Protocol of the Session on November 9, 2006

[Carl Wechselberg (Linksfraktion): Bei Ihnen haben wir keine Hoffnung!]

Deshalb müssen wir vorher darüber diskutieren, was die sich anbahnende Koalition der Wahlbetrüger und Wahlverlierer gedenkt, mit diesem Land zu tun. Das ist die gebotene Aktuelle Stunde, nicht jedoch ihr Vorschlag, über Dinge zu reden, die der bundesweiten Konjunktur geschuldet sind, aber ganz bestimmt nicht Ihrem traurigen Herumgemurkse hier im Land Berlin. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP und der CDU – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Herr Dr. Lindner! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich lasse über das Thema der heutigen Aktuellen Stunde abstimmen, und zwar zuerst über den Antrag von SPD und Linksfraktion. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Das sind die Regierungsfraktionen. Die Gegenprobe! – Das sind alle anderen Fraktionen. Ersteres war die Mehrheit, dann ist das so beschlossen.

[Zurufe von den Grünen: Auszählen!]

Auf Ihren Tischen finden Sie – –

[Dr. Martin Lindner (FDP): Das war nicht die Mehrheit! – Zurufe von den Grünen]

Das Präsidium ist sich einig darüber, dass das die Mehrheit war. Dann bleibt es auch so.

[Beifall bei der SPD]

Auf Ihren Tischen finden Sie in Kopie die Sitzungstermine für das Abgeordnetenhaus für das Jahr 2007. Der Ältestenrat hat dies in seiner Sitzung am Dienstag einvernehmlich so beschlossen. In Kürze werden Sie dann wieder die üblichen kleinen Terminübersichten für die Brieftasche erhalten.

Ich weise auf die Ihnen vorliegende Konsensliste und das Verzeichnis der Dringlichkeiten hin.

Frau Bürgermeisterin Karin Schubert ist ab 17.30 Uhr für die Nichtteilnahme entschuldigt. Sie vertritt den Berliner Senat bei der Gedenkfeier anlässlich des Jahrestages der Novemberpogrome.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 1:

Fragestunde – Mündliche Anfragen

Das Wort zur ersten Mündlichen Anfrage hat Frau Abgeordnete Spranger von der Fraktion der SPD zu dem Thema

Berlin, die Hauptstadt des Bundes und der Länder

Bitte schön, Frau Spranger, Sie haben das Wort!

Herzlichen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:

1. Wie bewertet der Senat die kürzlichen Behauptungen des niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU), bei den Berlinerinnen und Berlinern gäbe es eine „ausgemachte Subventionsmentalität“, und die Leistungsträger würden in unserer Stadt an den Rand gedrängt?

[Dr. Martin Lindner (FDP): Da hat er recht!]

2. Wie will der Senat zu einer Versachlichung der Debatte um die Frage: „Was ist die Hauptstadt dem Bund und den Ländern wert?“ beitragen?

Danke schön! – Für den Senat antwortet der Herr Regierende Bürgermeister und hat das Wort – bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete! Im Nachgang zum Urteil in Karlsruhe hat es viele Kommentare von Bundespolitikerinnen und Bundespolitikern zu der Frage gegeben, ob man Berlin helfen müsse, sollte oder dürfe. Es ist klar, dass diejenigen, die hätten zahlen müssen, nicht begeistert gewesen sind. Deshalb hat es auch kaum jemanden verwundert, dass die Minis

terpräsidenten der anderen Länder eher skeptisch bis schroff ablehnend gewesen sind.

Ich finde es gut, dass Herr Dr. Hassemer mit der „Stiftung Zukunft Berlin“ regelmäßig Ministerpräsidenten der Länder einlädt, um über das Thema Hauptstadt zu diskutieren. Dabei geht es um die Fragen, was die Hauptstadt für die Bundesrepublik Deutschland, was sie für ein föderales System bedeutet. In dieser Diskussionsreihe war Herr Wulff der dritte Ministerpräsident, der kurz nach dem Karlsruher Urteil die Gelegenheit hatte, vor einem eingeladenen Publikum zu sprechen. Mir liegt die schriftliche Rede vor, einen Teil der Rede habe ich im Fernsehen verfolgt. Ich begrüße diese Initiative, würde es allerdings bevorzugen, wenn bei diesen Veranstaltungen wirklich diskutiert werden könnte. Ich habe mir sagen lassen, dass viele darauf gebrannt haben, mit Herrn Wulff in einen Dialog über seine Thesen einzutreten. Vielleicht hätte es ihm geholfen, etwas mehr von Berlin zu verstehen.

Ich sage an dieser Stelle ganz deutlich: Es mag sein, dass diese Stadt geprägt war von einer Mentalität der Subventionen. Wenn wir uns aber erinnern, was hier in den letzten Jahren – nicht nur unter meiner Regierung, sondern auch davor – an Einsparungen, radikalen Kürzungen und Umstrukturierungen vorgenommen worden ist, weise ich diesen Vorwurf deutlich zurück. Berlin hat keinen Mentalitätswechsel in dieser Frage mehr nötig. Den haben wir längst vollzogen. Das müsste man auch Herrn Wulff in einer Diskussion näherbringen können.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Erst recht gilt nicht, dass Leistungsträger in dieser Stadt an den Rand gedrängt werden.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Es gibt ja kaum noch welche!]

Ich weiß gar nicht, wen er damit gemeint hat.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Ihren Senat kann er jedenfalls nicht gemeint haben!]

Herr Lindner! Ich kann nichts dafür, dass die Wählerinnen und Wähler Ihnen weniger Prozente gegeben haben, und Sie sich immer noch als Leistungsträger empfinden. –

[Gelächter und Beifall bei der SPD Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Sie sind nicht an den Rand gedrängt worden.

[Mario Czaja (CDU): Er meint eigentlich die PDS!]

Nachdem Herr Wulff gesagt hat, dass Niedersachsen immer das Beste schickt, was es gerade zur Verfügung hat, und Herr Pflüger nicht gewählt worden ist, kann ich auch nicht annehmen, dass er ihn als Leistungsträger meint, der bei demokratischen Wahlen an den Rand gedrängt worden ist. Es tut mir eigentlich nicht leid für ihn. Das war eine Entscheidung der Wählerinnen und Wähler. Auch ein niedersächsischer Ministerpräsident muss akzeptieren, dass die Wählerinnen und Wähler die Entscheidungen treffen. Ansonsten sind in Berlin selbstverständlich alle Leistungsträgerinnen und -träger willkommen, die, die

schon hier sind, aber erst recht diejenigen, die noch kommen wollen. Viele kommen nach Berlin, auch in diesem Punkt irrt Herr Wulff.

Herr Wulff hat in seiner Rede viele Thesen aufgestellt, die sachlich nicht zutreffend sind, wie beispielsweise die Abschaffung des Pflichtfaches Religion. Da hat er sich falsch beraten lassen. Niedersachsen ist bekannt für Rösser, Herr Wulff trägt auch immer das Niedersachsenross. Er hat von seiner hohen Position aus Ratschläge gegeben. In seiner Rede hieß es dann, Herr Wulff sei zufrieden und glücklich, dass das Land Niedersachsen es schaffen werde, im Jahr 2007 einen verfassungsgemäßen Haushalt aufzustellen. – Na toll! Das schaffen selbst die Berliner mit dem Haushalt 2007.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Das werden wir noch einmal prüfen lassen!]

Das belegt die Qualität dieser Diskussion. Er will erreichen, Herr Lindner, 2013 ohne weitere Kredite auszukommen. Er rühmt sich, dass er 6 000 Stellen im Landesdienst abgebaut hat. Wie viele Zehntausend Stellen haben wir im Landesdienst abgebaut? Es ist wirklich dringend notwendig, mit Herrn Wulff darüber zu diskutieren. Diese Gelegenheit war bislang nicht gegeben, sie wird aber sicher noch kommen.

Ansonsten hat er auch sehr viele Bekenntnisse zur Hauptstadt Berlin in dieser Rede abgegeben. Er hat deutlich gemacht, dass es eine gemeinsame Aufgabe des Bundes und der Länder ist, Berlin zu unterstützen. Darüber freue ich mich. Deshalb ist es nicht angesagt, die Rede von Herrn Wulff in Grund und Boden zu verdammen, sondern sie differenziert zu betrachten. Ich glaube, dass auch weit über die Parteigrenzen hinaus nicht alle Thesen von Herrn Wulff geteilt werden, auch nicht vom Fraktionsvorsitzenden der CDU. An einigen Stellen hat er recht, an anderen Stellen werden wir mit ihm in einen kritischen Dialog eintreten. So verstehe ich auch diese Veranstaltungsreihe. Als Anregung an die Veranstalter wiederhole ich die Idee, demnächst eine Diskussion zuzulassen – zum gegenseitigen besseren Verständnis.

[Dr. Friedbert Pflüger (CDU): Sie haben die Kurve gerade noch gekriegt!]

Sehen Sie Herr Pflüger, da sind wir uns wieder einig.

Ansonsten bleibt es eine dauerhafte Aufgabe für Berlin, für die Institutionen, die Organisationen, für die Regierung, aber auch das Parlament, bundesweit dafür Werbung zu machen, dass Berlin eine fantastische Hauptstadt ist und eine Hauptstadt für die ganze Republik und dass Probleme gelöst werden müssen. Das, was wir tun können, tun wir allein; dort, wo wir die Solidarität des Bundes brauchen, werden wir uns erlauben, sie einzufordern.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister! – Eine Nachfrage von Frau Kollegin Spranger? – Das ist nicht der Fall. Dann hat der Kollege Wechselberg sich gemeldet. Ist das richtig? – Sie haben das Wort – bitte schön!

Herr Regierender Bürgermeister! Wie bewerten Sie die Tatsache, dass neben Niedersachsen auch acht andere Bundesländer – darunter Baden-Württemberg – in diesem Jahr nicht in der Lage sein werden, verfassungskonforme Haushalte vorzulegen, und welche Herausforderung bedeutet das aus Ihrer Sicht für die Neugestaltung der föderalen Finanzbeziehungen?

Herr Regierender Bürgermeister – bitte schön!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter Wechselberg! Ich glaube, dass die Föderalismusreform II ein dringendes Thema sein wird, weil die Finanzbeziehungen des Bundes, der Länder und der Kommunen geregelt werden müssen. Alle Länder haben Probleme, die einen mehr, die anderen weniger. Herr Lindner, Sie schelten uns dafür, wenn die Arbeitslosenzahlen schlechter werden. Wenn sie besser werden, ist der Bund schuld. Wenn sie schlechter werden, sind das Land und die Regierung schuld. Sie müssen sich entscheiden, ob Sie sagen, es ist neutral; dann müssen Sie Ihre Kritik aber auch zurückhalten, wenn sie schlechter werden, und wenn sie besser werden, müssen Sie eingestehen, dass es nicht nur der Bund ist, der dafür gesorgt hat. – Diese ganzen Situationen werden insgesamt neu zu ordnen sein. Selbstverständlich ist das ambitionierte Ziel, bei der Föderalismusreform II zu Lösungen zu kommen, noch höher gesteckt als bei der Föderalismusreform I. Jeder wird nachher gucken, was für ihn unter dem Strich übrig bleibt. Der Bund denkt, die Länder haben zu viel Geld. Die Länder denken, der Bund hat zu viel Geld. Die Kommunen denken, die Länder und der Bund haben zu viel Geld. Das ist immer eine schlechte Voraussetzung für eine realistische Einschätzung. Wir müssen jenseits von dem Ort, an dem wir Politik machen, nüchtern analysieren, welche Aufgaben die jeweilige Ebene hat und welche Finanzausstattung dazu notwendig ist. In einer Situation, in der der Kuchen nicht größer wird, kann es sein, dass die Tortenstücke jetzt einmal zu klein und einmal zu groß sind. Dann müssten sie neu verteilt werden. Dieses Ziel muss gesetzt werden. Das ist eine herausragende Aufgabe für uns.

Wir haben gerade jüngst wieder bei der Frage, wie viel der Bund für die Unterkunft bei Hartz-IV-Empfängern zahlt, eine merkwürdige Situation gehabt, dass bei der vom Bundesrat vereinbarten, mit der Bundesregierung und dann gesetzestextlich auch umgesetzten Formulierung, dass prozentual die Kommunen die Erstattung bekommen, zuletzt 29,1 %, demnächst mehr, eine merkwürdige Debatte aufkam. Da verlangten tatsächlich Länder