Weit dramatischer ist jedoch, dass der Stabilisierung der Landeseinrichtungen ein fortgesetzter Erosionsprozess der Kulturangebote und Kultureinrichtungen auf Bezirksebene gegenübersteht. Hier gilt es, rasch und nachhaltig einzugreifen.
Konkret – um nur ein Beispiel zu nennen: Die von der Enquetekommission den Ländern empfohlene Biblio
theksgesetzgebung muss auch in Berlin ernsthaft diskutiert werden. Erhalt und qualifizierter Ausbau der öffentlichen Bibliotheken sind aus Sicht der Linken und der Kommission staatliche Pflichtaufgabe.
[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zurufe von Christoph Meyer (FDP) und Alice Ströver (Grüne)]
Frau Kollegin! Das bedeutet aber nicht, dass unbedingt ein Gesetz notwendig ist. Es gibt auch andere Möglichkeiten.
Ein zweites Handlungsfeld: Die Berliner Theaterlandschaft lebt vom weiten Spannungsfeld zwischen stabilen, leistungsfähigen Bühnen in öffentlicher Trägerschaft und einer quicklebendigen, weltweit beachteten freien Theater- und Tanzszene. Der Bericht fordert die Erweiterung der Theaterförderung für ebendiese Freien. Auch hier besteht für Berlin Handlungsbedarf, obwohl wir ein bundesweit beachtetes Fördersystem haben.
Ein drittes Handlungsfeld möchte ich nur andeuten: die soziale Lage der Künstlerinnen und Künstler. Selbstverständlich gehört endlich Bewegung in die Verhandlung der Tarife der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Opernstiftung. Überfällig sind aber auch Ausstellungsvergütungen für bildende Künstler und ordentliche Lesehonorare für Autoren. Ich höre jetzt schon Argumente, warum das alles nicht möglich ist. Wir fordern: Schluss mit solch gebetsmühlenartigem Unsinn! – Wir erwarten von der Auswertung des Schlussberichts der Kommission eine Umkehrung des Debattenansatzes. Es soll nicht gefragt werden, warum etwas nicht geht, sondern die Frage muss lauten: Wie gelingt es uns, das Notwendige zu realisieren?
Eines ist seitens des Senats realisiert worden: Der Senat von Berlin beantragte auf Beschluss dieses Hauses die Aufnahme des Staatszieles Kultur in das Grundgesetz. – Es ist mehr als bedauerlich, dass in anderen Bundesländern die Gartenzaunstrategen über die in dieser Frage gezeigte Weitsicht des Bundestages und des Senats triumphierten. Dieses Schicksal wollen wir den anderen Empfehlungen ersparen. Deshalb wollen wir eine ernsthafte Diskussion, und deshalb bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen. – Vielen herzlichen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! So sind sie, unsere Revolutionäre mit Pensionsanspruch: Herr Brauer dreht rhetorische Pirouetten bis zur Unkenntlichkeit, und
Worum geht es? – Der Bundestag hat in vier Jahren die umfassendste Bestandsaufnahme von Kunst und Kultur in Deutschland erarbeitet – 509 Seiten stark mit ca. 460 Handlungsempfehlungen. Anstatt uns die beiden rot-roten Fraktionen nun sagen, was sie wollen und welche Handlungsempfehlung sie umsetzen wollen,
Herr Brauer! Es ist schwierig, mit Ihnen zu reden, wenn Sie immer dazwischenbläken. Ich empfehle Ihnen, einmal Ihren eigenen Antrag zu lesen. Sie verlangen mit Ihrem Antrag, dass der Senat prüfen soll, welche Handlungsempfehlungen er umsetzen kann. Sie sagen gerade nicht, welche Handlungsempfehlung Sie umgesetzt sehen wollen.
Ich gehe davon aus, dass das ein klassischer Koalitionskompromiss gewesen ist. Aber für den Rest des Hauses ist das doch ein wenig zu langweilig.
Mich erinnert der Umgang mit diesem Bericht der Enquetekommission mit dem Umgang unseres Hauses mit dem Bericht zur Zukunft Berlins. Nichts Wichtiges ist je von Ihnen umgesetzt worden. Alle Anträge der Opposition sind niedergestimmt worden. Ich sage Ihnen voraus: Mit diesem Bericht wird es genauso gehen wie mit dem Bericht unseres Hauses.
Aber was ist wirklich wichtig? – Kunst und Kultur sind für Berlin – wie es in unserem Bericht heißt – eine Grundressource, ein einendes Band und ein Lebenselixier für unsere Stadt. Doch wie heißt es im Bericht: Kultur ist kein Ornament. Sie ist das Fundament, auf dem unsere Gesellschaft steht und auf das sie baut. – Ich wäre schon froh, wenn wir dies bei unseren zu treffenden Entscheidungen bedenken und die Kultur in unserer Stadt hegen und pflegen. Diese Verpflichtung trifft uns alle, nicht nur die Kulturpolitiker. – Vielen Dank!
[Beifall bei der CDU – Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Viele Worte, wenig Sinn! – Dr. Robbin Juhnke (CDU): Genau umgekehrt, Herr Brauer!]
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor knapp einem Jahr hat die Enquetekommission „Kultur in Deutschland“ ihren Schlussbericht übergeben. Darin wird schwerpunktmäßig die kulturelle Situation in Deutschland beschrieben – mit über 400 Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen von Kunst und Kultur in Deutschland. Ich erinnere daran, dass wir gerade das zehnjährige Jubiläum des Staatsministeriums für Kultur gefeiert haben und dass die kulturpolitischen Fragen, die damals gestellt wurden, von der rot-grünen Koalition ausgingen und letztendlich auch zur Einrichtung dieser Enquete geführt haben.
Bei den Handlungsempfehlungen der Enquetekommission geht es hauptsächlich um fünf Themenschwerpunkte. Es geht um öffentliche und private Kulturfinanzierung, darum, wie der Staat seiner eigentlichen Verantwortung, Kultur als öffentliches Gut zu fördern, gerecht werden kann, und um die Frage, wie es um die soziale und wirtschaftliche Lage der Künstlerinnen und Künstler bestellt ist. – Bereits 1975 wurde das Künstlersozialrecht begründet. Die Gründung der Künstlersozialkasse 1983 hat einen wichtigen Akzent gesetzt, und sie wird nun auch weiterbestehen und reformiert werden. – Ferner geht es um die kulturelle Bildung, um Kultur in Europa und um den Zusammenhang von Kultur und Kreativwirtschaft.
Zudem hat sich die Enquetekommission für die gesamtgesellschaftliche Verantwortung für Kunst und Kultur ausgesprochen und einstimmig für ein Staatsziel Kultur votiert. Hierbei waren wir in Berlin wegweisend. Wir haben schon vor längerer Zeit die Empfehlung an den Senat verabschiedet, sich im Bundesrat für die Aufnahme des Staatsziels Kultur in die Verfassung einzusetzen.
Leider ist diese Initiative des Landes Berlin im Bundesrat abgelehnt worden. Ich hoffe, dass die CDU um Bundestag endlich zustimmt. Vielleicht können Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, ein wenig nachhelfen. Es reicht nicht, nur die Lippen zu spitzen. Man muss auch pfeifen. Es geht darum, dass Sie hier in Berlin zugestimmt haben. Es ist wichtig, dass Sie bei Ihren Kollegen intervenieren.
Was die genannten fünf Schwerpunkte angeht, können wir in Berlin auch schon einiges vorweisen, beispielsweise die kulturelle Bildung. Wir haben für den Haushalt 2008/2009 3,5 Millionen Euro für die kulturelle Bildung zur Verfügung gestellt. Der Projektfonds arbeitet schon mit sehr guten Ergebnissen und großer Resonanz innerhalb der Schulen, Kitas und Jugendeinrichtungen. Wir fördern eine große Zahl von Kinder- und Jugendtheatern, unter anderem auch ein landeseigenes Theater. Wir haben für die Förderung der Kreativwirtschaft einen Mikrokreditfonds in Höhe von ca. 30 Millionen Euro aufgelegt, der zu relativ moderaten Bedingungen Kredite vergibt.
Die Kreativwirtschaft mit ca. 19 000 Unternehmen und mehr als 100 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist ein wichtiger wirtschaftlicher Bereich in der Stadt. Wir fördern außerdem Messeauftritte für Galeristen, wir fördern ein Museums- und Galerienportal und eine Vermarktungsbroschüre für bildende Kunst. Wir brauchen uns in Berlin also nicht zu verstecken.
Das heißt aber nicht, dass es nichts mehr zu tun gibt. Die Enquetekommission empfiehlt den Ländern die Aufgaben der öffentlichen Bibliotheken in Bibliotheksgesetzen zu regeln. Die Bibliotheken sollen keine freiwillige Aufgabe mehr sein, sondern Pflichtaufgabe werden. Wir müssen uns mit diesem Vorschlag intensiv befassen. Bibliotheken sind Basisinstitutionen der kulturellen Bildung und sollten deshalb auch meiner Meinung nach Pflichtaufgabe werden.
Was die unmittelbare Künstlerförderung angeht, haben wir auch einiges vorzuweisen. Es gibt eine bundesweit einmalige Atelierförderung. Wir fördern durch Preise, Stipendien und Ausstellungs- sowie Auftrittsmöglichkeiten. Natürlich ist die Frage wichtig, wie in Zeiten von Alg II sichergestellt werden kann, dass Künstler ihre künstlerische Tätigkeit aufrecht erhalten können. Das fängt bei Beratungen in den Arbeitsagenturen an, die oft nicht wissen, welche Bedürfnisse professionell arbeitende Künstler haben. Die Beratung und Hilfestellung muss qualifiziert werden. Die Jobcenter sind davon zu überzeugen, dass ein künstlerischer Beruf andere Voraussetzungen hat als ein unselbständig Beschäftigter. Aber auch da befinden wir uns in Erfolg versprechenden Gesprächen.
Natürlich muss es auch, wenn bildende Künstler eine Ausstellung organisieren, um eine Ausstellungsvergütung gehen. Wir werden auch nicht umhin kommen, unsere Steuermechanismen und Ziele in der Stadt zu überprüfen. In diesem Sinne: Es gibt viel zu tun, packen wir es an.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Lange! – Für die Fraktion der Grünen hat jetzt Frau Abgeordnete Ströver das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe mich gefragt, was das zu bedeuten hat, dass Rot-Rot heute zwei getrennte Prioritäten anmeldet. Ich dachte mir, dass dahinter unheimlich Substanz oder Streit stehen muss, Herr Kultursenator. Ich weiß nicht, worin der Streit liegt. Es sind wohl die fünf Zeilen des Antrags, den heute die Linksfraktion zur Priorität gemacht hat. Darin fordert sie den rot-roten Senat auf zu arbeiten. Das können wir nur unterstützen.
Das freut uns alle. Arbeiten soll der Senat. Wir sind uns einig, dass er in kulturpolitischen Fragen einiges nachzuholen hat.
Natürlich könnte man auch annehmen, verehrter Herr Kollege Brauer, dass das Parlament und damit auch die rot-rote Koalition selbst denken könnte. Sie könnten sich selbst überlegen, welches die Schlussfolgen sind, die im Enquetebericht des Bundestages „Kultur in Deutschland“ für Berlin, für seine Bezirke und für die Landesebene wichtige, zukunftsweisende Handlungsfelder im kulturpolitischen Bereich enthalten sind. Das könnte man eigentlich erwarten. Sie sagen in Ihrem Redebeitrag, dass Sie das als rot-rote Fraktionen nicht können. Deswegen soll der Senat anfangen zu arbeiten und soll aus den vielen Vorschlägen für die Handlungsebene Bund, für die Handlungsebene Land und die Kommune sagen, was für Berlin gilt. Nun sind wir ganz gespannt. Eigentlich müssten wir über den Antrag sofort abstimmen, weil die hineingeschriebene Frist – verehrter Herr Kollege Brauer –, der 28. Februar 2009, schon fast abgelaufen ist. Ich bin gespannt, was bis dahin aus der Kulturverwaltung, der Senatskanzlei, herausgekommen ist.
Klar ist, Kultur als Standortfaktor und Zukunftsressource für Berlin ist der zentrale Bestandteil der Stadtentwicklung. Natürlich wäre das erste Ziel – es wundert mich, Herr Kollege Brauer, dass Sie das nicht gesagt haben –, dass man das tut, was die Enko vorschlägt, für jede Kommune und damit auch für jedes Land einen Kulturentwicklungsplan vorzulegen, damit überhaupt klar ist, was die Zielstellungen für die hier herrschende Kulturpolitik sind. Komisch, davon sagen Sie nichts. Das wäre aus unserer Sicht der erste Vorschlag. Ich kündige jetzt schon an, dass wir selbst denken und unsere Vorschläge zu dem Thema einbringen.
Ansonsten zeigen die Vorschläge der Enquetekommission, wo die Defizite in der Senatskulturpolitik liegen. Ich nenne nur einige: die ausdrückliche verstärkte Förderung der freien Theaterszene, die Modernisierung von Museen, ihrer Bestände und ihrer Ausstellungstechnik, natürlich dringend die Verknüpfung von Modernisierung und Entwicklung von Bibliotheken, aber in Verbindung mit Bildungskonzepten, die absolut notwendig sind, und der spezielle Bereich kulturelle Bildung. Dort haben Sie übrigens unrecht, Herr Kollege Brauer. Allein für das aufgelegte Programm: „Jedem Kind sein Instrument“ in NRW bringt schon das Land allein 4,3 Millionen Euro auf. Gegen unsere bescheidenden 1,5 Millionen Euro nimmt sich das schon besser aus.
Der Bericht sagt auch noch, ist, dass wir mehr interkulturelle Projektarbeit fördern wollen. Darin sind wir uns auch einig. Auch die soziale Lage der Künstler und ihre Rahmenbedingungen zum Arbeiten müssen geprüft und verbessert werden. Die Kreativwirtschaftsprojekte brauchen eine verstärkte Förderung. Es gibt einige Dinge, die in Berlin angelegt sind, da haben Sie recht, Frau Lange.
Viele Dinge sind es aber eben auch nicht. Ich bin sehr gespannt, was uns der Senat perspektivisch bis Ende Februar 2009 dazu aufschreibt. Dann werden wir diskutieren, was wir noch von der wenigen verbleibenden Zeit unter Rot-Rot an Realisierung erwarten können.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Ströver! – Für die FDPFraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Meyer das Wort. – Bitte!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst muss ich meiner Verwunderung nach den Beiträgen meiner Vorrednerinnen Ausdruck verleihen, was man alles in der Debatte über diesen Antrag und die Antragsbegründung, Frau Lange, ausführen kann. Der Antrag besteht tatsächlich aus fünf Zeilen. Letztlich müssen wir nicht über Erfolge oder Misserfolge der Kulturpolitik des Senats sprechen. Wir wollen über diesen Antrag sprechen. Wir als FDP finden diesen Antrag gut. Er ist gelungen, weil er kurz und konkret ist und dementsprechend auch dieser Senat in der Lage ist, diesen kurzen, konkreten Berichtsauftrag umzusetzen.