Protocol of the Session on November 13, 2008

[Beifall bei der FDP – Zuruf von Alice Ströver (Grüne)]

Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/1885 empfiehlt der Ausschuss mehrheitlich gegen die Stimmen der Antragsteller und gegen zwei Stimmen der CDU bei Enthaltung der FDP die Ablehnung. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der Grünen. Wer ist gegen diesen Antrag? – Das sind die übrigen Fraktionen. Wer enthält sich? – Bei zwei Enthaltungen ist der Antrag abgelehnt.

[Ralf Wieland (SPD): Das ist Karibik!]

Zum Koalitionsantrag empfiehlt der Ausschuss mehrheitlich gegen die CDU sowie zwei Stimmenthaltungen der CDU und gegen Grüne und FDP die Annahme. Wer dem Antrag von SPD und Linksfraktion Drucksache 16/1886 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? – Das ist die Fraktion der FDP und ein Kollege aus der CDU-Fraktion. Wer enthält sich? – Es enthalten sich die Fraktion der Grünen und die CDU.

[Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Und Herr Lehmann!]

Oh ja, einer aus der FDP-Fraktion auch noch.

Zum CDU-Antrag Drucksache 16/1868 empfiehlt der Ältestenrat die Überweisung an den Medienausschuss, wozu ich keinen Widerspruch höre.

Ich rufe auf die Priorität der FDP

lfd. Nr. 4 b:

Große Anfrage und schriftliche Antwort des Senats

Eigenverantwortliche Bezirke als Teil einer effektiven und effizienten Verwaltung

Große Anfrage der FDP und Antwort des Senats Drsn 16/1252 und 16/1717

Das ist der ehemalige Tagesordnungspunkt 8. Bei der Besprechung steht den Fraktionen jeweils wiederum eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die anfragende Fraktion der FDP. Das Wort hat der Kollege Schmidt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von der IHK bis zur Linkspartei, von der Enquetekommission bis zum Beamtenbund gibt es einhellige Kritik an den Verwaltungsstrukturen Berlins. Es sind immer wieder dieselben Themen, die da kommen: unklare Zuständigkeiten, Doppelarbeit, intransparente Abläufe, willkürliche Eingriffe

der Senatsverwaltungen. Das ist Konsens aller, die sich äußern, offensichtlich nur nicht Konsens mit dem Senat. Denn der Senat beantwortet die Fragen folgendermaßen: Es gebe keine Probleme, es sei so perfekt, wie es ist, es bestehe überhaupt kein Änderungsbedarf. Alle vorgeschlagenen Verbesserungsansätze sind aus Ihrer Sicht sowieso vollkommen unbrauchbar. Für diese Art von Antwort, Herr Körting, haben Sie sich die Bearbeitungszeiten um mehrere Monate verlängern lassen. Ich finde das peinlich.

[Beifall bei der FDP und den Grünen]

Die eigenen Regierungsparteien sehen die Lage ganz anders als Sie. Ich zitiere mit Zustimmung des Präsidenten aus dem Parteitagsbeschluss der Linken:

Die Regelungen zum Verhältnis zwischen Land und Bezirken werden immer wieder durch tatsächliches Verwaltungshandeln infrage gestellt. Das führt zu Doppelarbeit und unnötiger Bürokratie. Deshalb hält die Linke es für erforderlich, die Aufgabenteilung zwischen Landes- und Bezirksebene weiter zu konkretisieren. Doppel- und Mehrfachverantwortlichkeiten seien aufzuheben.

Die SPD hat beschlossen, dass die Zuständigkeitsverteilung zwischen Land und Bezirken transparenter nachvollziehbar und verbindlicher ausgestaltet werden muss. Aber Sie, Herr Senator, sind offensichtlich der Meinung, dass das, was Ihre beiden Regierungsparteien beschlossen haben, Unsinn ist. So ist es zumindest in der Antwort auf unsere Anfrage.

Selbstverständlich haben aber SPD und Linke hier einmal recht. Die Beschlusslage bei Grünen und FDP sieht nicht anders aus. Warum? – Weil die Realität eben nun einmal so ist. Der Senat verweigert sich dieser Realität. Warum? – Weil es gar nicht um einen Konflikt zwischen Hauptverwaltungen und Bezirken geht, wie die Medien das immer wieder gerne darstellen, sondern um einen zwischen der zentralen Verwaltung und dem Abgeordnetenhaus, das gerne kontrollieren möchte, und der zentralen Verwaltung und den Bürgerinnen und Bürgern, die eine ordentliche Leistung haben wollen. Die zentrale Verwaltung möchte am liebsten in alles hineinregieren, nach Gefühl und Geschmack. Und wenn sie gerade keine Lust hat, möchte sie es auch lassen. Dann kommt es zu solchen Zuordnungen wie: Mediaspree, ein Milliardenprojekt, das die ganze Stadt betrifft, ist plötzlich eine bezirkliche Angelegenheit. Die Würstchenbude am Brandenburger Tor oder der Weihnachtsmarkt auf dem Gendarmenmarkt aber sind „natürlich“ von gesamtstädtischer Bedeutung.

Die Antwort des Senats auf die Anfrage dazu lautet: Auf Senatsebene findet keine operative Arbeit in den den Bezirken zugewiesenen Aufgaben statt. – Na klar, die Doppelarbeit findet nämlich in den willkürlich vom Senat an sich gezogenen Aufgabengebieten statt. Herr Körting! Ihre Antwort geht deshalb gezielt am Thema vorbei. Sie wissen besser, wie die Realität ist. Das empfinde ich auch als Respektlosigkeit gegenüber dem Parlament.

[Beifall bei der FDP und den Grünen – Beifall von Andreas Statzkowski (CDU)]

Hinzu kommt: Allein die Drohung mit zentralen Eingriffen führt zu vorauseilendem Gehorsam der Bezirksverwaltungen, zu einer Fachaufsicht durch die Hintertür. Ihr Bürgermeister der SPD, Herr Buschkowsky, hat das klar beschrieben. Die Bezirke machen das, was sie glauben, dass die Senatsverwaltung es von ihnen erwartet. Weil das dann so ist, kann man das nur beheben, indem die willkürlichen Eingriffsrechte der Senatsverwaltung endlich abgeschafft werden.

Mit dem bestehenden System der Verwaltung entsteht Ineffizienz, Intransparenz, es führt zur Verschleierung von Verantwortung und dient teilweise dazu, politische Spielchen zu treiben. Meistens kommt dabei Mist heraus: Das Spreedreieck ist ein schönes Beispiel, da hat die Zentralverwaltung gezeigt, was sie so kann. Das war nun wirklich keine Glanzleistung.

[Beifall bei der FDP]

Nein! Wir brauchen eine klare Abgrenzung der Verantwortlichkeiten. Wir brauchen durchgängig einstufige Verfahren. Der Senat macht seine Sachen in einer Stufe, die Bezirke machen ihre Sachen in einer Stufe. Wir müssen die vielfältigen Verschränkungen in der Verwaltung auflösen. Wir brauchen eine Finanzausstattung der Bezirke, die es erlaubt, politische Schwerpunkte zu setzen. Wir brauchen das politische Bezirksamt, damit endlich klare Verantwortlichkeiten mit zurechenbarer Verantwortung bestehen. Wir brauchen eine gesamtstädtische Steuerung, die ihren Namen auch verdient, nämlich eine, die übergeordnete Ziele verfolgt und die Stadt zusammenhält und sich nicht in Kleinigkeiten verheddert.

[Beifall bei der FDP und den Grünen]

Deshalb: Nehmen Sie die vielen bestehenden Anregungen auf! Schaffen Sie eine Verwaltung zum Nutzen der Bürger und keinen zentralistischen Wasserkopf! Sorgen Sie dafür, dass die Berliner Verwaltung effizienter wird! Wir von der FDP sind gern bereit, Sie dabei zu unterstützen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Kollege Treichel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schmidt! Sie wiederholen, was wir schon häufig von Ihnen gehört haben, was auch die IHK uns immer wieder sagt. Aber Sie werden nicht konkret. Auch jetzt habe ich kein konkretes Beispiel gehört, mit dem Sie das untermauern, was Sie uns vorwerfen.

Vor allem in den Bezirken haben die Menschen den unmittelbaren Kontakt mit der Verwaltung, und in den

Bezirken muss kontinuierlich daran gearbeitet werden, die bürgernahen Dienstleistungen zu verbessern und bürgerschaftliche Mitwirkung zu stärken. Das ist ein Prozess, der nicht endet. Das ist ein ständiges Verbessern.

Wir als SPD haben in den zurückliegenden Monaten lange und intensiv über das Verhältnis zwischen Land und Bezirken beraten. Unser Koalitionspartner hat dies auch getan. Bei unseren Beratungen ging es um die finanzielle Ausstattung ebenso wie um die künftige Bildung der Bezirksämter. Vor allem bei der finanziellen Ausstattung wollen wir die Bezirke stärken und ihnen mehr Verantwortung übertragen.

Sie versuchen, gemeinsam mit der IHK ein Bild von Berlin mit einer ineffizienten, komplizierten zweistufigen Verwaltung zu zeichnen, wie es sie in der Realität genauso wenig gibt wie das Ungeheuer von Loch Ness. Doppelzuständigkeiten finden sich nicht. Wenn wir uns Ihre Große Anfrage und Ihre Erkenntnisse angucken, kommen wir zu der Erkenntnis, dass Reisen zwar bildet, aber nur, wenn man aufmerksam umherschaut. Wir waren doch gemeinsam mit dem Ausschuss für Verwaltungsreform in London und haben dort gelernt, wie gut es ist, dass unsere Bezirke eng zusammenarbeiten, viel enger als es die Londoner Boroughs tun. Zwischen den Londoner Boroughs, den Londoner Bezirken, tobt ein Konkurrenzkampf. Jede Verwaltungseinheit kämpft dort für sich allein, und wir haben kein Miteinander festgestellt. Wir stellen fest, dass es in Berlin auch nicht immer harmonisch ist und dass es auch Konflikte gibt, dass aber unsere Situation hier in keiner Weise mit der in London vergleichbar ist.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Die Verwaltungsstruktur Londons kann nicht mit der von Berlin verglichen werden. Da haben Sie wirklich bei unserer Reise nicht richtig hingesehen. Wir schließen uns der Auffassung des Senats in der Antwort auf Ihre Große Anfrage vollkommen an. Offensichtlich waren Sie in einem ganz anderen London. Wir haben in London ein völliges Unverständnis der dortigen Verwaltung bezüglich bezirksübergreifender Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger registriert. Ist Ihnen nicht aufgefallen, dass die Londoner Verwaltung sich selbst in den Mittelpunkt stellt, nicht aber die Bürgerinnen und Bürger?

Was wir im Bezirksverwaltungsgesetz jetzt umsetzen, war lange angekündigt. Das stand auch schon im Koalitionsvertrag. Die Ämterstruktur in allen Bezirken wird vereinheitlicht. Es bleibt beim Recht der Bezirksämter, die Zuständigkeiten für die Ämter selbst zu bestimmen.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schmidt von der FDP-Fraktion?

Nein, aber ich bin sowieso gleich fertig. – Wir haben das im Fachausschuss alles ausführlich beraten und uns in unserer Beschlussfassung auf die Empfehlungen des Rats der Bürgermeister gestützt. Die Möglichkeit, bei Bedarf nachjustieren zu können, bleibt uns erhalten.

[Henner Schmidt (FDP): Haben Sie die Anfrage eigentlich gelesen?]

Ich habe die mehrfach gelesen. Ich habe mich immer wieder gefragt, was eigentlich Ihre konkreten Vorwürfe an die Verwaltung sind. Die bleiben Sie schuldig. – Zu Änderungen in den Strukturen wird es auch künftig nur im Einvernehmen zwischen Bezirken und dem Senat kommen. Wir stärken die Einheitsgemeinde Berlin, indem wir die Bezirke stärken. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank! – Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Kollege Statzkowski.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst ein paar Vorbemerkungen meinerseits. Bei der Beantwortung der Großen Anfrage ist nach Auffassung der CDU-Fraktion von einer selbstkritischen Analyse keine Spur festzustellen. Es fehlen innovative Ideen zur Weiterentwicklung der Berliner Strukturen, z. B. bei der Bezirksverordnetenversammlung. Es fehlen beispielsweise auch Themen, die durchaus angefragt sind, wie Konnexität, wobei man sich als Parlamentarier in der heutigen Situation im Verhältnis zu den Bezirken durchaus darüber unterhalten muss, wie man die Finanzsituation zwischen dem Land und den Bezirken neu strukturiert und wie man vonseiten des Parlaments als Auftraggeber dementsprechende Verantwortung übernimmt.

Herr Treichel! Ihr Bekenntnis zu den Bezirken, das Sie als SPD immer so vollmundig in der einen oder anderen Situation abgeben, ist und bleibt inhaltsleer.

[Beifall von Thomas Birk (Grüne)]

Mehr noch: Es gibt einen dramatischen Rückgang an Zuständigkeiten bei den Berliner Bezirken. Es gibt eine dramatische Finanznot bei den Berliner Bezirken, die Sie zu verantworten haben. Dort ist nichts von einer bewussten und auch selbstbewusst lebenden Zweistufigkeit zu spüren.

[Beifall von Henner Schmidt (FDP)]

Es ist vielmehr merkwürdig, dass Rot-Rot – Herr Treichel hat wieder einmal ein Beispiel dafür gegeben – die Doppelzuständigkeiten negiert, obwohl sie doch allgemein bekannt sind und obwohl viele Damen und Herren nicht nur in diesem Haus, sondern auch anderer Institutionen im Land Berlin im Einzelnen immer wieder darauf hinweisen. Wenn wir ganz konkret werden, beispielsweise

bei der Doppelprüfung des Schul- und Sportanlagensanierungsprogramms: Warum muss es denn eine zweite Prüfung durch die Landesebene bei den Projekten geben, die die Bezirke im Einzelnen zur Sanierung angemeldet haben, Herr Treichel? Können Sie mir das einmal sagen? – Darauf haben Sie nämlich keine Antwort, da haben Sie eine klassische Doppelzuständigkeit, die Senatsverwaltung nimmt völlig unnötigerweise eine weitere Prüfung vor.