden, das auf Gewaltausübung verzichtet, weil man eben auch ohne Gewalt ein „ganzer Mann“ sein kann.
Bevor Kinder und Heranwachsende buchstäblich in den Brunnen fallen, müssen wir ihnen unsere Hilfe gewähren. Ich möchte Sie daher bitten, unseren Anträgen zuzustimmen und nicht der vorliegenden Beschlussempfehlung aus den Ausschüssen zu folgen. – Ich danke Ihnen!
Danke schön, Frau Demirbüken-Wegner! – Für die SPDFraktion hat nunmehr Kollege Kohlmeier das Wort. – Bitte schön!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Demirbüken-Wegner! Zwei wegweisende Anträge und eine großartige Rede von Ihnen, aber leider sind die Bänke Ihrer Fraktion nur mit wenigen Abgeordneten besetzt.
Es sind doch Ihre Anträge, oder habe ich das in der Tagesordnung falsch gelesen? – Frau DemirbükenWegner! Sie haben es richtig gesagt: Die Argumente sind im Bildungsausschuss diskutiert worden, und die Argumente sind ausgetauscht. Die Anträge werden von uns abgelehnt werden, und die Rede von mir wird zu Protokoll gegeben, damit Frau Demirbüken-Wegner auch noch einmal nachlesen kann.
[Beifall bei der SPD – Emine Demirbüken-Wegner (CDU): So geht die SPD mit diesem Thema um! – Zuruf von Christian Gaebler (SPD)]
Wieder zwei Anträge, die das Land Berlin nicht braucht und die die Berliner Schule nicht braucht! Die Anträge beinhalten die Forderung, ein auf männliche Kinder und Jugendliche ausgerichtetes Erziehungs- und Präventionsprogramm aufzulegen. Und Sie wollen ein Migrantenprogramm in den Berliner Schulen auflegen. Alles wohlklingende Forderungen, wenn wir dies in Berlin nicht schon hätten.
Ihr Antrag, ein Erziehungs- und Präventionsprogramm aufzulegen, ist abzulehnen. Denn während Sie Anträge schreiben, wird Ihre Forderung nach einem auf männliche Kinder und Jugendliche ausgerichteten Erziehungs- und Präventionsprogramm bereits umgesetzt, und zwar durch unseren Senat, ohne dass es ihres Antrags bedarf.
Auf grund der Empfehlung der Landeskommission gegen Gewalt sind die Bildungs- und Innenverwaltung aufgefordert, Konzepte für die Gewaltprävention bei Kindern und Jugendlichen weiterzuentwickeln. Die Umsetzung des Beschlusses wird im März 2009 dem Senat vorliegen. Und die Umsetzung schließt ihre Forderung mit ein.
Ihr Antrag ist auch noch sachlich falsch. Da schreiben Sie: Der Senat muss das Prinzip „Erziehen statt Strafe“ ernst nehmen und mehr Täter-Opfer-Ausgleich fördern. – Ich erinnere mich noch, wie Sie vor einen halben Jahr durch dieses Haus gelaufen sind und härtere Strafen gefordert haben. Schön, wenn Sie jetzt endlich auf die gesetzliche Grundlage „Erziehung statt Strafe“ im Jugendstrafrecht zurückkehren.
Ich darf auch darauf verweisen, dass bei den Diversionsverfahren ein Anstieg um 19 Prozent zum Vorjahr zu verzeichnen ist. Was wollen Sie eigentlich mehr? Manchmal kann man sich des Eindruckes nicht erwehren, dass Sie entweder geistig nicht anwesend sind oder aber Tatsachen nicht zur Kenntnis nehmen wollen.
Noch peinlicher ist Ihr zweiter Antrag „Positive Vorbilder in die Schulen“. Fällt Ihnen nichts Besseres ein, als Anträge aus anderen Bundesländern abzuschreiben, als Projekte aus Hamburg auf Berlin zu übertragen? Liebe Kollegen der CDU! Hamburg ist nicht Berlin. In Hamburg war es vielleicht richtig und notwendig, dass erfolgreiche
Migrantinnen und Migranten im Rahmen von Unterrichtsprojekten Schulen besuchen. Aber: Es gibt diese Programme in Berlin längst. Und es gibt in Berlin genau die Vorbilder, die Sie bezeichnen: Ich verweise auf die Integrationsstudie „Ungenutzte Potenziale“ des „Berlin Instituts“.
Nirgendwo gibt es so viele Migranten in Berufen, die besonderes Ansehen und Vertrauen voraussetzen. In Berlin leben besonders viele Migranten mit gutem Schulabschluss. Unsere gute Integrationspolitik und das Engagement von Migranten in Berlin sind mehr Vorbild, als es ein jährliches Programm unter Teilnahme von 47 Migranten in Hamburg ist.
Wir möchten in Berlin nicht nur Vorbilder zum Anschauen und Anfassen haben. Die beste Garantie für positive Vorbilder ist die rot-rote Koalition. Wir organisieren die Berliner Schule so, dass sie kein Hindernis für den beruflichen oder sozialen Erfolg ist – und dies gilt für Schüler mit und ohne Migrationshintergrund.
Wie auch im Ausschuss können Ihre Anträge nur ein Schicksal erleben: Die Ablehnung mit großer Mehrheit.
Sehr gut! Danke schön, Herr Kollege! – Dann hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Herrmann das Wort. – Bitte schön!
Herr Gaebler! Ins Leere reden, das ist das eine. Aber wenn man dann bei letztlich ebenso wenig Anwesenden aus der eigenen Fraktion gar nichts sagt, möchte ich doch fragen, ob das eine bessere Leistung ist.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir besprechen hier ein sehr ernstes Thema, und wenn wir über das Thema Jugendgewalt in diesen Tagen reden, können wir das nicht tun, ohne über die neue Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen zu reden, die für viel Aufruhr in der Bundesrepublik gesorgt hat. Die Studie zeigt erneut auf, dass es positive Trends gibt, dass das Ausmaß der Jugendgewalt rückläufig ist, dass sich durch steigende Anzeigebereitschaft das Dunkelfeld aufhellt, dass Gewalt als Lösung stärker geächtet wird und dass Gewalterfahrungen in der Familie zurückgehen.
Auf der anderen Seite wird nun mit Zahlen unterlegt, dass Rechtsextremismus ein reales Problem ist. Fast 5 Prozent der befragten 15-jährigen Jungen sind Mitglied einer rechten Gruppe oder Kameradschaft. Jeder fünfte Schüler stimmt rassistischen Aussagen zu. Auf einmal reagieren Politikerinnen und Politiker schockiert. Die braune Rattenfängermethode, gezielt junge Menschen für ihre Ideologie zu gewinnen, scheint Fuß zu fassen, doch diese Erkenntnis ist eigentlich nicht neu. Auch an Berliner
Schulen werden CDs und Zeitungen verteilt, auch in Berlin werden Jugendliche mit Freibier-Feierangeboten gelockt – oder mit Zeltlagern oder anderen rechten Erlebniswelten wie denen der autonomen Nationalisten.
Alle Experten und Expertinnen sind nun der Meinung, dass der Staat nicht weiter an der Jugend sparen darf. Na, super! Wir sollen mehr investieren. Diese Tatsache ist nicht neu, es passiert aber dennoch nicht. Aber die aktuelle Debatte macht deutlich, dass die Prävention im Bereich Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus dringend ausgebaut werden muss, und zwar auch in Berlin. Die „ReachOut“-Zahlen zeigen 40 Prozent mehr, und diese Studie unterlegt das noch einmal. Wir müssen dringend der braunen, menschenverachtenden Ideologie eine weltoffene und demokratische Lebenseinstellung entgegenstellen. Das ist der Inhalt unseres Antrags, der gerade in der Beratung ist. Ich möchte auch aus aktuellen Gründen dringend empfehlen, diesen Antrag ernsthaft zu beraten und nicht einfach abzutun.
Nun zu den CDU-Anträgen: Dem Antrag „Jungen und junge Männer stark machen gegen Gewalt!“ werden wir zustimmen. Aus grüner Sicht geht es aber nicht darum, Interessen von Jungen und Interessen von Mädchen – oder auch anders herum – gegeneinander auszuspielen. Es geht vielmehr darum, eine geschlechtsdifferenzierte und geschlechtssensible Betrachtung einzubringen, denn auch die angeführte Studie zeigt wieder deutlich, dass Jungen und Mädchen einem unterschiedlichen Umgang mit Konflikten und unterschiedlichen gesellschaftlichen Rollenverantwortungen unterliegen. Daraus kann man nur den Schluss ziehen, dass auch die spezifischen Belange von Jungen in die Präventionsarbeit integriert werden müssen. Diversionsmaßnahmen wie der Täter-Opfer-Ausgleich müssen in Berlin intensiver genutzt werden. Die Auseinandersetzung mit den Folgen der Straftat für das Opfer ist oft wirksamer als andere Sanktionsmaßnahmen.
Zum Antrag „Positive Vorbilder in die Schule!“ – hier werden wir uns der Stimme enthalten müssen. Es ist richtig und unumstritten, dass das Aufzeigen positiver Vorbilder eine wichtige Funktion in der Entwicklung junger Menschen hat. Aber die Forderungen, die dem CDUAntrag zu entnehmen sind, werden in Berlin bereits in dieser Form umgesetzt – beispielsweise mit dem Projekt „Stopp Tokat“. Deshalb können wir uns bei diesem Antrag nur enthalten.
Meine Fraktion hat ein Gesamtkonzept „Gemeinsam gegen Jugendgewalt“ erarbeitet. Unsere Strategie setzt vor allem auf Prävention zur Vermeidung von Jugendgewalt in all ihren Formen und Ausprägungen, aber auch auf einen angemessenen Umgang und schnelle Maßnahmen gegenüber jugendlichen Straftätern. Auf das Konzept des Senats warten wir immer noch. Aber bei einem Senat, der die angekündigten Zahlen, die er diese Woche vorstellen wollte, noch nicht planmäßig vorgelegt hat, müssen wir
Danke schön, Frau Kollegin Herrmann! – Für die Linksfraktion hat nunmehr Frau Weiß das Wort. – Bitte schön, Frau Weiß!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich fühle mich total geehrt, hier diese Rede zum Thema Gewalt von Jungen halten zu können, denn ich darf mitreden, weil ich neuerdings auch einen Sohn habe. Der ist übrigens hyperaktiv, grölt den ganzen Tag. Das liegt aber eher daran, dass sein Vater Musiker ist und er den Unterschied zwischen Reden und Singen noch nicht kennt. Aber auch da könnte man annehmen, das wäre ein Fehlverhalten.
Dass es offensichtlich in der Gesellschaft unterschiedliche Wahrnehmungen von Fehlverhalten und richtigem Verhalten gibt, haben wir auch in den vielen Anhörungen im Ausschuss zum Thema Benachteiligung von Jungen oder auch zur Gewalt hin immer wieder gehört. Ich verweise dazu auf die Ausführungen von Herrn Preuss-Lausitz, der noch einmal sagte, wir sollten vielleicht grundsätzlich unsere Wahrnehmung von Anforderungen, die wir an Kinder und Jugendliche stellen, und die Frage von Fehlverhalten und Mobilität überdenken. Muss Unterricht immer im Sitzen stattfinden? Muss das Parlament im Sitzen stattfinden? Wieso dürfen Parlamentarier nicht sinnlos beim Reden herumlaufen? Wieso dürfen Besucher immer nur gerade auf den Rängen sitzen? Diese Fragen müssen wir uns doch stellen. Das ist eine Präventionsarbeit.
Das Thema, das die Anträge anschneiden, ist im Übrigen nicht neu. Es bekommt nur gerade wieder eine mediale Aufmerksamkeit, aber sicher hat es keine plötzliche politische Brisanz. Ich will nur kurz einmal einige Zahlen nennen: Wir haben in drei Monaten Ausschussarbeit drei Anhörungen gehabt, zu Themen, die diese Anträge anschneiden. Wir haben eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe des Senats, der gerade ein Konzept zum Thema Gewalt in diesem Bereich erarbeitet. Wir haben eine Senatskonzeption, die in der Erarbeitung ist und die sogar Haushaltsauswirkungen darstellen soll. Auch im Senat wird dieses Thema mit hoher Wichtigkeit gesehen.
Die Anträge sind von 2007. Schon damals gab es die Landeskommission gegen Gewalt. Die gibt es auch schon seit Anfang 2000. Wir hatten vorhin ein kurzes Gespräch mit dem RBB draußen. Da ging es um folgende Sachen: Es geht darum, keine Einzelmaßnahmen durchzuführen, langfristige Konzepte zu sichern, verbindliche Zusammenarbeit aller Verantwortlichen zu sichern, kurz: eine Konzeption zu machen. Es sollen vorhandene Maßnah
Das Lustige ist, dass ich jetzt nicht etwa aus dem CDUAntrag, sondern aus dem Senatsbeschluss von 2008 zu der Konzeption, die der Senat gerade aufsetzt, zitiere. Soviel zum Thema, wir brauchen diese Anträge.