Doch dann kam alles anders: das niederschmetternde Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das auch Ihre ganz persönliche Niederlage war. Allein die Eingangsworte des Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Berlin sei sexy, weil es nicht arm ist, waren für Sie eine schallende Ohrfeige.
Auch ich war über das Urteil und über die Urteilsbegründung enttäuscht. Unerträglich waren jedoch Ihre patzigen und trotzigen Reaktionen danach. Mit Ihrem Gerede, Berlin sei wieder einmal allein gelassen worden, haben Sie die Hilfen ignoriert, die beide Stadthälften seit Kriegsende erhalten haben und noch heute erhalten. Sie wissen, dass Berlin auch heute noch von den anderen Bundesländern über den Länderfinanzausgleich und vom Bund über die Bundesergänzungszuweisungen mehr als 5 Milliarden € pro Jahr erhält.
Wir, die Sie seit Jahren aus der Berliner Politik kennen, waren von Ihren Reaktionen nicht überrascht. Wir kennen Ihre Launen, Ihre provinzielle Großspurigkeit. Neu ist jedoch, dass Ihr Renommee in nahezu allen Berliner Medien, allen Berliner Zeitungen dahin ist.
Die „Berliner Zeitung“ fragt, ob Sie größenwahnsinnig seien, andere sprechen davon, dass Sie Ihr eigenes Denkmal vom Sockel gestoßen hätten. Die Bundespolitiker nahezu aller Parteien schütteln über Sie nur noch den Kopf.
Die Union als Oppositionspartei könnte sich darüber freuen. Aber wir sehen die Entwicklung mit Sorge. Berlin ist – gerade nach dem Urteil von Karlsruhe – auf ein besonders gutes Verhältnis zu den anderen Bundesländern und insbesondere zum Bund angewiesen. Sie haben unser Verhältnis zu denen, deren Hilfe wir benötigen, beschädigt, und damit der Stadt großen Schaden zugefügt.
Und, Herr Wowereit, Sie sind unberechenbar. Noch wenige Tage vor der Wahl erklärten Sie, eine Einheitsschule würde es mit Ihnen nicht geben, Sie würden daran jede Koalition scheitern lassen. Tatsächlich haben Sie jetzt in der Koalitionsvereinbarung den Einstieg in die Einheitsschule beschlossen.
Sie sind des Weiteren nicht bereit, die eingegangenen Verpflichtungen mit dem Bund zu erfüllen. Beispiele hierfür sind die so genannte Kanzler-U-Bahnlinie oder der Berliner Beitrag zur Sanierung der Staatsoper.
Und jetzt wollen Sie auch noch Kultursenator der Stadt werden! Mit Verlaub, da wird mir angst und bange.
Schon jetzt haben Sie sich um die Kompetenzen, die bei Ihnen angesiedelt sind, nicht gekümmert. Sie waren beispielsweise für die Europa- und die Medienpolitik zuständig – von allen unbemerkt, kein Interesse, keine Initiative.
Herr Kollege Braun! Kommen Sie bitte zum Ende, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Ich mache Sie auch darauf aufmerksam, dass es um die Begründung der Dringlichkeit geht, um nichts anderes!
So ist es! Danke schön! – Lassen Sie mich abschließend noch die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ zitieren. Dort heißt es zum Verzicht auf ein eigenes Kulturressort:
Dies bedeutet eben auch den Verzicht auf alle Instrumente des politischen Nahkampfs, kein eigenes Budget, kein eigener Platz in der Senatorenrunde und kein selbständiges politisches Gewicht. Jede Entscheidung über kulturelle Fragen wird im Zweifel an den übergeordneten Interessen des roten Rathauses orientiert werden, und das sind bislang keine der schönen Künste gewesen.
In der ganzen Republik und auch in Berlin wird über den Zustand der Kultur gesprochen. Ich bitte Sie, lassen Sie uns das auch heute in der Aktuellen Stunde tun. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Fraktion hat eine Aktuelle Stunde zu „Rot-Rot II: Stillstand statt Aufbruch“ beantragt. Und die FDP hat mit blumigeren Worten einen im Prinzip ähnlichen Antrag gestellt. Ich fordere Sie auf, unserem Antrag zu folgen. Denn die koalitionären Wunschlisten sind wirklich eine Garantie für fünf Jahre Stillstand, und wir können keinen Rückwärtsgang brauchen, sondern wir brauchen einen dringenden und flotten Vorwärtsgang, damit Berlin endlich wieder schrittweise auf eigene Füße kommt. Darüber müssen wir heute hier diskutieren. Das ist Ihre letzte Chance, aus dieser wirklich dürftigen, unsortierten Ressortwunschliste, die Sie zusammengestellt haben, noch etwas Ähnliches wie einen Masterplan für Berlin zu machen und dieser neuen rot-roten Koalition wenigstens ein paar Korsettstangen einzuziehen.
Von daher fordere ich Sie auf: Nutzen Sie diese Chance! Diskutieren Sie hier heute mit uns, was nötig ist, damit Berlin wirklich vorankommt und damit dieser Stillstand, in den Sie die Stadt in den letzten Wochen getrieben haben, überwunden wird!
Herr Wowereit! Sie haben erklärt, dass Sie stolz darauf sind, eine Regierung des „Weiter so“ für die nächsten 5 Jahre zu bilden. Sie wissen ganz genau wie jeder in der Stadt, dass es nach Karlsruhe ein „Weiter so“ nicht geben darf. Das ist die Aufgabe der Stunde; stellen Sie sich der, und stellen Sie sich auch der Diskussion darüber!
So jedenfalls, wie Sie und die PDS-Boygroup die Aufgabe anfassen, wird Berlin gegen die Wand gefahren. Das ist eine ganz große Gefahr, und Sie wissen es längst selbst.
Wir Grünen wollen in dieser Aktuellen Stunde hören, wie der neue Kultursenator termingemäß, plangemäß der Opernstiftung auf die Beine hilft, nachdem der Regierende Bürgermeister gerade den engagierten Herrn Schindhelm vergrault. Wir wollen vor allem auch hören, was der künftige Regierende Bürgermeister zu dem künftigen Kultursenator sagt und ob er ihn davonjagt, wenn er es
nicht fertigkriegt, die Opernstiftung so, wie geplant, finanziell und von der Zeitplanung her zum Stehen zu bringen. Das würden wir gerne sehen, daran werden wir den neuen Kultursenator messen.
Wir wollen als Zweites gern hier und heute diskutieren und wissen, warum dieses Koalitionspapier keine vernünftige Aussage zu den 58 Hauptschulen und deren Perspektive enthält.
Das ist ein Skandal, ein Jahr lang über Rütli zu diskutieren, und dann kommt nichts, aber auch gar nichts zu diesem Thema. Schämen Sie sich, dass Sie es wagen, so einen Koalitionsvertragsentwurf überhaupt vorzulegen! – Das wollen wir heute von Ihnen hören, das ist dringlich im höchsten Maße.
Wir wollen als Nächstes von Ihnen hören, was Sie zur Verschlankung der Verwaltung tun und ob Sie der Meinung sind, dass die nächsten fünf und zehn Jahre lang – wir bekommen das Finanzkonzept von Herrn Sarrazin schon vorgelegt – die Verwaltungskosten einfach weitergehen dürfen. Sie haben kein Konzept zur Verschlankung der Verwaltung, sondern die Solidarpaktmittel, die Steuergelder, alles geht hinein in diesen Bereich, ohne dass Sie ein Konzept vorlegen, wie es weitergehen soll. Es wäre gut, wenn in Zukunft nicht so viel Schulden bezahlt werden müssten, wie Sie es jetzt planen.
Wir wollen als Nächstes hören, warum eigentlich die städtischen Unternehmen so weiterwursteln dürfen wie bisher und ob Sie sich nicht endlich die Mühe machen wollen, sich etwas auszudenken, dass die Unternehmen solide konsolidiert werden und endlich selbst einen Beitrag zum Schuldenabbau leisten.
Insofern fragen wir Sie hier und heute, warum Sie in den letzten Wochen wie ein Elefant im Porzellanladen Berlins Zukunftschancen systematisch zertrampeln. Das ist unverantwortlich, das muss endlich diskutiert und gestoppt werden. Von daher wollen wir nicht hören, wie wir es heute wieder im „Tagesspiegel“ lesen können, wie viele Wünsche der Regierende Bürgermeister an den Bund hat, sondern wir wollen endlich hören, was Sie für diese Stadt in den nächsten 5 Jahren selbst zu tun gedenken oder ob wir diesen Stillstand erwarten müssen, den uns der Koalitionsentwurf bis zur Stunde verspricht.
Danke schön, Frau Eichstädt-Bohlig! – Für die FDPFraktion hat Herr Dr. Lindner das Wort. – Bitte schön, Herr Dr. Lindner!
Herr Präsident! Verehrte Damen, meine Herren! Frau Radziwill! Es ist schon bemerkenswert, wenn Sie meinen, dass es nichts Aktuelleres gibt. Dann müssen Sie in den letzten Tagen und Wochen keinen Blick in die Zeitungen geworfen, dem Radio kein Gehör und dem Fernsehen keinen Blick geschenkt haben. Denn da ist ein einziges Thema aktuell, nämlich das, was diese sich wieder neu anbahnende Regierung den Berlinern in den nächsten 5 Jahren zumuten will und was sie vor allen Dingen zu unterlassen beabsichtigt. Da haben wir eine seltene Einmütigkeit in allen Medien in der Ablehnung dieses Gemurkses, das sich anbahnt. Für viele hier nur einmal die „taz“, das ist kein Blatt, das konservativer oder liberaler Umtriebe verdächtig ist. Und was in den Medien stattfindet, finde ich, soll erst recht in diesem Parlament stattfinden.
Natürlich müssen wir vor der Wahl des Regierenden Bürgermeisters darüber diskutieren, welche Art Ressortzuschnitt Sie gedenken, uns zuzumuten. Natürlich ist als Erstes über die Kultur zu reden. Jetzt sage ich Ihnen einmal ganz persönlich: Es ist mir lieber, ein Herr Schmitz, selbst wenn er nur Referatsleiter wäre, kümmert sich um die Kultur, als ein Senator Flierl. Aber es ist trotzdem bemerkenswert, dass ein Stadtstaat, der sich rühmt, für seine Kultur besonders einzutreten, gedenkt, für Kultur überhaupt keine Ressortverantwortung mehr zu haben, sondern sie nur noch bei der Staatskanzlei anzusiedeln. Das ist ein Thema, über das wir diskutieren müssen, auch wenn Herr Wowereit dann sagt, dass dadurch die Kultur noch schwergewichtiger wird. Das mag in der einen oder anderen Hinsicht stimmen, aber entscheidend ist, dass wir darüber diskutieren müssen, worum es bei diesem Ressortzuschnitt geht. Da geht es doch nicht darum, die Kultur noch schwergewichtiger zu machen. Da geht es wieder einmal darum, dass Sie Ihre Partei über den Staat stellen. Das erkennt sogar Ihre eigene Kulturpolitikerin, Frau Lange, wenn sie sich zitieren lässt:
Besser wäre ein eigenes Ressort, aber dadurch, dass die PDS das dritte Ressort bekam, musste etwas auf der Strecke bleiben, und das war nun mal die Kultur. Das ist nicht ganz in Ordnung; gut zumindest, dass die Kultur jetzt wieder in SPD-Hand ist.
Es muss auch darüber geredet werden, was für ein merkwürdiges Ressortverteilen das im Übrigen ist. Die PDS verliert die Zuständigkeit für Kultur und Wissenschaft, also einen ganzen Senat, aber hat weiter drei Posten. Bei der SPD geht es darum, möglichst viel Macht aufzuhäufen. Macht ohne Vision mag verwerflich sein, aber Posten ohne Macht – das ist einfach nur lächerlich, was Sie da machen
Sie können sie ja noch nicht einmal besetzen! Ich warte darauf, dass Sie uns Ihren letzten dritten stellvertretenden Ortsschatzmeister aus dem Wuhletal demnächst als Senator zumuten. Sie haben doch gar kein Personal für Ihre drei Posten!
Natürlich müssten wir uns heute auch über das Thema Wahlbetrug unterhalten. Einige ältere Kollegen, der Herr Alterspräsident und einige wenige, erinnern sich vielleicht an die alte Tradition der SPD, mal eine Partei der Arbeiter gewesen zu sein. Sie sind heute nicht mehr eine Partei der Arbeiter, das wird möglicherweise die Aktuelle Stunde ergeben, sondern Sie sind eine Partei des Wahlbetrugs. Das hat eine lange Tradition bei Ihnen. Müntefering war ein Beispiel dafür, die Sache mit der Mehrwertsteuer.
Da ist der Regierende Bürgermeister herumgelaufen und behauptete, es gäbe keinen Kulturkampf gegen die Gymnasien – so der Kultursenator in spe. Jetzt erfahren wir, dass Sie trotzdem die Einheitsschule vorbereiten und durchdrücken wollen. Hierüber müssen wir heute sprechen, bevor Sie sich zur Wahl stellen, denn Sie wollen sich ja nicht nur zwei Fraktionen zur Wahl stellen, sondern dem gesamten Haus.