Protocol of the Session on September 25, 2008

Herr Präsident! Meine Frage richtet sich an den Bildungssenator Prof. Dr. Zöllner. Das ist keine Überraschung, aber das letzte Mal habe ich Herrn Wowereit gefragt. – Herr Bildungssenator! Haben Sie Kenntnis von der Statistik des Elternzentrums Berlin mit Stand vom 19. September, wonach an der Marianne-Buggenhagen-Schule 150 Schulhelferstunden, an der Albatros-Schule 33 Schulhelferstunden, an der Carl-von-Linné-Schule eine ganze Schulhelferstelle, an der Bernhard-Grzimek-Grundschule

Schulhelfer für fünf autistische Kinder, an der 12. Sonderschule Lichtenberg 15 Schulhelferstunden und an der Schule am Stadtrand 39 Schulhelferstunden fehlen? Was sagen Sie zu diesen Zahlen? Wann werden Sie in diesem wichtigen Bereich für die Betroffenen endlich Abhilfe schaffen?

Diese spontane Frage entspricht der Mündlichen Frage Nr. 17, die auf der Tagesordnung ist. Insofern ist diese spontane Frage nicht zulässig.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Özcan Mutlu (Grüne): Das stimmt nicht! – Weitere Zurufe von den Grünen]

Damit hat die Fragestunde ihr Ende gefunden.

Ich rufe nun auf

lfd. Nr. 3:

Aktuelle Stunde

Vernachlässigt Rot-Rot die Fürsorgepflicht für den öffentlichen Dienst? – Stellenpool gescheitert, Anwendungstarifvertrag rechtswidrig und unvertretbarer Bearbeitungsstau bei der Beihilfe!

Antrag der CDU

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redner aufgeteilt werden kann. Für die CDU-Fraktion beginnt der Fraktionsvorsitzende. – Bitte schön, Herr Henkel, Sie haben das Wort! – Das ist sozusagen die Jungfernrede.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn es noch einiger Beweise dafür bedurft hätte, wie schlecht es um die rot-rote Personalpolitik im Land Berlin bestellt ist, so hätte man dafür in den vergangenen Wochen mehr als genug finden können: Die Stadt wird durch einen monatelangen Dauerstreik im öffentlichen Dienst gelähmt, dessen Ende nicht abzusehen ist. Der Finanzsenator und der Wirtschaftssenator geraten sich öffentlich über den weiteren Personalabbau in der Verwaltung in die Haare. Gerichte stellen innerhalb weniger Tage zwei Kernelemente Ihrer Personalpolitik infrage, den Anwendungstarifvertrag und den zentralen Stellenpool. Beamte müssen zum Teil monatelang auf die gesetzliche Erstattung für ihre Arztrechnungen warten, weil die Beihilfestelle überlastet ist und unzählige Vorgänge unbearbeitet herumliegen. – Das alles führt zu einer massiven Verunsicherung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes.

[Beifall bei der CDU]

Jedes einzelne dieser hausgemachten Probleme ist aber auch eine Ohrfeige für Rot-Rot.

[Beifall bei der CDU]

Das Gesamtbild, das Sie abgeben, ist verheerend und zeigt, dass Ihre Personalpolitik sowohl im Grundsatz als auch im Detail gescheitert ist. Wir reden dabei nicht über Kleinigkeiten. So kann z. B. die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts zur Bezahlung nach Lebensaltersstufen sehr teuer für Berlin werden, auch wenn diese Konsequenz noch nicht in vollem Umfang abzusehen ist. Die Gewerkschaft der Polizei hat gestern ihre Mitglieder in einem Rundbrief aufgefordert, dass jeder Benachteiligte seine Ansprüche geltend machen solle. Entsprechende Musterbriefe seien in Vorbereitung, die Rechtsabteilungen würden das Vorgehen prüfen. Es wäre also fatal, jetzt einfach die Hände in den Schoß zu legen. Ich bin gespannt auf die Erklärung des Senats, wie er mit dieser Situation umgehen wird, die durch die Abkoppelung des Berliner Tarifrechts vom übrigen Bundesgebiet entstanden ist.

Ich bin ebenso gespannt darauf, wie Sie auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts reagieren, wonach der zentrale Stellenpool für Beamte in der jetzigen Konstruktion verfassungswidrig ist, und wie Herr Sarrazin das Überhangmanagement endlich zu einem effektiven Steuerungsinstrument machen will.

Selbstverständlich muss an dieser Stelle auch Ihr unsäglicher Umgang mit den Beschäftigten im Tarifkonflikt thematisiert werden.

[Beifall bei der CDU]

Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes haben 2003 in einer schwierigen Haushaltslage einen bedeutenden Konsolidierungsbeitrag geleistet. Es gibt auch heute kaum finanzielle Spielräume, um auf diesen Beitrag verzichten zu können. Deshalb sagen auch wir: Am Ziel der Haushaltskonsolidierung darf nicht gerüttelt werden. – Die Beschäftigten fordern aber gar nicht, die damaligen Kürzungen vor Auslaufen des Tarifvertrages umzukehren. Das wäre auch unverantwortlich, denn finanziell ist Berlin trotz gestiegener Steuereinnahmen längst nicht über den Berg. Das schrittweise Auslaufen der Solidarpaktmittel bis 2019, steigende Pensionszahlungen, das Auslaufen des Solidarpaktes im öffentlichen Dienst, ein möglicher wirtschaftlicher Abschwung – da kommen noch gewaltige Aufgaben auf Sie zu, Herr Finanzsenator!

Nein! Es geht nicht darum, das Füllhorn auszuschütten. Die Beschäftigten fordern vielmehr eine moderate Anpassung der Löhne und Gehälter an eine veränderte Lebensrealität.

[Beifall bei der CDU]

Die Inflation und vor allem die gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreise treffen gerade die Menschen in den unteren Besoldungs- und Tarifgruppen hart. Es ist für uns ein unhaltbarer Zustand, dass viele dieser Beschäftigten auf ergänzende Sozialtransfers angewiesen sind und manchmal sogar Nebenjobs annehmen müssen. Wir sind der festen Überzeugung, dass eine Politik des sozialen Ausgleichs nicht vor den Landesbeschäftigten haltmachen

darf. Das ist eine Frage der Fürsorgepflicht und des sozialen Umgangs.

[Beifall bei der CDU]

Die CDU-Fraktion bleibt daher bei ihrer Forderung, noch im Jahr 2008 eine vertretbare Tariferhöhung durchzuführen – orientiert an der Inflationsrate und beginnend bei den niedrigen Lohn- und Gehaltsgruppen. Das ist finanzpolitisch darstellbar. Wir erwarten, dass der Senat dabei gemeinsam mit den Beschäftigten zu einer Lösung kommt und nicht gegen sie.

[Beifall bei der CDU]

Aber leider schalten Sie weiter auf stur und setzen auf ein einseitiges Lohndiktat. Herr Körting hat erst vergangene Woche bekräftigt, dass bis zum Jahr 2010 alles beim Alten bleiben wird. Der Fall sei abgehakt. Herr Wowereit bezeichnet streikende Polizisten als Querulanten. Diese Äußerungen zeigen, dass Sie nicht verstehen, warum die Menschen überhaupt streiken. Ihr Verhalten ist ein Ausdruck sozialer Kälte und weit von dem entfernt, was sich Rot-Rot immer gerne auf seine Fahnen schreibt.

[Beifall bei der CDU]

Natürlich löst eine maßvolle Lohnanpassung nicht das prinzipielle Problem im öffentlichen Dienst. Im Jahr 2010 läuft der Solidarpakt aus, und spätestens dann müssen Sie sich ohnehin mit der weiteren Personalentwicklung und den Personalkosten beschäftigen, dies allein schon deshalb, weil der weitere Umgang mit den Arbeitszeitkonten im Wert von mehreren 100 Millionen Euro überlegt werden muss. Es wäre kurzsichtig, erst in zwei Jahren damit zu beginnen. Es muss schon jetzt ein Paket erarbeitet werden, das die langfristige Personalentwicklung thematisiert. Auch hier ist der Senat bislang ohne jedes Konzept.

Herr Wolf hat sich erst kürzlich heftig mit Herrn Sarrazin darüber gestritten, wie viele weitere Stellen abgebaut werden sollen. Ich frage Sie, Herr Sarrazin: Wozu brauchen Sie 93 500 Mitarbeiter? Das ist in etwa Ihre Zielgröße. Ich möchte Herrn Wolf fragen: Wozu benötigt er 100 000 Mitarbeiter? Das ist seine Zielgröße. Sie wissen es nicht. Sie wissen nicht, worüber Sie sich streiten, weil Sie nicht wissen, wie ein moderner und leistungsfähiger öffentlicher Dienst der Zukunft aussehen und welche Leistungen er mit welchem Personal für die Bürgerinnen und Bürger erbringen soll.

[Beifall bei der CDU]

Solange Sie das nicht wissen, können Sie es sich sparen, in Abständen immer wieder irgendwelche Zahlen in den Raum zu werfen und damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unserem öffentlichen Dienst weiter zu verunsichern.

Wir haben bereits in der Enquetekommission zur Zukunft Berlins argumentiert, dass sich eine Haushaltskonsolidierung nicht auf einen zahlenmäßigen Stellenabbau reduzieren lässt. Es müssen vielmehr die Strukturen für wirtschaftliches Arbeiten geschaffen und der Dienstleistungscharakter der öffentlichen Einrichtungen in den Vor

dergrund gestellt werden. Dazu gehören ein professionelles Management für den Personalüberhang, die verbindliche Definition von Leistungen, Aufgabenkritik und ein effektiver und effizienter Ressourceneinsatz. Die Beschäftigten müssen dort eingesetzt werden, wo sie als Dienstleister Leistungen für den Bürger erbringen. Für meine Fraktion ist es unstreitig, dass wir einen leistungsfähigen und motivierten öffentlichen Dienst als bürger- und wirtschaftsorientierten Standortfaktor brauchen. Bis dahin ist es aufgrund der beschriebenen Defizite leider noch ein weiter Weg.

Unsere Initiativen dazu haben wir in diesem Hause schon lange unterbreitet.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Hat keiner mitgekriegt!]

Jetzt ist der Senat an der Reihe, endlich zu handeln und seine Hausarbeiten zu machen. – Herzlichen Dank!

[Beifall]

Vielen Dank! – Das Wort für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Frau Flesch.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Henkel! Worte von der CDU erlebe ich jetzt schon lange. Ich erlebte Worte von der CDU in einer Zeit, wo wir gemeinsam in Regierungsverantwortung waren. Ich kann mich noch sehr gut erinnern, wie „begeistert“ die CDU-Fraktion unter den damaligen Vorsitzenden, die CDU-Senatoren oder Staatssekretäre bei Aufgabenkritik, bei der Modernisierung der Berliner Verwaltung und beim Personalabbau mitgearbeitet haben. Bitte, sehen Sie es mir nach: schöne Worte, nichts dahinter!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Als ich das Thema dieser Aktuellen Stunde las, dachte ich erst einmal: Zusammengewürfelt! Da sind ein paar Sachen hintereinander passiert, daraus macht man jetzt das große Thema. – Es ist aber nicht das eine große Thema. Das Einzige, das ich Ihnen sagen kann, ist: Ja, natürlich, über das Thema „Weiterentwicklung des Personals“ müssen wir uns unterhalten, aber, Herr Henkel, es tut mir leid, mir Ihrer Fraktion hat das keinen Sinn.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Mario Czaja (CDU): Mäßiger Applaus!]

Bei uns ist das nicht so gesteuert. Ich werde nicht von meinem Kollegen in der Reihe hinter Ihnen gesteuert.

[Beifall bei der SPD]

Die Diskussion, die Sie führen, blähen Sie mit Worten auf, die sich modern anhören, aber eine wirkliche Zukunftsidee entwickeln Sie auch nicht.

[Michael Schäfer (Grüne): Sie auch nicht!]

Ein haushaltspolitisches Konzept hat die CDU noch nie gehabt.

Rot-Rot hat sich hingegen nach den Jahren mit Ihnen den haushaltspolitischen Herausforderungen Berlins gestellt und insbesondere das Problem des deutlich zu vielen Personals angegangen, unter anderem durch einen neuen Weg, den Weg des Stellenpools. Das gab es vorher noch nicht. Er wurde ausprobiert und ertüchtigt und hat sich inzwischen auch verändert.