Wir allerdings bewerten den Maßnahmeplan des Senats hinsichtlich der Zielsetzung, konjunkturelle Entwicklungen zu beeinflussen, in seiner Gesamtheit als nicht überzeugend. Mit dem Nachtragshaushalt sollte ein Konjunkturprogramm beschrieben werden. Was tatsächlich beschrieben wird, ist ein Erste-Hilfe-Kasten für die marode Infrastruktur des Landes Berlin. Man bedient sich daraus, um die Versäumnisse der letzten sieben Jahre ein bisschen abzumildern. Das hat aber nichts damit zu tun, dass eigentlich die Konjunktur, also Branchen angekurbelt werden sollten, denen durch die Finanzkrise schon Schaden zugefügt wurde oder noch Schaden droht. Nur die Infrastruktur des eigenen Landes zu bedienen, läuft zu kurz.
Wir haben in diesem Sinne eigene Vorschläge unterbreitet. Wir haben gesagt, wir müssen stärker die Konjunktur stützen und entsprechende Branchen stärken, und haben
dazu Vorschläge entwickelt, denn wir müssen die Kollateralschäden aus der sarrazinschen Scheinsanierung aufzufangen versuchen.
Nein! – Die weggedrückten Ausgaben der Vergangenheit drücken schwer, und niemand kann mehr die Augen davor verschließen, dass in dieser Stadt die Schlaglochpisten überhand nehmen und an den öffentlichen Gebäuden der Putz von den Wänden fällt. Aber es reicht eben nicht aus, nur die strukturellen Fehlentscheidungen bei der baulichen Infrastruktur jetzt im Schatten der Krise zuzukleistern. Wir müssen uns auch der Aufgabe stellen, die absehbaren konjunkturellen Probleme mit diesem Nachtrag zu lösen. Das vermissen wir vollständig.
Wir sind der Auffassung, dass neben den Elementen dieser beiden Konjunkturpakete I und II der Bundesregierung, also neben den Steuererleichterungen, den Finanzhilfen und der Breitbandstrategie, die Bundesinvestitionen, die dort enthalten sind, zu einem konjunkturellen Gesamtprogramm zu schnüren gewesen wären. Das ist der Sinn von Konjunkturpaketen. Ein solches Gesamtpaket muss allerdings viel stärker auf die Förderung des privaten Sektors fokussiert sein, als uns vom Senat als Entwurf eines Nachtragshaushalts vorgeschlagen ist. Wir haben gestern im Hauptausschuss diesen Gedanken eingebracht, sind allerdings nicht mehr guter Hoffnung, dass der Senat dies konstruktiv aufgreift und mit den dazu erbetenen Berichten die Grundlage schafft, um den Nachtrag noch zu qualifizieren. Wir werden es also nicht erleben, dass das Land Berlin das Konjunkturpaket des Bundes als Chance begreift, sondern es wird vielmehr damit begonnen, die allgemeine parteipolitische Auseinandersetzung für die Bundestagswahl schon vorzubereiten.
Wenn Herr Sarrazin gesteht, dass ihm die angekündigte Enthaltung im Bundesrat zu diesem Paket persönlich peinlich ist, dann spricht das Bände.
Berlin darf sich nicht abkoppeln, wird aber von der Linksfraktion dazu gezwungen. Ich fordere die Linkspartei nochmals auf: Ersparen Sie doch dem Finanzsenator, dem Senat, Ihnen und dem Land Berlin, dass eine Peinlichkeit im Bundesrat entsteht, die Sie durch Ihre Forderung nach Enthaltung heraufbeschworen haben!
Ersparen Sie dem Land Berlin, dass gesagt wird, Berlin will keine steuerliche Entlastung der Arbeitnehmer, keine finanzielle Zuwendung für Familien! Während in der Republik Geld verteilt wird, lehnt Berlin das formal ab, bedient sich aber letztlich an den Mitteln, und die Wirtschaft leidet darunter, dass sich der Wirtschaftssenator Wolf völlig aus einem Konjunkturpaket verabschiedet hat.
Ersparen Sie uns das, ersparen Sie dies den Berlinern, und stimmen Sie im Bundesrat diesem Konjunkturpaket unbedingt zu!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Goetze! Gleich vorab, ich nehme mir die Freiheit heraus, Ihnen diesbezüglich zu antworten: Ich würde den Appell, den Sie gerade nach Berlin gerichtet haben, auch nach Hamburg richten.
Die letzten Meldungen, die ich gelesen habe, sagen relativ deutlich, dass der Kollege Ole von Beust, der Ihrer Partei zugehörig ist, es offenbar nicht geschafft hat, in seiner Koalition etwas zu schaffen, was Sie hier einfordern. Ich finde, Sie sollten mit gleichem Maß messen. Was Sie dem einen zugestehen, sollten Sie dem anderen nicht ohne Weiteres in Abrede stellen. Ich finde, dass diese Debatte ein bisschen mehr Gelassenheit und Seriosität verdient, wie im Übrigen der Rest Ihrer Rede sie auch hat zutage kommen lassen, was den Haushalt an sich betrifft. Auf den möchte ich mich konzentrieren, denn ich finde, dass er das eine oder andere an Interessantem zu bieten hat, über das wir heute noch einmal reden sollten.
Zunächst ist festzustellen, dass dieser Nachtrag ein Füllhorn ist. Wir hätten es uns nie träumen lassen, dass uns ein solcher Geldsegen zur Verfügung gestellt werden könnte. Vor sechs Monaten oder auch länger hatte das niemand glauben können. Wir begrüßen das, ich will das ausdrücklich sagen.
Wir als SPD begrüßen ausdrücklich, dass es auf der Bundesebene zu einem Konjunkturpaket gekommen ist und
dass hier handelnde Personen die Möglichkeit bekommen haben, das auf der Bundesebene so durchzusetzen.
Aber ich will auch gleich vor dem Hintergrund dieser Geldausgebestimmung, die ein bisschen jetzt überhand nimmt und flächendeckend zu bemerken ist, auf etwas hinweisen, was mir wichtig ist. Wir sind seit 2008 in Berlin in einer Situation, dass wir unter einer rot-roten Regierung – was viele erstaunt – mit der Tilgung unseres unglaublichen Schuldenbergs begonnen haben. Das ist ein unglaublicher Erfolg, der eine ausdrückliche Würdigung verdient und einen Applaus wert ist. Seit 2008 beginnen wir, unsere Schulden zu tilgen. Das müssen uns andere Länder erst mal nachmachen.
Das ist auch ein Erfolg, den wir uns hart erarbeitet haben, den Thilo Sarrazin, aber auch wir alle in Berlin uns hart erarbeitet haben, aber vor allem eben auch die rot-rote Koalition.
Trotzdem macht die mittelfristige Finanzplanung relativ deutlich, dass wir auf einem sehr dünnen Eis stehen und ausdrücklich in dem festen Willen eines Mentalitätswechsels nicht nachlassen dürfen, mit dem wir 2001 die Verantwortung übernommen haben, eines Mentalitätswechsels, der auch die Ausgaben und die Schulden betroffen hat. Nichts spricht dafür, dass sich die soziale Lage entspannen wird. Wir stehen dazu, dass Menschen in diesen Zeiten mehr staatliche Unterstützung denn je brauchen. Berlin ist ausdrücklich davon mehr als andere Bundesländer betroffen. Wir merken aber auch, dass die nationale Solidarität nachlässt. Wir haben in den kommenden Jahren den Abbau der Solidarpaktmittel zu verkraften. Die Diskussion in der Föderalismusreform hat deutlich gemacht, dass mit Fairness seitens der anderen Bundesländer nicht zu rechnen ist. Umso wichtiger ist es, dass wir hier Kurs halten, und das tut der vorliegende Nachtragshaushalt ausdrücklich, der im Kern völlig unspektakulär und übersichtlich ist.
Die Nettoneuverschuldung steigt auf 899 Millionen Euro. Wir reagieren dabei auf Steuermindereinnahmen in Höhe von etwa 680 Millionen Euro. Weil die Anmeldungen für Tagesbetreuungen und Betreuungsumfänge im frühkindlichen Bereich steigen, erhöhen wir auch die Ausgaben für Kitas um 90 Millionen Euro.
Wir tun etwas für die Mitarbeiter in Berlin mit den 53 Millionen Euro im Rahmen des Tarifabschlusses letztes Jahr. Wir fördern den öffentlichen Beschäftigungssektor mit 18 Millionen Euro. Auch diese finden sich im Nachtragshaushalt wieder. Das 50-Millionen-EuroProgramm für unsere Schulen, das wir vor der Weihnachtspause verabschiedet hatten, ist auch integriert. Kurz und gut: Ungeachtet von K II und seinen Konsequenzen ist noch einmal deutlich geworden, dass der rot-rote Senat in diesem Nachtrag bewusst so gewollte und ordnungsgemäß finanzierte politische Akzente setzt.
Verfahrenstechnisch ist dieser Haushalt man kann schon fast sagen banal. Wir sind daher auch nicht bereit – das richte ich noch einmal an die Adresse der CDU, ich glaube, es kam von ihrer Seite –, größere Verzögerungen zuzulassen, und sehen schon gar keinen Anlass, größere Grundsatzberatungen in Fachausschüssen auszulösen. Das bedeutet, dass wir voraussichtlich am 18. März, spätestens am 2. April, also in jedem Fall vor der Osterpause fertig sein müssten. Damit hätten wir mit sechs Wochen sicherlich eine der kürzesten Beratungen der letzten Jahre, was ich durchaus begrüße. Ich finde überhaupt, dass wir in Berlin stolz sein können, so schnell auf die Krise reagiert zu haben. Auf mein Entsetzen ob der Taten und Konzeptionslosigkeit der Kanzlerin will ich hier heute nicht eingehen. Selbst Bremen, das in diesen Tagen eine besondere Bedeutung erfährt, wird nicht vor uns in der Lage sein, sondern offensichtlich auch erst Mitte März seinen Haushalt verabschieden. Die meisten Länder peilen sogar einen Termin vor der Sommerpause an.
Zum Nachtragshaushalt selbst kann man sagen, dass er nun trotz seiner relativen Langeweile einige spannende Fragen aufwirft. Zum einen: Verstecken sich hinter den Millionen, die wir vom Bund erhalten, Sachverhalte, die von unserer Ausgabelinie abweichen? Zweitens: Schaffen wir es, dieses Geld sinnvoll und fristgerecht zu verwenden? Diese Sorge kommt auch in dem ebenfalls hier zur Debatte stehenden Antrag der FDP zum Vorschein. Drittens: Bewegen wir uns haushaltstechnisch auf dem Niveau, das wir als Gesetzgeber haben wollen?
Ich habe den Kollegen Schruoffeneger und Esser gestern aufmerksam zugehört und bin auch gleich auf Ihren Beitrag gespannt, Herr Esser. Ihre 350 Millionen Euro, mit denen sie das Überschreiten der Ausgaben im Vergleich zu prognostizierten Ausgabelinien nachweisen wollen, gehe ich jetzt nicht im Detail durch. Ich finde es doch relativ müßig, darüber zu streiten, ob die zusätzlichen Ausgaben zum Beispiel in Kosten der Unterkunft und anderen Sozialbereichen unbedingt konjunkturbedingt sind oder nicht. Das kann man gesellschaftspolitisch als gegeben erachten, wie es sich ein bisschen in der Debatte und Ihrer Argumentation gestern angedeutet hat. Viel spricht aber dafür, dass uns eine bessere Konjunktur definitiv weniger Kosten bescheren würde. Insofern halte ich die von Ihnen gestern angestoßene Debatte doch für eine relative Phantomdebatte.
Das Zweite: zur Frist- und Sinnhaftigkeit der Maßnahmen. Die Fristgerechtigkeit ist nur durch diese Steuerungsrunde, ein Instrument, das wir und der Senat eingeführt haben zu halten. Ich messe ihr eine ganz große Bedeutung zu. Darin liegt das Wohl und Wehe der nächsten 22 Monate. Deswegen sollten wir als Parlament diese Steuerungsrunde regelmäßig befragen und ihre Arbeit begleiten. Dass es sie gibt und dass sie sich über die üblichen Interessen der einzelnen Häuser auch in der Lage sieht, hinweg zu setzen, ist eine gute, sinnvolle und ausdrücklich unterstützenswerte Angelegenheit.
Zur Sinnhaftigkeit dieser Maßnahmen: Wir sind sehr ehrgeizig. Das muss an dieser Stelle auch einmal sagen. Wir sagen nicht nur, dass wir das Geld ausgeben und damit die Konjunktur befördern wollen, sondern sagen, dass wir das mit einer ganz wichtigen Frage koppeln, nämlich der Schulreform. Deswegen ist es richtig, dass wir auch in den vor uns liegenden parlamentarischen Prozessen darauf achten müssen, dass wir die Strukturreform inhaltlich begleiten und die Investitionen im Zusammenhang mit der Reform überwachen. Der Senatsverwaltung für Schule muss hierbei eine ganz besondere Bedeutung zugemessen werden.
Zur Haushaltstechnik selbst hatte ich mir viel aufgeschrieben. Das lasse ich jetzt eine Minute vor Ende sein. Die Sammelbewirtschaftung ist eine Angelegenheit, bei der man als Haushälter immer ein wenig zuckt. Wir sind bereit, diese mitzugehen. Das haben wir gestern im Ausschuss auch schon angedeutet. Damit geht eine Berichterstattung einher, die ihren Namen wert ist. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir das auch ordentlich hinbekommen werden.
Zum Schluss appelliere ich an alle Beteiligten im Land Berlin: Spätestens am 2. April haben wir hier im Abgeordnetenhaus unsere Hausaufgaben gemacht, vermutlich bereits am 18. März. Die Umsetzung liegt dann allerdings an den Verwaltungen, den Bezirken, den bauenden Gewerken. Sehen Sie zu, dass wir als Berliner in 22 Monaten stolz auf das sein können, was wir geleistet haben! Der Countdown für eine erfolgreiche Umsetzung dieses Geldes beginnt ab heute. – Herzlichen Dank!
Danke schön, Herr Kollege Zackenfels! – Für die Fraktion der Grünen ist nunmehr der Kollege Esser an der Reihe. – Bitte schön, Herr Esser, Sie haben das Wort!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dies ist also der letzte Haushalt, den uns Finanzsenator Sarrazin vorlegt. Ich darf deshalb die Gelegenheit ergreifen und Ihnen, Herr Sarrazin, für die geleistete Arbeit danken.
Sie haben einen erheblichen Beitrag zum Mentalitätswechsel in der Stadt geleistet. Dies ist in den vergangenen Tagen in der Presse auch zu Recht ausführlich gewürdigt worden. Vor allem aber bin ich Ihnen ganz persönlich dankbar, dass Sie gegen den damaligen Bausenator Strieder den überfälligen Ausstieg aus dem sehr speziellen Berliner System der Wohnungsbauförderung durchgesetzt haben.
Ich erinnere mich noch gut an die Haushaltsberatung im Dezember 2002. Damals habe ich gesagt, dass sich RotRot die ganze Sparpolitik sparen kann, wenn man eine Milliarde Euro einfach liegen lässt, die aus dem Landes
haushalt Jahr für Jahr ohne jede rechtliche Verpflichtung in die Taschen der Immobilieneigentümer und Banken fließt. Warum, fragte ich SPD und Linkspartei, sollen für die Haushaltssanierung eigentlich nur die Schwachen bluten? Nach der Sitzung kamen Sie, Herr Sarrazin, zu mir und sagten: „Wir machen das.“ Tatsächlich haben Sie den Ausstieg aus der Anschlussförderung im Senat durchgesetzt. Dafür bin ich Ihnen dankbar.
Insgesamt stehe ich dennoch lieber in Opposition zu Ihnen als an Ihrer Seite. Das hat nicht zuletzt mit unseren Erlebnissen vor Gericht zu tun. Wie Sie sich erinnern, haben wir dreimal zusammen vor Verfassungsgerichten gestanden. Zweimal vor dem Berliner Verfassungsgericht stand ich gegen Sie und habe gewonnen. Einmal vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe stand ich auf Ihrer Seite und habe mit verloren. Angesichts dieser Bilanz fiel die Wahl dann doch nicht so schwer. Um es frei nach Müntefering zu sagen: „Regieren mit Sarrazin ist größerer Mist als konstruktive Opposition zu Sarrazin.“
Als Opposition sage ich Ihnen heute, es ist nicht wahr, wenn Sie behaupten, Sie hinterließen den Berliner Haushalt als geordnete Baustelle. Eine Baustelle ist es, ja, geordnet, nein. Ihren guten Ruf als Haushaltssanierer haben Sie sich in der letzten Legislaturperiode erworben.
In der letzten Legislaturperiode ist dieser Ruf auch von Zahlen untermauert. Nach dem Jahr der Haushaltskatastrophe 2001 gingen die Primärausgaben – das ist das Einzige, das wir wirklich autonom beeinflussen können – steil nach unten und erreichten ihren Tiefpunkt 2006. Seit der Wiederwahl von Rot-Rot sieht die Sache allerdings ganz anders aus. Seitdem gehen die Primärausgaben ebenso wieder steil bergauf. Heute sind wir ungefähr mit den Konjunkturausgaben dort angelangt, wo wir 2001 hergekommen sind. Inflationsbereinigt ist das keine schlechte Bilanz. Das gebe ich gern zu. Dennoch hat der Kollege Meyer von der FDP ebenso recht, wenn er darauf hinweist, dass Sie in dieser Legislaturperiode nichts Neues mehr auf den Weg gebracht haben und es innerhalb der Koalition verdammt schwer haben.