Protocol of the Session on November 13, 2008

bei der Doppelprüfung des Schul- und Sportanlagensanierungsprogramms: Warum muss es denn eine zweite Prüfung durch die Landesebene bei den Projekten geben, die die Bezirke im Einzelnen zur Sanierung angemeldet haben, Herr Treichel? Können Sie mir das einmal sagen? – Darauf haben Sie nämlich keine Antwort, da haben Sie eine klassische Doppelzuständigkeit, die Senatsverwaltung nimmt völlig unnötigerweise eine weitere Prüfung vor.

Oder – Herr Schmidt hat darauf hingewiesen – der Missbrauch des Begriffs „gesamtstädtische Bedeutung“. Da gibt es immer wieder Dinge, die auf der einen Seite in dem einen Bezirk konkret wahrgenommen werden, aber in dem anderen Bezirk heißt es, dass es eine Angelegenheit von gesamtstädtischer Bedeutung ist, und es wird im Einzelnen herangezogen.

Die CDU-Fraktion ist für eine höhere Verbindlichkeit der Aufgabenteilung zwischen dem Land Berlin und den Berliner Bezirken. Eingriffsmöglichkeiten sollte es nicht nur nach dem Gusto des jeweiligen Senators und Staatssekretärs geben. Wir müssen die Eingriffsmöglichkeiten beschränken. Wir müssen den Missbrauch reduzieren. – Missbrauch haben wir tatsächlich viel.

Ich will einmal zwei konkrete Beispiele aus einer Kleinen Anfrage der Kollegin Hämmerling aus dem Jahr 2004 nehmen. Da geht es um die Toilettenanlagen in Mitte. Die Überschrift ist schon ein schönes Beispiel für den dementsprechenden Missbrauch. Sie lautet: „Planungshoheit für gesamtstädtisch bedeutende Toiletten, abgebrochene Interessenbekundungsverfahren und Regressansprüche – lauter Chaos am stillen Örtchen“.

Es gibt darüber hinaus eine Pressemitteilung des Bezirksamts Charlottenburg-Wilmersdorf, ein aktuelles Beispiel vom 30. Juni 2008. Es geht um das Parkcafé am Stuttgarter Platz. Die Senatsbaudirektorin Lüscher hat das Widerspruchsverfahren zur Baugenehmigung des Dachs aus Gründen der gesamtstädtischen Bedeutung an sich gezogen. Zuvor hatte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung den Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf erfolglos angewiesen, den Bauherren im Widerspruchsverfahren eine andere Dachform für das Café zu genehmigen, als die Senatsverwaltung 2006 selbst in einem eigenen BPlan festgesetzt hatte. Das ist nun Willkür hinten und vorne. Gleich zwei Eingriffe, und das, obwohl der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf sich im Einzelnen an die Vorlagen gehalten hat. Und dann meint tatsächlich die Senatsverwaltung, ein Dach eines Parkcafés sei von gesamtstädtischer Bedeutung, das müsse sie an sich ziehen. So sieht die Realität aus. Da haben Sie die konkreten Beispiele, lieber Herr Kollege, nach denen Sie gefragt haben!

Natürlich gibt es auch operative Arbeit in den den Bezirken zugewiesenen Aufgaben, anders als in den Antworten zu 4 und 5 von der Senatsverwaltung behauptet wurde, wenn ich allein an das Thema Sondernutzung von Straßenland denke, wo eine Doppelzuständigkeit in vielen Be

reichen vorhanden ist und eine unklare Situation zwischen den Bezirken und dem Land besteht. Darüber hinaus muss man wie Herr Schmidt darauf hinweisen: Selbst Sozialdemokraten wie der Bezirksbürgermeister von Neukölln weisen immer wieder auf das unglückliche Verhältnis zwischen dem Land und den Bezirken hin. Es mag ja sein, dass er in seiner eigenen Partei die Opposition spielt. Er kommt mir manchmal so vor wie die Linken, die auch immer gerne Opposition spielen, obwohl sie zur Regierung gehören. Aber auch hier kann man festhalten: Über die Rechtsaufsicht findet faktisch ein Eingriff in die Aufgabenwahrnehmung der Berliner Bezirke statt.

Herr Kollege! Sie müssten eigentlich gerade den Schlusssatz gesagt haben.

Ich komme zum Ende. – Bei Rot-Rot ist in dieser Diskussion nur eine einzige Linie erkennbar, nämlich der Abbau bezirklicher Zuständigkeiten und die wiederholten willkürlichen Eingriffe. Dies stößt, wie ich glaube, nicht nur auf den Widerstand der CDU-Fraktion, sondern auch anderer. Deshalb werden wir weiter intensiv mit dieser Frage beschäftigen.

[Beifall bei der CDU und den Grünen]

Vielen Dank! – Das Wort für die Linksfraktion hat der Kollege Dr. Zotl.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur Großen Anfrage der FDP und zur Antwort des Senats möchte ich nur drei Anmerkungen machen.

Erstens: Das Verhältnis zwischen der gesamtstädtischen Hauptverwaltung und den Bezirksverwaltungen ist keine neu aufgetauchte Fragestellung. Man könnte es annehmen, wenn man manches der Hysterie ernst nähme, die wir gerade in den Beiträgen der Opposition gehört haben und sicher in dem dritten Beitrag auch noch hören werden. Es ist ein Dauerthema seit der Bildung von GroßBerlin zu Beginn der Zwanzigerjahre. Neu an der Debatte ist etwas anderes. Die FDP-Fraktion, die das hier aufwirft, hat seit Jahren vorgetragen, dass die Bezirke ungenau arbeiten und die Arbeit erschweren, und vor einiger Zeit Gutachten präsentiert, dass die Bezirke abgeschafft werden sollten.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege?

Sofort! – Die von Ihnen zitierte IHK hat das noch vor wenigen Jahren ebenfalls genutzt, um die angebliche Notwendigkeit nachzuweisen, dass es keine Bezirke geben muss. Jetzt haben Sie die Bezirke entdeckt und nutzen dieses Feld, um den Senat zu kritisieren. Das ist alles ziemlich unseriös.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schmidt von der FDP-Fraktion?

Ja, selbstverständlich!

Bitte schön!

Vielen Dank! – Herr Dr. Zotl! Wie passt denn das, was Sie als Linkspartei auf Ihrem Parteitag beschlossen haben und was Sie auch vertreten, mit dem zusammen, was in der Antwort auf die Große Anfrage steht? Es gibt ja viele Fragen zu den Bezirken, wo der Senat jetzt sagt, das stimmt alles nicht.

Nein, nein! Dazu komme ich gleich. Ich habe erst einmal nur erklärt, was an der Debatte neu ist. – Die Hauptverwaltung und die Bezirksverwaltungen haben ein grundsätzlich widersprüchliches Verhältnis, seitdem es sie gibt. Das ist völlig normal, denn sie verkörpern unterschiedliche Interessen und Sichtweisen. Daraus erwachsen Konflikte – alle, die hier beschrieben worden sind, und sicherlich noch viel mehr. Das ist in einem gewissen Maß normal. Aber aus diesem Interessenkonflikt erwachsen auch der Zwang und die Chance zum Interessenausgleich. Und das findet in den gemeinsamen Entscheidungen des Senats und des Rats der Bürgermeister regelmäßig statt. Insofern glaube ich nicht, dass es ein nennenswertes Problem ist, dass es dieses widersprüchliche Verhältnis zwischen der Senats- und der Bezirksebene gibt.

[Zuruf von Thomas Birk (Grüne)]

Nein! Das ist nicht das nennenswerte Problem. Herr Birk, Sie müssen richtig lesen. – Ein Problem wäre es, wenn sich diese Konflikte hemmend auf die gesamtstädtische Entwicklung auswirkten, wenn es also ein Defekt im System wäre. Ich verweise auf meinen Kollegen Treichel. Ich erinnere daran, dass wir im Sommer in London waren. Der Ausschuss war in der letzten Legislaturperiode auch in Paris. Dort haben wir uns das Verhältnis zwischen der Gesamtstadt und den einzelnen Gliederungen angesehen. Als Ergebnis kam eindeutig heraus – da sind wir uns sicherlich einig gewesen, Herr Birk –, dass der Berliner Ansatz einer zweistufigen Verwaltung jedem Vergleich

standhält, und mehr noch, dass das Berliner Modell bei diesen Vergleichen sogar gewinnt, weil gesamtstädtische und bezirklich-kommunale Interessen ziemlich optimal ins Verhältnis gesetzt worden sind. Fazit: Wenn wir uns über mehr Eigenständigkeit der Bezirke unterhalten – und darüber muss man sich unterhalten –, dann kann es nur um die Optimierung des Vorhandenen und nicht – was nach unserer Auffassung mit der Großen Anfrage intendiert ist – um einen Kontinuitätsbruch oder gravierende Neuansätze gehen.

Zweitens: Natürlich stimmt die Forderung immer – wir haben sie auch in unserem Beschluss –, dass die Aufgaben zwischen Hauptverwaltung und Bezirksverwaltungen klarer voneinander abgegrenzt werden müssen. Aber wenn wir uns die Situation genau anschauen – seit 1995 kenne ich diese Forderung und habe in unzähligen parteiübergreifenden Arbeitsgruppen und Kommissionen mit den Bezirken gesessen, wo wir konkrete Aufgabenverlagerungen versucht haben –, dann gibt es spätestens seit dem 2. Verwaltungsreformgesetz von 1998 – das war das Abschichtungsgesetz – nicht mehr allzu viel an Aufgaben umzuverteilen. Auch da hat der Senat mit seiner Antwort völlig recht. Was wir wirklich prüfen müssen – das klingt ein wenig in Ihrer Frage an, geht aber insgesamt unter –, das ist ein anderer Grundsatz – der Grundsatz, dass derjenige, der die Verantwortung für die Durchführung einer Aufgabe hat, auch die Entscheidungskompetenz haben muss. Verantwortung und Entscheidung müssen in der Regel in eine Hand. Das ist nur unter Abwägung einer Reihe von Umständen zu erreichen. Dabei dürfen nicht nur einseitige Dezentralisierungen, sondern es müssen ebenso Rezentralisierungen ins Auge gefasst werden. Es müssen auch Splittungen analysiert und ermöglicht werden.

Drittens: Ich möchte noch ansagen – –

Herr Kollege! Sie müssten jetzt zum Schlusssatz gekommen sein.

Ich habe auf eine Anfrage geantwortet. Ich bitte, das zu berücksichtigen. Ich möchte noch einen Satz zum politischen Bezirksamt sagen.

Einen Satz gerne, aber dann muss Schluss sein!

Ein politisches Bezirksamt, für das wir sind, hat nur einen Sinn, wenn wirklich etwas politisch zu entscheiden ist. Eine politische Koalition in einer Vollzugsverwaltung, das ist der Versuch – Herr Birk, nehmen Sie es mir nicht übel – von Parteien, die nicht genug gewählt werden und nicht stark genug sind, um einen Bezirksamtssitz zu er

erlangen, auf diese Art und Weise zu Bezirksamtssitzen zu kommen. Das ist nicht ehrlich und nicht demokratisch, sondern genau das Gegenteil. – Danke!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Zuruf von Benedikt Lux (Grüne)]

Das Wort für die Fraktion der Grünen hat der Kollege Birk.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Zotl! Von Ihnen hätte ich wenigstens den Mut erwartet, dass Sie sich hier an die Beschlüsse Ihres Parteitags halten und Entsprechendes einfordern.

[Beifall von Anja Kofbinger (Grüne)]

Aber das haben Sie leider nicht getan. Dagegen markiert die Antwort auf die Große Anfrage das Ende aller Reformbemühungen in der Aufgabenkritik und in der Aufgabenzuweisung zwischen Senat und Bezirken und den Abschied vom politischen Bezirksamt.

[Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne): Schlimm, schlimm!]

Sie ist damit eine Bankrotterklärung Ihrer Politik für die Bezirke, Herr Körting!

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Und die Antwort ist eine Frechheit gegenüber dem Parlament. Sie behaupten allen Ernstes, es gebe keine Doppelarbeiten zwischen Senat und Bezirken. Es darf nicht sein, was es gibt, weil es die Berliner Verfassung angeblich verbietet. Diese Antwort hindert die Linkspartei nicht daran, auf ihrem Parteitag das Ende aller Doppelarbeiten zu fordern. Von wem wollen Sie eigentlich noch ernst genommen werden?

Meine Debütrede habe ich vor drei Jahren über den Irrsinn der Berliner Bebauungsplanaufstellung gehalten, wo sich der Senat nach getaner Arbeit der Bezirke vorbehält, alles noch einmal zwei Monate lang durchzuprüfen, falls er nicht gleich alles an sich gezogen hat. Wir haben außerdem noch das Quartiersmanagement, zunächst als Senatsaufgabe, jetzt in klassischer Doppelzuständigkeit zwischen Bezirken und Hauptverwaltung. Wir haben die Sonderprogramme – Herr Statzkowski hat sie schon aufgezählt – für Schulbauten, Sportstätten, Tiefbau usw. Und dann behaupten Sie, Sie brauchten dafür kein Personal. Wo leben Sie?

[Beifall bei den Grünen]

Der nervigste dauerhafte Eingriff in die Bezirke trägt den Namen Sarrazin. Seine ständigen systemwidrigen Eingriffe in die Bezirkshaushalte, seine Blockaden bei der Besetzung von Personalstellen für gesetzliche Pflichtaufgaben, sein Zugriff auf die bezirklichen Liegenschaften bewirken

das Ende der Eigenverantwortlichkeit der Bezirke, und das kritisieren wir.

[Beifall bei den Grünen]

Aber Sie hatten sich einiges vorgenommen, um das zu ändern. Im Koalitionsvertrag steht noch weit mehr, Herr Treichel! Ich zitiere:

Um im Zuge der anstehenden Legislaturperiode zu einer wirksamen Aufgabenkritik und Aufgabenentwicklung zu gelangen, wird ein Steuerungskreis beim Regierenden Bürgermeister angesiedelt. Der Steuerungskreis erarbeitet bis Ende 2007 einen Zielkatalog mit politischen Kriterien für die Überprüfung des öffentlichen Aufgabenbestandes von Senat, den nachgeordneten Einrichtungen, Bezirken und mittelbarer Landesverwaltung. Dieser Katalog bietet den Maßstab für eine schrittweise und fortlaufende Aufgabenkritik und -entwicklung.

Jetzt haben wir Ende 2008. Wo ist denn Ihr Zielkatalog? Die entsprechende Arbeitsgruppe beim Regierenden Bürgermeister, die letztens tatsächlich eingerichtet worden ist, hat sich über die einheitliche Ämterstruktur berichten lassen, und das war es dann auch schon. Genauso sollte schon vor Abschluss des geltenden Doppelhaushalts ein neues Zuweisungsmodell für die Bezirke entwickelt werden. Wir warten noch immer gespannt darauf.

Dann versenkte die SPD auf ihrem Landesparteitag im letzten Sommer das politische Bezirksamt, nachdem der Landesvorstand mit einem wirklich grottenschlechten Vorschlag für die Zukunft der Bezirke baden gegangen war. Es soll also beim Proporzbezirksamt bleiben. Die Linkspartei will zwar eigentlich das politische Bezirksamt, auch wenn Herr Dr. Zotl eben etwas anderes signalisiert hat, aber nur, wenn die Bezirke rechtlich und finanziell gestärkt werden. Keine Angst, liebe Linksfraktion! Dieser Fall wird nicht eintreten. Deswegen könnt ihr getrost für das Proporzbezirksamt stimmen und dann auch noch die Zählgemeinschaften für die Wahl der Bezirksbürgermeister abschaffen, damit Frau Emmrich und Frau Pohle ihre Posten behalten können. So inszeniert man seine Niederlage und wäscht anschließend seine Hände in Unschuld, Herr Dr. Zotl!

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Übrigens haben Sie von der Linkspartei auf Ihrem letzten Landesparteitag ganz gut von unserem Parteitagsbeschluss aus dem Jahr 2004 abgeschrieben. Das fängt schon bei der Überschrift an: „Starke Bezirke für ein starkes Berlin“ heißt es bei Ihnen. „Ein starkes Berlin braucht starke Bezirke“ hieß es bei uns. Ein bisschen Fantasie hätten Sie schon entwickeln können!

[Beifall bei den Grünen]