Protocol of the Session on April 24, 2008

Im Grunde genommen könnte ich es ganz kurz machen. Ich muss aber erst einmal etwas Positives zur FDP sagen. Ihre mit so viel Fleiß zusammengestellte Große Anfrage hat dem Senat die Gelegenheit gegeben, die Entwicklung der Forschungslandschaft in Berlin im Detail darzustellen und damit eine Erfolgsgeschichte öffentlich zu machen. Es soll dann auch ein gutes Gefühl für eine kleine Oppositionspartei sein , wenn sie mit einer Großen Anfrage dazu beitragen kann, die Erfolge der Regierungskoalition ins rechte Licht zu rücken.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Dafür sollen Sie auch einmal Lob einstecken. Sie haben es ja sonst nicht so leicht, vor allem nicht auf ihren eigenen Parteitagen.

[Zurufe von der FDP]

Der Antwort des Wissenschaftssenators muss ich nicht viel hinzufügen. Ich will allerdings drei mir wichtige Anmerkungen machen: Erstens wird in dem Bericht die Übernahme der Trägerschaft für das Klinikum Buch im Jahr 2001 als eine bundesweit modellhafte Public-PrivatePartnership beschrieben. Ich bin da zurückhaltender, die Diskussion darüber liegt noch vor uns. Zweitens wird in dem Bericht zur Hochschulforschung unter Punkt 3 eine sogenannte „Kennzahl Studierende in der Regelstudienzeit in Jahrgangsstärke pro Professor“ aufgeführt, die in Berlin zurzeit bei 14,4 liegt und damit deutlich höher ist als beispielsweise in anderen norddeutschen Ländern mit 11,0. Damit habe Berlin seine Position weiter verbessern können, auch liege man bei der Zahl der Absolventen pro Professor mit 7,2 um 38 Prozent über dem Durchschnitt der anderen norddeutschen Länder, die nur bei 5,2 lägen. Ich bin bislang immer davon ausgegangen, dass eine Verbesserung eines Betreuungsverhältnisses in der Regel darin besteht, die Zahl der Betreuten zu senken. Hier läuft es anders herum. Bei Betrachtung einer immer noch zu hohen Studienabbruchquote an den deutschen Universitäten – nicht nur den Berlinern – und Fachhochschulen von 21 Prozent – das sind immerhin 55 000 Studentinnen und Studenten – und angesichts der aktuell veröffentlichten Probleme in den Bachelor-Studiengängen – dort beträgt die Abbruchquote gar 30 Prozent –, sollte man überlegen, ob man wirklich auf dem richtigen Weg ist. Viele Studenten klagen gerade über eine unzureichende Betreuung. In einer großen Umfrage zur Studierbarkeit in der Humboldt-Universität aus dem Jahr 2006 wird dies ganz deutlich. Darin bescheinigen die Befragten der Betreuung durch die Lehrenden an der HU einen erheblichen Verbesserungsbedarf. Es gilt, solche Erfahrungen ernst zu nehmen, weil gerade die Quote des Studienerfolgs, beziehungsweise des Abbruchs ein zentraler Indikator für die wirkliche Ausbildungsleistung ist, zumal wir uns angesichts unserer im OECD-Vergleich ohnehin niedrigen deutschen Absolventenquoten im Hinblick auf den vielbeschworenen Fachkräftemangel diese Ausfälle

schworenen Fachkräftemangel diese Ausfälle nicht leisten können.

Drittens erleben wir momentan eine Diskussion über weltweite Probleme in der Nahrungsmittelproduktion. Wir reden viel über den demografischen Faktor und die Auswirkungen des Klimawandels auch in unserer Region. In diesem Zusammenhang fehlt mir in dem Bericht der große Bereich der Agrarforschung. Die Wiege der deutschen Agrarforschung stand in Berlin. Nun soll nach einer Empfehlung des Wissenschaftsrats die Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät an der HU aufgelöst werden. Ich halte dies im Zusammenhang mit den benannten Themen für problematisch. Diese Fakultät spielt eine wichtige Rolle in der im Jahr 2004 von 21 Institutionen gegründeten Forschungsplattform Ländliche Räume Berlin-Brandenburg, nicht nur wegen der Bedeutung dieser traditionsreichen Einrichtung für die Region BerlinBrandenburg, in der wir eine in dieser Fülle einmalige Konstellation von agrarwissenschaftlichen Lehr- und Forschungsinstitutionen vorfinden, die Fakultät verfügt auch über eine große Reputation im Ausland. Sie bietet in Zusammenarbeit mit Hochschulen in Wien, Bologna, Budapest, Gent, Reims und Córdoba international gemeinsame Studiengänge an, und es ist ihr gelungen – das ist ein wesentlicher Faktor –, trotz der ungeklärten eigenen Zukunft, in den Jahren 2004 bis 2006 ihre Drittmittel zu verdoppeln. Ich würde mir wünschen, dass im nächsten Bericht zur Entwicklung der Forschungslandschaft Berlin auch und gerade wegen der Schwerpunktsetzung Lebenswissenschaften die Agrarforschung erwähnt werden würde. Dazu muss allerdings die Zukunft dieser Einrichtung gesichert werden. Dafür bedarf es politischer Signale. – Vielen Dank! Auch ich habe relativ kurz gesprochen.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Das ist sehr zu loben, Herr Kollege! – Jetzt ist Frau Schillhaneck für die Grünen an der Reihe und hat das Wort. – Bitte schön, Frau Schillhaneck!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Herr Senator Zöllner! Sie loben sich selbst und die Politik, die Sie und die Koalition vertreten. Sie sagen: Wir haben in Berlin einen Top-Wissenschaftsstandort, um den uns nicht alle Welt, aber zumindest ganz Deutschland beneidet.

[Steffen Zillich (Linksfraktion): Aber es stimmt doch!]

Ich frage an dieser Stelle genauer nach. Um was exakt beneidet man uns? – Um die miserable finanzielle Ausstattung insbesondere unserer Hochschulen, um die nur zu 86 Prozent besetzten Soll-Stellen im Bereich der Professorinnen und Professoren, um das herausragend gute Betreuungsverhältnis sowohl was Studierende als auch Nachwuchswissenschaftler in ihrer Qualifikationsphase

betrifft? – Ich glaube, darum genau werden wir nicht beneidet. Was man allerdings loben muss, ist der Umstand, dass unsere Berliner Wissenschaftseinrichtungen mit dem, was sie zur Verfügung haben, eine ganze Menge anstellen. Das kann man positiv herausstellen.

[Beifall bei den Grünen]

Ehrlich gesagt, das machen wir hier routinemäßig alle sechs Monate. Wenn wir so einen herausragenden Wissenschaftsstandort haben und so exzellent sind, frage ich: Wie ist es mit den Wettbewerben? – Ich hätte gern heute vor einigen Stunden Ihre Antwort zum Thema Demenzzentrum gehabt. Weshalb schneiden wir dort so schlecht ab? Oder anders gefragt: Welchen Wert muss ich der Aussage ihrer Amtskollegin aus Brandenburg, Frau Wanka, beimessen, die uns in der letzten Wissenschaftsausschusssitzung sehr deutlich darauf hingewiesen hat, dass ein eklatanter Unterschied zwischen der ersten und der zweiten Exzellenzinitiative darin bestanden hat, dass in der zweiten Runde offensichtlich die Wissenschaftsministerinnen und -minister eine deutliche Ansage gemacht haben, wohin das Geld gehen soll. Da haben wir dann gut abgeschnitten. Das ist aus meiner Sicht kein Ausweis für Topleistung.

[Beifall bei den Grünen]

Ich komme zu Ihrer Antwort auf die Große Anfrage. Zunächst, Herr Czaja, ist mir nicht ganz klar geworden, worauf Sie mit Ihren Fragen hinaus wollen. Wenn Sie konkret nach primär mit Forschungsaufgaben befasstem Personal fragen, vermute ich, dass Sie Drittmittelbeschäftigte meinen. Die gegebene Antwort jedoch kann ich mir aus den Leistungsberichten 2006 der Hochschulen selbst zusammensuchen. Ich finde die Antworten auf die Frage nach dem Forschungsstandort Berlin insgesamt und nach der Forschung im außeruniversitären und universitären Bereich in keiner Weise erhellend. Frau Koch-Unterseher! Sie haben die Kürze und Präzision gelobt. Die Kürze mag vorbildlich sein, Präzision kann ich darin leider nicht erkennen. Es tut mir leid.

[Beifall bei den Grünen]

Mangelnde Präzision zeigt sich auch darin, wenn Sie auf die Frage, wie hoch der Anteil internationaler Gastwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler ist, damit antworten: Berlin wird mit seinen Forschungsaktivitäten international wahrgenommen. – Ehrlich gesagt, ich hätte mir mehr Auskünfte über die internationale Sichtbarkeit und vor allem darüber, was der Senat dafür tut, gewünscht. Was tun Sie konkret, um unsere Wissenschaftseinrichtungen zu unterstützen? Treten Sie auf Kongressen auf, präsentieren Sie sich international – und zwar nicht mit einer Gründung einer Außenstelle in Abu Dhabi, sondern als Wissenschaftsstandort? Was tun Sie konkret? Dazu steht dort nichts. Ich glaube, wir hätten es fachlich eher im Ausschuss diskutieren müssen. Ich glaube aber, Herr Czaja, dafür hätten Sie dann wiederum auf die schriftliche Antwort hier verzichten müssen.

Wenn hier zur Frage der Entlohnung des Personals an den Hochschulen von Ihnen ein ganz lapidarer Satz kommt:

„Die Berliner Hochschulen sind Arbeitgeber ihres Personals, und deshalb sind sie tariflich frei.“, möchte ich doch noch eine Sache kurz in Erinnerung rufen. Als das Land Berlin den Solidarpakt abgeschlossen hat, haben Sie, diese rot-rote Koalition – es waren nicht Sie, Herr Zöllner, ich weiß, es war Ihr Amtsvorgänger –, am nächsten Tag den Hochschulleitungen gesagt: „Übrigens, es ist uns völlig egal, ob ihr eigenständige Arbeitgeber seid. Es ist uns völlig egal, welchen Tarifvertrag ihr habt. Wir nehmen euch das Geld auf jeden Fall weg.“ Jetzt sitzen die Hochschulen in einem gewissen Schlamassel. Wir sind in der Form nicht direkt konkurrenzfähig. Ich erwarte, dass auch mit den Hochschulen gesprochen wird, wenn über eine Fortschreibung des Anwendungstarifvertrags geredet wird. Das können Sie nicht einfach davon abkoppeln. Sie haben das Geld den Hochschulen einmal weggenommen.

[Beifall bei den Grünen]

Damit komme ich zum Schluss. Das Einzige, das auch nur ansatzweise konkret ist, was Sie hierin als Aktivität des Senats für die Forschungslandschaft in Berlin beschreiben, jenseits vom rein Deskriptivem – das ist jetzt so, und wir haben mit Adlershof und Buch zwei tolle Standorte –, ist Ihre sagenumwobene Tochterinstitution, die IFAS, Ihre Superuni. Ich erwarte, dass das irgendwann einmal konkret wird. Sie haben sich offensichtlich Herrn Katenhusen ins Haus geholt. Wir harren gespannt der konkreten Verhandlungsergebnisse. Demnächst jährt sich der Tag, an dem Sie vor die Presse getreten sind und groß verkündet haben: „Wir werden eine Superuni bekommen.“ Wo bleibt das konkrete Ergebnis in einer Art und Weise, die den Berliner Universitäten nicht noch zusätzlich schadet? Diese Antwort hätte ich gern von Ihnen gehabt, aber auch diese Chance haben Sie wieder verstreichen lassen.

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Frau Kollegin Schillhaneck! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Große Anfrage ist damit beantwortet und besprochen worden.

Den Tagesordnungspunkt 8 haben wir bereits als Priorität der Fraktion der SPD unter der lfd. Nr. 4 b aufgerufen

Wir kommen nun zur

lfd. Nr. 9:

a) Beschlussempfehlung

Gender-Check zur verbindlichen Vorgabe für alle Senatsvorlagen machen!

Beschlussempfehlung WiTechFrau Drs 16/1290 Antrag der Grünen Drs 16/0667

b) Beschlussempfehlung

Stärkung des Gender-Check-Verfahrens

Beschlussempfehlung WiTechFrau Drs 16/1291 Antrag der SPD und der Linksfraktion Drs 16/0926

Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion der Grünen in Person von Frau Kofbinger. – Bitte schön, Frau Kofbinger, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute ist Girls’ Day. Wir haben es gesehen. Wir haben es gehört. Deshalb hat der Präsident Momper heute auch im Foyer eine schöne und schwungvolle Rede gehalten, die mit dem euphorischen Ausruf endete: „Frauenpower! Frauenpower!“ Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

[Beifall bei den Grünen und der SPD]

Diese Aufforderung nehme ich heute gern auf. Herr Momper und ich kümmern uns ab heute darum. Auch das Thema, das nun zur Sprache kommt, hat ein wenig damit zu tun. Blicken wir zurück: Im März 2005 hat der Senat beschlossen, verbindlich bei allen Senatsvorlagen einen Gender Check durchzuführen. Es sollte damit sichergestellt werden, dass man obligatorisch feststellt, welche Auswirkungen die Beschlüsse auf Männer und Frauen in Berlin haben. Eine nach zwei Jahren durchgeführte Evaluation ergab, dass weder die formalen noch die inhaltlichen Anforderungen erfüllt wurden.

Nur bei ungefähr jeder fünften Vorlage wurde überhaupt ein Gender Check durchgeführt. Das heißt im Umkehrschluss, bei 80 Prozent der Senatsvorlagen gab es entweder eine Ausnahmeregelung, oder es hat schlichtweg keinen interessiert. Um diesen unhaltbaren Zustand zu beenden, fordere ich Sie heute auf, handeln Sie endlich!

[Beifall bei den Grünen]

Sie beschweren sich indirekt über die Verwaltung, dass sie nicht mitziehe, dass sie nicht für das Thema begeistern könne etc. Frau Bayram hat uns das im Ausschuss noch einmal vorgetragen. Aber dass man als Regierung der Verwaltung auch Anweisungen geben kann, Dinge zu tun, auf diese glorreiche Idee sind Sie offensichtlich noch nicht gekommen.

[Beifall bei den Grünen]

Das nennt man Top-down-Strategie. Das ist für die Gender-Mainstreaming-Prozesse von ganz entscheidender Wichtigkeit.

Ein weiteres Manko ist natürlich, dass es keinerlei Sanktionen gibt, die einem Fehlverhalten folgen würden. Schlimmstenfalls fällt es irgendjemandem auf, dass die Vorlage nicht gegendert ist, sie geht zurück in die Abteilung, das war es. Die Zahlen sprechen hier eine deutliche Sprache. 80 Prozent der Senatsvorlagen gehen ungegendert heraus. Eine starke Kontrolle scheint es dort nicht zu geben. Unser Antrag bezieht sich auf diese konkreten Probleme und will Sie nur in Ihrem Bemühen unterstützen.

Damit Sie unsere Vorschläge nicht ablehnen können, haben wir sie perfiderweise auch aus der Mitteilung – zur Kenntnisnahme – entnommen, die der Senat im Abgeordnetenhaus im August 2007 zur Besprechung vorgelegt hat.

[Beifall bei den Grünen]

Wir fordern erstens: Der Gender-Check muss grundsätzlich im Vorfeld der Erstellung einer Senatsvorlage erfolgen. Die Verantwortlichkeit für die Umsetzung muss bei den Führungskräften oben angesiedelt werden, wie es das Top-down-Prinzip vorsieht.

Zweitens: Es muss eine verbindliche Berichtspflicht an die zuständige Senatsverwaltung WTF geben. Wir sagen hier ganz klar: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Und ganz banal und doch zentral: Den Mitarbeitern muss auch die Anwendungskompetenz vermittelt werden. Das heißt aber auch, es muss eine verbindliche Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen zum Gender-Check geben. Es darf keine Freiwilligkeit sein. Dem Bericht habe ich entnommen, dass bis zu dem Zeitpunkt 174 Personen geschult waren. Das gilt für die gesamte Berliner Verwaltung und ist viel zu wenig.

[Beifall bei den Grünen]

Der Gender-Check ist als Prüfpunkt, das ist unser vierter Punkt, in den ressortinternen Vordruck für Senatsvorlagen aufzunehmen, und eine entsprechende Statistik ist selbstverständlich zu führen. Sie schreiben in Ihrem Antrag eigentlich nicht mehr, als dass die entsprechenden Paragrafen der GGO II ab sofort jetzt aber auch wirklich anzuwenden sind. Im Grunde genommen handelt es sich bei Ihrem Antrag um unseren Punkt 4. Wenn Sie einen Antrag brauchen, weil der Senat nicht in der Lage ist, Verwaltungshandeln selbst umzusetzen, dann sei an dieser Stelle die Frage erlaubt, wie der Senat mit den sonstigen Beschlüssen des Parlaments umgeht.