Protocol of the Session on January 15, 2009

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Gucken Sie sich die Presseerklärung von Herrn Liebich von heute an, dann wissen Sie, was Sie intern aufzubereiten haben.

Auf uns Grüne ist Verlass, wenn es darum geht, bei Bildung, Klimaschutz und Haushaltssanierung die Zukunft auch für die nächsten Generationen zu sichern. Ob das in gleicher Weise für die Koalition von SPD und Linkspartei und den gegenwärtigen Senat gilt, werden Sie in den nächsten Monaten beweisen müssen. Noch im Laufe dieses Jahres werden wir wissen, ob Sie den Stresstest bestehen, den uns die Klimakrise und zugleich die Krise von Wirtschaft und Staatsfinanzen auferlegen. Im Augenblick würde ich sagen, auch nach dem, was heute hier gesagt wurde, sieht es allerdings so aus, dass Sie bereits am nächsten Dienstag auf der Senatssitzung an der ersten Hürde gründlich ins Stolpern geraten.

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Esser! – Das Wort für eine Kurzintervention hat der Abgeordnete Zackenfels.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann als Sozialdemokrat und Kreuzberger Ihren Satz nicht unwidersprochen lassen, ich hätte Horst Seehofer gelobt. Ich habe herausgearbeitet, dass Seehofer im Vergleich zu anderen mindestens eine Position hat, und habe hinzugefügt, dass wir die – und ich erst recht – ausdrücklich nicht teilen. Aber das, was Kollege Wechselberg gesagt hat, ist doch der eigentliche Skandal: Seehofer hat eine Position. Die Bundesrepublik Deutschland, eine Industrienation, wird von einer Kanzlerin geführt, die wochenlang tatsächlich verschweigt zu sagen, was notwendig ist, und keine Führung zeigt, was das Land aber bräuchte. Das ist der

eigentliche Skandal bei dieser Angelegenheit! Das habe ich herausgearbeitet. Man kann Horst Seehofer vorwerfen, was man will, er hat mindestens thematisiert, dass etwas gemacht werden müsste. Das ist doch die Frage, die im Raum steht: Wo war Angela Merkel?

[Volker Ratzmann (Grüne): Von Sozialdemokraten hat man auch nichts gehört!]

Das ist die Frage, auf die hier keine Antwort gegeben worden ist.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Volker Ratzmann (Grüne): Wo waren die anderen?]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Zackenfels! – Herr Esser, möchten Sie antworten? – Dann haben Sie das Wort!

[Dr. Martin Lindner (FDP): Seid ihr aus der Regierung ausgeschieden?]

Werter Kollege Zackenfels! So kommen Sie aus der Sache nicht heraus. Sie haben das jetzt noch einmal wiederholt. Der Seehofer hat Konjunkturprogramme und Schuldenmachen wenigstens angeschoben. Das haben Sie gesagt, und das ist sein Verdienst. So haben Sie ihn gelobt. Andere haben noch einmal überlegt, was können wir uns eigentlich leisten, wie tief kommt die Krise überhaupt. Das waren Frau Merkel, Herr Steinmeier, Herr Steinbrück. Die haben Sie folglich kritisiert. Nun weiß ich überhaupt nicht, was da das Problem ist für Sie als Kreuzberger, wenn ich sage, Sie finden Herrn Seehofer in dieser Frage jedenfalls besser als Frau Merkel und Ihre eigenen Parteifreunde in der Bundesregierung.

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Esser! – Jetzt hat für die FDP-Fraktion das Wort der Fraktionsvorsitzende Dr. Lindner. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Verehrte Damen, meine Herren! In der Tat, der Seehofer macht sich, seitdem er mit uns in einer Koalition in Bayern ist.

[Beifall bei der FDP – Heiterkeit]

Auf die FDP kann sich das Land verlassen. Auch als Oppositionskraft in diesem Lande haben wir gerade beim Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz bewiesen, dass wir das nicht zu einem parteipolitischen Klein-Klein ausnutzen, sondern zu unserer Verantwortung stehen. Das unterscheidet uns im Übrigen von den beiden anderen Oppositionsfraktionen im Bundestag, die nicht zugestimmt haben. Grüne und Linke haben zwar hier staatstragende Reden geschwungen, aber eine Stunde später, als im

Bundestag abgestimmt wurde, haben sie dagegen gestimmt. Es fällt Liberalen nicht leicht in dieser Situation, daraus mache ich keinen Hehl. Wir halten es aber trotzdem für richtig, dass beispielsweise der Staat in systemrelevante Banken einsteigt, um die Vertrauenskrise zu beseitigen. Wenn es nach uns gegangen wäre, wäre man sogar in alle sechs bis acht größten systemrelevanten Banken so eingestiegen wie jetzt bei der Commerzbank und hätte damit die Vertrauenskrise zwischen den Banken sicher effizienter und schneller beendet, als es mit dem Gesetz geschehen ist.

Das unterscheiden wir aber jetzt bitte ganz klar zu dem, was durch dieses sogenannte Konjunkturpaket II und was damit einhergeht, zusätzlich gekommen ist. Da bin ich als Erstes bei diesem Rettungsschirm für Großunternehmen in Höhe von bis zu 100 Milliarden Euro. Da sage ich Ihnen, liebe Freunde von der Union, ein liberaler Wirtschaftsminister wäre spätestens dann zurückgetreten, wenn ein solch unsinniger Fonds aufgelegt worden wäre. Wohin kommen wir denn da ordnungspolitisch?

[Beifall bei der FDP]

Was hat der Glos eigentlich für ein Koordinatensystem? Das kann doch wohl nicht wahr sein, dass bei kleinen und mittelständischen Unternehmen der Insolvenzverwalter kommt und beim großen dann der Steuerzahler aufkreuzt. Das ist ein unlauterer Eingriff in den Wettbewerb zwischen Unternehmen. Deswegen lehnen wir ab, was bei Opel geplant ist. Deswegen war es auch richtig, dass sich der liberale Wirtschaftsminister in Baden-Württemberg dem Begehr von Merckle widersetzt hat, stützend einzugreifen, wie mir neulich auf einem der Neujahrsempfänge vorgehalten wurde. Wir setzen uns für vernünftige, systemrettende Teilverstaatlichungen ein. Aber es kann nicht sein, dass der Staat mit Steuergeldern alles und jedes unterstützt oder gar verstaatlicht, was sich in der Krise befindet. Da kommt als Nächstes noch die SPD daher und möchte auch verstaatlicht werden.

[Beifall bei der FDP]

Übrigens, Kollege Zackenfels, Sie sagten, die FDP ist käuflich. Das ist der Unterschied, die SPD will überhaupt keiner mehr kaufen.

[Gelächter bei der SPD – Zurufe von der SPD und der Linksfraktion]

Eine solche Krise birgt auch Chancen – Chancen durch Gesundung auch über Insolvenzverfahren. Da kann der Staat nicht in jedem Einzelfall eingreifen, sondern das muss man als Chance begreifen. Arbeitsplätze bleiben erhalten. Wir haben hier nicht mehr Zerschlagungen als Alleiniges. Wir haben ein vernünftiges Insolvenzverfahrensgesetz in Deutschland. Das muss dann im Zweifel auch zur Geltung kommen.

Jetzt komme ich zu weiteren Dingen, die hier beschlossen sind. Kollege Esser! Sie waren genauso wirklichkeitsfremd mit Ihrem Beispiel vom Porsche Cayenne wie das Gesetz selbst. Wer ist denn in der Situation, dass er ein

zehn Jahre altes Auto im Bestand hat, 2 500 Euro kassiert und dann einen Porsche Cayenne kauft?

[Zurufe von der Linksfraktion und den Grünen]

Es gibt vielleicht ein paar Lottogewinner.

[Mario Czaja (CDU): Und FDP- Fraktionsvorsitzende!]

Aber die sind volkswirtschaftlich nicht so relevant, dass man sie berücksichtigen könnte. Das ist genau das Problem. Das geht doch am echten Leben vorbei. Wer eine zehn Jahre alte Chaise zu Hause hat – das weiß man noch, als Student oder in ähnlicher Situation –, der kauft sich doch nicht einen Neuwagen, sondern einen weiteren Gebrauchtwagen. Deswegen ist das vollkommener Quatsch. Genauso wie der Gesundheitsfonds von 15,5 auf 14,9!

[Zuruf von Mario Czaja (CDU)]

Das ist doch Kleinkram und linke Tasche, rechte Tasche. Das muss wieder durch Steuerfinanzierung ausgeglichen werden. Warum die Hartz-IV-Regelsätze angeglichen oder angehoben werden müssen, das erschließt sich auch nicht. Hartz-IV-Empfänger sind am wenigsten von der Rezession und von der Krise betroffen. Vollkommener Unsinn!

[Zurufe von den Grünen]

Die haben ja keine Arbeit! Das ist doch so, dass man da gar nicht betroffen ist im engeren Sinne!

[Zurufe von der Linksfraktion]

Auch Steuersenkungen in dem beschlossenen Maße – das ist kaum wirksam. Das sind fünf bis zehn Euro im Monat mehr in der Tasche, bringt also überhaupt nichts, ändert am Konsumverhalten gar nichts, aber verbrennt eine ganze Menge Geld. Das ist der Hauptkritikpunkt. Hier ist das Volumen beeindruckend, aber die einzelne Wirkung ist äußerst begrenzt und minimal.

[Zuruf von Mario Czaja (CDU)]

Deswegen ist es hauptsächlich schwarz-rotes Wahlkampftheater und wenig Substanz und wenig Weiterbringen.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Dr. Friedbert Pflüger (CDU)]

Positive Punkte im Konjunkturpaket will ich nicht unerwähnt lassen. Die Schuldenbremse, die die FDP seit Langem fordert, ist dort zumindest thematisiert. Wir werden auch nach wie vor daran arbeiten, dass das auch Wirklichkeit wird. Das ist eine sehr wichtige Geschichte. Auf dies bezog sich auch die Ausführung vom Kollegen Hahn, die der SPD-Kollege vorhin zitierte.

Das Zweite ist das staatliche Investitionsprogramm in Höhe von rund 18 Milliarden zur Sanierung von Schulen, Hochschulen, Verkehrswegen. Ich möchte aber auch, dass wir uns hier keiner Illusion hingeben. Erstens: Die hauptsächliche Schwierigkeit der deutschen Wirtschaft liegt doch im Moment im exportabhängigen Bereich. Da haben wir doch eine Schwäche. Diese Sanierung von Schulen und Verkehrswegen wird diesen Schwächen in

Maschinenbau, Logistik und Transport keinesfalls entgegenwirken können. – Zweitens: Auch wenn wir die Verfahren von Ausschreibungen beschleunigen, müssen wir doch klar sehen, dass diese Maßnahmen erst 2010/2011 wirksam werden. Das wird den Unternehmen heute und in diesem Krisenjahr kein Geld in die Tasche spülen.

[Joachim Esser (Grüne): Sie glauben, das geht nur ein Jahr! Das glaube ich nicht!]

Deswegen wird es zunächst nur eine starke Belastung geben. Da bin ich an einem sehr ernsten Punkt. Die FDP setzt sich schon seit Langem dafür ein, dass wir gerade Schulgebäude, Kindergärten, Sportplätze sanieren und auf Vordermann bringen. Aber ich möchte, dass Sie sich bewusst sind und dass sich jeder Beamte, jeder politisch Verantwortliche in den Bezirken und in der Landesverwaltung bewusst ist, dass jeder Cent, jeder Euro, der dort ausgegeben wird, nicht nur dem Kind zugute kommt, das durch das Schultor läuft, sondern von diesem Kind auch bezahlt wird. Denn wir belasten diese Kinder und diese Generation durch die Schulden, die wir heute aufnehmen.

[Beifall bei der FDP – Zuruf von Ramona Pop (Grüne)]

Da können wir nicht alles, was unter dem Deckmantel der Schule und der Bildung läuft, wirklich gutheißen, sondern das müssen wir sorgfältig abwägen. Wir engen die politischen Spielräume einer ganzen Generation durch diese Maßnahmen drastisch ein. Deswegen können wir – und da komme ich zur Landesebene – nur das gutheißen, was aus sich heraus vernünftig und richtig ist. Was aber aus sich heraus ohne Betrachtung der Krise eine übertriebene Aufwendung darstellt, müssen wir ablehnen. Da werden wir uns auch dagegenstemmen. Die Landesebene, Berlin, kann sich nicht zurückziehen und so tun, als sei alles durch den Bund erledigt. Wir müssen auch unsere ordnungspolitischen Aufgaben erfüllen. Da gibt es noch viel zu tun: Gebühren, Steuern, Bürokratie.

Lieber Herr Regierender Bürgermeister! Da geht es auch darum, dass Sie sich persönlich ein wenig mehr um die Wirtschaft bemühen. Wo waren Sie denn in den letzten Tagen? Sie waren abwesend beim IHK-Neujahrsempfang, abwesend bei der Bauindustrie, abwesend bei der DEHOGA – da geht es um den Tourismus –, abwesend beim größten Arbeitgeber in Berlin, bei der Deutschen Bahn, abwesend bei der wichtigsten Bank, der Deutschen Bank.

[Zurufe von Reg. Bürgermeister Klaus Wowereit, Michael Müller (SPD) und Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

Sie haben sich für die Berlinale ausgeruht, mein Lieber! Das ist so.