Danke schön, Frau Kollegin Jantzen! – Für die Linksfraktion hat nunmehr Frau Dr. Barth das Wort. – Bitte sehr, Frau Dr. Barth!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mir den Anfang meiner Rede sparen. Frau Harant hat mir aus dem Herzen gesprochen. Ich habe mir gesagt: Wenn die CDU keine anderen Probleme hat, dann ist es nicht sehr schlimm.
Ich bin auch dafür, Wohltaten zu verteilen, aber ich denke, dieses Thema muss man sich etwas genauer anschauen. Ich will dazu drei Bemerkungen machen. Die erste: Wir haben uns damals bei der Änderung des Tagesbetreuungskostenbeteiligungsgesetzes ganz bewusst entschieden, dass wir die Geschwisterermäßigung bis 18 Jahren gewähren. Frau Harant hat darauf verwiesen, dass wir die Deckelung in der Geschwisterermäßigung in der unteren Einkommensgruppe weggenommen haben, damit auch die Kinder etwas davon haben, deren Eltern sehr wenig verdienen.
Ich will daran erinnern, dass Familien in Berlin zu 70 Prozent den untersten Beitragssatz zahlen und wir damit auch schon einen sehr niedrigen Wert für die Bezahlung im Kitabereich haben. Vor Kurzem wurde eine Analyse veröffentlicht, die Sie sicher auch gelesen haben. Da ist Berlin bundesweit gelobt worden, gerade im Hinblick auf die Elternbeiträge für die Kita. Insofern werden wir dies auch nicht ohne Weiteres wieder rückgängig machen.
Ich will noch zwei Punkte benennen: Wir legen großen Wert darauf, dass sich die Kindertagesstätten qualitativ weiterentwickeln und dass sie möglichst viele Kinder besuchen. Das ist für uns nicht nur Herzenssache, sondern das haben wir immer wieder öffentlich betont. Deshalb werden wir uns überlegen müssen, wo wir in den Kitas weiter investieren. Unter anderem wissen Sie auch – das steht in unserer Koalitionsvereinbarung –, dass alle Kinder ab 3 Jahren ab dem Jahr 2011 einen kostenfreien Zugang zu den Kindertagesstätten erhalten werden. Deshalb brauchen wir uns dann mit dem Thema auch nicht mehr weiter zu befassen, allenfalls mit den Kindern, die jünger sind als 3 Jahre. Alle Kinder ab 3 Jahren jedoch erhalten einen beitragsfreien Kitaplatz und zahlen nur noch für das Mittagessen.
Eine letzte Bemerkung an Sie gerichtet, Frau Jantzen: Sie haben behauptet, bundesweit stehe Berlin ganz schlecht da im Hinblick auf die Ermäßigungstatbestände. Offensichtlich haben Sie sich nicht richtig informiert. Es gibt Bundesländer, die gar keine Ermäßigung haben, dann gibt es solche, die nur für Kinder, die im Haushalt leben und die noch nicht das 14. Lebensjahr erreicht haben, eine Ermäßigung gewähren. Deshalb denke ich, dass Berlin auf keinen Fall das Schlusslicht bildet. Auf die entspre
Frau Demirbüken-Wegner! Wir können das im Ausschuss genauer diskutieren, dann werden wir sehen, was dabei herauskommt. Andere Prioritäten zu setzen, das wird mit uns schwer sein. – Vielen Dank!
Danke schön, Frau Dr. Barth! – Eine Kurzintervention von Frau Demirbüken-Wegner. – Bitte schön, Frau Demirbüken-Wegner!
Liebe Frau Kollegin Harant! Frau Kollegin Dr. Barth! Ich finde es sehr interessant, mit welchen einführenden Begriffen Sie das Thema Familie behandelt haben. Sie sprachen davon, Sie wollten keine Wohltaten verteilen und Sie haben gesagt, es gäbe einen hohen Verwaltungsaufwand und es entstünden Einnahmeverluste für das Land Berlin. Bei diesem Ansatz und dieser Wahrnehmung können wir gern darüber diskutieren, wie wir Familienfreundlichkeit in unserer Stadt herstellen, wie wir dafür sorgen, dass junge Menschen wirklich Familien gründen und im Familienbeirat ständig die Frage Lust auf Familie, Lust auf Kinder diskutieren. Mit dieser Gesinnung werden wir es bestimmt nicht schaffen, dazu kann ich Sie nur beglückwünschen.
Diese Doppelmoral lasse ich hier nicht gelten, einfach zu sagen, es ist uns eine Herzensangelegenheit, die Qualität der Kitas weiterzuentwickeln. Irgendetwas läuft hier schief. Ich kann mich sehr gut daran erinnern, dass wir es im Rahmen der Haushaltsdebatten zu unserem Schwerpunkt gemacht haben, das Berliner Bildungsprogramm so gerecht aufzubauen und inhaltlich so zu stabilisieren, dass das Programm umgesetzt werden kann. Daraufhin haben Sie uns als realitätsfremd dargestellt. Mittlerweile ist ganz Berlin im Aufruhr: Es gibt das Berliner Kita-Bündnis, morgen demonstriert der LEAK. Jetzt auf einmal tun Sie so, als sei das Thema immer Ihre Herzensangelegenheit gewesen. Weshalb haben Sie im Rahmen der Haushaltsberatungen nicht Ihre Schwerpunkte zugunsten der Kinder und der Qualität gesetzt? Hören Sie auf mit dieser Heuchelei, Frau Barth, sie ist nicht zu ertragen!
Frau Demirbüken-Wegner! Vielleicht darf ich noch einmal an dieser Stelle daran erinnern: Im Jahr 2003 haben
wir ganz bewusst Einschnitte vornehmen müssen. Sicher haben Sie sich darüber in Ihrer Fraktion informiert. Ich will nicht weiter auf die Bankenkrise eingehen, ich will nicht darauf eingehen, wie viele Milliarden das Land zahlen musste. Deshalb aber hatten wir im Jahr 2003 die Aufgabe, alles auf den Prüfstand zu stellen.
Wir werden auch die anderen Maßnahmen weiter auf den Prüfstand stellen. Wir werden die Dinge weiter finanzieren, die wir als prioritär erachten und nicht nach dem Motto vorgehen, heute fällt uns dies ein und morgen das. Sie haben zur Kenntnis genommen, dass in dem Jahr, in dem das Kitakostenbeteiligungsgesetz verändert worden ist, auch von Ihrer Fraktion kein Einwand erhoben worden ist. Es ist gar nicht weiter darüber diskutiert worden. Nun erst sprechen wir darüber. Wir werden uns darüber ausführlich unterhalten. Ich habe versucht, Ihnen eine Priorität zu benennen, nämlich die, dass wir die Kindertagesstätten entgeltfrei machen wollen. Wir wollen, dass die Eltern überhaupt nichts mehr bezahlen. Wenn uns dies für die Kinder ab 3 Jahren bis zum Jahr 2011 gelingt, dann ist Ihr Antrag erledigt. Deshalb leisten wir wesentlich mehr als Sie in Ihrem Antrag fordern.
Jetzt ist der Kollege Dragowski von der Fraktion der FDP an der Reihe. – Bitte schön, Herr Dragowski!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU! Ihren Antrag sehen wir kritisch. Sie sprechen von einer fehlenden Begründung seitens des Senats, warum die Anerkennung von Geschwisterkindern auf das 18. Lebensjahr beschränkt wurde. In der Gesetzesbegründung steht es. Ich zitiere:
Durch die Änderung des KTKBG ergeben sich ab dem Jahr 2004 Einnahmen in Höhe von 12,4 Millionen Euro bei den städtischen Kindertagesstätten und Tagespflegestellen und bei den Kindertageseinrichtungen freier Träger.
Damals waren wir Liberale bereits gegen diese Steigerung der Einnahmeseite zulasten der Familien, da der Senat die Kostensteigerung damals nicht zugunsten der Qualität der Kitas vollzogen hat. Vielmehr wollte der Senat mit diesen familien- und bildungsfeindlichen Aktionen seine Finanzlöcher mit dem Geld der Familien stopfen. Heute nun stellt sich der Sachverhalt wie folgt dar: Sie von der CDU-Fraktion wollen mit Ihrem Antrag Geld ausgeben, damit einige Beiträge sinken. Womöglich handelt es sich dabei um die Beiträge einiger weniger, denn genaue Zah
len fehlen uns. Es ist unklar, über wie viele Fälle wir reden, in denen in einer Familie ein Kind in der Kita und gleichzeitig ein Heranwachsender oder junger Erwachsener in der Ausbildung ist. Sicher ist nur, dass die mit Ihrem Antrag verfolgte Änderung mehr Geld kostet. Die Frage der Finanzierung ist wichtig. Wir sind uns alle einig, dass die finanziellen Ressourcen Berlins begrenzt sind. Nur lautet die entscheidende Frage, wie wir mit diesen begrenzten Ressourcen umgehen, wie wir sie einsetzen. Auch wir Liberale wollen Familien entlasten. Auch wir fordern einen kostenfreien Kitaplatz, der unter Umständen dazu beiträgt, dass mehr Kinder in der Kita angemeldet werden. Wir wollen aber auch qualitativ bessere Kitas, besser qualifizierte Erzieherinnen und Erzieher, ein besseres Betreuungsverhältnis von Erziehern und Kindern, einen besseren Kitaleitungsschlüssel, mehr Betreuungs- und Bildungszeit für die Kinder.
Bei diesen knappen Ressourcen muss man sich entscheiden. Wir haben uns entschieden. Bei der Abwägung zwischen weniger Kosten oder einer besseren Qualität sagen wir Liberale ganz eindeutig: Steckt zuerst das Geld in die Verbesserung der Qualität der Kitas. Bessere Qualität kommt allen zugute und für eine gute Bildungseinrichtung Kita zahlen die Familien gern.
Ein weiterer Punkt – auch das wurde bereits gesagt –, der gegen Ihren Antrag spricht, ist die größere Bürokratie. Mit dem Kindergeld als Kriterium müsste man eine Nachweispflicht für die Berechtigung im Rahmen der jährlichen Überprüfung einführen. Auch würde es Probleme mit dem rückwirkenden Verlust der Berechtigung geben und der Frage, wie gezahlte Gelder zurückzuerstatten sind.
Werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion! Setzen auch Sie sich gemeinsam mit uns dafür ein, dass die finanziellen Ressourcen für bessere Kitas und somit bessere Bildungseinrichtungen eingesetzt werden. Setzen Sie sich ein für einen Anspruch aller Kinder auf eine Teilzeitbetreuung und damit bis zu sieben Stunden Bildungszeit in der Kita statt wie bislang nur bis zu fünf Stunden im Rahmen der Halbtagsbetreuung, für mehr Zeit für die Vor- und Nachbereitung für Erzieherinnen und Erzieher, für ein besseres Betreuungsverhältnis in den Kitas, damit Kinder auch individuell gefördert werden können, für eine bessere Aus-, Fort- und Weiterbildung der Erzieherinnen und Erzieher sowie die Bereitstellung der dafür notwendigen Zeiträume. Werte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie uns in Zeiten knapper Ressourcen gemeinsam für mehr Qualität in den Kitas kämpfen, damit die Kinder in Berlin bessere Bildungschancen erhalten. Hier ist das Geld am besten angelegt. – Vielen Dank!
Danke schön, Herr Kollege Dragowski! – Weitere Wortmeldungen gibt es nicht. Der Ältestenrat empfiehlt die
Überweisung an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie sowie an den Hauptausschuss, wozu ich keinen Widerspruch höre. – Dann verfahren wir so.
Die lfd. Nr. 10 steht mit der Überweisung auf der Konsensliste. Die lfd. Nr. 11 war Priorität der Fraktion der FDP unter dem Tagesordnungspunkt 4 d. Die lfd. Nr. 12 steht als vertagt auf unserer Konsensliste.
Vierzehnter Tätigkeitsbericht des Berliner Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR – Jahresbericht 2007
Zur Besprechung des vorgelegten 14. Tätigkeitsberichts begrüße ich in unserer Mitte sehr herzlich Herrn Gutzeit. – Herzlich willkommen im Abgeordnetenhaus! Bei dieser Gelegenheit spreche ich Ihnen und Ihren Mitarbeitern einen Dank für die geleistete Arbeit aus.
Für die Besprechung steht den Fraktionen eine Redezeit von jeweils bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der SPD. – Bitte schön, Herr Hilse, Sie haben das Wort!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Gutzeit! Es ist nunmehr der 14. Tätigkeitsbericht des Berliner Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, der dem Berliner Parlament zur Kenntnis gegeben wird und uns heute zur Beratung und Aussprache vorliegt. Wir alle sind – so meine Einschätzung – fraktionsübergreifend mit der Arbeit von Herrn Gutzeit und seiner Behörde zufrieden und wissen das Engagement außerordentlich zu schätzen.
Wenn das so ist, läge es nahe, den Bericht über die Arbeit der Landesbehörde ohne Aussprache zur Kenntnis zu nehmen. Sicher würde Herr Gutzeit daraus nicht ableiten, dass uns seine Arbeit und die seiner Behörde nicht wichtig ist. Wenn wir dennoch im Parlament über den Bericht reden, dann tun wir das, weil aus dieser Tatsache ein wichtiges Signal in die Gesellschaft geht: Auch 19 Jahre nach dem Untergang der DDR gehört den Opfern des kommunistischen Unterdrückungssystems unser Mitgefühl. Das Bestreben, Unrecht aufzuklären und zu heilen, ist uns heute so wichtig wie vor 19 Jahren.
Noch etwas verleiht der Diskussion über die Arbeit der Berliner Behörde eine besondere Aktualität. Zunehmend ist wahrzunehmen, dass die Geschichte der DDR in gro
ßen Teilen unserer Gesellschaft einer einseitigen und reduzierten Interpretation unterzogen wird. Unter jungen Menschen entsteht verbreitet das Bild, als sei der Alltag in der DDR eine unpolitische Nische gewesen, in der man, wenn auch bescheiden, so doch ohne existenzielle Sorgen gut leben konnte. Die politischen Repressionen werden dabei ausgeblendet, oder deren Existenz ist unbekannt. Dabei war es gerade der Alltag, in dem die Repressionen ihre Macht entfalteten. Die Unkenntnis, das Vergessen und das Nicht-vermittelt-Bekommen bilden die eine Seite, die die Arbeit des Landesbeauftragten notwendiger denn je macht.
Geradezu politisch unverzichtbar ist die öffentliche Diskussion jedoch im Hinblick auf ein anderes Phänomen, nämlich dem des bewussten Verharmlosens der SEDDiktatur durch die ehemaligen Funktionsträger des kommunistischen Repressionssystems. Diese Tendenz verstärkt sich in dem Maße, wie die Stasi-Offiziere und die herausgehobenen SED-Funktionäre sicher sein können, keine Strafe für ihr vergangenes Tun befürchten zu müssen. Auf diese Erscheinung reagiert die Berliner Behörde mit verstärktem Engagement im Bereich der politischen Bildung und Öffentlichkeitsarbeit. Sie folgt gleichsam einer neuen Aufgabe, die aus der langen Distanz erwächst. 19 Jahre sind vergangen. Die großen Fälle sind abgearbeitet, aber die politische Bildung und Öffentlichkeitsarbeit sind wichtiger denn je. Die historische Reflektion der jungen Menschen gegenüber den Tätern von gestern zeigt uns das ganz aktuell.
In diesem Zusammenhang möchte ich auf eine Schriftenreihe verweisen, die in loser Folge vom Landesbeauftragten herausgegeben wird. Ganz besonders möchte ich auf die Ausgabe Nr. 23 mit dem Titel „Hingerichtet in Moskau“ hinweisen. Der Band widmet sich dem Schicksal von 241 Berlinerinnen und Berlinern, die zwischen April 1950 und 1953 Opfer des stalinistischen Terrors wurden. Sie wurden nach Moskau gebracht und dort hingerichtet. Es ist ein erschütterndes Dokument. Ich glaube, wenn man junge Leute damit konfrontierte, hielten sie es für unwahrscheinlich, dass so etwas in der DDR und im Stalinismus möglich war.