Werden Sie für den Fall, dass sich die Berlinerinnen und Berliner für den Weiterbetrieb des Flughafens Tempelhof aussprechen, zu dieser Entscheidung stehen und den Willen des Volkes da, wo Sie regieren, umsetzen?
Gegenruf der Abgeordneten Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen): Nein – das ist richtig! Entweder ist er dafür oder dagegen!
Das in Ihre Richtung! Dort nimmt man die Sache offensichtlich etwas ernster als das, was gerade bei der Rede der Kollegin Eichstädt-Bohlig anklang.
Ich werbe dafür, sich dagegen auszusprechen, dass der Flughafen Tempelhof weiter betrieben wird, [Beifall der Abgeordneten der Linken] aber eine Volksabstimmung ist eine Volksabstimmung, und man hat sich daran zu halten. [Beifall der Linken, der CDU/CSU, der FDP und der Grünen]
Und da sage ich für die FDP: Wir sind freie Demokraten so wie Sie soziale Demokraten oder christliche Demokraten sind. In erster Linie sind wir Demokraten, und wir respektieren das Ergebnis vom Sonntag, und zwar unabhängig davon, ob es uns passt oder nicht passt. Wenn die Mehrheit der Berliner und Berlinerinnen sagt, der Flughafen Tempelhof soll geschlossen werden, und stimmt mit Nein, wird die FDP das respektieren. Wo sind wir denn? – Wir sind nicht in Simbabwe, wo wir so oft abstimmen lassen können, bis uns das Ergebnis passt,
Wir sind Vertreter, Mandatsträger – Mandat heißt Auftrag auf Deutsch –, Beauftragte des Volkes. Und wenn der Souverän eine Sache in der vorgeschriebenen Art und Weise an sich zieht, hat das respektiert und – soweit es rechtlich zulässig ist – umgesetzt zu werden. Der erste Punkt, eine Zurücknahme des Widerrufs der Betriebsgenehmigung, ist ohne weiteres rechtlich möglich, und er hat umgesetzt zu werden, wenn das Volk es am Sonntag so entscheidet.
Entschuldigung, Herr Dr. Lindner! – Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Matuschek?
Vielen Dank! – Herr Lindner! Weil Sie mit Nichtjuristen so schlecht kommunizieren können, frage ich Sie, wie Sie als Jurist den Verfassungsartikel interpretieren, nach dem nicht nur Gesetze Gegenstand von Volksbegehren sein können, sondern auch sonstige Beschlüsse, die das Abgeordnetenhaus im Rahmen seiner Entscheidungszuständigkeiten zu Gegenständen der politischen Willensbildung fassen kann. Dazu gehören auch politische Resolutionen, die das Abgeordnetenhaus im Rahmen seiner Kompetenzen an den Senat richten kann. Wie interpretieren Sie das, wenn es eine politische Resolution als Ergebnis dieser Volksabstimmung gibt, die das Abgeordnetenhaus an den Senat richten kann?
Frau Kollegin! Rechtlich ist da gar nicht viel zu interpretieren. Richtig ist, dass das rechtlich nicht bindend ist. Da gibt es überhaupt kein Vertun.
Sie können sich nicht mit juristischen Winkelzügen aus der Geschichte herausziehen! Da verweise ich Sie auf Ihren Parteichef. Was für Demokraten sind Sie eigentlich, wenn Sie jetzt schon erklären, dass Sie den Volkswillen nicht respektieren wollen?
Herr Regierender Bürgermeister! Besonders an Ihre Adresse sage ich: Sollte das Volk am Sonntag dem Volksentscheid in der gebotenen Mehrheit zustimmen – überlegen Sie sehr gut, was Sie tun! Denn 75 Prozent – und zwar parteiübergreifend – haben erklärt, die Berliner Politik, an der Spitze der Senat und der Regierende Bürgermeister, haben den Volksentscheid zu respektieren. Wenn Sie das ignorieren und sich auf juristische Winkelzüge zurückziehen, dann werden Sie den nächsten Volksentscheid bekommen. Schauen Sie nach 2001! Sie müssen sehr gut aufpassen, dass Sie nicht genauso, wie Sie ins Amt hineingekommen sind, wieder aus dem Amt hinausgehen, mein lieber Herr Regierender Bürgermeister!
Am Sonntag entscheiden die Berlinerinnen und Berliner darüber, ob wir auf dem Gelände des Flughafens Tempel
hof dauerhaft eine heruntergekommene Brache ohne vernünftiges Nachnutzungskonzept haben oder ob wir aus dem Flughafen Tempelhof das machen, worum uns sehr viele beneiden.
Die gesamte Wirtschaft, Wissenschaftler, die Bundesregierung, Steinbrück, Merkel, – das sind nicht alles Idioten, Traumtänzer, Spinner oder Leute, die keine Urteile lesen können. Das sind zum Großteil Realisten. Herr Mayrhofer hat ein klares Interesse daran, dass ihm die Konkurrenz vom Hals gehalten wird. Er ist kein Kronzeuge dafür, dass der Flughafen Tempelhof zu schließen ist.
Und die Brandenburger Minister schon gar nicht! Wenn ich Brandenburger Minister wäre, würde ich auch für Nein werben, das ist klar. Ich bin aber Berliner Fraktionsvorsitzender, daher rufe ich die Berliner auf: Stimmen Sie am Sonntag für Berlin! Stimmen Sie für die Zukunft und stimmen Sie mit Ja! – Herzlichen Dank!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Lindner! – Jetzt hat Herr Ratzmann von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort zu einer Kurzintervention. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Lindner! Da Sie so ungern mit Ingenieuren, Soziologen und Sonstigen über Rechtsfragen reden, will ich es noch einmal versuchen. Aber ich habe den Eindruck, dass manche Ingenieure, Soziologen und Sonstige mehr Verständnis für die rechtlichen Fragen haben, die den Flughafen Tempelhof betreffen, als Sie heute an den Tag gelegt haben!
[Beifall bei den Grünen, der SPD und der Linksfraktion – Christoph Meyer (FDP): Mimen wir wieder den Besserwisser?]
Insbesondere haben die Soziologen wahrscheinlich mehr Verständnis für das, was gegen Jugendgewalt in dieser Stadt notwendig und angesagt ist. Ihre Konzeption, in dieser Stadt Flughäfen gegen Jugendgewalt zu stellen, ist abenteuerlich, Herr Lindner!
Und den Leuten, die unter Fluglärm leiden, zu sagen: Ihr müsst weiter leiden, weil wir Angst haben, dass sonst die Drogenhändler über den Platz laufen!, ist infam! So etwas muss man sich nicht gefallen lassen in dieser Stadt.
Sie haben sehr darauf gedrungen und haben gesagt: Volksabstimmung ist Volksabstimmung. – Ja, Volksabstimmung ist Volksabstimmung. Ich sage auch, das Ergebnis muss man respektieren. Aber auch Sie müssen dieses Ergebnis respektieren.
Was Sie und Herr Pflüger heute hier gemacht haben, zeigt jetzt schon, dass Sie nicht willens sind, zu respektieren, was das Berliner Volk zu dieser Frage, die vorgelegt wurde, sagen wird. Es geht um den Verkehrsflughafen und nicht um einen Geschäftsflughafen. Die Umdeutung, die Sie versuchen, ist unzulässig. Das werden wir uns nicht gefallen lassen, lieber Herr Lindner.