Protocol of the Session on December 14, 2006

[Joachim Esser (Grüne): Auf hohem Niveau vor allem bei den Preisen!]

Auch da müssen Sie sich mal woandershin orientieren.

Neben den Berliner Möglichkeiten einer nachhaltigen Finanzpolitik wird die Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen dem Bund, den Ländern und den Kommunen im Rahmen der Föderalismusdebatte II die bundespolitische Diskussion der nächsten Jahre prägen. Bei aller Skepsis bezüglich der Erfolgsaussichten hat das Land Berlin ein elementares Interesse am Gelingen der Kommissionsarbeit. Wir werden uns deshalb daran konstruktiv beteiligen. Unser Ziel ist eine solidarische, bundesstaatliche Finanzordnung, in der die Stärkeren die Schwächeren unterstützen und der Auftrag des Grundgesetzes erfüllt wird, dass in Deutschland einheitliche Lebensbedingungen bestehen.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Das steht da gar nicht!]

Das liegt in unserem Berliner Interesse, und das ist eine historische Verpflichtung auch für Länder wie Bayern, die jahrzehntelang die Unterstützung der anderen Länder erfahren haben.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Berlin-Brandenburg ist eine Vision. Berlin steht nach wie vor zur Fusion der beiden Länder. Es wäre für die weitere Entwicklung der Region Berlin-Brandenburg besser, ein gemeinsames Parlament und eine gemeinsame Regierung zu haben. Berlin muss aber zur Kenntnis nehmen, dass es in Brandenburg zurzeit keine erkennbare Bereitschaft gibt, einen Termin für die Volksabstimmung festzulegen. Dies bedauern wir sehr, wir müssen uns aber damit abfinden. Berlin wird selbstverständlich auch in Zukunft seinen Beitrag zur guten Nachbarschaft und Zusammenarbeit leisten. Vieles gelingt schon gemeinsam. Aber auch 100 noch so gute Staatsverträge bringen nicht die Vorteile, die ein gemeinsames Land für die Region bedeuten würde. Berlin steht nach wie vor dem Fusionsgedanken positiv

gegenüber. Wir hoffen, dass es in Brandenburg auch einmal so sein wird.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Berlin – lebenswerte Stadt für alle Bürgerinnen und Bürger. Berlin hat eine internationale Ausstrahlung. Von vielen werden zuerst die kulturellen Höhepunkte und die Sehenswürdigkeit der Stadt wahrgenommen: der Kurfürstendamm, das Brandenburger Tor oder der Gendarmenmarkt prägen oft das Bild. Berlin ist aber mehr als die Band- und Partyhauptstadt. – Na, wo kommt jetzt die Reaktion? –

[Christoph Meyer (FDP): Ach!]

Berlin lebt von seiner Vielfalt in den Stadtteilen.

[Beifall der Ülker Radziwill (SPD)]

Jeder wird für sich seinen Platz suchen, und jeder kann auch seinen Platz in Berlin finden. Wir haben dafür Sorge zu tragen, dass niemand ausgegrenzt oder abgehängt wird. Wir werden daher das bewährte Instrument des Quartiersmanagements konsequent ausbauen. Vieles hat sich in den Kiezen zum Guten entwickelt,

[Joachim Esser (Grüne): In Lichtenrade!]

und wir wollen diesen Trend verstärken.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

In jüngster Zeit häufen sich Berichte über Berlin, in denen unsere Stadt zur Hauptstadt der Armen und Transfergeldempfänger gemacht wird; oft auch mit dem zynischen Unterton, dass dies gewollt sei und man sich darauf bequem eingerichtet habe. Berlin hat zweifelsohne wirtschaftliche und finanzielle Probleme. Wir wären froh, wenn wir diese zum größten Teil historisch bedingten Lasten nicht zu tragen hätten. Wir arbeiten an der Lösung der Probleme, und wir lassen uns von anderen nicht diffamieren, nur weil hier viele Menschen auf unsere solidarische Hilfe angewiesen sind.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Wir werden und wir wollen keinen auf der Strecke zurücklassen. Eine reiche Industriegesellschaft darf die Solidarität mit den Schwächeren nicht infrage stellen. Es ist unser aller Aufgabe, das Ansteigen von Armut zu bekämpfen. Solange Menschen, die Arbeit suchen, keine finden, müssen sie unterstützt werden. Solange Familien nicht alleine zurechtkommen, müssen sie unterstützt werden. Solange Rentnerinnen und Rentner ihre Pflege nicht allein bezahlen können, müssen sie unterstützt werden. Diese Koalition steht für eine solidarische Gesellschaft und wird sie auch verteidigen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Nur wenn wir allen eine Zukunftsperspektive geben, werden wir Wohlstand und sozialen Frieden in unserer Gesellschaft erreichen können. Dafür lohnt es sich zu kämpfen. Der Senat wird es tun.

Die Berlinerinnen und Berliner können stolz sein auf das, was in dieser Stadt geleistet wird. Berlin ist eine Stadt, die

sich täglich neu erfindet, die ihre vermeintlichen Schwächen in Stärke umzumünzen weiß, eine Stadt, die Sehnsüchte weckt und Menschen aus aller Welt anzieht, eine Stadt, die Räume bietet, damit sich Ideen und Kreativität entfalten können. Berlin ist nicht fertig, Berlin ist eine Stadt im Wandel. Nutzen wir gemeinsam die Chancen, Berlin nach vorn zu bringen.

[Lang anhaltender Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister! – Für die Fraktion der CDU hat nunmehr Dr. Pflüger das Wort. – Bitte schön, Herr Dr. Pflüger!

[Joachim Esser (Grüne): Trostlos!]

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wer eben diese Rede verfolgt hat, der kann wirklich nicht sagen, dass das nach den drei Monaten Pleiten, Pech und Pannen in irgendeiner Weise ein Befreiungsschlag gewesen wäre, Herr Regierender Bürgermeister!

[Beifall bei der CDU, den Grünen und der FDP]

Das war keine ehrliche Standortbestimmung Berlins, das war keine Schwerpunktsetzung, das war keine Botschaft für die Zukunft: eine langweilige Lesung, lustlos vorgetragen, lähmend, eine Aneinanderreihung von Allgemeinplätzen. Wir finden, das war mehr Abbruch als Aufbruch.

[Beifall bei der CDU, den Grünen und der FDP]

Natürlich gibt es manche Dinge, mit denen wir auch einverstanden sind. Wer wollte bestreiten, dass die Kraft und die Stärke unserer Stadt in ihrer Weltoffenheit, Toleranz und Vielfalt liegen. Städte haben heute nur dann eine Chance, wenn sie offen sind für unterschiedliche Lebensstile und unterschiedliche Kulturen, Nationen, all das, was es an Unterschiedlichkeit gibt, zusammen in einer Großstadt zu bündeln und als Bereicherung zu betrachten und nicht nur zu dulden und zu tolerieren. Wer wollte bestreiten, dass das eine der Lebensgrundlagen Berlins ist? Und immer dann, wenn Sie so etwas beschwören, Herr Regierender Bürgermeister, haben Sie in diesem ganzen Haus niemanden, der das bestreitet. Aber darum geht es nicht. Wir wissen selbst, dass dieses eine phantastische Stadt ist. Nur, Sie müssen sagen, wie Sie die Probleme, die es immer noch gibt, bewältigen wollen. Dazu haben wir von Ihnen heute nichts, aber auch gar nichts gehört. [Beifall bei der CDU, den Grünen und der FDP]

Sie sagen, Herr Regierender Bürgermeister, Sie ließen nicht zu, dass die Stadt als Hauptstadt der Arbeitslosigkeit diffamiert werde. Wen meinen Sie damit? Meinen Sie damit etwa Helmut Schmidt, den früheren Bundeskanzler? Der hat im „Tagesspiegel“ in der letzten Woche Folgendes gesagt: „Berlin ist die Hauptstadt der deutschen Arbeitslosigkeit und die Hauptstadt der deutschen Wohl

fahrtsempfänger.“ – Das ist keine Diffamierung, sondern eine Zustandsbeschreibung. Und dann geht es weiter bei Herrn Schmidt: „Das Schlimme ist, dass alles dafür spricht, dass es dabei bleibt.“ In der Tat, das ist eine korrekte Zustandsbeschreibung. Wenn wir Ihre Rede hören, dann müssen wir leider feststellen: Es gibt nicht den geringsten Hinweis dafür, wie Sie mehr Wirtschaftskraft, mehr Wachstum und mehr Arbeit in dieser Stadt schaffen wollen.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Man muss mit Zustandsbeschreibungen anfangen. Da gibt es jetzt eine aktuelle Studie nicht irgendeines Wirtschaftsverbandes, nicht irgendeiner interessengebundenen Institution, sondern der OECD. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat die Wirtschaftskraft von 78 Ballungsräumen weltweit untersucht. Berlin landet abgeschlagen auf Platz 66. Prag ist vor Berlin, Budapest ist vor Berlin, Warschau ist vor Berlin. Die OECD-Expertin, die für diese Studie verantwortlich ist, sagt:

Wir haben in unserer Studie viele osteuropäische Städte untersucht, die trotz ihrer schwierigen Geschichte mittlerweile sehr stark wachsen. Berlin muss sich daher in der Tat dringend die Frage stellen, wie die Stadt stärker wachsen kann.

Über solche Problemstellungen hätten wir gerne etwas gehört und nicht nur die allgemeinen Beschwörungen aus Ihrem Munde, Herr Regierender Bürgermeister!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Unter den 60 Punkten Ihrer Leitlinien geht es erst in Punkt 54 um den Industriestandort Berlin. Da kann man sagen, immerhin ist es ein Fortschritt, denn Sie hatten in der „Financial Times“ vor der Wahl noch gesagt: Berlin muss sich auf das postindustrielle Zeitalter einstellen und alle Bestrebungen aufgeben, das verarbeitende Gewerbe wiederzubeleben. – Nun haben Sie sich unter dem Einfluss der Gewerkschaften immerhin auf Platz 54 zur Industriepolitik und zu einer Intensivierung des Dialogs bekannt und eingeräumt, dass die Bestandspflege bei den hier ansässigen Unternehmen zu verbessern sei. Aber die Frage ist doch: Wenn Sie das wirklich ernst meinen, wenn Sie wirklich neu ansiedeln wollen, auch wenn es nur unter Position 54 steht, ist es dann eine richtige Entscheidung, Tempelhof zu schließen und den Gerichtstermin am 19. Dezember nicht zu kippen?

[Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD]

Wir müssen dieses Thema behandeln, weil am 19. Dezember endgültig über diese Frage entschieden wird.

[Zurufe von der SPD]

Da wird bei Gericht darüber entschieden, ob der Schließungsantrag bestehen bleibt. Und wenn die Gerichte entscheiden, dass Herr Wowereit recht hat, ist Tempelhof für alle Zeiten zu.

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Ich weiß, dass es auch Bedenken gegen Tempelhof gibt. Wer wollte die Lärmbelastungen für die Anwohner nicht gerne vermeiden? Wenn wir eine reiche Stadt wären, dann könnten wir es uns vielleicht leisten, so einfach über ein 350-Millionen-Angebot eines seriösen Investors aus Amerika hinwegzugehen. Aber wir sind keine reiche Stadt, und wir brauchen in Berlin Investitionen und Arbeitsplätze dringender als eine verlängerte Hasenheide.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Sie sagen, Sie wollten BBI nicht gefährden. Das ist richtig so. Niemand will BBI gefährden.

[Widerspruch von der SPD]

Es gilt einen Weg zu finden, wie man verhindert, dass es Gefahren für das Planfeststellungsverfahren gibt. Natürlich ist das ein Problem. Wer wollte das bestreiten? Aber hören Sie genau hin, was Luftfahrtexperten sagen! Hören Sie hin, was z. B. der TU-Experte für Luftverkehrsrecht, Prof. Elmar Giemulla, sagt! Er sagt eindeutig, dass die Fliegerei in Tempelhof auch künftig stattfinden kann. Hören Sie hin, was der frühere Regierende Bürgermeister, der am Konsensbeschluss beteiligt war, Eberhard Diepgen, dazu sagt:

Der Beschluss, den wir damals gefasst haben, betraf immer nur den Verkehrsflughafen Tempelhof, also Linienflüge, nicht aber privaten Luftverkehr oder die Flugbereitschaft des Bundes. Das versuche ich seit Jahren allen klarzumachen.