Protocol of the Session on March 19, 2009

[Uwe Goetze (CDU): Mit der Finanzverfassung! Zuhören!]

Warum nicht? – Weil § 4 des Haushaltsgesetzes 2008/ 2009 mit dem Notbewilligungsrecht, welches es der Exekutive zubilligt, nicht im Einklang mit Artikel 112 des Grundgesetzes stünde und die Beteiligungsrechte des Parlaments schmälern würde. – Bravo! Das ist wirklich feinsinnig, Herr Goetze! Da kann ich nur sagen, alle Achtung.

Drittens: Das Zahlenwerk selbst sei unvollständig, weil der Einnahmeausfall – das haben Sie hier noch mal wiederholt – aus Lottoeinnahmen zu gering berücksichtigt worden sei.

[Joachim Esser (Grüne): Gar nicht berücksichtigt!]

Das ist wirklich unglaublich schändlich, Herr Goetze, das ist wirklich ungeheuerlich.

Ich bestreite hier jede einzelne Ihrer Äußerungen, auch vorhin, Begriffe wie Willkür, mieser Stil, Ihren Vorwurf: nur 30 Minuten Präsens des Senators, nachdem er sich Ihren Fragen bei der Einbringung des Haushalts in der Ersten Lesung detailreich und auf sehr gutem Niveau gestellt hat und wir debattiert haben, wie sich dieser Nachtrag einordnet. Ich bestreite jede einzelne Ihrer Unterstellungen und gehe im Detail nicht weiter darauf ein. Aber selbst wenn es so wäre, Herr Goetze, sind das alles Bedenken, die es rechtfertigen würden, dem Nachtrag nicht zuzustimmen, frage ich Sie. Ist das wirklich ein Grund, diesem Nachtrag nicht zuzustimmen? Warum lehnen Sie das bundespolitisch zu Recht endlich selbst von Ihrer Kanzlerin inzwischen gewollte konjunkturbelebende Moment dieses Nachtragspakets ab? Ich meine, die Antwort bleiben Sie uns schuldig. Ich zitiere den Präsidenten des Münchner ifo-Instituts Werner Sinn – nun auch kein Sozialdemokrat, meiner Kenntnis nach, in seinen Äußerungen zumindest auf keinen Fall –:

Die deutsche Wirtschaft steht vor der schwersten Rezession der Nachkriegsgeschichte. Auch für das Jahr 2010 sehen wir noch keinen Aufschwung.

Und was machen die Damen und Herren der Opposition? Was machen Sie in der CDU im Landtag in Berlin? – Sie lehnen 630 Millionen Euro Investitionen, die das Land Berlin zur Stabilisierung der Wirtschaft in den Kreislauf

pumpt, einfach ab. Ich nenne das verantwortungslos, Herr Goetze!

[Beifall bei der SPD]

Nun kann man sich natürlich, wie das die Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90 gestern getan haben, hinstellen und sagen: Gebt mehr Geld! Das Geld hier reicht nicht. – Das ist die Kernaussage Ihrer Kritik gestern gewesen.

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

Ich finde, das ist okay. Diese Meinung kann man haben. Problem ist nur – und das haben Sie selbst gestern eingestanden, liebe Kollegen Esser und Schruoffeneger –: Bereits das Volumen, das wir heute verabschieden werden, fordert Verwaltung, Stadt, Politik und Wirtschaft in einem Ausmaße, welches unter anderem die Bezirksvertreter mit veranlasst hat, den Senat um Unterstützung bei der Umsetzung des Konjunkturpaketes zu bitten. Das machen wir im Übrigen auch, wie ich finde, mit dem erfolgreichen Instrument der Steuerungsrunde – über alle Häuser hinweg und unter dem Vorsitz von Klaus Teichert von der Senatsverwaltung für Finanzen.

Kollege Schruoffeneger hat das gestern interessanterweise auch gleich relativiert: Nein, nein, es geht nicht darum, mehr Geld auszugeben, hatten Sie gesagt, sondern es geht darum, den Gewinn aus dem Abschluss 2008 – eine interessante Position – beiseite zu packen und ein weiteres Konjunkturpaket zur Verlängerung dieses zweijährigen Konjunkturpaketes aufzulegen, ein weiteres Konjunkturpaket für die Jahre 2011-2013 entsprechend vorzubereiten und zu diskutieren.

Ich lese Ihnen mal vor, was Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln, im „Handelsblatt“ gesagt hat:

Es wäre unverantwortlich, jetzt schon das nächste Paket zu fordern. Das zieht die Wirkung der bisherigen Maßnahmen ohne Grund in Zweifel.

Ich zitiere des Weiteren Wolfgang Franz, Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung:

Ein Gerede über ein nächstes Konjunkturprogramm

wo wir noch nicht einmal dieses verabschiedet haben und Sie ja auch gegen dieses sind –

ist schädlich, weil es natürlich die Wirkung der ersten beiden Konjunkturpakete und die steuerliche Erleichterung eher in Frage stellt, als es zu unterstützen.

Also, ich fasse zusammen: Wir haben gute Argumente, nicht gleich mehr Geld zu verplanen, sondern uns erst einmal darauf zu konzentrieren, das ordentlich umzusetzen, was uns gegeben ist. Und wir haben auch gute Argumente, dieses Geld nicht gleich zur Seite zu packen, wie Sie das fordern. Aber auch da: Selbst wenn das aus Ihrer Sicht nicht genügen würde, was wir heute ver

abschieden, selbst wenn Sie sagen, es müsste viel mehr sein, gibt es keinen Grund, das Geld, das da ist, nicht auszugeben. Das haben Sie aber, genau wie die Kollegen von der CDU, gestern getan, indem Sie diesem Nachtragshaushalt nicht zustimmen.

[Zuruf von Oliver Schruoffeneger (Grüne)]

Wenn es denn darum geht zu handeln, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen genauso wie von der CDU, dann versagen Sie. Sie versagen, wenn es darum geht, 163 Millionen Euro für die Schulsanierung freizugeben. Sie versagen, wenn es darum geht, 6 Millionen Euro für die Bädersanierung freizuschalten.

[Ramona Pop (Grüne): Das habt ihr doch selbst gesperrt!]

Sie versagen, wenn es darum geht, im Rahmen dieses Nachtragshaushalts 16 Millionen Euro in den öffentlichen Beschäftigungssektor zu stecken.

Ich fordere Sie ausdrücklich auf: Besinnen Sie sich Ihrer Rolle und Ihrer Funktion und auch Ihrer Verantwortung innerhalb des Landtages Berlin! Stimmen Sie dem Nachtrag im Interesse der Menschen in dieser Stadt zu – im Interesse der Arbeiter, im Interesse der Handwerker, der Betriebe, der Bezirke! Sie brauchen jetzt unsere Unterstützung! – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall Linksfraktion]

Vielen Dank! – Herr Goetze hat nun das Wort für eine Kurzintervention. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! – Lieber Kollege Zackenfels! In welche Schauspielschule gehen Sie denn?

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei den Grünen und der FDP]

Das war an Theatralik kaum zu überbieten. Ein Drittel der Rede waren kluge Zitate von Leuten, mit denen Sie vermutlich nie das Vergnügen haben werden, mal persönlich zusammen zu kommen.

[Beifall bei der CDU]

Ein Drittel der Rede waren Unterstellungen, die geradezu in einer absurden Schlussfolgerung münden: Sie werfen uns vor, wir sind gegen die Verausgabung dieser Mittel, weil wir heute dagegen stimmen. Wenn man das weiterdenkt, sind Sie offenbar der Auffassung, wir sind gegen den Landeshaushalt und die Ausgabe irgend eines Euros, weil wir auch gegen den Doppelhaushalt 2008/2009 gestimmt haben. Sie werden uns sicher sagen, wir sind gegen die Beschulung der Schüler, weil wir gegen Ihr Schulgesetz gestimmt haben. Was ist denn das für ein absurdes Verständnis? Machen Sie doch einmal einen

Grundkurs Parlamentarismus bei der Ebert-Stiftung! Vielleicht helfen die Ihnen weiter.

[Beifall bei der CDU und den Grünen– Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Das dritte Drittel Ihrer Argumente war: Der Zweck heiligt die Mittel. Denn Sie sind auf alle Argumente, die sich mit Finanzverfassungsrecht auseinandersetzen, überhaupt nicht eingegangen. Schön war das eine Zitat, das Sie gebracht haben. Das stammt nämlich aus einer Vorlage Ihres Senats an den Hauptausschuss aufgrund unseres Antrags. Prima, dass Sie das zitiert haben! Da bin ich Ihnen dankbar. Das wird auch noch eine große Rolle in der Zukunft spielen.

Aber der Zweck heiligt eben nicht alle Mittel. Diese Argumentation kenne ich persönlich noch aus dem Untersuchungsausschuss Tempodrom von dem Kollegen Strieder und Ihren Parteigenossen, die da auch immer so argumentiert haben: Was schert uns jede rechtliche Vorschrift, was schert uns jedes Gesetz – der Zweck heiligt die Mittel. Das Tempodrom war gut für Berlin, deswegen haben wir es gemacht. – So sind Sie dahergekommen, und deswegen war das alles wirklich nur heiße Luft. Schade, dass wir diese Debatte mit Ihnen hier nicht zum Haushalt führen konnten!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Herr Kollege Zackenfels! Wir haben Ihrer Bitte um Zwischenfrage nicht entsprochen, weil es leider bei Kurzinterventionen nicht zulässig ist. – Das Wort hat jetzt der Kollege Esser.

[Christoph Meyer (FDP): Zackenfels kann doch erwidern! – Reg. Bürgermeister Klaus Wowereit: Vielleicht will er ja nicht!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jetzt war ich doch überrascht: Herr Zackenfels hat nur Fragen, aber keine Antworten und wollte deswegen keine Antwort auf Herrn Goetze geben. – Herr Zackenfels! Ich finde, insofern hat Herr Goetze recht: die Rede passt zu dem Nachtragshaushalt, und der ist – das wissen Sie auch – ein vorgezogener Aprilscherz.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Denn begründet wurde er von Rot-Rot mit der Notwendigkeit, die Investitionsausgaben zu veranschlagen, die Berlin im Zuge des Konjunkturprogramms der Bundesregierung umsetzen soll. Und ausgerechnet dieser Titel wird jetzt vom Parlament gesperrt, weil der Senat sein Maßnahmenpaket nicht beieinander hat. Angeblich soll das dann ja bis zum 1. April der Fall sein. Ich frage mich, welche Handlungsfähigkeit Sie eigentlich damit de

monstrieren wollen, dass Sie den Haushalt dennoch heute verabschieden. Da ist keine Handlungsfähigkeit zu sehen – weit und breit nicht. Das Herzstück des Nachtragshaushalts tritt heute nicht in Kraft, und da könnten wir jetzt eigentlich getrost nach Hause gehen und mit der Verabschiedung noch zwei Wochen warten, Zeit, die der Senat offensichtlich noch braucht, um zu Potte zu kommen.

Zur Frage der Abstimmung: Herr Zackenfels! Eines können Sie angesichts so einer Lage bestimmt nicht erwarten, dass wir dieser Posse unseren Segen geben, indem wir diesem Haushalt zustimmen.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Die Anforderungen der Grünen für ein zustimmungsfähiges Investitionsprogramm – das wir im Augenblick gar nicht prüfen können, weil es nicht vorliegt – haben wir Ihnen in den vergangenen Wochen mehrfach klar benannt. Ich tue es noch einmal: Erstens, wir akzeptieren kein Schulinvestitionsprogramm, das nicht im Dienst der Schulreform steht und die Voraussetzungen für die Sekundarschule und mehr Ganztagsschulen schafft. Da sieht es dem ersten Anschein nach, ohne die Maßnahmeliste gesehen zu haben, ganz gut aus. Zweitens war und ist es unsere Auffassung, dass jede größere Sanierungsmaßnahme nachweislich dazu beitragen muss, die Energiekosten und den CO2-Ausstoß signifikant zu senken, und die Erfüllung der Standards der EnEV 09 sind dabei das Minimum. Denn wir stellen lieber zusätzliche Lehrer ein – das habe ich Ihnen auch schon gesagt –, als Geld zu Vattenfall, Gasprom oder den Ölscheichs zu tragen.

[Beifall bei den Grünen]

Bezüglich dieses zweiten Punkts lässt mich die gestrige Beratung im Hauptausschuss nichts Gutes ahnen. Was wir zu hören bekamen, waren derartig starke Ausflüchte, dass ich mir im Augenblick nicht mehr ganz sicher bin, ob wir nicht noch eines Tages Bundesgelder zurückzahlen müssen, weil die bisherige Planung von Rot-Rot nicht einmal die Vorgaben der Bundesregierung, dass ungefähr 40 Prozent der Ausgaben für jede Maßnahme energiewirksam sein müssen, erfüllt. Wir werden uns dann, wenn die Liste kommt und es um die Freigabe geht, an dieser Stelle sicher noch genau zu unterhalten haben.

Drittens – darüber haben Sie sich jetzt ausgelassen – haben wir Ihnen immer wieder gesagt – und ich wiederhole das –: Das Konjunkturprogramm muss in ein mittelfristiges Investitionsprogramm bis zum Jahr 2015 eingebettet sein, das erstens dem Umfang des Sanierungsstaus von über 2 Milliarden Euro gerecht wird und das zweitens kein beschäftigungspolitisch verpuffendes Strohfeuer für zwei Jahre darstellt.