Der Antrag der roten Koalition ist schon differenzierter, wenn sich man auch des Eindrucks nicht erwehren kann, dass durch die knapp elf Monate unterschiedliche Beantragung der Anträge teilweise der Grünen-Antrag abgekupfert ist. Aber auch dieser Antrag stellt nur schlicht und ergreifend fest, dass der Massengütertransport von und
nach Berlin nachgelassen habe, ohne zu hinterfragen, warum das in Berlin so ist und Berlin so ins Hintertreffen gelangt ist gegenüber anderen Regionen – unterstellt, dass das immer so bleiben möge. Wir Liberalen haben sehr wohl die Hoffnung, dass sich dies – also die wirtschaftliche Entwicklung – mit einer anderen Wirtschaftspolitik in der Stadt wieder ändern sollte. Auch darauf müsste man sich vorbereiten.
Kommt es an Havel und Spree zu einem Realisierungsstopp für Schifffahrtsverbesserungsmaßnahmen, wird es wieder einmal Berlin treffen, wieder eine Chance an Berlin vorbeigehen, diesmal mithilfe von Containerschiffen umweltfreundliche Umwege zu vermeiden und ein ökologisch sinnvolles Verkehrsmittelnetz zu ermöglichen. Fünf kleine Schiffe haben mehr Emissionen als ein großes, Herr Buchholz! Das bekommen Sie auch nicht wegdiskutiert.
Dennoch: In Ihrem Antrag finden sich auch nachvollziehbare Punkte. Die CDU hat auch welche gefunden wie die Stärkung der Nutzungsmöglichkeit der Uferbereiche durch die Öffentlichkeit, aber bitte, ohne gleich wieder quasi Enteignungen der Grundstückseigentümer vornehmen zu wollen. Gegen Ersatzmaßnahmen ist auch nichts zu sagen, wenn sie nicht gleich wieder zu weiteren Fällungen von Bäumen nutzen wie vor drei Jahren im Rudolf-Wilde-Park in Tempelhof-Schöneberg. Kurzum: Wir tragen die Vorschläge mit, die Wettbewerbsbedingungen der Binnenschifffahrt verbessern zu wollen, Straßensperrungen bei Austausch von Brücken zeitlich zu – –
Ich bin sofort am Ende! –, ein Konzept zur Verlagerung von mehr Güterverkehr auf das Wasser zu erarbeiten
und ein anderes Konzept für die Binnenschifffahrt zwischen Berlin und dem Rest der Welt mit dem Bundesverkehrsministerium und den betroffenen Verkehrsverbänden zu entwickeln. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Weingartner! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich lasse abstimmen.
Zum Antrag der Fraktion der Grünen empfiehlt der Ausschuss – gegen die Fraktion der Grünen – die Ablehnung auch mit geändertem Berichtsdatum. Wer dem Antrag
seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der Grünen. Gegenprobe! – Das sind alle anderen Fraktionen. Enthaltungen? – Sehe ich nicht! Damit ist der Antrag abgelehnt.
Zum Koalitionsantrag empfiehlt der Ausschuss einstimmig – bei Enthaltung der Oppositionsfraktionen – die Annahme mit dem neuen Berichtsdatum 31. Dezember 2008. Wer dem seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenprobe!
Entschuldigung! Das habe ich nicht gesehen. – Die Gegenprobe bitte! – Enthaltungen? – Das sind der Rest der Fraktion der FDP, die CDU-Fraktion und die Fraktion der Grünen. Damit ist der Antrag angenommen.
Das ist die Priorität der Fraktion der CDU unter dem Tagesordnungspunkt 52. – Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion der CDU. Frau Demirbüken-Wegner hat das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist fast genau einen Monat her, dass der Jugendsenator hier von diesem Ort aus Berlin bundesweit als Vorreiter in Sachen Kindesschutz rühmte. Gleichzeitig rügte er die Opposition und verwies darauf, dass in keinem anderen Bundesland so beispielhaft gearbeitet wurde. Ich zitiere:
Doch Prof. Zöllner war bereits zu diesem Zeitpunkt mit dem Berliner Kinderschutzsystem nicht mehr der Erste unter den Bundesländern und vor allem kein Perfektionist, was das Ineinandergreifen von Hilfen und insbesondere die frühzeitige Intervention betrifft. Zwar räumte der Senator ein, dass es immer noch hier und dort hakt, aber er verdeutlichte nicht, wo es Defizite gibt und welche Maßnahmen er und Frau Lompscher ergreifen wollen, um das derzeitige System zu einem nachhaltigen Schutzsystem zu entwickeln. Deshalb hat die CDU-Fraktion heute erneut dieses Thema zur Priorität gemacht. Ich hoffe, das ärgert Sie nicht zu sehr, meine Damen und Herren von der Koalition, doch es muss deutlich ausgesprochen werden: Das
Kinderschutzsystem in Berlin gleicht immer noch einer Art Notfeuerwehr, die zwar kurzfristig und kurzzeitig aufflackernde Brände löscht, aber die Brandherde nicht nachhaltig unter Kontrolle bekommen kann.
Es fehlt Personal an allen Ecken und Enden. Die Netzwerkwirkung zwischen den Bereichen Gesundheit und Jugend in den Bezirken bleibt mehr oder weniger dem Zufall überlassen. Die Jugend- wie Gesundheitsämter sind nicht in der Lage, flächendeckend die neue AV Kinderschutz umzusetzen. Wertvolle Ressourcen, die in der Arbeit von Hebammen, Ärzten und Familienhelfern liegen, werden wenig oder gar nicht genutzt. Die Elternarbeit, insbesondere die aufsuchende Elternarbeit, ist nach wie vor ein Stiefkind dieses Senats. Von einem Frühwarnsystem kann überhaupt noch nicht die Rede sein. Während andere Bundesländer gerade in diesen Bereich investieren, Elternschulen gründen, Mutter-Kind-Projekte fördern, besondere Risikogruppen bereits während der Schwangerschaft betreuen und enge Kooperationsverbünde zwischen Hebammen, Ärzten und Jugendämtern sowie Gesundheitsämtern bilden, setzt der Senat sein eigenes Konzept nicht um, obwohl er selbst formulieren ließ – ich zitiere –:
Um Vernachlässigung und Misshandlung zu vermeiden, bedarf es der frühzeitigen Identifikation von Risikofaktoren und der Einleitung von Hilfen.
Das ist alles richtig, bloß merken tut man von den in diesem Zusammenhang angedachten Maßnahmen herzlich wenig. Das bestätigt sich auch durch die Antwort des Senats hinsichtlich der Akzeptanz und Wirkung des viel gerühmten „Ja-bitte-Bogens“. Demnach ist dessen Existenz der Mehrheit weder bekannt, noch ist er als Einlegebogen im Mütterpass zu finden. Perfekt kann ich das nun gerade nicht nennen, Herr Professor Zöllner.
Nach diesen Bemerkungen werden Sie mir sicher wieder vorwerfen, dass die CDU die Erfolge der Koalition beim Kinderschutz schlechtreden will, denn man sei auf dem richtigen Weg. Ja, der Weg ist richtig! Aber vom Ziel sind wir noch sehr weit entfernt. Sie werden mir auch wieder vorwerfen, die CDU verschweige, dass schließlich 300 000 € für die Elternarbeit ausgegeben werden. Ja, es wird Geld ausgegeben! Aber mit welchem Erfolg? So müsste ich zu meiner Überraschung in der Beantwortung der schon erwähnten Kleinen Anfrage „Frühestmögliche Präventionsmaßnahmen und aufsuchende Hilfen“ lesen, dass bisher nur durch drei Träger lediglich 55 Frauen betreut worden sind. Das sind im Durchschnitt 18,3 Frauen pro Träger, davon nur circa 30 mit Migrationshintergrund. Es gab keine weiteren erläuternde Ausführungen über Art, Umfang und Zeitdauer der Betreuung, keine Hinweise über die bezirkliche Anbindung der Frauen, keine Hinweise auf deren Probleme. Ein wirklich mageres Zeugnis und wenig Transparenz! Da hilft kein Leugnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen der rot-roten Koalition, die frühen Hilfen in Berlin stehen auf äußerst schwachen Füßen. Es muss mehr dafür getan werden.
Nur ein Vergleich: In anderen Bundesländern, die frühe Hilfen in Verbund mit Hebammen, Ärzten und Familienhelfern durchführen, werden weitaus mehr Frauen bzw. Familien betreut. Die Langzeiterfolge dieser Projekte in den anderen Bundesländern, diese Nurse-family-Programme, die auf die Bedürfnisse der Zielgruppe Schwangere in schwierigen Lebenslagen zugeschnitten sind, haben gezeigt, dass vor allem die Gesundheit der Mütter und Kinder verbessert werden konnte, die kindliche Entwicklung, vor allem die Sprachentwicklung vorteilhaft beeinflusst wurde, Misshandlungen und Vernachlässigungen konnten um 48 Prozent und spätere Verhaftungen im Jugendalter um 59 Prozent reduziert werden. Das zeigt beispielhaft, dass sich frühe Hilfen lohnen – für Mutter, Kind und Gesellschaft.
Wir werden deshalb auch nicht von unserem Vorhaben im Bereich der frühen Hilfen ablassen, entsprechende Schlussfolgerungen zu deren qualitativer Weiterentwicklung zu ziehen und vor allem ein Nurse-family-Programm gemeinsam mit anderen Akteuren aufzulegen, damit möglichst viele Familien und Frauen in schwierigen Lebenslagen erreicht werden.
Einen letzten Satz werden Sie mir bitte erlauben: Wir werden nicht locker lassen, und sollte es ebenso lange dauern wie mit unserem Vorschlag der Verbindlichmachung der Vorsorgeuntersuchung für Kinder. Um sich damit anzufreunden, hat die Koalition bekanntlich vier lange Jahre gebraucht. – Danke!
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Demirbüken-Wegner! – Jetzt hat für die SPD-Fraktion Frau Abgeordnete Scheeres das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben das Netzwerk Kinderschutz vor anderthalb Jahren auf den Weg gebracht, und ich sehe es etwas anders als Sie, Frau Demirbüken-Wegner: In den letzten anderthalb Jahren hat sich sehr viel getan, was die Umsetzung des Netzwerkes Kinderschutz angeht. Da muss man nur in die Bezirke schauen. Ich finde es sehr gut, dass eine intensive Diskussion um den Kinderschutz in den Bezirken und auf Landeseben stattfindet. Das ist wichtig, damit wir diesen Bereich kontinuierlich weiterentwickeln können.
An dieser Stelle möchte ich mich recht herzlich bei den Bürgerinnen und Bürgern bedanken, die aufmerksam und sensibel sind, was die Situation von Kindern angeht, dass sie sich trauen, dieses zu melden, wenn sie sich Sorgen machen. Das zeigt, dass die Hotline Kinderschutz angenommen wird, und das ist auch ein Erfolg. Ich möchte mich auch bei den Fachleuten bedanken, die das Netzwerk Kinderschutz mit Leben füllen.
Wesentliche Ziele bei der Weiterentwicklung des Kinderschutzes sind für die Koalition, dass wir schnelle und unbürokratische Hilfen anbieten und kompetente Ansprechpartner vor Ort haben. Die haben wir auch. Wir haben zentrale Anlaufstellen in den Bezirken und auch die Hotline Kinderschutz eingerichtet. Eine optimierte Zusammenarbeit aller Verantwortlichen muss stattfinden, und es geht darum, ein Frühwarnsystem aufzubauen. Wir wollen nicht erst auf Kinderschutzfälle reagieren, sondern wir wollen diese im Vorfeld vermeiden.
Ich finde es sehr gut, dass Sie die frühen Hilfen zur Priorität angemeldet haben, aber für uns ist dieses Thema schon ganz lange sehr wichtig, schon als wir das Netzwerk Kinderschutz konzipiert haben. Wir haben auch zusätzliche Mittel für diesen Bereich in den Haushalt eingestellt.
Unser Anliegen ist es, Familien bzw. Müttern frühzeitig Angebote zu machen. Wir wollen Eltern stärken, und wir wollen die Gesundheit von Kindern und Müttern fördern. Hier muss bereits in der Schwangerschaft angesetzt werden
Sie haben bereits den „Ja-bitte-Bogen“ angesprochen. Ich finde, er ist ein sehr wichtiges und gutes Instrument. Wir haben schon im Gesundheitsausschuss mitbekommen, dass der „Ja-bitte-Bogen“ bei den Fachleuten eingeführt wird und bereits verbreitet wurde. Die Träger wurden über den Bogen informiert. Die „Ja-bitte-Bögen“ liegen aus, und es ist wichtig, dass gerade die Ärzte die Mütter über diese Bögen informieren und deutlich machen, wie wichtig sie sind. Die Frauen können diese Bögen vor Ort abgeben, und sie erklären ihr Einverständnis damit, dass sie Hilfe annehmen wollen. Bei der Beantwortung des Fragebogens geht es aber auch darum, dass man die Frauen aufmerksam macht, damit sie Risiken für ihre Kinder einschätzen können. Für mich ist ein wichtiger Ansatz, dass es uns gelingt, gerade den Ärzten zu vermitteln, welche Ansprechpartner und Angebote es im Sozialraum gibt. Ich glaube, dass wir in diesem Bereich noch einiges tun müssen. Ein guter Ansatz sind die Kinderschutzkonferenzen, die in den Bezirken stattfinden. Ich glaube, dies ist ein Punkt, den man noch ausbauen kann.
Auf dem Feld der frühen Hilfen entstehen zur Zeit bundesweit sehr viele Ansätze. Es wird sehr viel ausprobiert. Es werden Erfahrungen gesammelt. Es ist sehr viel im Fluss. Wir in Berlin haben sehr konkret auf das Projekt aufsuchende Elternhilfe gesetzt. Diesen Ansatz haben wir ganz bewusst gewählt. Hier haben wir nämlich profes