Protocol of the Session on March 5, 2009

Seit dem 24. Februar dieses Jahres gibt es noch eine dritte Möglichkeit, von Inhalten solcher Dokumente, die mit „Geheimsache Quellenschutz“ gekennzeichnet sind, Kenntnis zu nehmen. Diese Möglichkeit stellt das Interview mit Innensenator Körting im „Neuen Deutschland“ dar. Das ist ein Stück aus dem Tollhaus!

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Damit wir alle wissen, worüber wir uns unterhalten, zitiere ich – mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten – aus dem „Neuen Deutschland“, was der Herr Innensenator dort zum Besten gegeben hat:

Die SPD-Innenminister von Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Berlin haben erklärt, dass in ihren Ländern die Voraussetzungen erfüllt sind, ein Verbotsverfahren einzuleiten.

Auf die Nachfrage, was dies im Klartext bedeute, erwiderte der Innensenator, dass in diesen Bundesländern keine V-Leute in Bundes-, Landesvorständen oder vergleichbaren NPD-Gremien mehr seien.

Dass solche Informationen in einem öffentlichen Medienorgan durch einen Innensenator in der Bundesrepublik Deutschland publik gemacht werden, ist ein unglaublicher Vorgang, der in der Vergangenheit seinesgleichen sucht, ein unglaublicher Vorgang, der sich auf keinen Fall wiederholen darf!

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Herr Körting! Indem Sie diese Informationen veröffentlicht haben, haben Sie in hohem Maße unprofessionell gehandelt. Sie haben aber nicht nur unprofessionell gehandelt, sondern Sie haben auch eine Gefahr für die geheimdienstlichen Aktivitäten anderer Bundesländer und – was vielleicht noch schlimmer ist – Gefahren für Leib und Leben der Quellen anderer Bundesländer verursacht. Letztlich ergibt sich aus Ihren Aussagen auch der Gegenschluss, in welchen Ländern noch verfassungsdienstliche Quellen in den Vorständen von rechtsextremen Organisationen tätig sind. Das kann schlichtweg nicht sein!

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Entsprechend desaströs waren auch die Reaktionen Ihrer Kollegen, Herr Innensenator. Bundesinnenminister Schäuble hat Ihr Verhalten noch als „grob fahrlässig“ bezeichnet, Innenminister Schönbohm aus Brandenburg war etwas undiplomatischer und sprach davon, es sei „inakzeptabel, einseitig und eine Schweinerei“, dass Sie den Konsens der Innenministerkonferenz aufkündigen. Herr Innensenator! Ich kann es Ihnen auch nicht ersparen, Ihnen die Äußerungen Ihrer drei Kollegen aus der SPD

zum Besten zu geben. Jene drei Kollegen, deren Geheimnisse Sie im „Neuen Deutschland“ ausplauderten, brachten Folgendes zu Gehör. Holger Hövelmann, der SPDInnenminister in Sachsen-Anhalt, sagte, dass es für öffentliche Auskünfte zur Beobachtung der NPD durch den Verfassungsschutz keinerlei Anlass gebe. – Ja, das ist richtig! – Lothar Hay, Innenminister in SchleswigHolstein, ebenfalls von der SPD, sprach von einem „Vertrauensbruch“, den er in dieser Form noch nicht erlebt habe. Und der SPD-Innenminister von Rheinland-Pfalz, Karl Peter Bruch, sprach davon, dass er grundsätzlich keinerlei Auskunft über solche Vorgänge gebe. Offensichtlich, Herr Innensenator, gibt es grundverschiedene Auffassungen darüber, was zur „Geheimsache Quellenschutz“ gehört und was nicht. Das Erstaunliche an diesem Vorgang ist, dass Sie, Herr Innensenator, der Einzige sind, der sich darüber mit seinen Kollegen nicht einig ist. Mit dieser Vorgehensweise haben Sie Berlin gegenüber allen anderen Bundesländern und allen anderen Diensten isoliert, und das war in hohem Maße unprofessionell!

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Sie haben dann versucht, sich zu verteidigen. Ich hatte von Ihnen in den letzten Tagen eigentlich ein paar klärende Worte zu dieser Problematik erwartet. Dieser Verteidigungsversuch beschränkte sich darauf, dass Sie ausgeführt haben, Sie hätten sich hier auf alte Informationen aus einer Pressekonferenz aus dem Jahr 2007 bezogen. Aber es zeigte sich schon nach einer kurzen Prüfung, dass das nicht trägt. Auf dieser Pressekonferenz, auf die Sie sich bezogen haben, hatten SPD-Innenminister zwar mitgeteilt, dass sie grundsätzlich bereit seien, V-Leute in der NPD abzuschalten, um ein neues NPD-Verbotsverfahren zu ermöglichen, aber es ergab sich überhaupt kein Zeitraum, wann das geschehen sollte. Es bleibt also dabei, Herr Innensenator: Sie haben hier unbefugt Geheimsachen an die Öffentlichkeit gegeben. Sie haben Quellen gefährdet, und Sie haben Ihre Kolleginnen und Kollegen düpiert.

[Beifall bei der FDP]

Angelegentlich dieses Vorgangs kann man sich tatsächlich fragen: Welche Verfassungsschutzbehörde soll in Zukunft noch vertrauensvoll mit der Verfassungsschutzbehörde des Landes Berlin zusammenarbeiten? Wer soll Ihnen in Zukunft guten Gewissens noch mitteilen, wie der Stand der Vorbereitung eines NPD-Verbotsverfahrens ist? Wer soll Ihnen in Zukunft aus anderen Bundesländern noch mitteilen, welche Aktivitäten dort unternommen werden, wenn er möglicherweise damit rechnen muss, dass Sie am nächsten Tag das Ganze im „Neuen Deutschland“ medienöffentlich machen? – Kein Mensch wird mehr mit dem Berliner Verfassungsschutz in dieser Sache zusammenarbeiten.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Das bringt uns zu der Frage, Herr Innensenator: Warum haben Sie diese Veröffentlichung getätigt? – Das ist aus meiner Sicht wahrscheinlich das, was noch schwerer wiegt als das, was Sie getan haben. Sie haben letztlich mit

Ihrem Verstoß nach meiner Auffassung nämlich deshalb so gehandelt, weil Sie sich in der politischen Debatte davon einen Vorteil erhofft haben. Sie wussten genau, dass Sie in der Sache überhaupt nicht weiterkommen würden. Sie wissen auch ganz genau, dass die Voraussetzungen für ein NPD-Verbotsverfahren nach der Mehrheitsmeinung Ihrer Kolleginnen und Kollegen nicht gegeben sind. Sie haben ganz bewusst gehandelt, um sich in der politischen Debatte interessant zu machen, um sich hier mit einem Vertrauensbruch, mit einem Geheimnisverrat ins öffentliche Licht zu rücken und um sich und Ihre Partei öffentlichkeitswirksam zu profilieren.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Herr Innensenator! Es ging Ihnen somit in dieser Debatte überhaupt nicht um Sicherheitsinteressen, sondern es gelang Ihnen allein, sich hier zu profilieren und für Ihre Partei nach Ihrem Wunsch in der öffentlichen Debatte ins Gespräch zu bringen.

[Zuruf von Elke Breitenbach (Linksfraktion)]

Man muss sich angesichts dieser Vorgehensweise unseres Innensenators die Frage stellen – ich denke, auch Sie von der Regierungskoalition sollten sich diese Frage dringend stellen –, wie man, wenn wir einen Innensenator als Geheimnisträger haben, der seine eigenen Profilierungsinteressen über die Sicherheitsinteressen unseres Landes und anderer Länder stellt, mit einem solchen Innenminister noch zusammenarbeiten kann.

[Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Gut!]

Ich denke, dass diese Frage nicht einfach zu beantworten sein wird, insbesondere für Sie. Es hat sich ja gezeigt, dass die SPD – jedenfalls in der jüngsten Vergangenheit – nicht mehr in der Lage war, ihren Personalbedarf aus eigener Kraft zu decken, was Senatorinnen und Senatoren anging.

[Beifall bei der FDP]

Vor diesem Hintergrund verstehe ich, dass Sie auch hier Schwierigkeiten haben. Aber Sie sollten sich das gut überlegen im Lichte dessen: Welcher Geheimdienst soll jetzt mit unserer Behörde noch zusammenarbeiten? Ich glaube, Sie sollten sich darüber Gedanken machen, Herr Innensenator Körting, ob es nach diesem Verhalten noch angemessen ist, dass Sie für das Land Berlin gegenüber anderen Ländern als Geheimnisträger auftreten. Nach unserer Auffassung ist das nicht mehr im Interesse des Landes Berlin, und es wäre an Ihnen, die Konsequenzen aus Ihrem Verhalten zu ziehen. Wir denken, es ist an der Zeit. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Kollege Schreiber.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um gleich deutlich zu machen, wo wir stehen: Wir stehen ganz klar und deutlich hinter dem Innensenator.

[Beifall bei der SPD]

Wir denken, dass das, was die Union insbesondere auf Bundes- und Landesebene treibt, unsinnig, falsch und übrigens auch politisch gefährlich ist.

Das andere: Herr Jotzo! Das war jetzt wirklich Schauspielschule Sauerland, was Sie vorgetragen haben.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Da kam wenig Inhaltliches rüber. Und Sie haben auch, Herr Jotzo – um das deutlich zu sagen –, gerade das, was das Bundesverfassungsgericht uns auf den Weg mitgegeben hat, falsch dargestellt. Es hat nämlich sehr deutlich gesagt, und zwar am 18. März 2003, dass das Verfahren letzten Endes aus Verfahrensgründen eingestellt wurde, weil bei dem NPD-Verbotsverfahren die Informationen von V-Leuten in das Verfahren mit eingeflossen sind. Das war der grundsätzliche Fehler. Es geht hierbei um einen Verfahrensfehler und nicht um einen Sachfehler. Das muss man sehr deutlich machen.

Eines ist sehr klar – da sieht man auch die Angst und den Schrecken gerade in der Union und auch bei Herrn Henkel –: Man möchte die Debatte gerade im Superwahljahr 2009 vermeiden aus dem einfachen Grund, dass man weiß, dass ein Großteil der Bevölkerung in Deutschland, aber auch in Berlin ganz klar hinter der Position des Innensenators steht und sagt: Wir sind auch für ein Verbot der NPD.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Ich denke, das ist richtig. Man muss schon deutlich sagen: Man kann ein Stück weit stolz sein, dass Berlin so einen motivierten und konsequenten Innensenator hat im Gegensatz zu anderen Innenministern in anderen Bundesländern.

Ich will gleich mal einige von Ihren sympathischen Amtskollegen oder beispielsweise den bayerischen Ministerpräsidenten zitieren, der nach dem Vorfall in Passau sehr vollmundig im Dezember erklärt hat, dass man sozusagen dem Kraken des Rechtsextremismus Paroli bieten muss und dass gerade Bayern und die CSU sich jetzt breit und stark machen werden für einen neuen Anlauf im Bundesrat, um die NPD zu verbieten. Da frage ich: Wo sind Sie denn nun eigentlich, gerade bei so einer wichtigen Debatte und so einer wichtigen Diskussion? Wo ist eigentlich die Union?

[Andreas Gram (CDU): Hier!]

Sie verstrickt sich eindeutig in Widersprüche.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Und Sie haben das Problem, dass Sie zweigeteilt sind. Auf der einen Seite haben Sie Teile bei sich in der Union in dieser Bundesrepublik, die kein klares Verhältnis und

keine klare Abgrenzung zum Rechtsextremismus haben. Das muss man sehr deutlich sagen. Auf der anderen Seite haben Sie Leute dabei, die uns und den anderen auch ein Stück weit Unterstützung geben.

Ich denke, wir müssen klar sagen – das hat auch die Debatte gezeigt, die der Innensenator losgetreten und dargestellt hat –: Es ging darum, dass die Innenminister – gerade die der SPD-geführten Länder – klar gesagt haben, wir setzen das um, was uns das Bundesverfassungsgericht mit auf den Weg gegeben hat. Der Innensenator hat als Sprecher der A-Länder – das kann man übrigens auch nachlesen, es wurde im Jahr 2007 in einem Dossier dargestellt – gesagt, dass wir uns dafür einsetzen, die V-Leute, die in den Führungsgremien der NPD sind, rauszuziehen. Das hat das Verfassungsgerichtsurteil ganz klar gesagt. Das tun wir. Im Grunde genommen ist das das Ergebnis, das der Innensenator vorgestellt hat. Deswegen kann man diese Aufgeregtheit und die Diskussion gerade von Ihnen in der Sache wirklich nicht verstehen.

Die SPD – um es deutlich zu sagen – hat eine sehr klare Haltung – Stichwort Hamburger Parteitag 2007. Wir haben einen ganz klaren Beschluss, dass wir uns ganz klar für ein weiteres Verbot einsetzen und gegen diese NPD in dieser Bundesrepublik klar vorgehen. Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen – ich denke, der Innensenator wird nachher darauf zu sprechen kommen –, gerade wenn es um die Finanzierung dieser Partei geht: Es ist im Grunde genommen unerträglich, dass sozusagen Steuergelder in ihre Infrastruktur reinfließen

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

und sie permanent versucht, diesen Staat zu unterwandern. Es kann übrigens auch nicht sein, dass dann der Bundesinnenminister im Jahr 2007/2008 immer klar erklärt: Nein, ich bin ganz konsequent gegen ein Verbot. – Dann gab es den Vorfall mit Herrn Mannichl, dem Polizeidirektor in Passau. Plötzlich sagte der Bundesinnenminister, auch er könne sich das vorstellen. So chancenlos sei die Sache nun doch nicht. Da frage ich mich: Wie widersprüchlich sind Sie eigentlich? Was wollen Sie eigentlich konkret?

Interessant fand ich gerade das, was beispielsweise der sympathische Kollege aus Brandenburg gesagt hat, Ihr – sage ich mal – Rechtsaußen in der CDU, der Hardliner, der sozusagen in der Sache gerade beim NPD-Verbot richtig zum Weichei degradiert wurde. Der sagt eindeutig, er habe kein Problem damit, wenn wir V-Leute in der NPD haben, die NPD letzten Endes durch die V-Leute profitiert und wir eigentlich gar kein Verbot dieser Partei in der Bundesrepublik wollen.

[Zuruf von Andreas Gram (CDU)]

Es ist abstrus und daneben, was die Union hier betreibt.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]