Protocol of the Session on February 28, 2008

Herr Senator Sarrazin! Vor einigen Monaten sind Sie mit der Aussage zitiert worden: Ich tue dann einfach das, was mir gefällt.

Herr Steuer! Ihre Redezeit ist bereits beendet.

Ich bin beim letzten Satz, Frau Präsidentin! – Ich tue dann einfach das, was mir gefällt. Ich sage das, was mir gefällt, und das ist nicht immer klug. – Herr Sarrazin, Sie sind nicht Finanzsenator, um das zu tun, was Ihnen gefällt, sondern um das zu tun, was gut ist für diese Stadt, und das, was gut ist für die Schulen, nämlich Bildungsinvestitionen anstatt Schulschelte.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Steuer! – Für die SPDFraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Dr. Tesch das Wort. – Bitte sehr!

Danke schön, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Herr Steuer beginnt seinen Beitrag mit dem Satz: Die Lehrerinnen und Lehrer tun einen guten Job. – Das ist eine Aussage, die ich unterstreichen kann. Das ist so. Was aber nicht stimmt, ist, dass die Schülerinnen und Schüler in Berlin immer schlechter, immer brutaler und lernunwilliger werden. Wenn ich mich recht erinnere, steht bereits bei Platon, dass die Jugend immer schlechter wird. Herr Felgentreu weiß das als Lateiner. Das hat sich jetzt über die Jahrhunderte hingezogen.

Dass Sie mit Bayern sympathisieren, wundert mich nicht. Sie haben immer von der sozialdemokratischen Bildungspolitik gesprochen. Dabei haben Sie völlig vergessen, dass auch wir uns in Berlin einmal in einer großen Koalition befunden haben. Ich habe das damals nicht gut geheißen, aber es war so.

Bevor ich zum eigentlichen Thema komme, will ich noch ein Wort zu den Äußerungen unseres geliebten Finanzsenators sagen. Er hat gesagt, es sei ein Scherz gewesen.

[Özcan Mutlu (Grüne): Peinlich!]

Ich habe, Herr Kollege Mutlu, diesen Scherz ausführlich in der „Berliner Morgenpost“ kommentiert. Scherze dieser Art muss man nicht ernst nehmen.

[Mieke Senftleben (FDP): Ach ja? Das sieht Ihr Fraktionsvorsitzender aber anders!]

Ich komme jetzt zum Inhalt Ihres Antrags, der eine Reihe von Forderungen enthält. Ich erinnere mich daran, es ist noch nicht lange her, genauer gesagt war es am 6. Dezember 2007, dass wir hier den Doppelhaushalt 2008/2009 beschlossen haben. Ich war nicht zum ersten Mal bei Haushaltsberatungen dabei, aber beim letzten Mal konnte ich wirklich voller Stolz verkünden: Wir packen mehr Geld in die Schule. – Was jedoch behaupten Sie in Ihrem Antrag? – Es gebe Kürzungen im Leistungsbereich der Kitas. Darüber kann ich nur lachen. Wer hat den Besuch des letzten Kitajahres ab 1. Januar 2007 freigestellt, und die beiden nächsten Jahre werden sukzessive folgen? Gibt es das in einem anderen Bundesland?

[Mieke Senftleben (FDP): Ja!]

Ich war gerade am Montag und Dienstag auf einer Konferenz aller bildungspolitischen Sprecherinnen und Sprecher in Kiel. Die sind grün vor Neid geworden, als ich ihnen unsere Zahlen vorgestellt habe. Natürlich kann man Berlin nicht mit anderen Bundesländern vergleichen. Natürlich haben wir besondere Probleme. Aber die Koalition unternimmt auch etwas dagegen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Das leidige Thema Unterrichtsausfall: Obwohl statistisch gesehen der Unterrichtsausfall in Berlin gar nicht so hoch ist,

[Özcan Mutlu (Grüne): Elf Prozent!]

weiß ich um die Besorgnis vieler Direktorinnen und Direktoren, mit dem hohen Krankenstand umzugehen und der Unterrichtsversorgung nachzukommen. Das habe ich gestern gerade wieder hautnah auf einer bildungspolitischen Veranstaltung in Reinickendorf erlebt. Was tun wir gegen den Unterrichtsausfall? – Endlich werden die dauerkranken Lehrer aus der Unterrichtsversorgung herausgerechnet, und die Schulen bekommen zusätzliche drei Prozent Personalmittel, um kurzfristig Personal einzustellen.

[Mieke Senftleben (FDP): Bürokratie lebt in diesem Land!]

Dieses Verfahren, liebe Frau Senftleben, ist auf unterschiedliche Resonanz gestoßen. Natürlich beklagen kleinere Schulen, dass sie Probleme haben, geeignete Lehrkräfte zu finden.

[Mieke Senftleben (FDP): Nein, wegen der Bürokratie!]

Ich bin selbst Mitglied einer Schulkonferenz einer Gesamtschule in Spandau. Deren Direktor hat mit dem Personalbudgetierungsverfahren – PKB – viele neue Kolleginnen und Kollegen einstellen können. Ähnliches berichtet mir auch die Gesamtschule in meinem eigenen Wahlkreis, mit der ich ständig schulpolitische Veranstaltungen organisiere. Außerdem ist es erstmals möglich gewesen, eine Vereinbarung zur Einstellung von Lehrkräften bis zum Jahr 2011 festzuschreiben. Es wird insgesamt 2 450 Neueinstellungen geben. Das sind 450 bis 600 neue Lehr

kräfte pro Jahr. Damit diese auch zur Verfügung stehen, haben wir die Ausbildungsplätze für Lehramtsanwärterinnen und -anwärter und Referendare erhöht – 2008 von 1 500 auf 1 700, 2009 von 1 700 auf 1 900.

[Özcan Mutlu (Grüne): Die Sie zuvor gekürzt haben!]

Die haben wir früher zurückgefahren, richtig, aber wir haben sie wieder auf das ursprüngliche Level angehoben, worüber ich sehr froh bin, Herr Kollege.

Nun zu den Schulsanierungsmitteln: Das Schul- und Sportstättensanierungsprogramm wird bis zum Ende der Legislaturperiode mit jährlich rund 41 Millionen € fortgeführt, davon sind 32 Millionen € für die Schulen und rund 9 Millionen € für die Sportstätten bestimmt.

[Özcan Mutlu (Grüne): Dann verkaufen Sie es nicht als Erfolg!]

Ja, das ist eine Kürzung, aber nicht gegenüber dem letzten Haushalt. Diese Kürzung erfolgte schon früher. Ich hätte auch gern mehr Geld in diesem Bereich und habe immer dafür gekämpft. Aber – und das ist neu – die Bezirke erhalten noch 4,5 Millionen € zusätzlich für die bauliche Erhaltung, die sie auch für die Sanierung von Schulen verwenden können.

Zu den Reformen des Berliner Schulgesetzes: Ich bleibe dabei, Frau Senftleben, diese Reformen sind gut, entsprechen den neuesten pädagogischen Erkenntnissen und werden von anderen Ländern nachgemacht. Natürlich müssen wir sehen, dass wir diese Reformen auch umsetzen.

Frau Dr. Tesch, Ihre Redezeit ist bereits beendet!

Ja! – Deswegen erhalten die Schulen, die die Schulanfangsphase bereits durchführen, zusätzliche Personalmittel. Es gibt zahlreiche Fort- und Weiterbildungsangebote, die jetzt auch verpflichtend werden sollen.

Sie sehen, all Ihre Forderungen werden bereits erfüllt, deshalb ist dieser Antrag völlig überflüssig. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Vielen Dank, Frau Dr. Tesch! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Herr Abgeordneter Mutlu das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Dr. Tesch! Wenn man Ihnen so zuhört, hat man das Ge

fühl, dass die Hunderttausende Eltern, Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer in dieser Stadt, alle Schulen, uns anscheinend tagtäglich in den Zeitungen, den öffentlichen Veranstaltungen, auf der Straße, vor Ort belügen. Denn es ist alles nicht so schlimm, sie bilden sich das alles nur ein.

[Zuruf von Dr. Felicitas Tesch (SPD)]

Sie haben anscheinend die Weisheit mit Löffeln gefressen und bezichtigen alle Menschen, die vor Ort von Ihren Kürzungen betroffen sind, der Dummheit, der Träumerei und mehr.

[Zuruf von Dr. Felicitas Tesch (SPD) – Zurufe von der FDP]

Sie machen das genauso wie Ihr Herr Sarrazin! Es vergeht keine Sitzung in diesem Haus, in der wir uns nicht über die Eskapaden des Möchtegern-Sozialsenators Sarrazin, des Möchtegern-Bildungssenators Sarrazin, des Möchtegern-Senatssprechers Sarrazin und Wer-weiß-noch-wasSarrazin ärgern und uns auseinandersetzen müssen. Ich frage den Regierenden Bürgermeister an dieser Stelle: Welche weiteren Bevölkerungsgruppen müssen noch beleidigt, müssen noch diffamiert werden, bis endlich diesem Spuk ein Ende bereitet wird? Wann machen Sie, Herr Wowereit, endlich Gebrauch von Ihrer Richtlinienkompetenz und machen diesem verbalen Treiben Ihres Senators ein Ende? Oder finden Sie, dass er mit seinen Aussagen über die Berliner Schülerinnen und Schüler, über die Berliner Beamten, über die Berliner Hartz-IV-Empfängerinnen und -empfänger zum Wohl des Landes Berlin handelt? – Ich bin da anderer Auffassung. Ich finde, das schadet dem Standort Berlin.

Die erste Feststellung: Berliner Schülerinnen und Schüler sind überhaupt nicht dümmer als die in anderen Bundesländern.

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Dr. Felicitas Tesch (SPD)]

Zweitens – das sollten Sie Ihrem Herrn Sarrazin sagen –: Als Sie der Dringlichkeit zugestimmt haben, habe ich gedacht: Endlich haben Sie so viel Mut, Tacheles zu reden! – Sie haben aber nichts davon getan, Sie haben einfach alles weggeredet, und Sie haben das, was er an beleidigenden Dingen gesagt hat, als einen Scherz dargestellt. Das war kein Scherz!

[Zuruf von Dr. Felicitas Tesch (SPD)]

Drittens: Seit über 12 Jahren sind es SPD-Bildungssenatorinnen und -senatoren, die die Bildungspolitik des Landes Berlin bestimmen. Das entspricht einer ganzen Schülergeneration. Was macht der Herr „Senator allwissend“? – Er sucht die Schuld bei den Schülerinnen und Schülern, anstatt sich selbst an die Nase zu fassen. Schließlich ist er seit Jahren Finanzsenator, und an seiner Seite sind SPDBildungssenatoren.

Schauen wir uns die 12-Jahre-Bilanz der SPD-Regierung oder der SPD-Bildungspolitik an.

[Zuruf von Sascha Steuer (CDU)]

Wiederholte Kürzungen der frühkindlichen Bildung, immer wieder Kürzungen im Bildungsbereich – Herr Steuer hat einige aufgezählt –, mehrmalige Erhöhung der Lehrerarbeitszeit, Abschaffung der Lehrmittelfreiheit, wiederholte Kürzungen bei Schulen in freier Trägerschaft. Jetzt erst kürzlich wieder Kürzungen der Sprachfördermittel, obwohl wir alle wissen, wie dringend und wie notwendig sie sind. Der Unterrichtsausfall soll, das haben Sie, Frau Kollegin, in Ihrer Regierungszeit, in Ihrer Koalition, immer wieder versprochen, auf unter ein Prozent reduziert werden.

[Zuruf von Dr. Felicitas Tesch (SPD)]

Heute bewegt sich der Unterrichtsausfall bei 11 Prozent. 11 Prozent Unterrichtsausfall, wovon nahezu 8 Prozent vertreten werden, ist unerträglich!

Reformen werden ad absurdum geführt oder schlichtweg rückgängig gemacht, weil der Senat zuvor vergessen hat, die Rahmenbedingungen zum Gelingen dieser Reformen finanziell und personell zu schaffen. Lehrerinnen und Lehrer, die für viel Geld in Berlin ausgebildet worden sind, wandern ab. Wir haben gestern in der Zeitung von einem engagierten ex-Berliner Lehrer lesen können, der gern an einer Schule im sozialen Brennpunkt gearbeitet hätte. Aber Berlin hat diesen engagierten Lehrer davonziehen lassen, weil Sie kein Konzept haben, wie Sie dem Lehrermangel, der der Stadt bevorsteht und tagtäglich in den Schulen erlebt wird, entgegentreten wollen.