Protocol of the Session on February 28, 2008

im Gegensatz zur Pro-Tempelhof-Kampagne mit einer ganz eindeutigen Interessenverflechtung zwischen der CDU und den wirtschaftlichen Interessen unter dem

Deckmantel der ICAT. Das spielt sich bei Ihnen ab, und das gibt es bei diesem Bündnis nicht.

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Nach einem bewusst provokanten Auftakt, den es gestern gegeben hat, werden wir deutlich machen, dass es gute Gründe für die Einstellung des Flugbetriebs gibt. Mehrere Gründe sprechen dafür: Lärm- und Umweltschutzaspekte, die Sicherheit der Anwohnerinnen und Anwohner. Man muss sich einmal vor Augen halten, was die CDU und die ICAT wollen: Sie wollen mit dem Volksbegehren, dass Tempelhof Verkehrsflughafen bleibt, mit mehr Flugbewegungen, damit es sich rechnet. Die ICAT hat das ausgerechnet: 50 000 Flugbewegungen pro Jahr. Das heißt täglich zwischen 6 Uhr und 22 Uhr alle sechs Minuten ein Start oder eine Landung. Haben Sie den Berlinerinnen und Berlinern gesagt, dass Sie das mitten in der Stadt wollen, auf einem Flughafen, der nach heutigen Gesichtspunkten aus Sicherheitsgründen gar keine Genehmigung mehr bekommen würde?

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Wir werden deutlich machen, dass das, was Sie wollen, BBI gefährdet. Bislang sind 850 Millionen € an Aufträgen vergeben worden, 740 Millionen € in der Region. Unsere Wirtschaft profitiert davon. Wir haben Erfolge bei der Flächenvermarktung. 38 Hektar des BBI-Business-Parks sind inzwischen verkauft worden. Das setzt eine Investition von 220 Millionen € mit 2 000 Arbeitsplätzen frei. Herr Kropp, Leiter der Konzernpolitik der Lufthansa, rechnet vor, welche positiven Arbeitsplatzeffekte es hat, wenn BBI am Netz ist. Bis 2010 – schon bevor es so weit ist – werden jährlich 400 bis 500 neue Arbeitsplätze allein bei der Lufthansa hinzukommen.

Das sind harte Fakten. Das können Sie nicht einfach beiseite wischen. Das sind meine windelweiche Prognosen für ein Gesundheitszentrum mit Flugbetrieb. Nehmen Sie diese Fakten zur Kenntnis, und engagieren Sie sich dafür, dass aus diesen Arbeitsplätzen noch mehr Arbeitsplätze werden, und dafür brauchen wir BBI!

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Wir werden deutlich machen, wie wichtig es ist, was das für eine Chance ist, diese Fläche des Flughafens Tempelhof für alle zu öffnen, nicht nur für einige wenige Privilegierte. Unterschiedliches wird dort entstehen: ein neuer Stadtteil für alle Berlinerinnen und Berliner, sicherlich auch eine Form von Randbebauung für Wohnen und Gewerbe, die riesige Freifläche bleibt als Klimazone erhalten und wird für Freizeit- und Sportangebote zur Verfügung stehen. Das Gebäude wird eine öffentliche Nutzung bekommen. Gewerbe und Kultur werden dort einziehen. Die Botschaft ist ganz klar: Tempelhof ist künftig der Ort für kreative Ideen mit ökonomischer, ökologischer und gesellschaftlicher Perspektive.

[Gelächter bei der CDU und der FDP]

Es wird ein Stück neues Berlin dort entstehen, ohne dass die Geschichte vergessen wird. Das wird dort gestaltet werden. Sie werden sehen, welche Chancen darin liegen.

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen – Dr. Martin Lindner (FDP): So ein Quatsch!]

Seit 1986 kämpfen Anwohner und Bürgerinitiativen für die Schließung des Flugbetriebes in Tempelhof. Seit Anfang der 90er Jahre arbeitet die Politik an der Umsetzung eines neuen großen Flughafens für Berlin. 1996 hat es dann den berühmten Konsensbeschluss der drei Gesellschafter – Berlins Brandenburg und Bund – gegeben. Es ist ja nicht nur ein Berliner Projekt. 1997 hat Herr Diepgen – der damalige CDU-Bürgermeister – hier im Plenum erklärt:

Selbstverständlich hält sich der Senat an alle Teile des Konsensbeschlusses, und zwar auch an die Vereinbarung hinsichtlich der Verkehrsflughäfen Tempelhof und Tegel. Der Großflughafen wird zur wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt in großem Maße beitragen.

O-Ton Diepgen 1997! Das Abgeordnetenhaus und der Senat haben diese Linie 1994 zum ersten Mal bestätigt, dann in weiteren Beschlüssen 1996, 1998, 1999. Alle Gerichte haben inzwischen diese Linie, dieses Vorgehen bestätigt, innerstädtische Flughäfen für BBI zu schließen. Jahrelang haben sich drei Gesellschafter für diesen Weg engagiert, und wenn heute eine demokratisch gewählte Mehrheit im Parlament sagt: Wir wollen uns an all diese Beschlüsse halten,

[Zuruf von der FDP: Die Bürger sagen etwas anderes!]

wir wollen verantwortliche und verlässliche Politik für die Stadt machen – das soll das Arroganz und Willkür sein? Sie wollen den Berlinerinnen und Berlinern erzählen, sich an Beschlüsse zu halten, sei ein Fehler für unsere Stadt? – Es ist Planungssicherheit für alle Menschen in der Stadt und für alle Investoren, was wir hier verfolgen.

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Was für ein Armutszeugnis, wenn die Berliner CDU das Versprechen, das sie den eigenen Wählerinnen und Wählern gegeben hat, an dieser Stelle bricht! Kein Thema, kein Konzept – außer auf Volksbegehren aufzuspringen –, sich nicht an eigene Beschlüsse halten, sie einfach zu ignorieren – das ist die Politik, die Sie hier verfolgen. Aber wir werden öffentlich darstellen, wie Sie mit dem Volksbegehren umgehen und was für Parlamentsanträge Sie im Gegensatz dazu hier stellen.

Herr Kollege! Sie müssen jetzt leider zum Ende kommen!

Ja! Ich komme zum Schluss. – In der Abwägung aller Argumente ist es völlig klar: Der Flugbetrieb muss wegen der finanziellen Belastung für Berlin, aus Lärm-, Umweltschutz- und Sicherheitsgründen eingestellt werden. Er verhindert die Öffnung des Areals für alle Berliner, er ist ein Privileg für wenige, die dort starten und landen können, und er gefährdet BBI.

Die Abwägung aller Argumente zeigt: Es gibt keine ökonomischen, ökologischen und rechtliche Argumente für das Offenhalten des Flughafens Tempelhof. Deswegen setzt sich die SPD-Fraktion für die Schließung des Flughafens und für die Öffnung des Geländes für alle Berlinerinnen und Berliner ein. Wir nehmen Verantwortung für das ganze Berlin wahr. Das unterscheidet uns eben von Ihnen.

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Pflüger das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schade, Herr Müller, ich hatte auf eine sachliche Debatte gehofft.

[Gelächter bei der SPD und der Linksfraktion]

Wieder nur persönliche Diffamierungen! Ich glaube, das wird der Tatsache nicht gerecht, dass 205 000 Menschen in dieser Stadt dem Volksbegehren zugestimmt haben, 205 000 mündige Bürger, die Sie als nicht Informierte, Naivlinge und Ewiggestrige darstellen. Das hat dieses Volksbegehren und direkte Demokratie in Berlin nicht verdient!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

205 000 Unterschriften, das ist ein großartiger Erfolg der Bürgerinitiative ICAT, der zahllosen Helfer und Unterstützer. Herzlichen Dank allen, die hier mitgemacht haben, die abgestimmt haben! Sie alle können stolz auf dieses erste gewonnene Volksbegehren in der Geschichte unserer Stadt sein.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Danken Sie doch den Spendern!]

Der Regierende Bürgermeister sagte in einer Stellungnahme, über Tempelhof dürfe man nicht emotional entscheiden. Es gehe nicht um Rückblicke, sondern um eine rational zu treffende Zukunftsentscheidung. – Was ist das für ein Demokratieverständnis? Die Befürworter des Flughafens sind alle irgendwelche Gefühlsnostalgiker, die Gegner Tempelhofs sind die Vernünftigen?

[Zuruf von der SPD: Ja! – Beifall bei der SPD]

Warten Sie es nur ab! – IHK, Handwerkskammer, der Berlin-Tourismus-Chef Nerger, der Chef von Berlin Partner Gurka, Richard von Weizsäcker, die Sozialdemokraten Bölling und McCullen, der Linke Andrej Hermlin, – alles emotionalisierte Rückwärtsgewandte, die einer parteipolitischen Kampagne aufgesessen sind, ohne Sinn und ohne Kenntnis? – Nein, das ist keine parteipolitische Kampagne gewesen, das ist eine Volksbewegung gewesen, und auf die sind wir alle miteinander stolz.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Helmut Schmidt hat sich für Tempelhof ausgesprochen – die Reaktion des Senats kam umgehend: Schmidt sei nicht wirklich informiert.

[Martina Michels (Linksfraktion): Richtig!]

Wowereit erklärt, egal, wie der Volksentscheid ausgehe, er bleibe bei der Schließung Tempelhofs.

[Das tut er auch! von der SPD]

Das hat mit Demokratie nichts zu tun, das ist Arroganz der Macht, nichts anderes!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Berlin hatte mal einen großen Sozialdemokraten – Willy Brandt. Der würde heute sagen: Mehr Demokratie wagen, Klaus! – Mehr Demokratie wagen – das war die große Losung von Willy Brandt. Was wir heute erleben, was Ihre Auffassung, Herr Wowereit, kennzeichnet, das orientiert sich mehr an Bertolt Brechts Interview vom 17. Juni 1953: „Da sich herausgestellt hat, das unser Volk eine dumme Hammelherde ist, empfehlen wir der Regierung, sich ein anderes Volk zu wählen.“ – Das ist Ihr Demokratieverständnis, die Leute zu diffamieren, in die Ecke zu stellen und nicht zur Kenntnis zu nehmen, dass sich im Volk, in der Berliner Bevölkerung etwas getan hat.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

In diesem Sinne hat Michael Efler von der Initiative „Mehr Demokratie“ völlig recht. Er hat Herrn Wowereit problematisches Verhalten vorgeworfen. „Zunächst lässt Wowereit ein Volksbegehren zu und erweckt den Eindruck, es ernst zu nehmen. Als er merkt, dass es anders läuft als gedacht, äußert er, das Ergebnis sei nicht von Belang.“ Der frühere Justizsenator Wieland – heute Bundestagsabgeordneter der Grünen – kritisiert Ihre TempelhofArroganz. „Man kann direkte Demokratie nicht nur dann wollen, wenn man selbst gewinnt!“

[Beifall bei der CDU und der FDP – Mieke Senftleben (FDP): Jawohl!]

Bange machen gilt nicht. Wenn alle mitmachen und von ihrem demokratischen Recht Gebrauch machen – die 70 Prozent, die laut Umfragen für die Offenhaltung von Tempelhof sind –,

[Zurufe von Stefan Liebich (Linksfraktion) und Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

dann gewinnen wir auch den Volksentscheid, und wir sind entschlossen, ihn zu gewinnen, auch wenn wir in diesem Haus dafür nicht die Mehrheit haben.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Unser Hauptargument für Tempelhof ist nicht die Geschichte – so wichtig sie auch ist –, sondern es ist die Gegenwart und Zukunft unserer Stadt, sind Arbeitsplätze und Investitionen.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Ja^, eben! – Zuruf von Daniel Buchholz (SPD)]