Sie müssen doch angesichts der Trotzhaltung dieses Menschen – der jetzt hier nicht sitzt –, der sagt, es müsse nun erst recht wie vorher weitergemacht werden, die Lehren auch aus dem ziehen können, was wir in dem Verfassungsverfahren selbst erlebt haben. Wir haben Sie vor der mündlichen Verhandlung beschworen und geraten, auf die Vorhaltungen der anderen Länder und auf die zu erwartenden Fragen einzugehen, und Sie darum gebeten, dem Gericht weitere Konsolidierungsvorschläge zu machen.
Ja, ich komme zum Schluss. – Ich möchte nur noch darauf hinweisen, was mir Herr Sarrazin dazu geantwortet hat:
In der mündlichen Verhandlung haben Sie es fertiggebracht, auf die Frage nach Sparmöglichkeiten zu antworten, man werde jede Auflage des Gerichts erfüllen, dann sei aber auch klar, wo die Verantwortung liegt. Das hat mich im Gerichtssaal fast vom Stuhl gehauen. Wir haben dafür dann die Quittung bekommen. Wir haben die Verantwortung nun zurückbekommen.
Die ganze Stadt muss Ihre Haltung ausbaden. Diese Haltung nach dem Urteil nun auch noch fortzusetzen heißt, die Lehre aus Karlsruhe und der fehlerhaften Prozessstrategie überhaupt nicht verstanden zu haben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den vergangenen Jahren haben wir mit harten Einsparungen und zahlreichen Zumutungen für die Berlinerinnen und Berliner dieses Bundesland regiert und haben dieses Gemeinwesen in einem beispiellosen Maß saniert. Heute sind wir endlich in der Lage, unsere laufende Ausgaben durch eigene, reguläre Einnahmen zu finanzieren. Wir sind auch nicht nach Karlsruhe gezogen, um frisches Geld für neue Leistungen zu erhalten, sondern um eine Lösung für die Schuldenfalle zu ersuchen, aus der sich Berlin durch weitere Ausgabenkürzungen objektiv nicht befreien kann.
Sparsamkeit und der sorgsame Umgang mit dem Geld und dem Vermögen der Berliner sind vor diesem Hintergrund nicht nur ein Gebot der Generationengerechtigkeit, sondern sind eine politische Selbstverständlichkeit für die Linkspartei und sicher auch für die alte und neue rot-rote Regierungskoalition. Gerade weil wir finden, dass Berlin nicht kaputtgespart werden darf und wir deshalb weitere radikale Kürzungen zu Lasten der Berliner und der Zu
kunftspotentiale dieses Landes ablehnen, ist dies keineswegs zugleich ein Freibrief für ungehemmte Mehrausgaben und den radikalen Gang in die Neuverschuldung.
[Beifall bei der Linksfraktion – Ramona Pop (Grüne): Schauen Sie doch mal in Ihre eigene Bedarfsplanung!]
Sparsamkeit allein ist zwar noch keine hinreichende finanzpolitische Strategie nach Karlsruhe, aber ihre notwendige und unverzichtbare Voraussetzung. In den Koalitionsverhandlungen haben sich Linke und SPD dazu verpflichtet, dass wir Mehreinnahmen – alles, was Berlin an zusätzlichen Steuereinnahmen erhält – in der Legislaturperiode vollständig für die zusätzliche Verringerung der Neuverschuldung aufwenden. Das ist eine rigorose Selbstbeschränkung, auch wenn sich hierdurch der unvermeidliche Aufwuchs von Schulden und Zinsen nur verlangsamen mag. Auf diesem Weg allein kann er ohnehin nicht gestoppt werden.
Berlin wird auch in den kommenden Jahren mit seinem jetzigen Ausgabenniveau leben müssen. Unverzichtbare Mehrausgaben müssen an anderer Stelle durch Kürzungen oder Steuererhöhungen erbracht werden. Das ist der wesentliche Grund dafür, weshalb wir uns entschieden haben und entscheiden mussten, den erheblichen Mehrausgaben im Bildungsbereich für Kitas und Schulen, die SPD und Linkspartei für unverzichtbar halten, zugleich die Erhöhung der Grund- und der Grunderwerbssteuer entgegenzustellen.
Eines allerdings ist offenkundig, und dieses ist ein mathematischer und politischer Grundsatz, den bisher alle namhaften Experten von der Hertie School of Governance bis hin zum DIW für richtig befunden haben. Durch zusätzliche Kürzungen kann die Zinsschuldenfalle, in der sich Berlin befindet, nicht bewältigt werden. Wer dies wollte, Frau Eichstädt-Bohlig, müsste Berlin bis zum Jahr 2020 mit Kürzungen von über 2,6 Milliarden € traktieren. Schulen, Kitas und Universitäten müssten geschlossen und damit das Land in den Grundfesten erschüttert werden. Berlin wäre dazu verurteilt, seine eigenen Zukunftspotentiale vollständig zu zerstören.
Die Schließung der Humboldt-Universität spare zwar 300 Millionen € im Jahr, aber nicht nur ein barbarischer Akt, sondern wäre zugleich finanzpolitisch völlig sinnlos. Denn hierdurch ließe sich der Aufwuchs von Schuld und Zins bestenfalls verlangsamen, nicht aber verhindern. Rot-Rot wird deshalb dem Druck der politischen Rechten widerstehen und dieses Land nicht kaputtsparen, sondern Zukunft für Berlin erhalten.
Nach Karlsruhe steht Berlin allein und vor einer Anpassung seiner finanzpolitischen Strategie. Uns hilft am Ende niemand außer uns selbst. Aus dieser Feststellung erwächst kein Selbstmitleid, sondern politische Stärke und ein gesellschaftlicher Aufbruch. Die Erholung am Arbeitsmarkt und die anziehende Berliner Wirtschaft zeigen
ganz deutlich, dass Berlin eine Chance hat, wenn die Rahmenbedingungen auch langfristig stimmen. Wir brauchen allerdings eine Neubestimmung der Aufgaben der Finanzpolitik und eine Rückbesinnung auf ihre dienende Funktion. Haushaltskonsolidierung und Verfassungskonformität sind keine Selbstzwecke, gerade nicht in der Berliner Lage. Die Finanzpolitik muss sich darauf konzentrieren, Spielräume zu eröffnen und gute Rahmenbedingungen zu erhalten, damit mit den Stärken dieses Landes aus Wissenschaft, Bildung, Kultur und dem sozialen Zusammenhalt dieser großartigen Metropole eine Stärkung der Wirtschafts- und Finanzkraft und damit eine langfristige Bewältigung der Schuldenlast ermöglicht werden kann. Dafür steht Rot-Rot. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Goetze! In der Begründung zu Ihrem Antrag haben Sie sehr viel Richtiges ausgeführt. Leider – das ist der Hauptkritikpunkt der FDP an Ihrem Antrag – wird es in dem Antrag selbst nicht so deutlich. Wenn Sie – hierauf wurde bereits von meinen Vorrednern eingegangen – in der 16. Wahlperiode einen verfassungskonformen Haushalt einfordern, sind wir schon etwas weiter.
Wir diskutierten im gestrigen Hauptausschuss, wie schon in den Wochen zuvor in der Stadt, darüber, was mit dem Haushalt im Jahr 2007 zu geschehen hat. Das ist auch die entscheidende Frage. Der Finanzsenator hat gestern – das fand ich den eigentlichen Skandal, Frau Spranger – wieder einmal in seiner typischen Art und Weise das geschriebene Recht in unserem Land – die Verfassung – mit Füßen getreten, indem er sagte:
Das ist genau das, was wir nicht wollen. Wir wollen keinen im Vollzug verfassungsgemäßen Haushalt, sondern wollen ein Haushaltsgesetz, welches verfassungsmäßig ist. Wenn in den letzten Jahren mehr Wert darauf gelegt worden wäre, wären wir nun nicht in der Haushaltslage, in der sich das Land Berlin derzeit befindet.
Ich finde es auch eine Frechheit, Frau Spranger, wenn Sie hier großartig etwas von Ihrem Koalitionsvertrag erzählen. Der Koalitionsvertrag ist nicht die Grundlage, auf der wir hier Politik machen. Auf dieser Grundlage machen Sie und die Linkspartei vielleicht Politik. Das gilt aber nicht für das Haus. Soviel möchte ich zum ersten Absatz sagen.
Auch den zweiten Absatz in diesem Antrag finden wir sehr unglücklich formuliert. Die erste Pflicht, sich mit einem verfassungskonformen Haushalt und der Haushaltskonsolidierung zu beschäftigen, hat das Abgeordnetenhaus von Berlin, das sind alle fünf Fraktionen sowie der Senat. Weitere gesellschaftliche Gruppierungen damit zu beschäftigen ist interessant, aber nicht das vordergründige Ziel.
Letztlich müssen wir uns Karlsruhe genau ansehen und die Urteilsbegründung genau lesen. Was uns aufgeschrieben wurde – hier irrt der dritte Absatz in diesem Antrag –, ist, dass wir keine Hilfe von außen erwarten können. Das ist das, was an Erkenntnisprozess bei allen hier im Haus vertretenen Parteien und Fraktionen festgehalten werden sollte. Wir müssen uns selbst darüber Gedanken machen, wie wir das, was nach Steuereinnahmen und anderem an Konsolidierungsziel übrig bleibt, darstellen können. Da sollten wir eine offene Debatte führen. Um diese Debatte zu führen, ist es so wichtig, einen Nachtragshaushalt zu bekommen, um an geeigneter Stelle, nämlich in den Haushaltsberatungen im Parlament, im Hauptausschuss und in den Fachausschüssen, alle Abgeordneten in die Pflicht zu nehmen.
Das Richtige an diesem Antrag ist das Ziel, vor allem die SPD nicht aus der Verantwortung zu lassen. Von dieser ursprünglichen Verantwortung, diesen Haushalt nachhaltig zu konsolidieren – mit der der Regierende Bürgermeister im Jahr 2001 gewählt wurde –, darf sie sich nicht klammheimlich mit Hinweisen auf Koalitionsverträge oder Steuermehreinnahmen verabschieden.
Herr Wowereit führte heute in der Fragestunde aus, dass im Endeffekt nur das „Prinzip Hoffnung“ relevant für ihn sei, dass man mit weiteren Steuermehreinnahmen in irgendeiner Form irgendwann in den nächsten fünf, zehn, zwanzig, dreißig Jahren auf einen ausgeglichenen Haushalt komme. Dabei wird einem angst und bange, wie es in diesem Land weitergehen soll. Wenn man sich dann noch Herrn Sarrazin, ebenfalls in der Fragestunde, anhört, muss man fragen: Was wurde mit Ihnen in den letzten zwei Wochen gemacht? Direkt nach dem Karlsruher Urteil – wir erinnern uns alle – haben Sie noch ein eigenes Konsolidierungsziel von 1 Milliarde € definiert. Sie sprachen davon – heute wieder –, dass wir auf 93 000 Stellen im Landesdienst reduzieren müssen etc. Was ist davon in den Koalitionsverhandlungen übrig geblieben? Welche konkreten Maßnahmen im Hinblick auf das, was in der letzten Legislaturperiode eingeleitet wurde, haben Sie in diesen Koalitionsverhandlungen durchgesetzt, Herr Sarrazin? – Es ist nichts übrig geblieben. Hier haben wir alle die Verantwortung zu tragen.
Wenn die SPD nicht bei dieser Gelegenheit – diese Hoffnung verbinden wir mit diesem Antrag – oder bei den nächsten Gelegenheiten, wenn andere Anträge gestellt werden, zur Besinnung kommt, müssen wir uns genau überlegen –, ob wir nicht wieder den Weg wählen, den wir als Opposition bereits zweimal erfolgreich beschritten ha
ben, nämlich den Gang zum Landesverfassungsgericht. Gestern im Hauptausschuss rief Herr Wechselberg aus: „Dann klagen Sie doch!“ Man wird sich fragen müssen, ob das wirklich die Art und Weise ist, auf die diese Regierung und diese Regierungskoalition sich in den nächsten fünf Jahren mit der Opposition auseinandersetzen möchten.
Meine Damen und Herren! Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich gehe davon aus, dass Sie alle mit der Überweisung des Antrags an den Hauptausschuss einverstanden sind. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann wird so verfahren.
Die Fraktion der Linken und die Fraktion der Grünen haben für die heutige Sitzung keine Prioritäten benannt. Somit entfallen die Tagesordnungspunkte 4 c und 4 d.
Keine Amnestie für Stasi-Spitzel – Berlin unterstützt Thüringens Änderung im Stasi-Unterlagen-Gesetz
Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von 5 Minuten zu. Für die FDP-Fraktion hat sich Herr Dragowski gemeldet. – Bitte schön, Herr Dragowski, Sie haben das Wort!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das heutige Datum, der 9. November, ist ein Symbol für die historischen wie politischen Ereignisse, die die deutsche Geschichte jeweils stark geprägt haben – und das leider nicht immer im positiven Sinne. Am 9. November 1989 aber fiel endlich die Mauer, brach das menschenverachtende SED-Unrechtsregime zusammen. Der Weg zur Wiedervereinigung unseres Vaterlandes begann. Berlin war der Schauplatz eines politischen Umbruchs, nicht nur in Deutschland, sondern über den ganzen Globus hinweg. Seit 1989 sind 17 Jahre vergangen – für manchen eine lange Zeit. Zur Aufarbeitung der jüngsten deutschen Diktatur war diese Zeit bei weitem nicht ausreichend. Denn 16 Jahre nach der Wiedervereinigung sind noch nicht alle Hintergründe und Verstrickungen des SED-Unrechtsregimes vollständig aufgeklärt, sind noch längst nicht alle Opfer rehabilitiert, ist eine Vielzahl von Tätern noch nicht identifiziert. Das war in so kurzer Zeit auch nicht zu erwarten.
Aber man muss klar trennen zwischen der historischen Aufarbeitung eines Regimes und der Frage, inwieweit Menschen, die in diesem Regime Schuld auf sich geladen haben, für unser öffentliches Gemeinwesen arbeiten dürfen, von Steuergeldern bezahlt. Die systematische und umfassende Bespitzelung der eigenen Bevölkerung durch die Stasi, psychische und physische Folterung und auch Morde an Regimegegnern waren die Voraussetzung für die 40-jährige Herrschaft des SED-Unrechtsregimes. Ein Mitarbeiter, der für die Stasi tätig war, erfüllt deshalb ganz sicher nicht die Voraussetzung für eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst der Bundesrepublik.
Eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst einer Person, die sich aktiv an den verbrecherischen Machenschaften des SED-Unrechtsregimes beteiligt hat, würde die rechtsstaatliche Integrität der Bundesrepublik nachhaltig in Frage stellen und wäre ein Schlag in die Gesichter der vielen Stasi-Opfer, die noch heute häufig unter den Nachwirkungen ihrer Verfolgung leiden. Manchen wurden ganze Lebensentwürfe zerstört.
Die verdachtsunabhängige Überprüfung der in den §§ 20 und 21 des Stasi-Unterlagen-Gesetzes genannten Personen ist nach wie vor ein angemessenes Instrument zur Überprüfung von Bewerbern für den öffentlichen Dienst. Die dadurch entstehende Transparenz ist für unsere Gesellschaft unverzichtbar. Die auf Initiative Thüringens vom Bundesrat beschlossene Beibehaltung der verdachtsunabhängigen Regelanfrage begrüßen wir deshalb sehr. Ich bin sehr froh, dass auch der Senat den Entwurf Thüringens im Bundesrat unterstützt hat.
Obwohl es also schon diesen Thüringer Gesetzesentwurf gibt, haben Union, SPD und Bündnisgrüne einen weiteren Entwurf im Bundestag eingebracht – für mich unverständlich, denn offenbar war man sich im Bundesrat bereits einig. Dass es einen weiteren Antrag zum selben Sachverhalt gibt, ist nicht ungewöhnlich. Doch es ist verantwortungslos, dass der neue Entwurf die faktische Abschaffung der verdachtsunabhängigen Regelüberprüfung vorsieht. Nur noch Personen in gesellschaftlich oder politisch herausgehobenen Positionen, wie zum Beispiel Regierungsmitglieder oder Berufsrichter, sollen nach dem Gesetzentwurf überprüft werden dürfen, und dieses auch nur noch, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht auf eine Stasi-Tätigkeit vorliegen. Besonders bei herausgehobenen Positionen ist das öffentliche Interesse sehr groß, das ist keine Frage. Das ist aber noch lange kein Grund dafür, die Regelüberprüfung abzuschaffen. Welche Relevanz die Regelüberprüfung bis heute hat, zeigen die Überprüfungszahlen des vergangenen Jahres. 2005 wurden insgesamt 118 210 Personen überprüft. Bei 2,9 % der Fälle wurden belastende Hinweise gefunden. Das sind 3 452 Fälle. Das zeigt doch, dass von verminderter Relevanz hier noch eine ganze Weile keine Rede sein kann. Mittlerweile scheint aber auch den Kolleginnen und Kollegen im Bundestag klarzuwerden, dass das Gesetz in der