Protocol of the Session on June 12, 2008

Dass wir dem nicht zustimmen, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben Sie sich sicher schon gedacht. Obwohl die CDU in Brandenburg und Hamburg die Braun- und

Steinkohleverstromung vorantreibt, obwohl sich Bündnis 90/Die Grünen in Hamburg mit der CDU auf keine Linie verständigen konnte, wollen Sie heute eine Positionierung von Rot-Rot in Berlin. Die haben Sie mit unserem Antrag erhalten. Wir lehnen die Pläne von Vattenfall für Klingenberg ab. – Punkt!

Der Kollege Schäfer erhält das Wort zu einer Kurzintervention. – Bitte!

Herr Liebich! Es ist schön, dass Sie die jetzigen Pläne ablehnen, aber das reicht nicht. Sie sollen ein Steinkohlekraftwerk ablehnen. Dieser klare Satz fehlt in Ihrem Antrag.

[Zurufe von der Linksfraktion]

Deshalb ist Ihr Antrag nicht zustimmungsfähig.

Ich komme zum Thema Moorburg und wende mich zunächst an die SPD. Ich zitiere:

In den zweistündigen Sondierungsgesprächen zwischen CDU und SPD in Hamburg haben die Sozialdemokraten zu erkennen gegeben, dass sie die Entscheidung für ein neues Kohlekraftwerk am Standort Moorburg mittragen würden.

Das sagte wörtlich Ihr Parteifreund Vahrenholdt. Die SPD sollte das Wort Moorburg einfach nicht mehr in den Mund nehmen.

[Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Sie sind eine Partei, der Klimaschutz egal ist. Es geht nur um wahltaktische Manöver und nichts weiter, obwohl es die Nummer 1 auf der Liste der SPD-Wahlversprechen in Hamburg war.

[Beifall bei den Grünen]

Zur PDS: Sie sagen, Herr Liebich, die PDS sei in Brandenburg gegen den Braunkohletagebau. Mal sehen, wie lange das noch so ist. Es gibt ein Strategiepapier der Linken, in dem steht:

Da niemand mit Bestimmtheit sagen kann, wie die Energieversorgung in ca. 20 Jahren tatsächlich aussehen wird, sollten wir uns den Zugang zur Kohleverstromung nicht behindern.

Das sagt der wirtschaftspolitische Experte der Linken. Zudem sagt er: Die Kampagne gegen das Kohlekraftwerk nutzt den Linken politisch nicht. Das können wir lassen. Sie nutzt nur den Grünen. – So wichtig ist Ihnen der Klimaschutz.

[Beifall bei den Grünen]

Zurück zu Moorburg: Wir haben dort die Situation, dass eine vorläufige Betriebsgenehmigung erteilt und ein Kraftwerk gekauft wurde. Mehrere Hundert Millionen € stehen für Vattenfall auf dem Spiel. Die Bagger rollen

schon, und die Baugrube wird bereits ausgehoben. Klimaschutz darf bei der rechtlichen Prüfung von der Senatorin qua Gesetz nicht berücksichtigt werden. Trotzdem haben die Grünen durchgesetzt, dass allein die Senatorin entscheiden kann.

Ich möchte hier mal sehen, dass Sie in dieser Koalition durchsetzen, dass allein Frau Lompscher über die Position des Senats zum Kraftwerk entscheiden kann. Das kann sie nicht, weil Herr Wowereit entscheidet. Herr Liebich, Sie setzen kein Stück durch. Sie kriegen es noch nicht einmal hin, in einem Koalitionsantrag den einfachen Satz unterzubringen: Wir lehnen ein Kohlekraftwerk in Berlin ab. – Noch nicht einmal das schaffen Sie.

[Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Und das, Herr Liebich, obwohl wir nicht die Hamburger Situation haben. Wir haben noch Monate, um Vattenfall eine politische Ablehnung des Kraftwerks deutlich zu machen.

[Zuruf von Daniel Buchholz (SPD)]

Wir können in Berlin noch auf der Basis des Klimaschutzes entscheiden. Sie bekommen es trotzdem mit der SPD nicht hin. Daran sehen Sie, wie schwach Sie sind. Dass Sie in dieser Situation auf die Grünen schimpfen, die in Hamburg alles erreicht haben, was noch zu erreichen war,

[Gelächter bei der SPD und der Linksfraktion]

die in Bremen das Kohlekraftwerk verhindert haben, zeigt, wie schwach Sie sind und wie wenig Sie das Thema Klimaschutz interessiert. Sie sollten den Mund nicht so weit aufmachen, wenn Sie nicht beißen können.

[Beifall bei den Grünen – Beifall und Gelächter bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank! – Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Kollege Schmidt. – Bitte schön!

[Uwe Doering (Linksfraktion): Einige Worte zur Atomkraft!]

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist doch klar: Dieses Steinkohlekraftwerk ist ein Fehler. Herr Schäfer! Lassen Sie sich nicht von Herrn Liebich aufs Glatteis locken! Wir reden hier über ein ganz konkretes Kraftwerk in Berlin zur Wärmeversorgung und nicht über Hamburg, Atomkraft oder die bundesdeutsche Energiepolitik, sondern nur über dieses konkrete Projekt, und da sind SPD und Linkspartei nicht in der Lage, eine klare Aussage zu machen.

[Beifall bei der FDP, der CDU und den Grünen]

Für uns als FDP ist das natürlich ein Klimaschutzthema, aber eben auch ein Wettbewerbsthema. Wir haben Angst, dass der Berliner Wärmemarkt im Wettbewerb Schaden

nimmt. Wir sehen, dass das Kraftwerk überdimensioniert ist, und das bedeutet, dass der Senat wahrscheinlich irgendwann einen Anschluss- und Benutzungszwang verordnet, der die Bürger zwingt, sich an dieses überdimensionierte Kraftwerk anzuschließen, um es auszulasten. Beim Wasser hatte der Senat auch keine Hemmungen, Anschluss- und Benutzungszwänge durchzusetzen. Wir als FDP sehen es auch als Innovationsmöglichkeit, dieses Kraftwerk zu verhindern.

Herr Liebich! Der Hinweis auf CO2-Abscheidungen steht nur drin, weil es völlig klar ist, dass diese Technik nicht mehr rechtzeitig kommt, um für dieses Kraftwerk angewendet zu werden. Es ist nicht nachrüstbar. Außerdem wird der technische Fortschritt bei Energieerzeugungsanlagen ausgebremst. Der heutige Stand der Technik wird mit diesem Kraftwerk für die nächsten 40 Jahre eingefroren. Es geht nicht um „Schornstein nach unten“, weil diese Technik für dieses Kraftwerk nicht einsetzbar ist.

Wegen des Wettbewerbs und der Innovation setzen wir auf dezentrale Lösungen, teilweise mit Gas und erneuerbaren Energien. Wir haben dazu ein Konzept. Es ist nicht so, wie es in Ihrem Antrag steht. Wir wollen nicht mit ein bisschen Gas das Ding ein bisschen kleiner bauen. Wir wollen Biogasanlagen, Brennstoffzellen, Mikrokraftwerke, Blockheizkraftwerke, Gas-Wärme-Pumpen, Solartechnik und die ein oder andere Gasturbine. Damit wollen wir den Wärmebedarf Berlins decken, denn das schafft Investitionen in Milliardenhöhe und Arbeitsplätze in Berlin.

[Beifall bei der FDP]

Zudem erlaubt es uns, eine bezahlbare Wärmeversorgung aufzubauen. Denn nur mit echtem Wettbewerb gibt es auch bezahlbare Energie. Berlin könnte mit dem, was wir vorschlagen, die Hauptstadt moderner Energieversorgung und Vorbild für andere sein. Das wollen wir.

Der Antrag der Koalition erwähnt alle diese wesentlichen Punkte nicht. Sie sagen nicht, dass Sie das Steinkohlekraftwerk ablehnen, sondern Sie reden nur von einer Überarbeitung der Pläne. Diese Überarbeitung stellen Sie unter den Gesichtspunkt der Versorgungssicherheit. Ihnen geht es nicht um Bezahlbarkeit oder Umweltschutz, sondern um Versorgungssicherheit. Und Versorgungssicherheit bedeutet, dass Vattenfall im Vorteil ist.

Außerdem wollen Sie nicht über Wettbewerb reden. Wir wollen hingegen Wettbewerb, und zwar nicht nur als Zugang für andere zum Fernwärmenetz. Wir wollen auch den Wettbewerb zwischen Gas, erneuerbaren Energien und Fernwärme. Dazu wollen Sie sich auch nicht äußern. Wir wollen Innovation, weil sie Berlin voranbringt. Auch darüber redet die Koalition nicht.

Der Antrag der Koalition ist eine reine Mogelpackung, die uns nicht weiterbringt. SPD und Linksfraktion können sich nicht durchringen, klar zu sagen: Wir wollen dieses große Steinkohlekraftwerk nicht. Sie sagen: Wir wollen es nicht in dieser Form, sondern ein bisschen anders. – Wir

haben ein klares Alternativkonzept. FDP, Grüne und CDU treiben das Thema seit über einem Jahr voran. Wir haben klar gesagt, dass wir auf dezentrale Lösungen setzen und haben dieses Konzept auch immer im Detail weiter ausgearbeitet. Wir sind Ihnen, Herr Buchholz, wirklich schon eine ganze Weile einen Schritt voraus.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Ihr Antrag fällt hinter den gemeinsamen Diskussionsstand aller fünf Fraktionen zurück. Sie müssten das eigentlich besser wissen. Ich hatte Meldungen gelesen, die sich so anhörten, Herr Buchholz, als würden Sie einen Antrag der Opposition vorlesen und ihn als Meinung der SPD ausgeben. Es wäre schön, wenn es so wäre. Wir bestehen nicht auf unserem Copyright. Wir sind da großzügig, aber die SPD sagt eben nicht, dass sie das Steinkohlekraftwerk ablehnt.

Woran liegt das eigentlich? Sie, Herr Buchholz, sagen, Sie seien dagegen. Die SPD behauptet, sie sei dagegen. Die zuständigen Senatoren sind dagegen. An wem liegt es? – Es bleibt nur der Regierende Bürgermeister, der das Thema Klimaschutz zur Chefsache macht und dann gegenüber Vattenfall nicht bereit ist, eine klare Position zu vertreten. Das Kraftwerk könnte man deshalb auch Wowereit-Kraftwerk nennen. Ein Ernst-Reuter-Kraftwerk haben wir ja schon.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Mein Appell an den Bürgermeister: Hindern Sie die SPDFraktion nicht daran, beim Einsatz gegen das Steinkohlekraftwerk klare Positionen zu beziehen! Zwingen Sie Ihre eigenen Leute nicht, wider bessere Vernunft zu handeln! Und, liebe Kollegen von der SPD: Seien Sie etwas mutiger! Lassen Sie Ihren heutigen Mogelantrag! Tun Sie, was richtig und vernünftig ist! Stimmen Sie unserem Antrag zu! Nur dann bekommen Sie eine vernünftige Wärmeversorgung für Berlin.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen jetzt zu zwei Abstimmungen. Zu beiden Anträgen ist die sofortige Abstimmung vorgesehen.

Zuerst stimmen wir über den Antrag der Oppositionsfraktionen ab. Das ist die Drucksache 16/1502 – Steinkohlekraftwerk. Wer dem Antrag seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Oppositionsfraktionen. Gibt es dort jemanden, der sich enthält? – Nein, das ist nicht der Fall. Die Gegenprobe! – Das sind die Koalitionsfraktionen. Gibt es da Enthaltungen? –

[Jutta Leder (SPD): So schnell geht es bei Ihnen!]

Das ist auch nicht der Fall. Dann ist der Antrag abgelehnt.