Protocol of the Session on April 24, 2008

Herr Zöllner! Eine solche undifferenzierte Betrachtung der Berliner Forschungslandschaft nimmt die Verärgerung der Betroffenen, wie ich glaube, bewusst in Kauf. Einen so hohen Preis zahlt man nur dann, wenn dahinter ein besonderes, ein übergeordnetes Interesse steht. Durch Ihre Unterlassung wollen Sie den vermeintlichen Bedarf Berlins einleiten. Mit dieser Antwort wollen Sie einmal sagen, wie wichtig das von Ihnen ins Leben gerufene IFAS ist. Wir hatten es auch einmal unter dem Arbeitsbegriff „Superuniversität“. Das ist die Richtung, in die die Beantwortung der Großen Anfrage abzielt.

Würden Sie bitte zum Schluss kommen, Herr Kollege!

Ich hoffe, Sie verstehen jetzt, dass uns an dieser Stelle nicht zum Jubeln ist. Wir wären gern konstruktiver mit diesem Thema umgegangen und hätten deshalb die Antwort auf diese Großen Anfrage gern im Wissenschaftsausschuss beraten. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Für die Fraktion der SPD hat nun Frau Dr. KochUnterseher das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Czaja! Der Sinn Ihrer Rede ist mir vergleichsweise dunkel geblieben.

[Beifall bei der SPD]

Wir haben uns gerade im Kollegenkreis unterhalten, und danach muss ich sagen, dass Sie offensichtlich bedauern, dass der Senator in seinen Darlegungen nicht ausführlicher die Leistungen der Berliner Forschungslandschaft beschrieben hat.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Wir nehmen das hin. Das kann man machen als Opposition. Wir danken für die Anregung. Ich bin allerdings der Meinung, dass in der Kürze und Präzision durchaus Würze und Klarheit liegen, und deshalb bin ich auch für den Umfang der Antworten und die darin enthaltenen Punkte dankbar.

Ich muss an dieser Stelle nicht noch einmal schildern, wie viel Geld gerade in den letzten Monaten, seit wir die Wissenschafts- und Forschungspolitik zum Schwerpunkt dieser Wahlperiode gemacht haben, zusätzlich nach Berlin geflossen ist. Das hat der Senator dargestellt, und deshalb kann man in aller Kürze das Fazit ziehen: Die Berliner Forschungslandschaft ist glänzend aufgestellt. Das gilt für den bundesweiten Vergleich, und das gilt international.

[Zuruf von Elisabeth Paus (Grüne)]

Deshalb möchte ich nur noch drei Aspekte in die weitere Betrachtung unserer engagierten und erfolgreichen Forschungspolitik einbeziehen:

Erstens: Die Förderung von Wissenschaftlerinnen ist noch im Anfangsstadium. Wir haben das im Ausschuss beraten – in einer interessanten Sitzung am 20. Februar 2008. Es gibt noch eine gläserne Decke. Es gibt noch männlich geprägtes Selbstverständnis. Das gilt nicht so sehr für alle, sondern insbesondere für die Fraunhofer-Gesellschaft. Da ist noch einiges weiter zu tun.

Einen zweiten Aspekt sähe ich gern bei künftigen Diskussionen mitberücksichtigt, und das ist der zunehmende Stellenwert qualitätsorientierter Evaluation und qualitätsorientierter Weiterentwicklung der Forschungslandschaft. Hier sind wir schon auf sehr gutem Wege. Es ist gut, dass wir an der Humboldt-Universität nun das IFQ haben – das Institut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung, das von der DFG finanziert und unabhängig ist. Auf diesem Weg müssen wir weitergehen.

Mein dritter und letzter Gedanke: Gute Forschung hat die Erfahrung einer ermutigenden Bildungspolitik von frühauf – am besten im Ganztagsbetrieb – und die Erfahrung guter Lehre an den Hochschulen zur Voraussetzung. Qualitätsbewusstsein und gute Lehre müssen hierbei weiter in den Vordergrund kommen. Es gibt viele Diskussionen, wie man das fördern und sichtbarer machen kann. Die SPD-Fraktion hat dazu gerade ein öffentliches Fachgespräch in erster Runde mit den Hochschulleitungen geführt. An diesem Thema müssen wir weiter dranbleiben. Aber wir sind bereits glänzend aufgestellt und wollen noch besser werden. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Danke, Frau Dr. Koch-Unterseher, vor allem für die Kürze! – Für die CDU-Fraktion hat nun Kollege Zimmer das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

[Zuruf: Eine neue Brille!]

Es stimmt. Ich habe eine neue Brille, wie man unschwer erkennen kann.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und den Grünen – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Wir sehen es!]

Aber das soll nicht Gegenstand der heutigen Rede sein.

Es ist sicherlich richtig: Die Berliner Forschungslandschaft ist gut.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Aber auch hier gilt der Grundsatz – bevor Sie sich zu früh freuen, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition –: Das Bessere ist nun einmal der Feind des Guten.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Wir haben viele Feinde!]

Was mich an der Beantwortung der Großen Anfrage stört, ist dieses latente Sich-selber-auf-die-Schulter-Klopfen. Man stellt fest, es sei alles bestens, und schmückt sich mit fremden Federn. Lieber Herr Zöllner! Die Grundlagen für Exzellenz in Berlin sind nun wahrlich nicht in Ihrer Amtszeit, sondern deutlich früher gelegt worden. Hochschulverträge, Autonomie an unseren Hochschulen, die

Entwicklung unserer Hochschulen – das geht auf die Wissenschaftspolitik der großen Koalition und vor allem auch der CDU in den 90er Jahren zurück. Auch das gehört zur Wahrheit, wenn man über die Forschungslandschaft in Berlin redet.

[Beifall bei der CDU]

Aber ich finde viel dramatischer, dass in dieser Beantwortung der Großen Anfrage jegliche Perspektive fehlt. Es ist eine Retrospektive, die Sie uns abgeliefert haben, Herr Zöllner! Aber die Perspektive fehlt deutlich.

Selbstverständlich ist es eine Anfrage zur Forschungslandschaft gewesen, aber – und Frau Dr. Koch-Unterseher hat es auch erwähnt – es gibt dauerhaft keine exzellente Forschung ohne exzellente Lehre. Die Frage einer exzellenten Lehre in Berlin ist nach wie vor unbeantwortet. Gerade im Rahmen des Bologna-Prozesses und der Auswirkungen auf die Studierenden, aber auch auf die Lehrenden ist diese Frage weiterhin mit einem großen Fragezeichen versehen, aber ohne nachhaltige Antworten des Senats geblieben.

[Beifall bei der CDU]

Herr Zöllner! Obwohl es eine gute Gelegenheit gewesen wäre, verraten Sie uns weiterhin nicht, was denn nun aus Ihrer „Superuni“ werden soll. Die hätte eigentlich gut hineingepasst in Ihren Bericht. Offensichtlich versickert diese Sache jetzt im Sande.

[Anja Schillhaneck (Grüne): Das sollte sie!]

Ich muss ehrlich gestehen, dass ich es als Glücksfall für Berlin ansehe, wenn diese Pläne in Ihrer Form nicht weiter vorankommen werden.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Anja Schillhaneck (Grüne)]

Aber, Herr Zöllner, die Entwicklung schreitet nun einmal voran. Wenn wir uns die Innovationsfelder in Berlin anschauen, dann fehlt mir dort ein kritischer Umgang mit der Frage: Was sind die Fragestellungen von morgen? – Es fehlt z. B. ein wesentliches Innovationsfeld, um das der Bericht ergänzt werden müsste, nämlich das Innovationsfeld „Umwelt und Nachhaltigkeit“. Das ist eine Zukunftsstrategie, die mit Blick auf die globale Entwicklung wirklich von Bedeutung ist. Ob es Automotive ist, wage ich in dem Zusammenhang zu bezweifeln. Mobilität ist vielleicht wichtig, aber das, was wir bislang in Berlin gemacht haben, geht ein wenig an den Anforderungen des 21. Jahrhunderts vorbei.

Der Maßstab, den Sie wählen, ist bewusst klein gewählt. Wir sehen in der Beantwortung der Großen Anfrage, dass sich Berlin im Vergleich mit den Nordländern gut ausmache. Lieber Herr Zöllner! Wenn Sie es noch nicht einmal wagen, den Vergleich mit den Südländern und ihren Universitäten anzustellen, dann scheint es um weite Bereiche der Berliner Forschung doch nicht so gut bestellt zu sein, wie Sie in Ihrem Bericht vorgeben.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Der Maßstab, an dem wir uns zu orientieren haben, ist doch der internationale Maßstab, Herr Zöllner! Da reicht es nicht, dass wir Doktoranden und Diplomanden aus verschiedenen Ländern in Berlin haben. Ich bin froh, dass sie hier sind. Aber wo werden unsere Universitäten in einem Atemzug mit internationalen Spitzeneinrichtungen genannt? Wo passiert das?

[Beifall von Henner Schmidt (FDP)]

Herr Zöllner! Sie haben es bewusst auch nicht in Ihren Bericht geschrieben, weil es nämlich nicht passiert. Nicht einmal auf europäischer Ebene ist es so. Wir haben auf europäischer eine Bewegung hin zu mehr Exzellenz, mehr Kongruenz, mehr Vernetzung, mehr Clusterung – Stichwort EIT – European Institute of Innovation and Technology. Dieser Zug geht nun einmal in breiter Front an Berlin vorbei. Wir haben uns darüber im Wissenschaftsausschuss unterhalten. Da haben Sie mir – oder es war Ihr Staatssekretär Husung – etwas schulterzuckend erklärt: Na ja, was dort passiert, ist noch nicht so relevant für uns. – Selbstverständlich ist es relevant für uns. Es wir noch viel relevanter werden. Es gibt in Europa eine IDEALeague. Das sind Spitzenuniversitäten. Dazu gehört das Imperial College in London, die TU Delft, ETH Zürich, RWTH Aachen und ParisTech. Was fehlt dort? – Berlin. Wir gehören noch nicht einmal zur europäischen Elite mit unseren Einrichtungen, Herr Zöllner. Das ist die Aufgabe, der Sie sich zu stellen haben als für die Wissenschaftspolitik zuständiger Senator.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Ergänzend dazu muss ich feststellen: Die Exzellenzfelder, auf denen sich diese Institutionen bewegen, sind Energie, Umwelt – von mir angesprochen –, Gesundheit, IT und Kommunikation und Mobilität, also unsere Schwerpunktgebiete. Aber von Berliner Einrichtungen hört man dort nichts.

Herr Zöllner! An diesen Maßstäben muss Berlin sich messen lassen, nicht an einer selbstgefälligen Retrospektive, wie Sie sie heute in weiten Teilen abgeliefert haben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Schönen Dank, Herr Kollege Zimmer! Auch das war erfrischend kurz. – Jetzt ist Herr Dr. Albers für die Linksfraktion an der Reihe. – Bitte schön, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht liegt es, Herr Zimmer, an der neuen Brille. Aber so geht es auch nicht. Das Positive haben Sie für sich beziehungsweise für vorherige Regierungen reklamiert. Das Negative schieben Sie jedoch dem Senat zu. Sie müssen

die Gründe dort suchen, wo damals möglicherweise nicht rechtzeitig die entsprechenden Weichen gestellt worden sind. Wir werden das korrigieren, aber es geht nicht so schnell.