Protocol of the Session on September 25, 2008

Als Beispiel unserer Fürsorge: Wir haben einen gültigen Tarifvertrag. Er gilt bis Ende 2009. Gleichwohl hat der Senat den Beschäftigten ein Angebot gemacht, das von den Gewerkschaften abgelehnt wurde. Die Gewerkschaften sind vom Tisch aufgestanden. Fordern Sie bitte nicht uns auf, weiterzuverhandeln, sondern die Gewerkschaften!

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und der FDP]

Trotzdem leisten sich der Senat und das Land Berlin die zwei Einmalzahlungen, trotz der noch nicht geringer gewordenen Schulden. Ich darf Sie noch einmal daran erinnern: Die 60 Milliarden Euro sind immer noch fast erreicht. Die Tarifverhandlungen werden inhaltlich und auch wegen der Zahlen schwierig werden, aber sie werden zu der Zeit kommen, wenn der Tarifvertrag abgelaufen ist.

Jetzt möchte ich gerne zu dem Wahrheitsgehalt der Behauptungen der CDU kommen. Der Stellenpool ist gescheitert? – Wir haben kein Urteil vorliegen. Es gibt noch nicht einmal eine Presseerklärung des Senats. Herr Henkel hat die Kristallkugel aufgemacht und liest darin: Es ist alles gescheitert. – Es geht um die Versetzung von zwei Beamten aus einem Bezirk in den Stellenpool. Der Bezirk, nicht der Senat, Herr Henkel, hat die Herrschaften versetzt, und der Bezirk, nicht der Senat hat es verabsäumt, den Personalrat zu beteiligen. Bitte, Herr Henkel, was kann dann der Senat dafür? Niemand kann seriöserweise sagen, was in dem Urteil stehen wird, aber die Kristallkugel des Herrn Henkel sagt es ihm schon. Die Diskussion kommt viel zu früh. Wir wissen noch nicht, was darin steht.

Lieber Herr Henkel! Der Stellenpool hat im Moment etwa 3 000 Mitarbeiter. Davon sind 477 Beamte. Der Stellenpool hat über 5 000 Mitarbeiter in den letzten Jahren entweder in den Ruhestand verabschiedet oder davon 3 500 auf sinnvolle Stellen versetzt. Der Stellenpool ist ein Mittel zur Verlagerung des Personals dahin, wo es Aufgaben gibt, weg von den Aufgaben, die sie nicht mehr haben. Erzählen Sie mir bitte nichts von Scheitern! Sie könnten seriöserweise sagen: Das sind Anfangsschwierigkeiten, schlechte Kommunikation. – Scheitern ist nicht wahr!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Trotz des Abbaus von 20 Prozent Personal in den letzten Jahren, in der letzten Legislaturperiode, ist es einigen Verwaltungen komischerweise gelungen, bessere Leistungen für den Bürger zu erzielen, wie kürzere Warte

zeiten – ich nenne die Kraftfahrzeugzulassungsstelle, unter anderem in der Jüterboger Straße –, trotz der unzumutbaren Bedingungen für Mitarbeiter und Kunden dort vor Ort. Das ist eine Leistung.

Lieber Herr Ratzmann, jetzt muss ich Sie einmal anschauen. Nicht alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Land Berlin sind so demotiviert, wie Sie vorhin mit dem Hinweis auf die Krankenstände gesagt haben. Sie haben vorhin in Ihrer Begründung der Aktualität davon gesprochen. Ich darf Ihnen noch eines sagen: Als ich hier anfing, hatten wir noch doppelt so viel Personal und 14 Prozent Krankenstand, nicht weniger. So weit zum Thema zu viel Personal und Krankenstände.

Jetzt kommen wir zum Anwendungstarifvertrag. Der sei rechtswidrig, sagt die Kristallkugel von Herrn Henkel. Was haben wir denn hier? – Wir haben eine neue EURichtlinie und ein Antidiskriminierungsgesetz, die sagen, der BAT klappt nicht mehr. Da ist ein junger Mann, der das gleiche Geld wie ein alter haben darf. Darüber freuen sich die jungen Männer, klar, und die jungen Frauen auch. Aber das sagt doch nicht, dass der Anwendungstarifvertrag rechtswidrig ist, sondern der BAT. Das ist ein neues Problem, und ich denke, der Senat wird gut beraten sein, dieses Urteil sehr intensiv auszuwerten und eventuell auch zum Bundesarbeitsgericht zu gehen.

Jetzt zu dem unvertretbaren Bearbeitungsstau bei der Beihilfe: Da kommt die Diskussion einmal nicht zu früh, sondern deutlich zu spät. Denn es war tatsächlich ein unzumutbarer Zeitraum, in dem die Sachen bearbeitet wurden. Aber gestern haben spontan zwei Beamte im Hauptausschuss gesagt – einer davon aus diesem Hause, der andere aus einer anderen Verwaltung –: Ich hatte meine Beihilfe nach einer Woche.

Es ist also alles prima jetzt. Der Senat hat gehandelt. Er hat Personal eingesetzt. Die Altfälle werden dauern. Aber dafür gab es Abschläge. Bei der Beihilfe gibt es keine neuen Staus mehr. Und das ist eine gute Nachricht für die Beamtinnen und Beamten und für die Pensionäre.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Letzter Satz: Verehrter Herr Henkel! Trotz der neuen Aufgabe ist Ihr Auftritt hier nicht überzeugender geworden. Ich ganz persönlich – und ich fürchte, auch der größte Teil meiner Fraktion – glaubt Ihnen nicht, dass Sie wirklich ernsthaft an die Probleme dieser Stadt herangehen wollen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Das Wort für die Fraktion der Grünen hat der Kollege Schruoffeneger!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Kollegin Flesch hat einen richtigen Satz gesagt.

[Uwe Goetze (CDU): Immerhin!]

An die CDU gewandt hat sie gesagt: Eine wirkliche Zukunftsvision entwickeln Sie auch nicht. – Das ist richtig, und das ist bedauerlich. Das eigentliche Problem in dem Satz ist das „auch“, denn die CDU ist die Opposition, und von denen muss man das nicht unbedingt erwarten.

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Aber dass die Regierung sie nicht entwickelt, ist nun wirklich tragisch für diese Stadt.

Kommen wir zum Thema der Aktuellen Stunde. Die Frage, ob Rot-Rot die Fürsorgepflicht für den öffentlichen Dienst vernachlässigt, kann man ganz eindeutig mit einem Ja beantworten. Nur interpretieren wir, denke ich, das Wort Fürsorgepflicht etwas weitgehender, als Herr Henkel das gemacht hat.

Fürsorgepflicht für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter heißt klare Vorgaben sowohl in der Personalpolitik generell wie auch auf die einzelne Person bezogen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brauchen Verlässlichkeit, denn sie ist die Grundvoraussetzung für Flexibilität, die wir alle immer wieder vom Personal des öffentlichen Diensts einfordern. Flexibilität aber ohne Planung und Verlässlichkeit ist in der Realität nur Chaos und Willkür.

Personalplanung – also eine Grundvoraussetzung für Flexibilität und Verlässlichkeit – gibt es in Berlin nicht. Stattdessen werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kurzfristig in den Stellenpool geschoben, um anschließend Personal von dort zurückzufordern. Individuelle Personalentwicklungspläne gibt es nicht, weder in den Verwaltungen, noch im Stellenpool. Dafür fehlen alle Voraussetzungen.

Klare Zielstrukturen der öffentlichen Verwaltung, politische Entscheidungen, welche Aufgaben die öffentliche Verwaltung in Zukunft in welcher Qualität erfüllen soll, fehlen. Sie wären aber eine Voraussetzung, um dann zu sagen, wo wir Personal einsetzen und wo wir auf Personal verzichten. Der Mut zu diesen politischen Entscheidungen fehlt Rot-Rot, denn das hieße, Prioritäten zu setzen und damit automatisch auf einige andere, weniger wichtige Dinge zu verzichten.

Erst der, der diese seriöse Klarheit schafft, kann dann Personalplanung überhaupt erstellen. Stattdessen werden die Beschäftigten als Spielbälle im Streit der Verwaltungen missbraucht. Die Stellen werden gestrichen, weil Aufgaben angeblich wegfallen. Die Beschäftigten sind dann im Pool, und von da werden sie dann wieder zurückgeholt, weil man feststellt, dass die Aufgaben doch noch, nun aber in Form von Übergangseinsätzen, erbracht werden müssen. Beispiel 1, Herr Finanzsenator Sarrazin, ist das Landesamt für die Regelung offener Vermögensfragen: Hier wurden 30 Stellen in den Pool geschoben und 30 wieder zurückgeholt. Ohne diese Übergangs-einsätze ist das Landesamt nicht einsatzfähig. Das zweite Beispiel:

das Landesamt nicht einsatzfähig. Das zweite Beispiel: die Musikschule Mitte. Hier wurden im letzten Jahr die Stellen der Musikschullehrer gestrichen. Mittlerweile arbeiten sie alle wieder im Übergangseinsatz in dieser Einrichtung.

Das ist Haushaltskosmetik. Das dient dazu, so zu tun, als ob man Personal gespart hätte. In Wirklichkeit vermeidet es strukturelle Entscheidungen auf dem Rücken der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Dieses Verfahren, Frau Flesch, führt auch dazu, dass der Stellenpool faktisch gescheitert ist. Da kann man jetzt so viel Urteilsanalyse betreiben, wie man will, und sagen, das seien nur zwei Einzelfälle gewesen. Das ist alles geschenkt. Das, was der Stellenpool eigentlich machen müsste – nämlich die individuelle Betrachtung der betroffenen Person, die Frage, wo sie in zwei Jahren arbeiten soll und welche Weiterqualifizierung sie dafür braucht –, alle diese Fragen werden nicht gestellt, weil man gar keine Zielplanung hat und nicht weiß, welche Stellen man künftig besetzen will, und weil man die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Übergangseinsätzen verschleißt.

Besonders dramatisch ist das beim pädagogischen Personal: Ganze zehn Prozent der pädagogischen Mitarbeiter im Pool haben in den letzten drei Jahren eine Weiterbildung bekommen. Und dann wundert man sich, dass bei der Besetzung der Kinderschutzstellen das Ergebnis herauskommt, diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind dafür angeblich nicht qualifiziert! Man hat es überhaupt nicht versucht, sie dafür zu qualifizieren. Stattdessen hat man 300 von ihnen wieder in die Kindertagesstätten zurückgeschickt, wo man ihre Stellen vorher gerade abgebaut hatte. So kann es nicht gehen!

[Beifall bei den Grünen]

Das zweite Beispiel: der Solidarpakt. Der Kollege Ratzmann hat in der Begründung schon etwas dazu gesagt. Statt sofort spürbare Gehaltserhöhungen für mittlere und untere Gehaltsgruppen durchzusetzen und den Solidarpakt für die anderen modifiziert zu verlängern, hat der Senat eine Blockadehaltung in den Tarifverhandlungen eingenommen. Er hat damit auch die Weitergeltung der alten BAT-Strukturen in Berlin als einzigem Bundesland verursacht – das hätte man alles regeln können, dann hätte man dieses Urteil nicht haben müssen –, und das führt dann automatisch dazu, dass im Jahr 2010 die Personalkosten auf einen Schlag um rechnerisch 400 Millionen Euro steigen. Damit kommen wir, ob wir wollen oder nicht, in eine neue Diskussionsrunde über die Personalkosten im Land, und wir müssen die Frage beantworten, warum sie hier so viel höher sind als in Hamburg.

Es geht da nicht darum, im Status quo zusätzliches Personal einzusparen. Das würde in die Katastrophe führen. Aber wir müssen uns ganz real die Frage stellen, warum wir nicht bei der Arbeit in der Schule mit den Kindern, nicht bei den Lehrern, nicht bei den Erziehern, aber in der Verwaltung der Verwaltung – in der Schulverwaltung, in

der Polizeiverwaltung – Personalüberhang gegenüber anderen Bundesländern und Stadtstaaten haben.

Das hat etwas mit der Effizienz der Berliner Verwaltung zu tun. Das ist kein individuelles Versagen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das sind schlechte Verwaltungsstrukturen. Das sind Abzeichnungslisten, wo man fast Anlagen braucht, um die ganzen Unterschriften draufzukriegen, viel zu lange Bearbeitungsläufe, auch Krankheitsraten. Das alles ist nicht individuelle Schuld von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sondern hat etwas mit Zielvorgaben, mit Personalführung, mit Motivation und mit dem Arbeitsklima in den Verwaltungen zu tun.

[Beifall bei den Grünen]

Insbesondere die Qualifizierung der mittleren Leitungsebene, auch in Fragen der Personalführung, ist eine dringende Notwendigkeit in der Berliner Verwaltung. Wer das nicht tut, kann die fehlende Motivation, die sich in weiten Teilen der Berliner Verwaltung in mangelnder Effizienz zeigt, nicht in den Griff bekommen.

Wir brauchen dringend auch einen zusätzlichen Pool an jüngeren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, um der Vergreisung der Verwaltung etwas entgegenzustellen. Auch das muss endlich diskutiert werden, und Stellen dürfen nicht nur dann neu besetzt werden, wenn irgendwo die Luft wirklich brennt und gar nichts mehr geht. Ein so genannter Verjüngungspool ist eine dringende Notwendigkeit, um nicht in fünf Jahren in der Katastrophe zu landen.

[Beifall bei den Grünen]

Wer das alles nicht tut und stattdessen sechs Monate braucht, um über die Besetzung von 24 dringend notwendigen Stellen auf Senatorenebene zu diskutieren, der vernachlässigt eindeutig seine Fürsorgepflicht!

[Beifall bei den Grünen]

Aber dieser Senat vernachlässigt nicht nur seine Fürsorgepflicht gegenüber den eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern auch gegenüber der Stadt und der Bevölkerung. Die Finanzplanung hat diesen massiven Ausgabeanstieg beim eigenen Personal im Jahr 2010 statt einer Fortschreibung des Solidarpakts. Gleichzeitig wird bei den Ausgabelinien für die Zuwendungsempfänger aber eine Fortschreibung auf Nullniveau durchgeführt. Das heißt aber, dass der gesamte Bereich der Zuwendungsempfänger, die ja mittlerweile wesentliche Leistungen auch der öffentlichen Verwaltung übernommen haben – die Gesundheitsprojekte, die Sozialprojekte, die ganzen pädagogischen Einrichtungen, die Frauenprojekte, aber auch Theater und Hochschulen –, neben den Kürzungsrunden der letzten Jahre faktisch seit acht Jahren keine Tariferhöhungen und keinen Inflationsausgleich bekommen hat, dadurch also eine weitere Kürzung um 25 bis 30 Prozent erfolgte. Dies ist unzumutbar. Das weiß auch jeder.

[Beifall bei den Grünen]

Wer einerseits den großen Schluck aus der Pulle für das eigene Personal nimmt, nur um den leichten Weg zu ge

gehen und strukturelle Entscheidungen zu vermeiden und die politische Diskussion scheut, andererseits aber sagt, alle anderen in der Stadt sollten sehen, wie sie damit fertig werden, der zerschlägt ganz bewusst wichtige Teile der Infrastruktur dieser Stadt. Personalwirtschaft und Personalführung heißt verlässlichen und transparenten Umgang mit Personal insgesamt und den einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wer das nicht tut – der Senat ist davon meilenweit entfernt – vernachlässigt letztlich die Fürsorgepflicht.

Frau Flesch! Wenn Sie sagen: Das war nur ein Bezirksamt. – Es war nur ein Bezirksamt, das es nicht geschafft hat, die Personalräte rechtmäßig zu beteiligen. Dass ausgerechnet dieses Bezirksamt dies mit einer PDSMehrheit tut und auch die Verantwortung für dieses Ressort dort liegt, sagt einiges über Ihre Personalpolitik aus.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Das Wort für die Linksfraktion hat Frau Abgeordnete Seelig – bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist in unserem Haus gutes Recht und guter Brauch, dass Oppositionsfraktionen Vorschläge zur Aktuellen Stunde nicht nur einbringen, sondern Ihre Themen auch Mehrheiten erhalten. Dennoch habe ich mich die ganze Zeit gefragt, was ausgerechnet die CDU reizt, das Thema Personal in den Mittelpunkt zu stellen, denn das Ihre Partei davon nichts versteht, haben Sie in den letzten Wochen ausreichend bewiesen.

[Dr. Robbin Juhnke (CDU): Ah!]