Das Deutsche Herzzentrum Berlin hat aus diesem Vorfall für sich den Schluss gezogen, einen Ethikkodex gegen Gelder aus der Tabakindustrie haben zu wollen – so wie weitere 14 renommierte Wissenschaftseinrichtungen und Berufverbände wie die Pneumologen, die Kinderärzte und das Deutsche Krebsforschungszentrum. Den Brief haben Sie heute alle erhalten. Sie alle sagen: So ein Ethikkodex ist wichtig.
Nichts anderes fordern wir mit unserem Antrag: Der Senat möge sich dafür einsetzen, dass sich alle Forschungseinrichtungen sowie Gesundheitszentren einen ethischen Kodex geben, der die Annahme von Fördergeldern aus der Tabakindustrie untersagt. Bei der Beratung unseres Antrags im Gesundheitsausschuss wollten die rot-roten Politiker auch Forschungsgelder der Alkoholindustrie abgelehnt wissen –
die schöne stylische Werbung und die Alkoholexzesse der Jugendlichen dieser Stadt vor Augen. – Erste Tote beklagen wir leider. – Das tragen wir mit.
Beide Parteien legen heute eine Alternative zum Kodex vor, die nicht einmal mehr ein zahnloser Tiger ist.
Tabakindustriegelder sollen erwünscht sein, wenn gewisse Kriterien wie Tendenzforschung, Einflussnahme ausgeschlossen sind.
Das ist selbstverständlich, Herr Gaebler. Doch dieses selbstverständliche Vorgehen hat die Wissenschaft nie geschützt. Das hat die Kliniken und Forschungsinstitute in die Misere geritten. Sie waren der Meinung, freie Forschung durchzuführen, weil sie die Weißkittelstrategie nicht erkannt haben oder nicht die Zeit hatten, sich damit ausführlich zu befassen. Vor Geldern und Einflussnahme aus der Tabakindustrie benötigt die Wissenschaft Schutz. Dagegen hilft nur ein eindeutiger Kodex. Wir Grüne wollen solch einen Vorfall wie den am Herzzentrum nicht mehr haben und lehnen deshalb Ihren Text ab und wünschen uns Zustimmung zu unserem Anliegen.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich sehe, die Fraktion der Grünen zittert. Das macht gar nichts.
Beim Thema Forschungsfinanzierung durch die Tabakindustrie ist Sensibilität geboten. Das zeigen die Erfahrungen der Vergangenheit und auch die Berichte des „Deutschen Ärzteblatts“, die zu Recht in der Begründung Ihres Antrags zitiert werden. Wir alle wissen aus eigener Erfahrung, dass es kaum eine Lobbygruppe gibt, die bei der Verbreitung ihrer spezifischen Sicht der Dinge derart findig ist wie die Tabakindustrie. Vielleicht kann die Atomlobby noch mithalten, die ist auch gut darin. Deshalb ist es gut und richtig, dass wir uns heute damit beschäftigen, unter welchen Umständen – oder ob gar nicht – Forschungseinrichtungen des Landes Berlin Gelder von der Tabakindustrie annehmen dürfen. Aus meiner Sicht gibt es zwei seriöse Möglichkeiten, mit dem Thema umzugehen. Möglichkeit eins ist, die Annahme von Forschungsmitteln von der Tabakindustrie und ihr zuzurechnender Stiftungen und Institutionen auszuschließen. So kann – da haben die Grünen recht – die Einflussnahme in diesem Feld verhindert werden. Deshalb ist es auch der von ihnen vorgeschlagene Weg. Allerdings – das gehört zur Ehrlichkeit dazu – wirft eine solche Regelung auch Probleme auf. So stellt sich die Frage, wo man die Grenze zwischen erwünschten und unerwünschten Drittmitteln ziehen will. Neben der Tabakindustrie gibt es weitere Branchen, die durch das Instrument der Finanzierung Einfluss auf Forschungsergebnisse und damit die Öffentlichkeit nehmen könnten. Was ist etwa mit der Erdölindustrie und der Klimaforschung? Was ist mit der Automobilindustrie? Was ist mit der Atomindustrie und der Kernforschung? Diese Reihe ließe sich beliebig fortsetzen. Wer also will entscheiden, welche Branche, welche Institution von der Finanzierung von Forschung ausgeschlossen werden sollen? Ich mag mir das nicht anmaßen. Sie selbst als Grüne sind sich nicht so sicher, wie Sie mit Geld umgehen wollen, das von derartigen Verbänden kommt.
Jetzt haben wir eine Drucksache der Grünen zum Thema Alkoholkonsum von Kindern und Jugendlichen begegnen. Da schlagen Sie vor, dass ein Finanzfonds aufgelegt werden soll, mit dem Präventions- und Interventionsmaßnahmen finanziert werden sollen. Woher wollen Sie das Geld dafür nehmen? – Sie wollen es von der Alkoholindustrie haben.
Das heißt, Tabakindustrie geht gar nicht bei der Forschung, aber Alkoholherstellergeld nehmen Sie, wenn es der Prävention dient. Da scheinen Sie sich selbst nicht sicher zu sein, auf welchem Weg Sie eigentlich sind.
Ein weiteres Problem ist, dass die von Ihnen vorgeschlagene Regelung – – Nein! Es ist keine Angst, aber es ist nicht sachlich.
Deswegen können wir es uns jetzt sparen. – Zurück zur Sache: Ein weiteres Problem ist, dass die von Ihnen vorgeschlagene Regelung das Signal aussendet, dass Berliner Forschungseinrichtungen auf Drittmittel keinen Wert legen. Das ist sicher das falsche Signal.
Angesichts dieser Probleme haben wir uns entschieden, die zweite Möglichkeit eines seriösen Umgangs mit der Finanzierung von Forschung durch die Tabakindustrie zu wählen. Unser Weg ist es, die Annahme von Forschungsmitteln an klare Bedingungen zu knüpfen, die eine Manipulation weitgehend ausschließen können. Wenn transparent ist, wer für ein Forschungsprojekt bezahlt, wenn Forschungsergebnisse vollständig vorgelegt werden müssen, wenn auf die Ergebnisse kein Einfluss genommen werden darf und wenn das Verhältnis von Leistung und Zahlung angemessen sein müssen, wird der Lobbyismus via Forschungsförderung ebenfalls wirksam bekämpft. Es gibt also zwei Möglichkeiten. Wir haben uns für die Möglichkeit entschieden, die deutlich weniger Risiken und Nebenwirkungen beinhaltet. Deshalb haben wir im Wissenschaftsausschuss einen entsprechenden Änderungsantrag eingebracht, für dessen Unterstützung ich hier werbe.
Mit Blick auf die Uhr kann ich auch noch einige Worte zum Vorschlag der FDP sagen. Sie schlagen vor, dass man ein Pooling macht, also alle Gelder der Tabakindustrie in einen Topf wirft und dann gleichmäßig auf die Landeseinrichtungen verteilt. Diese Idee mag in Bremen, in Hildesheim und vielleicht auch in Braunschweig funktionieren. Sie funktioniert aber definitiv nicht in Berlin. Ich kann Ihnen auch sagen, warum Sie nicht funktioniert. Sie schlagen vor, dass man das mit den landeseigenen Institutionen macht. Aber dummerweise sind die Institutionen, von denen wir hier reden, in der Regel und zum Glück keine Landesinstitutionen, sondern sie befinden sich in einer Mischfinanzierung zwischen dem Bund und dem Land Berlin. Das heißt, die Regelung ist so, wie Sie sie vorschlagen, für Berlin definitiv nicht praktikabel.
Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass bei der Mehrzahl der Berliner Forschungseinrichtungen bereits ein hohes Maß an Problembewusstsein besteht. Unser
Vorschlag, die Annahme von Forschungsmitteln per Selbstverpflichtung an gewisse Standards zu knüpfen, setzt an diesem Problembewusstsein an und sorgt dafür, dass es in Berlin künftig keinen Lobbyismus über Forschungsförderung geben wird. – Herzlichen Dank!
Herr Oberg! Die Grünen wissen ganz genau, was sie wollen, und sie können auch ganz genau unterscheiden.
Deswegen haben wir auch diese Anträge so gestellt. Bei dem einen – das habe ich Ihnen soeben lange erklärt, und ich hatte gehofft, Sie haben es verstanden, aber es ist nicht so, und deshalb erkläre ich es Ihnen noch einmal – geht es um Tendenzforschung, um eine subtile Einflusseinnahme auf Forscherinnen und Forscher, die das leider an manchen Stellen nicht merken. Bei dem anderen Antrag geht es darum, dass wir diejenigen, die Mitverursacher und Gewinnabschöpfer bei bestimmten Produkten sind, bei der Problemlösung mithelfen und in einen unabhängigen Fonds einzahlen lassen wollen. Herr Oberg! Das sind unterschiedliche Sachen, und Sie können uns vertrauen: Dabei wissen wir ganz genau, was wir wollen.
Jetzt mag ich ja manchmal ein bisschen langsam im Kopf sein und nicht alles so richtig verstehen, was Sie da sagen.
Aber ich glaube, Sie sollten verstanden haben, dass wir auch gegen Tendenzforschung sind und dass wir deutlich sagen: Es gibt zwei verschiedene Wege, das zu erreichen. – Wir sind uns also im Ziel einig. Wir wollen keine Tendenzforschung. Wir wollen nicht, dass Forschungsmittel dafür missbraucht werden, um am Ende Lobbyismus zu betreiben. Ich denke, das können wir erst einmal festhalten.
Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass Ihr Verfahren gewisse Risiken birgt. Das haben Sie auch nicht widerlegen können. Natürlich gleicht es sich im Verfahren, wenn Sie sagen, dass die Gelder auf der einen Seite per se schlechte Gelder sind, die man nie und unter keinen Umständen annehmen darf, selbst dann nicht, wenn sie gewissen Kriterien genügen.
Aber auf der anderen Seite sagen Sie: Gelder, die quasi aus nicht viel anderem hervorkommen – nämlich auch aus dem Gewinn, der mit gesundheitsschädlichen Produkten erzielt wird –, können eingesetzt werden und werden dann für Prävention eingesetzt. Es ist ja schön, wenn Sie es für Prävention einsetzen, aber letztendlich ist es immer noch so, dass Sie dann wiederum eine Finanzierungsquelle erschließen, dass Sie Einflussnahme ermöglichen und damit das Ziel, das Sie erreichen wollen, konterkariert werden kann. Also ist das nicht trennscharf, was Sie da veranstalten.
Wenn Sie das konsequent wollen, dann schließen Sie bitte beides aus! Wir können festhalten: Die Grünen wollen das eine, und wir wollen das andere. So ist das in der Demokratie. Wir haben uns für den Weg entschieden, der die Risiken minimiert und der gleichzeitig ebenso den Lobbyismus verhindert. Das ist Demokratie. Die Mehrheit wird entscheiden, und ich glaube, ich weiß, wer die Mehrheit hat.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wenn mich der letzte Satz des Kollegen Oberg – so nach dem Motto: Wir haben die Mehrheit, wir entscheiden – fast dazu reizen würde, meine Rede zu ändern, werde ich das trotzdem nicht tun.
[Christian Gaebler (SPD): Mit Ihnen zusammen! – Lars Oberg (SPD): Wir wissen das doch aus dem Wissenschaftsausschuss!]
Deswegen ja: Denn wir wollen uns ja in der Sache unterhalten. – Herr Oberg! Da muss ich Ihnen allerdings recht geben. Die Frage ist doch: Gibt es gute Gelder und schlechte Gelder für die Forschung? – Das ist die primäre Frage. Man kann natürlich eine Liste von schlechten Geldquellen aufstellen. Dazu würde mir einiges einfallen. Dabei geht es dann nicht nur um die Tabakindustrie oder die Alkoholindustrie. Wie wäre es z. B. mit den Süßwarenproduzenten? – Man muss das doch einmal weiterdenken. Aufgrund welcher Risiken haben wir in Deutschland Mortalität? – Da gibt es eine Reihe von Risiken. Die haben etwas mit Ernährung, mit dem Autofahren oder mit