Der Senat ist in den letzten fünf Jahren als Arbeitslosensenat in die Geschichte des Landes Berlin eingegangen. Unter keinem anderen Senat waren so viele Menschen arbeitslos wie unter dieser rot-roten Koalition.
Zwar ist die Arbeitslosigkeit dank der guten konjunkturellen Entwicklung zurückgegangen, aber wir dürfen eines nicht vergessen:
Zu den derzeit 277 000 Arbeitslosen in Berlin müssen wir noch 14 500 hinzuzählen, die sich in einer Qualifizierung befinden. Dazu kommen noch ungefähr 33 000, die sich in beschäftigungsbegleitenden oder beschäftigungsschaffenden Maßnahmen befinden. Zählt man die Bedarfsgemeinschaften und diejenigen, die überhaupt nicht mehr registriert sind, hinzu, so kommt man auf eine Zahl, die zwischen 430 000 und 450 000 liegt.
Der Unternehmerverband, den bereits der Kollege Steffel zitiert hat, meint dementsprechend, dass die geförderten Personen im Vergleich zum Jahre 2000 um 80 000 gestiegen sind. Bei einer Bevölkerungszahl von 3,5 Millionen ist dies eine Katastrophe. Auch die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist zwischen 2000 und 2005 um 11 % zurückgegangen.
Jeder Zweite lebt von staatlichen Leistungen. Die Armut ist exorbitant gestiegen. Allein über 150 000 Kinder sind massiv von Armut betroffen. Unternehmen, die eigentlich Arbeitsplätze in Berlin schaffen sollten, werden stattdessen vergrault und durch einen bürokratischen Monsterapparat gegeißelt.
Es ist richtig, dass die Belebung der Konjunktur zu mehr Arbeitsplätzen führt. Insofern ist der Titel der Aktuellen Stunde heute nicht ganz von der Hand zu weisen. Doch was hat die konjunkturelle Entwicklung und damit die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen mit den Leistungen der rot-roten Koalition zu tun? – Rein gar nichts! Andersherum wird ein Schuh daraus: Trotz eines Senats, der Arbeitsplätze vernichtet hat, ist dank des Bundestrends und
nur wegen des Bundestrends eine Entspannung auf dem Arbeitsmarkt zu beobachten. Das hat mit Rot-Rot in Berlin überhaupt nichts zu tun.
Der rot-rote Senat war ein Arbeitsplatzvernichter, ist ein Arbeitsplatzvernichter und wird in den nächsten fünf Jahren ein Arbeitsplatzvernichter bleiben.
Man muss ihn direkt für die steigende Armut in Berlin verantwortlich machen. Wer als erste Amthandlung die Steuern erhöht, der wird auch in Zukunft nicht davor zurückschrecken, die Leistungsbereitschaft von vielen Menschen weiter zu beschränken.
Die Erhöhung von Grunderwerbssteuer und Grundsteuer wird in Zukunft weitere Arbeitsplätze kosten. Es ist doch grotesk: In den Senatsverwaltungen werden demnächst Millionen verschleudert, weil die Umzugskisten gepackt werden, und andererseits werden die Steuern erhöht. Erklären Sie das den vielen Arbeitslosen in dieser Stadt! Wer sich eine so überbürokratisierte Verwaltung leisten kann, der braucht wirklich nicht von einer exorbitanten Haushaltskrise zu reden.
Welche Konsequenzen wird der neue Senat aus der schlechten arbeitsmarktpolitischen Lage ziehen? – Da gibt es den Koalitionsvertrag, und was ich daraus entnehme, ist einerseits ein bürokratisches „Weiter-so!“ und andererseits eine Zementierung des zweiten Arbeitsmarktes beziehungsweise die Schaffung eines dritten Arbeitsmarktes. Rot-Rot will in der Arbeitsmarktpolitik eine andere Republik. Sie haben überhaupt gar kein Interesse mehr daran, dass sich Menschen selbständig und in Eigenverantwortung eine Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt suchen.
Notwendig ist neben dem ersten und zweiten Arbeitsmarkt ein öffentlich geförderter Beschäftigungssektor.
Lieber Senat! Ich rufe Ihnen zu – was ich im Übrigen bereits die letzten fünf Jahre getan habe –: Ändern Sie die Strukturen des Arbeitsrechtes, senken Sie die Steuern, und schaffen Sie im Sinne der Unternehmen eine exorbitante Bürokratie ab, anstatt mit fremdem Geld immer wieder neue Beschäftigungsprogramme zu initiieren!
Es ist doch nahezu naiv zu meinen, man kann durch eine Zusammenfassung von aktiven und passiven Leistungen ein Programm für 2 500 Menschen auflegen und gleichzeitig zu glauben, die Arbeitslosigkeit dadurch wirksam bekämpfen zu können.
Weiterhin sitzen Sie noch immer dem Irrglauben auf, dass mit staatlich finanzierten Beschäftigungsverhältnissen reguläre Arbeitsplätze nicht verdrängt werden. Vielleicht
lebten Sie in den vergangenen Monaten auf einem anderen Planeten als ich, aber genau das Gegenteil ist doch eingetreten: Viele Handwerksbetriebe sind in die wirtschaftliche Bredouille gekommen, weil öffentliche Aufträge außerhalb des Marktes vergeben wurden. Einerseits beschimpfen Sie das Handwerk – da ist Frau Große mit Vorreiterin –, weil es zu wenig Ausbildungsplätze schafft, anderseits leisten Sie genau dem Vorschub.
Ein weiterer Punkt sind die Jobcenter. Was seit Einführung von Hartz IV bezüglich einer Kooperation zwischen Senat und den Jobcentern nicht funktioniert hat, wird auch in Zukunft nicht funktionieren. Deshalb sehe ich der Absicht, die Arbeit der Jobcenter zu optimieren, mit Skepsis entgegen. Wir werden erleben, wie sich weiterhin beide Seiten die Schuld in die Schule schieben, wenn irgendetwas schiefläuft.
Lassen Sie mich noch auf die Entscheidung zurückkommen, Arbeit und Soziales in einer Senatsverwaltung zusammenzuführen. Ich glaube, dass Wirtschaft und Arbeit zusammengehören und nicht Arbeit und Soziales.
Hier wird doch schon rein symbolisch der zweite und der dritte Arbeitsmarkt gestärkt. Ein Arbeitsplatz wird von einem Unternehmen geschaffen und von keiner Sozialbehörde. Ein Arbeitsplatz muss sich für ein Unternehmen rentieren und ist somit nur sekundär eine soziale Angelegenheit.
Mit dieser Zusammenlegung zementiert der Senat, dass der Staat nicht der Schiedsrichter ist, sondern Mitspieler. Diese Haltung ist für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung wahrscheinlich der Todesstoß.
Ausgerechnet die Mutter Courage Berlins, Frau Dr. Heidi Knake-Werner, darf sich höchstwahrscheinlich nun auch noch um die Arbeitsmarktpolitik in Berlin kümmern – eine Senatorin, die für Sozialabbau und Inkompetenz – siehe Telebus – steht, eine Senatorin, die die Interessen der hilfebedürftigen Menschen permanent ignoriert, eine Senatorin, die für die größte Armutswelle verantwortlich ist, die Berlin je gesehen hat. Da kann ich nur sagen: Arbeitslose dieser Welt vereinigt euch! – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Klaus Wowereit hat es bereits in der Fragestunde festgestellt: Wenn die Arbeitsmarktzahlen gut sind, ist der Bund dafür zuständig, und der Senat trägt keine Verantwortung. Sind die Arbeitsmarktzahlen schlecht, ist der Senat dafür verantwortlich – so die Lesart der Opposition. Ich möchte allerdings den Vorschlag machen, dass wir uns als erwachsene Menschen mit einem zumindest durchschnittlichen Intelligenzquotienten darauf verständigen sollten, dass beides falsch ist.
Der Grund für die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt und für die wirtschaftliche Entwicklung ist kein monokausaler, sondern es kommen mehrere Faktoren zusammen. Wir haben einerseits Faktoren der bundesweiten Entwicklung, die auch nicht ausschließliches Verdienst der Bundesregierung sind, sondern es gibt ebenfalls weltwirtschaftliche Trends. Auf der anderen Seite habe wir lokale und regionale Trends. Darüber können wir uns dann im Einzelnen gern unterhalten, welcher Einfluss wie stark ist.
In der Diskussion sollte man erst einmal feststellen und festhalten, dass wir seit langer Zeit in Berlin wieder Wachstum haben – wahrscheinlich 1 % in diesem Jahr – und dass wir vor allem eine günstigere Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt haben als in den Jahren zuvor. Es ist erst einmal eine gute Nachricht, wenn in diesem Jahr 14 000 Menschen mehr als im Vorjahr eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung haben. Das ist ein Trend, den wir seit Jahren nicht mehr hatten. Er reicht nicht aus, aber ich darf doch feststellen, dass ich mich darüber freue, und ich denke, wir freuen uns alle, dass 14 000 Menschen mehr in dieser Stadt eine sozialversicherungspflichtige und – wie ich hoffe – existenzsichernde Beschäftigung haben. Das finde ich gut.
Herr Steffel! Sie sollten aufhören, uns vorzuhalten, dass Berlin in den letzten fünf Jahren die rote Laterne gehalten und mit Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern laufend einen Kampf in der Rangliste der Arbeitslosigkeit geführt habe.
Ich könnte jetzt sagen: Wir sind im Moment vor SachsenAnhalt und Mecklenburg-Vorpommern. – Aber ich sage: So what? – Ich schenke es mir auch, Ihnen zu sagen: Das war auch in den fünf Jahren davor so. Das war schon zu den Zeiten von Wolfgang Branoner und zu den Zeiten von Elmar Pieroth so. – Vielleicht können wir uns darauf verständigen, dass diese Stadt ein Strukturproblem hat, das unabhängig davon existiert, ob gerade die eine oder die andere Regierung an der Macht ist und regiert. Wir haben vielmehr ein grundsätzliches Problem innerhalb dieser Stadt, an dem wir noch eine ganze Generation lang arbeiten müssen, und zwar hart arbeiten müssen. Das ist die Wahrheit, und in dieser Hinsicht sollten wir den Leuten draußen und uns selbst nichts vormachen.
Deshalb müssen wir uns umsehen und die Punkte identifizieren, wo sich positive Tendenzen herausbilden, auch wenn diese noch nicht die vorhandenen Probleme lösen.
Ich finde es zunächst einmal positiv, dass dieser Aufschwung zurzeit von einer guten Auftragslage in der Industrie ausgeht. Wir haben in der Industrie eine um zwei Prozent höhere Auftragslage gegenüber dem Vorjahr. In einzelnen Branchen wie z. B. der Metallindustrie oder der Druckindustrie – Papier und Druck – ist sie sogar um über 10 Prozent höher. Das macht deutlich, dass die Industrie ein Motor für die konjunkturelle Entwicklung ist, denn höhere Auftragseingänge in der Industrie bedeuten auch eine höhere Nachfrage nach Dienstleistungen. Damit kommt der Motor in Gange.
Ich möchte an dieser Stelle aufgreifen, was Frau Grosse gesagt hat: Ich möchte noch einmal ausdrücklich den Kolleginnen und Kollegen von Bosch und Siemens Hausgeräte gratulieren. Ich weiß, dass sie über das erreichte Ergebnis nicht nur glücklich sind, denn es ist mit dem Verlust von Arbeitsplätzen verbunden. Es war aber ein lang anhaltender Kampf um die Sicherung industrieller Arbeitsplätze und um die Sicherung des Standortes, der als erfolgreich anzusehen ist, weil der Standort gesichert werden konnte – im Gegensatz beispielsweise zu AEG Nürnberg oder BenQ. Das ist gar nicht genug zu würdigen, und damit haben die Kolleginnen und Kollegen dort auch einen Erfolg für den Standort Berlin mit herausgearbeitet. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich meine Anerkennung für die Moral und den Einsatz, den sie gezeigt haben, ausdrücken und auch denjenigen danken, die hier im Abgeordnetenhaus – aus allen Parteien – die Kolleginnen und Kollegen dort unterstützt haben.
Es ist völlig zu Recht über die nach wie vor existierenden Probleme gesprochen worden. Es ist richtig, dass auch ein Zuwachs an Arbeitsmarktinstrumenten zur Verbesserung der Arbeitsmarktzahlen geführt hat. Es ist allerdings nicht richtig – wie der UVB sagt –, dass die Unterbeschäftigung generell angestiegen ist. Wenn man sich die offiziellen Arbeitsmarktzahlen ansieht, stellt man fest, dass die Unterbeschäftigung im Vergleich zum Vorjahr um 41 000 Stellen gesunken ist. Aber wir haben nach wie vor eine Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, wo angesichts des langsamen Anwachsens von sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung nur von einem schmalen Lichtstreif am Horizont die Rede sein kann und wo wir gleichzeitig feststellen müssen, dass sich die Zahl prekärer Beschäftigungsverhältnisse ausweitet.
Es kommt zu einer Ausweitung von nicht existenzsichernden Beschäftigungsverhältnissen wie den Minijobs. Frau Klotz! Die werden übrigens in der offiziellen Statis
Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch daran, wer die Tür für diese Minijobs wieder aufgemacht hat: Das war die rot-grüne Bundesregierung. Die Grünen waren in dieser Regierung mit dabei.