Der Investitionsstau ist zweifellos im Ergebnis dieser Haushaltsnotlage in vielen Bereichen aufgelaufen. Hier helfen uns die Mittel vom Bund, keine Frage. Das ist eine gute Nachricht für die Stadt, da bin ich in der Tat ganz der Auffassung des Kollegen Zackenfels. Mehr wäre uns immer willkommen, aber zusammen mit unseren eigenen Landesmitteln bewegen wir in den kommenden beiden Jahren rund 630 Millionen Euro an zusätzlichen Investitionen für Berlin.
Das ist eine wirklich respektable Summe, Kollege Esser, Geld, mit dessen Hilfe wir außerordentlich wichtige Investitionsprojekte in Angriff nehmen können, für die uns in den letzten Jahren zugegebenermaßen die finanzielle Kraft fehlte. Michael Müller hat recht, wenn er auf die investiven Defizite hinweist, die sich aus der Haushaltsnotlage heraus in den letzten Jahren in vielen Bereichen entwickelt haben. Diese Überhänge gehen wir jetzt mit den eigenen Mitteln des Landes und den zusätzlichen Bundesmitteln entschlossen an. Hier deckt sich die Schwerpunktsetzung des Bundes mit unseren Aufgabenstellungen.
Die Priorität Schule und Wissenschaft ermöglicht uns zusammen mit den aufgestockten Landesmitteln von nunmehr 80 Millionen Euro pro Jahr, für die Schulsanierung den Sanierungsstau und die neuen Anforderungen der Schulstrukturreform umfassend anzugehen. Wir wollen zudem sicherstellen, dass erhebliche Geldmittel für Investitionen in Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen von Charité und Vivantes vorgesehen werden, denn auch hier hat das Land aus der Not heraus seinen Verpflichtungen nur ungenügend entsprechen können. Dieses Defizit wollen wir nun ebenfalls mit einem größeren Schritt verringern.
Schließlich wird ein weiterer Schwerpunkt für den Einsatz von zusätzlichen Finanzmitteln – und das deckt sich mit Ihren Vorstellungen, meine Damen und Herren von den Grünen – sicherlich in der energetischen Gebäudesanierung öffentlicher Gebäude liegen müssen, weil sich solche Maßnahmen langfristig doppelt rechnen. Nun werden wir zweifellos mit diesen Investitionen eine Sonderkonjunktur des Berliner Baugewerbes erzeugen. Das ist auch gut.
Zugleich wollen wir erwägen, ob wir nicht auch bei der Beschaffung von Fahrzeugen und bei medizinischen Großgeräten Einsatzmöglichkeiten finden, die die vorhandenen Mittel klug verteilen. Wir sind jedenfalls überzeugt, dass Senat und Koalition hier eine angemessene Balance der Maßnahmen gelingt und im Ergebnis eine klare Prioritätenliste abgearbeitet wird.
In diesem Zusammenhang sollen wir uns nicht darüber täuschen, welche Anstrengungen es vonseiten des Senats und der Verwaltung erfordern wird, um diese zusätzlichen Investitionsprojekte so auf den Weg zu bringen, dass die Gelder, an denen so viele Erwartungen und Hoffnungen hängen, tatsächlich abfließen und real verbaut werden, auch, Herr Kollege Goetze, wenn wir uns als Landesregierung und Regierungskoalition nicht für jede Bauverzögerung und für jedes Problem im Investitionsbereich verantwortlich machen lassen, auch nicht von Ihnen.
Nicht alles, was an Problemen im Investitionsbereich entstanden ist, nicht jeder Fehlbetrag, der am Jahresende auftaucht, ist darauf zurückzuführen, dass die Landesregierung es nicht vermag, Investitionsprojekte auf den Weg zu bringen, oder wir als Landesgesetzgeber das nicht entsprechend ermöglichen, sondern beispielsweise auch darauf, dass sich Bauprojekte einfach verzögern. Das mag vorkommen.
Trotzdem ist die entscheidende Aufgabe, dafür zu sorgen, dass diese zusätzlichen Mittel ihren Weg in die wichtigen Politikbereiche finden und – wie es der Kollege Zackenfels als Anforderung formuliert hat, da sind wir uns sicher alle einig –, nicht am Ende des Jahres 2010 zu verfallen drohen. Das wird im Rahmen der Behandlung des Nachtragshaushalts der Schwerpunkt sein, den wir uns naheliegenderweise neben der Frage setzen, wofür wir das Geld im Einzelnen ausgeben, wie durch zusätzliche Steuerungsqualität auf Landesebene abschließend sichergestellt werden kann, dass hier das Geld angemessen ausgegeben wird.
In diesem Sinn freuen wir uns und sehen das Gute im begrenzten Charakter dieses Konjunkturpakets, wollen das Positive durchaus in den Vordergrund stellen und würdigen, dass uns hier zusätzliche Möglichkeiten gegeben sind und wir die Chance kriegen, Defizite, die wir zugegebenermaßen im Land Berlin haben, Baustellen, die es zu füllen gilt, jetzt angehen können. Genau das ist die Herausforderung, der wir uns jetzt gemeinsam stellen, jenseits der grundsätzlichen Kritik an der Bundespolitik. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Wechselberg! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Herr Abgeordnete Esser das Wort. – Bitte!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei der großen Koalition aus Herrn Goetze und Herrn Zackenfels und – soweit es die Berliner Situation betraf – auch Herrn Wechselberg könnte man fast den Eindruck gewinnen, wir gingen unter der Führung von Merkel und Seehofer herrlichen Zeiten entgegen. Endlich werden Steuern und Abgaben gesenkt, kleine Prämien an Eltern und große Prämien an Autokäufer ausgeschüttet, überfällige Investitionen getätigt und die Arbeitsämter aufgerüstet. Dabei wird doch spätestens beim letzten Punkt dieses Sammelsuriums namens Konjunkturpaket II deutlich, dass es, Herr Zackenfels, eben nicht um eine neue Ära der Wohltaten geht, sondern um eine schwere Wirtschaftskrise am Horizont. Wer wie die Bundesregierung jetzt 5 000 neue Vermittler für die Jobcenter einstellt, der rüstet sich für den Ansturm neuer Arbeitsloser.
Wir reden heute eben nicht über Wohltaten, sondern über eine Notoperation am offenen Herzen. Wir schütten seit November letzten Jahres Milliarden Euro in die Banken und die Wirtschaft, um die Krise und ihre absehbaren Folgen für die Bevölkerung abzumildern. Und wir tun das mit Geld, das wir gar nicht haben. Die Milliarden liegen nicht auf einem Konto, das der knauserige Staat bislang geheim gehalten hat, sondern der Staat schöpft dieses Geld per Kredit aus dem Nichts und folgt dabei dem Motto: Leiste dir heute etwas und bezahle später! Wir leihen uns das Geld aus der Zukunft und wälzen die Last auf unsere Kinder und Enkelkinder ab. Daraus ergibt sich für mich die zentrale Anforderung an jedes Konjunkturpaket: Wir müssen denen, die das in Zukunft erwirtschaften und abzahlen müssen, eine Gegenleistung bieten.
Ein kreditfinanziertes Konjunkturprogramm, das nicht auf Zukunftsinvestitionen und Strukturwandel, nicht auf Bekämpfung der Klimakatastrophe und die Verbesserung der Bildungschancen ausgerichtet ist, taugt nichts und verletzt zumindest mein Gerechtigkeitsgefühl zutiefst.
Um es klar zu sagen: Das Paket der Bundesregierung genügt diesen Anforderungen nicht. Dieses Maßnahmenbündel ist typisch für die Mechanismen einer großen Koalition. Jeder darf Wahlgeschenke verteilen, der Sachverstand bleibt auf der Strecke.
Das Konjunkturprogramm der Bundesregierung – beide zusammengenommen – besteht allenfalls zu einem Drittel aus Investitionsmitteln, die sich zukunftsorientiert einsetzen lassen. Der Rest ist Kraut und Rüben, darunter als bitterste Pille für Berlin Steuersenkungen, die uns dau
erhaft mit 183 Millionen Euro belasten, aber mit Sicherheit konjunkturell nicht zielgenau wirken. Zurück bleibt nur das Loch im Staatshaushalt, das erneute Sparmaßnahmen auf Kosten des Volkes verlangt. Aber der Lafontaine der CSU, Herr Seehofer, hat es so gewollt. Sie können nicht erwarten, meine Damen und Herren von der CDU, dass wir das richtig fänden und Sie, Herr Zackenfels, nicht, dass wir hier in Ihr Lob auf Herrn Seehofer einstimmen.
Eine besondere Verrücktheit – schon öfter erwähnt – ist die Abwrackprämie für Kfz, von CDU und SPD dem Sachverhalt zum Hohn auch noch Umweltprämie genannt. Wer jetzt einen Porsche Cayenne kauft, bekommt vom Staat dafür 4 000 Euro geschenkt: 2 500 Euro Abwrackprämie aus dem zweiten Konjunkturpaket und 1 500 Euro Kfz-Steuerbefreiung aus dem ersten.
Wir werden uns hier in Berlin deshalb darauf konzentrieren müssen, aus den 430 Millionen Euro Investitionsmitteln, die für unsere Stadt abfallen, etwas Sinnvolleres zu machen. Es muss gelingen, ökologische Modernisierung und Strukturreformen in den Mittelpunkt der eigenen Anstrengungen zu stellen.
Der Senat wird am Dienstag beweisen müssen, dass er gewillt ist, den Investitionsstau in der Stadt anzugehen und mit der Politik der letzten sieben Jahre selbstkritisch zu brechen. Denn jahrelang hat Rot-Rot behauptet, einen Beitrag zur Haushaltssanierung zu leisten, wenn man die Infrastruktur verkommen lässt und sich die Instandhaltung spart. Angesichts dieser Vorgeschichte ist die Befürchtung begründet, dass Sie auch heute der Aufgabe nicht gewachsen sind, die Krise als Chance für einen Aufbruch zu nutzen. Es sieht ganz danach aus, dass Sie die 430 Millionen Euro einfach einsacken wollen, um das eine oder andere Versäumnis der Vergangenheit nachzuholen, Schulen und Kitas mit Pinselstrichsanierungen abzuspeisen und einigen Krankenhäusern verdeckt Subventionen zukommen zu lassen.
Hätten Sie wirklich Großes vor, dann würden Sie nicht unverändert unseren Vorschlag ablehnen, die 940 Millionen Euro Haushaltsüberschuss aus diesem Jahr in ein Sondervermögen zu überführen, um die Investitionslinie zu verstetigen und aus den Einsparungen bei den Gebäudekosten zu refinanzieren.
Da sehe ich auch Ihre Ausführungen, Herr Wechselberg, mit Staunen. Beim Bund kann alles nicht groß genug sein, aber hier in Berlin, wo Sie die Verantwortung tragen, da reicht es klein-klein.
Zusammen mit den 430 Millionen des Bundes entstünde, wenn man unseren Vorschlag umsetzt, ein Investitionsfonds von 1,4 Milliarden Euro. Mit dem ließe sich in der Tat ein mittelfristiges Investitionsprogramm gestalten, das mehr als ein Strohfeuer für zwei Jahre darstellen würde.
Der Umfang eines Investitionsprogramms muss sich nämlich daran messen lassen, dass wir in der Stadt insgesamt einen Sanierungsstau von gut 3 Milliarden Euro abarbeiten müssen. Ich kann Ihnen nur für unsere Fraktion und unsere Partei sagen: Wir werden kein Investitionsprogramm unterstützen, das auf die Bundesmittel beschränkt ist, derweil ansonsten alles so bleibt wie bisher und von Rot-Rot gewohnt.
Ja! Das muss man Ihnen doch wenigstens politisch klar sagen. – Maßstab für die Qualität eines Investitionsprogramms – das hat heute Frau Pop schon erwähnt – kann nur sein, dass die notwendigen Strukturveränderungen in der Stadt durch das Investitionsprogramm unterstützt werden. Wir sagen Ihnen das im Einzelnen gerne noch mal. Wir werden in den Schulen keine Sanierung akzeptieren, die nicht die 200 000 Euro enthält, die im Regelfall erforderlich sind, um die Energiekosten und den CO2Ausstoß der Gebäude signifikant zu senken.
Ich stelle lieber zusätzliche Lehrer ein, als dass ich das Geld zu Vattenfall, Gazprom und den Ölscheichs trage.
Uns versetzt auch Ihre Sanierung von Schwimmbädern so lange nicht in Begeisterung, wie dabei nur die Dächer repariert und nicht auch die veralteten Heizkessel ausgewechselt werden, um der Energieverschwendung ein Ende zu bereiten und die Betriebskosten zu senken.
Wir werden genau auf das Folgende achten, Herr Wechselberg, weil Sie gesagt haben, das sehen Sie ähnlich. Wir werden kein Schulsanierungsprogramm akzeptieren und unterstützen, das nicht im Dienst der Schulreform steht und die Voraussetzungen für die neue Sekundarschule und für mehr Ganztagsschulen schafft. Denn das sind Schulen, die Kantinen und mehr Räume als Klassenzimmer brauchen, um auch pädagogisch Wirklichkeit zu werden.
Wir erwarten von Ihnen Maßnahmen, die diesen Strukturwandel vorantreiben und sich langfristig bezahlt machen. Andernfalls sind die Investitionen von Rot-Rot den Kredit nicht wert, mit dem sie finanziert werden.
Mit den neuen Schulden, die da entstehen, haben Sie ohnehin mehr als genug interne Probleme. Geht es nach dem Willen aller Parteien – außer der Linkspartei, tolles Alleinstellungsmerkmal! –, soll eine neue Schuldenregelung im Grundgesetz geschaffen werden. Bund und Län
Länder sollen sich in Zukunft nur mit maximal 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung neu verschulden dürfen. Da haben Sie recht, Herr Zackenfels, dass Sie das unterstützen, das tun wir auch. Wir tun das deswegen, weil es ein Ende haben muss, dass in der Bundesrepublik Deutschland seit etwa 40 Jahren die Staatsschulden schneller steigen als die Wirtschaftskraft unseres Landes und damit jeder neuen Generation geringer werdende Verteilungsspielräume zugemutet werden. Das ist für mich eine zentrale Gerechtigkeitsfrage. Die greifbar nahe Lösung darf nicht an Berlin und der fehlenden Zustimmung der Linkspartei scheitern.
Da ist der Regierende Bürgermeister in der Pflicht, und da sind Sie alle, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, in der Pflicht. Ein weiteres Mal so kläglich einzuknicken wie beim EU-Reformvertrag, das ist in dieser Frage nicht drin!