Die Probleme von Berlin liegen, wie der Familienatlas richtig feststellt, vor allem in seiner schwierigen wirt
schaftlichen Lage, die erheblichen Einfluss auf die Situation von Familien und die demographische Entwicklung hat. Trotz der zum Teil zutreffenden Bewertungen liefert die Studie kaum weiterführende Hinweise für eine familienpolitische Standortbestimmung. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass die bewerteten Handlungsfelder, wie im Familienatlas eingangs erläutert, bewusst auf die kommunalpolitische Ebene in den Kreisen und kreisfreien Städten ausgerichtet sind und zu wenig die Situation in den Ballungszentren berücksichtigen. Dies führt logischerweise zu Bewertungsnachteilen für die Großstädte. Das schlechte Abschneiden Berlins verwundert daher nicht. Was die wirtschaftlichen und arbeitspolitischen Rahmenbedingungen der Stadt betrifft, so entzieht sich gerade dieser Bereich rein familienpolitischen Maßnahmen.
Grundsätzlich sind Vergleiche und Rankings dazu geeignet, Themen in die Diskussion von Politik, Wissenschaft und Medien zu bringen. Die Entwicklung fundierter familienpolitischer Strategien braucht eine differenzierte Betrachtung, die eine solche Studie von sich aus nicht leisten kann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Jantzen und sehr gerne auch noch einmal Frau Abgeordnete Barth! Die Rankings dieser genannten Art und viele andere Rankings auch sind zurzeit sowohl in den Medien als auch bei Verbänden, auch bei wissenschaftlichen Instituten von einem hohen Verbreitungsgrad gekennzeichnet, vor allen Dingen, weil sie komplexe Zusammenhänge in sehr stark vereinfachter Form mediengerecht darstellen.
Folgt man dieser Prognos-Studie, wäre es so, wie der Kollege Zöllner schon geschildert hat, für Berlin in einigen Handlungsfeldern mit dem Ergebnis verbunden, untere Positionen bei dem Ranking einzunehmen. Bei genauerer Betrachtung – solche genaueren Betrachtungen sollten wir vornehmen – weisen die zu einem Handlungsfeld wiederum zusammengefassten Indikatoren allerdings einen verhältnismäßig hohen Grad an Beliebigkeit auf. Zudem sind sie wegen ihres überwiegend außerordentlich hohen Aggregationsgrades meistens nicht unmittelbar handlungsrelevant und in einigen Fällen sogar irreführend in den Aussagen, die daraus gezogen werden.
Ich will dies an hier genannten Beispielen verdeutlichen, und zwar an dem Handlungsfeld der Wohnsituation und des Wohnumfelds. Hier wurden sechs Indikatoren bewertet. Zwei Indikatoren weisen eine besonders hohe Beliebigkeit und den von mir schon angeführten hohen Aggregationsgrad auf. Betrachten wir zunächst den Indikator
der Erschwinglichkeit von Wohneigentum. Berlin ist eine Mieterstadt und damit deutlich anders als andere deutsche Großstädte hinsichtlich der Nachfrage und der Struktur des Wohnens gekennzeichnet. Bei einem gesamtstädtischen Wohneigentum – in der Quote von 13 Prozent drückt sich dies aus – ist das Wohneigentum nicht, wie in dieser Studie dargestellt, die überwiegende Form des Familienwohnens in Berlin, sondern das Wohnen zur Miete. Hätte man das Wohnen zur Miete zum Gegenstand eines Rankings gemacht, wäre für Familien der entscheidende Indikator mit der Folge versehen gewesen, dass Berlin einen wunderbaren vorderen Platz einnähme.
Auch – ein weiterer Indikator, der hier beschrieben ist – der Anteil von Familienwohnungen am Wohnungsbestand, also von Wohnungen mit mehr als drei Räumen, ist fragwürdig. Großstädte haben ausdifferenzierte Familienstrukturen. Das ist besonders in Berlin ein Prozess, der sehr weit fortgeschritten ist. Wir haben in Berlin einen Anteil von 35 Prozent mit Familien, bei denen Alleinerziehende für Kinder verantwortlich sind. Was beim Ranking als Indikator zugrunde gelegt worden ist, ist die typische Familie, die einen Bausparvertrag abgeschlossen hat, eine Wohnung oder ein Haus bauen oder kaufen will, also eine ganz andere Familiensituation, als sie für Berlin typischerweise abzubilden ist. Wie wir auch wissen, ist eine Dreiraumwohnung oder eine Wohnung mit mehr als drei Räumen in Berlin nicht die typische Wohnsituation, vor allem wegen der unterschiedlichen Familienstruktur. Es gibt in Berlin höhere Vermietungsschwierigkeiten und höhere Leerstandsquoten bei großen Wohnungen, sodass wir ein solches Ranking angesichts der für Berlin typischen Nachfrage nicht als zutreffend anerkennen können.
Die Stärken Berlins für Familien mit Kindern liegen in einer guten Ausstattung mit sozialer und kultureller Infrastruktur, der guten und schnellen Erreichbarkeit der Angebote, der vielfältigen und im Übrigen im Vergleich zu anderen deutschen Großstädten preiswerten Wohnungsangebote. Diese Aspekte einer polyzentralen Stadt sind von besonderer Bedeutung für Berlin, werden aber in einer solchen Studie typischerweise nicht hinreichend bewertet.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Wie der Kollege Zöllner bereits dargestellt hat, gibt es in Berlin selbstverständlich wesentliche Politikansätze, die wir verfolgen. Ich will Ihnen Beispiele für Projekte einer kinderfreundlichen Stadt nennen und darauf verweisen, dass der Senat z. B. zurzeit für die Unterstützung neuer, auch familien- und generationenübergreifender Wohnformen Vergaberichtlinien für landeseigene Grundstücke verabreden will, bei denen Baugemeinschaften künftig bevorzugt werden. Das Quartiersmanagement ist mit der Verbesserung des Wohnumfelds, mit dem Umbau und der Sanierung von Spiel- und Sportplätzen, in der Zusammenarbeit mit den Wohnungsbaugesellschaften, in den Handlungsfeldern und in den Entwicklungskonzepten inzwischen bundesrepublikweit ganz bedeutend und wegweisend für Kinder- und Familienfreundlichkeit.
Grundsätzlich gilt, dass Indikatoren zur Wohn- und Lebenssituation handlungsrelevant, problemorientiert und kleinteilig auf die Ebene derjenigen bezogen werden müssen, die in einer bestimmten Situation im Kiez leben. Der Senat hat dazu lebensweltlich orientierte Räume, statistische Darstellungseinheiten, Maßnahmeräume – selbstverständlich differenziert – dargestellt. Es kommt uns aber vor allen Dingen darauf an, dass wir bei Bildung, Erziehung und Betreuung, bei Arbeit, lokaler Ökonomie, der Integration, dem Wohnen in der sozialen Nachbarschaft, bei Sport und Sicherheit Wirkungszusammenhänge in den Kiezen mit den Bezirken und Fachverwaltungen gemeinsam verfolgen, die Familienfreundlichkeit in den Vordergrund der Politikfelder stellen. Die soziale Stadt, die Stadterneuerung, der Stadtumbau, die bezirklichen Bündnisse für Arbeit zeigen sehr deutlich, dass auch die Einwohnerentwicklung vieler innerstädtischer Standorte schon den Erfolg von Familienpolitik in Berlin nachweist. Seien Sie sicher, wir scheuen keine Rankings, wenn sie denn qualifiziert sind! Im Ranking der Politikfelder des Senats steht allerdings die Familien- und Kinderfreundlichkeit ganz oben.
Danke schön, Frau Senatorin Junge-Reyer! – Jetzt geht es mit der Nachfrage von Frau Dr. Barth weiter. – Sie haben das Wort, Frau Barth!
Erst einmal bedanke ich mich für die sehr ausführliche Beantwortung der Frage. Ich habe dennoch eine Nachfrage. Wie bewertet der Senat Äußerungen aus den Kreisen der CDU in einer Pressemeldung, dass die Platzierung Berlins im Städteranking Ausdruck einer verantwortungslosen Kinder- und Jugendpolitik des Senats und der Senkung der Ausgaben für Hilfen zur Erziehung sei?
Jeder ist selbst für die Glaubwürdigkeit sowohl seiner Aussagen als auch seiner gemachten Politik verantwortlich.
Danke schön, Herr Senator! – Jetzt geht es weiter mit der Nachfrage von Frau Jantzen. – Bitte schön!
Meine Nachfrage bezieht sich auf die Antwort von Frau Junge-Reyer, die auch sehr ausführlich war. Sie haben die Frage der Frei- und Grünflächen ganz ausgelassen, die auch im Ranking sind und für Kinder und ihre Entwicklung eine große Rolle und Bedeutung spielen, bei allen Abstrichen, die man bei den Kriterien macht. Meine Frage ist: Sehen Sie da nicht doch einen erheblichen Bedarf in dieser Stadt, um die Entwicklungschancen von Kindern entscheidend zu verbessern?
Herr Präsident! Frau Abgeordnete Jantzen! Zunächst müssen wir sehen, wie diese Rankings – bei Grün- und Freiflächen wie beim Wohnen und Wohnumfeld – entstanden sind und was da bewertet wurde. Wenn ich mir einen Landkreis oder eine Gemeinde anschaue, die in erheblichem Umfang Grünflächen – übrigens schlicht den Anteil der Grünflächen – definiert durch die Gemeindegebiete, die ggf. auch noch ein Stückchen Wald umfassen, dann lässt sich ein solcher direkter Vergleich mit der Hauptstadt mit Sicherheit nicht ziehen. Auf der anderen Seite wissen Sie, dass Berlin inzwischen international als grüne Metropole bezeichnet wird und dass dies ein wesentlicher Vorteil für die Stadt ist, übrigens nach außen und vor allen Dingen auch nach innen für Familien und Kinder. Sie finden in Berlin sicher nicht an jeder Stelle in der Stadt eine Situation, wo Sie unmittelbar am Park oder an einer Grünfläche wohnen können, aber wir haben Spiel- und Grünflächen in der Stadt – innerstädtisch und wohnortnah formuliert – in den letzten Jahren mit erheblichem Aufwand und mit erheblicher Gestaltung auch des öffentlichen Raums, mit der Umgestaltung und dem Einsatz vieler Mittel geschaffen, von denen ich glaube, dass sie inzwischen dazu beigetragen haben, dass man das Ziel, mit einer Familie, auch mit kleinen Kindern in der Stadt zu wohnen, in Berlin im Vergleich zu vielen anderen Großstädten am ehesten verwirklichen kann. Darauf sollten wir stolz sein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat: Wie beurteilt der Senat das Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Berlin-Brandenburg, dass sowohl die Berliner Wasserbetriebe als auch die Stadtreinigungsbetriebe ihre Preis- und Gebührenkalkulationen offenlegen müssen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Senat begrüßt dieses Urteil insofern, als es eine rechtliche Klarstellung darstellt. In diesem Urteil ist einerseits festgehalten worden, inwieweit schutzwürdige Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse bei den Berliner Wasserbetrieben und bei der BSR vorliegen, die nicht unter die Offenlegungspflicht fallen. Das hat das Gericht entschieden, das dies grundsätzlich der Fall ist, wo sich diese Unternehmen im Wettbewerbsgeschäft betätigen, und dort, wo dieses nicht der Fall ist, also da, wo sie sich im Monopolgeschäft betätigen, also z. B. für die Berliner Wasserbetriebe, was die Wasserver- und -entsorgung im Berliner Gebiet angeht, gilt die Offenlegungspflicht.
Wir werden jetzt die schriftliche Urteilsbegründung, wenn sie vorliegt, im Einzelnen analysieren müssen, weil sich – soweit meine Information aus der Verhandlung – auch daraus ergibt, dass – soweit aus den Daten aus dem Monopolbereich Rückschlüsse auf die Situation im wettbewerblichen Bereich gezogen werden können – dann möglicherweise eine Einschränkung der Veröffentlichungspflicht vorliegt. Wir werden uns das im Einzelnen ansehen.
Ich kann sagen, dass der Senat in den Gesprächen und in der Auslegung dieses Urteil – soweit es noch an einzelnen Punkten auslegungsbedürftig ist – darauf drängen wird, eine möglichst große Transparenz zu gewährleisten, um deutlich zu machen, wie die Tarife kalkuliert werden. Sie werden in Berlin bei diesen beiden Unternehmen nach Recht und Gesetz kalkuliert, und hier haben wir auch nichts zu verbergen.
Danke schön, Herr Senator! – Jetzt geht es weiter mit einer Nachfrage des Kollegen Buchholz. – Bitte schön, Herr Buchholz!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Senator! Heißt dies, dass wir, wenn das Ziel einer höheren Transparenz der Gebührenkalkulation besteht, vergleichbar zu dem Kalkulationshandbuch, das es für die BSR gibt – Stichwort: Straßenreinigung und Abfallbeseitigung –, ein ähnliches
Herr Abgeordneter Buchholz! Das können Sie, auch völlig unabhängig von diesem Gerichtsurteil, weil ich mit dem Vorstand der BWB seit geraumer Zeit darüber im Gespräch bin. Es liegt ein Entwurf dieses Kalkulationshandbuchs vor, das demnächst veröffentlicht wird. Wir werden auch die Gelegenheit suchen, das Gespräch mit dem Abgeordnetenhaus, den zuständigen Ausschüssen und den Fraktionen zu führen.
Hierzu noch eine Anmerkung: Die Wasserpreise sind die in Berlin am stärksten regulierten Tarife. Das heißt, hier gibt es die klarsten und stärksten gesetzlichen und öffentlichen Vorgaben, zum einen über das Teilprivatisierungsgesetz, zum anderen über die Wassertarifverordnung. Hier gibt es für das Unternehmen so gut wie keinen Ermessensspielraum. Dies alles wird in dem Kalkulationshandbuch noch einmal im Detail dargestellt. Nach diesem Gerichtsurteil wird dies auch noch stärker mit Zahlen unterlegt werden können, sodass es sowohl für die Abgeordneten als auch für die Öffentlichkeit noch besser als bisher nachprüfbar sein wird.
1. Wie ist die Kältehilfe auf die jahreszeitbedingt kühlen Tage vorbereitet, und mit welchem Bedarf und welcher Nachfrage rechnet der Senat?
2. Welche Angebote werden mit Blick auf die jahreszeitunüblich kühlen Wetterbedingungen schon jetzt bereitgehalten?
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Radziwill! Man mag es kaum glauben, dass man jetzt schon wieder über Kälte und die Kältehilfe nachdenken muss, aber Sie haben recht. Es wird so sein wie in den Jahren zuvor, dass ab 1. November in Berlin die Angebote der Kältehilfe wieder zur Verfügung stehen.
Die Kältehilfe wird in der Zuständigkeit der Bezirksämter durchgeführt bzw. von ihnen finanziert. Zu der Kältehilfe gehören Notübernachtungen, Wärmestuben, Tagesaufenthaltseinrichtungen und vieles Andere mehr für Menschen, die auf der Straße leben. Die Kältehilfe wird überwiegend von Projekten der Wohlfahrtsverbände organisiert. Nach Auskunft der Wohlfahrtsverbände kann man zurzeit noch keine abschließende Übersicht über die Angebote, die ab 1. November zur Verfügung stehen werden, bieten.
Ich kann jedoch berichten, dass das „Kältetelefon“, das von meiner Senatsverwaltung über den Ligavertrag finanziert wird, im Moment damit befasst ist, die jährliche Angebotsübersicht zu erstellen. Wir werden ab 1. November die entsprechende Internetpräsenz schalten können. Nach Erfahrungen aus den Vorjahren werden 80 Prozent der Angebote dort verzeichnet sein, und ab 1. Dezember gibt es eine Gesamtübersicht. Ende Oktober werden die Wohlfahrtsverbände die Kältehilfe mit ihrer jährlichen Pressekonferenz eröffnen.
Der Senat geht davon aus, dass die Angebote der Kältehilfe auch im kommenden Winter in dem Umfang des zurückliegenden Jahres angeboten werden können. Die Plätze in Notübernachtungen und Tageseinrichtungen einschließlich des Kältebusses haben in den vergangenen Jahren regelmäßig den Bedarf decken können.
Zu Ihrer zweiten Frage: Hilfesuchenden Menschen stehen schon jetzt die ganzjährig betriebenen Notübernachtungen offen. Dazu gehören zum Beispiel die Franklinstraße in Berlin-Charlottenburg sowie die Notübernachtung für Frauen in der Tieckstraße in Berlin-Mitte. Insgesamt sind es etwa 100 Plätze, und alle Experten gehen davon aus, dass die Plätze für diesen Zeitrahmen ausreichen werden.