Danke, Herr Präsident! – Ich will keine neue Kontroverse zum Thema „linker Antisemitismus“ aufmachen. Ich habe mich dazu eindeutig geäußert. Ein wenig nervt mich bei der Debatte über das NPD-Verbot – so, wie Sie sie führen, Herr Henkel, Herr Dr. Lindner, Herr Jotzo! –, dass der eigentliche Inhalt dessen, was die NPD und die Rechtsextremen ausmacht, dabei in den Hintergrund tritt und rein formale Kriterien eine Rolle spielen. Das ist das Lästige bei der Debatte. Das ist schade und ist verschenkt, wenn man die Zivilgesellschaft über die realen Bedrohungsszenarien aufklären will, die wir beim Thema Rechtsextremismus haben.
Zum nächsten Mal, wenn wir über die Landeskonzeption noch einmal vertiefend reden – der Innensenator hat sich das auch gewünscht –, sollten wir einen Werbeblock einschieben. Die Leitprojekte dieser neuen Landeskonzeption, die u. a. auch im Beratungsnetzwerk aktiv sind, geben traditionell in Anlehnung an die Langzeitstudie von Heitmeyer u. a. – „Deutsche Zustände“ – einen Schattenbericht zum Rechtsextremismus in Berlin heraus, genannt „Berliner Zustände“.
Ich komme zum Schluss: Schon das Exemplar 2006 dieser „Berliner Zustände“ empfehle ich zur Lektüre. Dann kann man auch etwas sachkundiger aus der Opferperspektive und aus der Perspektive derjenigen, die gegen Rechtsextremismus aktuell arbeiten, argumentieren. Das Update wird Endes dieses Monats veröffentlicht. – Danke schön!
Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der SPD. Das Wort hat die Abgeordnete Frau Monteiro.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nicht nur die Franzosen wissen: Wer den Teig nicht knetet, wird kein gutes Brot essen.
Uns allen ist klar, auch wenn gut Ding Weile haben will, geschehen gute und wichtige Dinge fast nie im Selbstlauf. Wer vor zwanzig oder auch vor weniger Jahren Behinderung als Wechselverhältnis von behinderten und nicht behinderten Menschen ansah, galt als Exot. Behinderung nicht primär als Schädigung oder Funktionseinschränkung zu begreifen, sondern als Einschränkung der Teilhabe, ist inzwischen in zahlreiche Gesetzestexte eingeflossen, in das SGB IX, die Behindertengleichstellungsgesetze des Bundes und der Länder, auch in das Landesgleichberechtigungsgesetz Berlins und nicht zuletzt jetzt in den Text der UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen.
Bereits im Dezember 2006 hatte die Vollversammlung der Vereinten Nationen die Konvention verabschiedet. Sie regelt unter anderem die Anforderungen, die behinderte Menschen im Rahmen eines Lebens, das selbstbestimmt und frei von Benachteiligungen ist, an ihr Heimatland richten können. Wichtige Bereiche der Konventionen wie Erziehung, Bildung und Lebensmöglichkeiten in der Kommune fallen dabei in den Zuständigkeitsbereich der Länder. Mit der Unterzeichnung der UN-Konvention am 30. März 2007 in New York hat sich die Bundesregierung verpflichtet, das Ratifizierungsverfahren einzuleiten, d. h. die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat einzuholen. Auf internationaler Ebene trat die Konvention vor ein paar Tagen, am 3. Mai, in Kraft. Voraussetzung dafür war die Ratifizierung durch mindestens 20 Staaten. Bis zum heutigen Tag haben 25 Staaten die Konvention ratifiziert. Deutschland gehört leider bisher nicht dazu, obwohl es bei der Erarbeitung und Verhandlung der Konvention eine führende Rolle gespielt hat.
Was erhoffen sich die Menschen mit Behinderung und ihre Verbände von der Ratifizierung? – Sie erhoffen sich
neue Impulse für die Verwirklichung einer umfassenden Gleichstellung und gesellschaftlichen Teilhabe besonders für die Bereiche Bildung, Arbeitsmarkt und Barrierefreiheit. Es gibt Widerstände gegen die Ratifizierung, selten ausgesprochen, oftmals bleiben sie unausgesprochen. Es ging und geht dabei nicht nur um Übersetzungsfragen. Nach einer ersten Arbeitsübersetzung wurde die offizielle Übersetzung der Konvention erst Anfang dieses Jahres vorgelegt und erntete nicht wenig Kritik der Betroffenen. Hinter Fragen der Wortwahl verbergen sich große inhaltliche Herausforderungen, denen sich die Politik stellen muss. Dies und andere Gründe führte zu einem Stocken des Ratifizierungsprozesses in Deutschland.
Um diesem neuen Schwung zu verleihen, starteten in vielen Bundesländern Unterstützungsaktionen. In mehreren Landesparlamenten, wie jetzt in Berlin, durch die Koalition initiiert, wurden entsprechende Anträge eingebracht. Selbstbestimmte Teilhabe am Leben der Gesellschaft ist ein Anliegen, das die Unterstützung aller im Parlament vertretenen Fraktionen braucht. Die schnelle Ratifizierung entspricht auch nicht den ersten hundert Metern des Weges zu diesem Ziel, denn auch im Bund und auch in Berlin gibt es bereits einen beträchtlichen gesetzlichen und sich im realen Handeln widerspiegelnden Vorlauf dazu, aber die Ratifizierung stellt doch unbestritten eine wesentliche neue Zwischenetappe und damit eine Vorbedingung für weitere Wegstrecken dar.
Auch außerhalb der Parlamente artikuliert sich der Wille zur Ratifizierung immer stärker. Die Verbände, Vereine, Organisationen der Behindertenhilfe, Menschen mit und ohne Behinderung schauen sehr genau hin und hören aufmerksam zu, wie die Frage der Ratifizierung in den Parlamenten und Parteien diskutiert wird. Sie beschränken sich nicht auf das Abwarten. Neben unzähligen anderen Aktionen, die am 5. Mai, dem europaweiten Protesttag für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen unter dem Motto „Teilhabe jetzt – eine Gesellschaft für alle“ stattfanden, wurden und werden bis Anfang August Unterschriften für eine schnelle Ratifizierung gesammelt. Ihre Übergabe an die Bundesregierung ist für September geplant. Daneben gibt es vielfältige Aktionen, um auch die breite Bevölkerung mit den wichtigen Inhalten der Konventionen vertraut zu machen.
Damit sowohl Ratifizierung als auch Information und Gewinnung breiter Bevölkerungskreise gelingen können, ist die Einbeziehung von Betroffenen und ihrer Verbände dringend geboten. Auch dies ist Inhalt des vorliegenden Antrags, wenn man den Grundsatz von Menschen mit Behinderungen „nichts über uns ohne uns“ ernst nimmt, muss diese Einbeziehung tatsächlich stattfinden.
Möge dieses Haus dazu beitragen, existierende Widerstände schnellstens aus dem Weg zu räumen. Berlin kann und muss sich klar und deutlich positionieren, wenn es darum geht, dass Deutschland schnellstmöglich nachzieht und die Konventionen ratifiziert.
Ja, es ist mein letzter Satz. – Die Zustimmung aller Fraktionen für den vorliegenden Antrag wäre daher das richtige und außerdem ein sehr deutliches Signal. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Fast genau vor einer Woche trat die UN-Konvention zum Schutz der Rechte für Menschen mit Behinderungen in Kraft. Damit wurde das internationale Übereinkommen, das im Dezember 2006 von der UNO verabschiedet wurde, völkerrechtlich wirksam. Erstmals gibt es nun ein Völkerrechtsdokument, das sich ausschließlich auf Menschen mit Behinderungen bezieht und diese als vollwertige und selbstbestimmte Mitglieder der Gesellschaft anerkennt. In Deutschland steht die Ratifizierung des Übereinkommes noch aus, da zurzeit Vorschläge erarbeitet werden, wie die Umsetzung in deutsches Recht erfolgen soll. Zuständig für die Erarbeitung dieser Vorschläge ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat sich bereits öffentlich für ein schnelles und zügiges Verfahren ausgesprochen. Deshalb werden auch wir diesem Antrag zustimmen. Was ich aber als ärgerlich und der Thematik abträglich empfinde, ist, dass sich SPD und Linksfraktion mit diesem Antrag wieder einmal ein Alibi dafür verschaffen, dass die Rechte der Menschen mit Behinderungen nur dann in Berlin voll verwirklicht werden könnten, wenn die Ratifizierung der UN-Konvention erfolgt ist. Das ist aber an Unaufrichtigkeit nicht zu überbieten, denn die landesrechtlichen Regelungen reichen schon jetzt aus, für die unterschiedliche Betroffenengruppe das Optimale zu erreichen. Doch dafür tun Sie leider nichts, wenn ich an die Kürzungsorgien in diesem Bereich im rot-roten Berlin und den Doppelhaushalt denke, den Sonderfahrdienst für Behinderte oder das Fallmanagement, von dem der Landesbehindertenbeauftragte kürzlich sagte, dass es ein Fehler gewesen sei, dieses an Einsparvorgaben zu koppeln.
Ganz aktuell sind Beispiele wie die Unterversorgung von autistischen Kindern in den Schulen und der Protest des Gehörlosenverbandes am 5. Mai. Der ging mit Forderungen an die Öffentlichkeit, die seit langem bekannt sind. Dazu gehört unter anderem die Finanzierung der Begegnungsstätte und der Geschäftsstelle des Gehörlosenzentrums wie auch die qualifizierte Betreuung von Ar
beitslosen, Gehörlosen in einem dafür qualifizierten Jobcenter. Was ich besonders beschämend für diesen Senat finde, ist, dass er sich seit Monaten einem Gespräch mit dem Gehörlosenverband verweigert. Warum, frage ich Sie, Frau Senatorin, Frau Staatssekretärin, verweigern Sie diese Geste des guten Willens? Angesichts dieser Situation wünsche ich mir geradezu, dass auch das Fakultativprotokoll Berücksichtigung findet, weil damit weitere Beschwerdemöglichkeiten und entsprechende Untersuchungsverfahren für Menschen mit Behinderungen geschaffen werden, die ihre Rechte einklagen können.
Ich bin mir sicher, gäbe es das schon, hätten bereits viele Berliner mit Behinderungen diese Möglichkeiten in Anspruch genommen, stoßen sie doch beim rot-roten Senat weitgehend auf taube Ohren.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Hoffmann! Ich möchte gern kurz auf Sie eingehen. Wir alle haben das Flugblatt des Gehörlosenverbandes erhalten. Ich zumindest habe bei der Senatsverwaltung angerufen und gefragt, wie sie es sehen, dass darin behauptet wird, die Senatsverwaltung würde sich nicht mit dem Gehörlosenverband zusammensetzen. Das hätte ich Ihnen auch empfohlen, denn es hat Gespräche gegeben. Des weiteren gibt es diverse Konflikte auch mit anderen Behindertenverbänden.
Ich glaube, ich kann das jetzt hier sagen, Herr Hoffmann, dass die Senatsverwaltung die Initiative ergreift und versucht, die Probleme an einem Runden Tisch zu lösen. Es ist nicht immer der beste Weg, sich ins Parlament zu setzen, herumzukrähen, andere zu beschuldigen und selbst keine Ahnung zu haben.
Jetzt zu unserem Antrag: Als die UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderung beschlossen wurde, war die Begeisterung – auch in Deutschland – sehr groß. Der Völkerrechtsvertrag wurde als modernster und anspruchsvollster bezeichnet. Er enthält in der Tat eindeutige Regelungen zum Schutz und zur Förderung der Rechte von Menschen mit Behinderung.
Behinderung, so schreibt die UN-Konvention, entsteht aus einer Wechselwirkung zwischen einerseits Menschen mit Beeinträchtigungen und andererseits einstellungs- und umweltbedingten Barrieren. Diese Barrieren müssen abgebaut werden. Die UN-Konvention legt einen zentralen Stellenwert auf Barrierefreiheit. Dabei geht es nicht nur um den Zugang zu Gebäuden, Verkehrsmitteln und Straßen, sondern es geht auch um den freien Zugang zu In
formations-, Kommunikations- und Dienstleistungen. Das beinhaltet auch, dass alle Menschen alle technischen Geräte oder auch Gebäudeteile nutzen können. Eine rollstuhlgerechte Eingangstür wäre dann die Norm; die Menschen mit Behinderung müssen die Nachrüstung nicht auf eigene Kosten vornehmen.
Bei den vielen Regelungen ist es durch die UN-Konvention auch gelungen, die Vertragsstaaten zu verpflichten, die mehrfache Diskriminierung von Frauen und Mädchen mit Behinderung zu beseitigen. Das ist ein Meilenstein.
Die ganze UN-Konvention klingt sehr gut, aber in Deutschland ist sie bisher lediglich ein gutes Dokument ohne Folgen. Seit März 2007 haben 127 Staaten die Konvention unterzeichnet. Deutschland gehörte mit zu den ersten und wollte auch eine Vorreiterrolle einnehmen. Vor einigen Tagen trat die UN-Konvention in Kraft. In den Ländern, in denen eine Ratifizierung vorgenommen wurde, sind die Inhalte der UN-Konvention jetzt rechtsverbindlich. Die Bundesregierung hat bisher aber keine entsprechenden Vorlagen in den Bundestag oder in den Bundesrat eingebracht, was die Voraussetzung für eine Rechtsverbindlichkeit wäre. Das heißt, die UN-Konvention ist hier erst einmal folgenlos. Die Bundesregierung sieht sich auch nicht in der Lage, einen Termin zu nennen, wann der Ratifizierungsprozess beginnt. Das ist nicht nur bedauerlich, sondern es ist ausgesprochen ärgerlich.
Deshalb fordern wir mit unserem Antrag den Senat auf, sich im Bundesrat für einen schnellen Ratifizierungsprozess einzusetzen. Wir wollen, dass dabei – wie schon bei der Erarbeitung der Konvention selbst – auch die Verbände der Menschen mit Behinderung einbezogen werden, denn sie sind die Expertinnen und Experten.
Ich bewerte die Politik in Berlin anders als Herr Hoffmann – der dahinten steht und nicht zuhört. Ich finde, dass wir in vielen Punkten mit gutem Beispiel vorangehen. Das zeigt die Entwicklung beim Abbau der Barrieren, nachzulesen in „Barrierefreies Berlin – 15 Jahre Leitlinien für ein behindertengerechtes Berlin“. Ich finde auch, dass unser Landesgleichberechtigungsgesetz zu den besten gehört. Wir haben ein Mobilitätskonzept und werden das Heimgesetz so bearbeiten, dass die Selbstbestimmung und der Verbraucherschutz gestärkt werden.
Aber um all diese Schritte zu gehen, brauchen wir verbindliche Bundesgesetze, und wir brauchen bundeseinheitliche Standards. Deshalb ende ich mit einem Satz, den der Vorsitzende der Arbeitsgruppe gesagt hat, die die Konvention erarbeitet hat: