Protocol of the Session on October 11, 2007

[Elisabeth Paus (Grüne): Sie haben es nicht mit Schwarz-Grün, das wissen wir!]

So ähnlich ist es in Berlin auch mit der Kultur. Man hat – jedenfalls bei Rot-Rot – den Eindruck, Kultur wird als füllendes Beiwerk für die Wirtschaft gesehen, aber ihre Bedeutung für die Wirtschaft nicht richtig erkannt. Ich sage ausdrücklich: Ich bin froh, dass sich das Parlament wieder mit diesem Thema beschäftigt, beharrlich alle Jahre wieder, also meinen Dank an die Grünen, dass Sie dieses Thema auch im Jahr 2007 auf die Tagesordnung gebracht haben.

[Beifall bei der CDU und den Grünen]

Es muss unsere gemeinsame Aufgabe sein, für die Kultur- und Kreativwirtschaft, Perspektiven zu entwerfen, vor allem ihr mehr und mehr Respekt von anderen Ressorts zu verschaffen. Über 18 000 meist kleine und mittelständische Unternehmen der Kulturwirtschaft erwirtschafteten bereits vor fünf Jahren 11 Prozent des Bruttoinlandsprodukts von Berlin. Der Umfang des Baugewerbes betrug dazu im Vergleich gerade einmal vier Prozent. Im Jahr 2005 gab es in der Kultur- und Kreativwirtschaft über 188 000 Beschäftigte. Der größte Arbeitgeber der Berliner Wirtschaft hat ungefähr ein Zehntel der Mitarbeiter, 18 900 hat die Deutsche Bahn AG.

Mit Blick auf den Senat möchte ich darauf verweisen, dass das Engagement für die Kultur- und Kreativwirtschaft unserer Stadt mehr ist als Seminare zur Kreativwirtschaft zu eröffnen, Kongresse zu organisieren oder Kulturwirtschaftshandbücher zu verfassen. Um die Kultur- und Kreativindustrie intensiv zu unterstützen und zu fördern, braucht es mehr Anstrengung. Hier sind die geforderten Fonds und ein der Kreativwirtschaft helfender Umgang mit dem Liegenschaftsfonds nur Bruchstücke, die es intensiv in den Ausschüssen zu beraten gilt. Entscheidend ist, dass intensive Dialoge mit der Kultur- und Kreativszene unserer Stadt geführt werden, dass eine Vernetzung zwischen Politik und Kreativwirtschaft unter dem Titel Wirtschaftsförderung gelebt wird. Um es deut

licher zu sagen: Wir sollten gerade zu diesem Punkt auch die Betroffenen aus der Kreativwirtschaft hören, damit die uns sagen können, was sie wollen.

[Alice Ströver (Grüne): Haben sie doch!]

Ich glaube, wir haben in Berlin genau die Creative Class, die mit den Schlagworten Technologie, Toleranz, Talente als Voraussetzung für Kreativwirtschaft oft beschrieben wird. Aber dieses Potenzial lässt sich nicht durch ein oder zwei Hauruckmaßnahmen dauerhaft an unsere Stadt binden. Stattdessen braucht es Veränderungen und Fördermaßnahmen an ganz unterschiedlichen Stellen. Voraussetzung ist dafür allerdings, dass gesellschaftlich klar ist, dass Kultur- und Kreativszene in Zukunft einen hervorragenden Platz in der Wirtschaftspolitik dieses Landes Berlin haben. Denn nur trendy zu sein, reicht auf die Dauer nicht. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Das Wort für die Linksfraktion hat die Kollegin Frau Dr. Holzheuer-Rothensteiner!

[Alice Ströver (Grüne): Hoffentlich kennen Sie den Bericht des Senats!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Bündnisgrüne! Ich denke, dass Sie mit Ihren Forderungen zur Förderung der Kreativwirtschaft ganz schön aufdrehen, wenn Sie z. B. Programme und finanzielle Mittel in zweistelliger Millionenhöhe fordern – und das sofort. Sie tun nämlich so, als würde in Berlin nichts für Kultur als Wirtschaftsfaktor und nichts für die Unterstützung der oft prekär Beschäftigten im Kulturbereich und der Einzelunternehmen getan. Das ist eine Unterstellung, das ist falsch, und so geht das nicht.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Was in diesem Zusammenhang in Berlin getan wird, möchte ich an dieser Stelle mit zwei Beispielen erwähnen. Zum einen gibt es den Fonds zur Förderung der Kreativwirtschaft in Berlin, zum anderen die Landesinitiative Projekt Zukunft, die Unternehmen und Aktivitäten, die dort gemeinsam mit Projektpartnern durchgeführt werden, z. B. realisierte Infrastrukturvorhaben wie Portale, Weiterbildungsveranstaltungen oder Präsentationen im Ausland. In Berlin erreichen die Umsätze im Kulturwirtschaftsbereich fast das Niveau des verarbeitenden Gewerbes. Im Bereich Kultur arbeiten mehr als 90 000 Beschäftigte, ihre Zahl erhöht sich stetig.

[Alice Ströver (Grüne): Leider nicht!]

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Bündnisgrünen, Sie fordern 50 Millionen € für ein Aktionsprogramm für Berlins Kreativwirtschaft, und zwar – aus meiner Sicht – ohne dass Sie an dieser Stelle sagen und in irgendeiner Weise definieren, was und wer für Sie überhaupt zur Kul

tur- und Kreativwirtschaft gehört – und zwar in Abgrenzung zur staatlichen Kulturförderung. Sie differenzieren auch nicht nach Branchen, nach Zielgruppen und Personen in diesem so sehr heterogenen Bereich der Kreativwirtschaft. Aber genau darüber, was Kreativwirtschaft eigentlich ist, welche differenzierte Struktur sie hat und wie sie entwickelt und gefördert werden kann, darüber gibt es eine große Debatte, nicht nur in Berlin, nicht nur in der Bundesrepublik, sondern europaweit. Da kann man nach Wien schauen und sagen: Die machen es gut so, so wollen wir es auch. Aber so geht das eben nicht. Unsere eigenen Probleme müssen wir schon mit eigenen Ansätzen lösen, so wie sie hier passen. Das müssen wir schon alleine tun.

[Alice Ströver (Grüne): Genau deswegen machen wir das! Eigene Ansätze!]

Dazu, Frau Ströver, gehören z. B. Debatten und Diskussionen, wie die Kulturwirtschaftsinitiative von Wirtschafts- und Kultursenat, die bereits vor einem Jahr gestartet wurde und den europäischen Austausch der Creative Industries fördern soll.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Deshalb sage ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Bündnisgrünen: Bitte beteiligen Sie sich an diesen Debatten und Aktivitäten

[Johlen bei den Grünen]

machen Sie nicht irgendwelche großen Wunschanträge, die nicht zu erfüllen sind! –, die es in der Stadt zur Stärkung und wenn nötig zur Veränderung bestehender Förderpolitiken, Förderprogramme und -strukturen gibt.

Nichtsdestotrotz haben die Anträge der Grünen ein wichtiges Wirtschaftsthema auf die Tagesordnung gesetzt.

[Zuruf von der FDP: Ach!]

Ja! – Kultur ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Berlin. Das hat insbesondere der 1. Kulturwirtschaftsbericht belegt, der im Mai 2005 veröffentlicht wurde und mit dem übrigens Berlin als eines von vier Bundesländern damals und auch noch heute mit an der Spitze der Bundesländer stand und steht. Auf der Basis dieses Berichts können Aktivitäten zur Förderung der Kultur als Wirtschaftsfaktor aufbauen. Was wir tun müssen, ist, punktgenauer zu untersuchen und das sichtbar zu machen, was kleinteilig in den Bezirken wirklich ist. Das hat beispielsweise der Bezirk Pankow mit seiner Kulturstudie gemacht. Das meiner Meinung nach wirklich Erhellende an dieser Studie ist, dass noch einmal sehr kleinteilig in einem Bezirk und in Stadtteilen aufgezeigt wird, wie heterogen die Kulturszene und die Beschäftigten im Bereich Kultur sind, welche höchst unterschiedlichen Ansprüche, Anforderungen sie an Förderpolitiken stellen. Deshalb reicht es auch nicht, beispielsweise nach Schweden zu blicken, sondern schauen wir kleinteilig auf das, was bei uns in den Bezirken passiert, was wir hier tun müssen.

Über die Anträge der Bündnisgrünen und das Thema Kreativ- oder Kulturwirtschaft werden wir noch in den Aus

schüssen diskutieren. Wir werden auch diskutieren über Kultur als Wirtschaftsfaktor und als Bildung, über gesellschaftliche und staatliche Aufgaben und über Formen der Wirtschaftsförderung im Rahmen der Kultur. Dieses Thema wird uns ganz sicher in den Ausschüssen und im Parlament noch sehr lange beschäftigen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Zuruf von den Grünen: Begeisterter Applaus bei der Linken!]

Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Kollege Thiel. – Bitte sehr, Herr Thiel!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es macht Sinn, gerade nach den Ausführungen des Kollegen Braun, ein wenig darüber nachzudenken, worüber wir reden. Wir reden nicht über Kultur, wir reden über Kreativwirtschaft. Das ist in der Tat zuerst ein Wirtschaftsthema und gerade, um Kultur vor überzogenen Forderungen, was Wirtschaftlichkeit angeht, zu schützen. Es gibt Interdependenzen dazwischen, das ist mir klar. Nur, wesentlich ist dabei, dass in der Kreativwirtschaft vor allen Dingen das Moment, wirtschaften zu wollen, um davon leben zu können, im Vordergrund steht. Das kann es in der Kultur nicht so geben. Deswegen sollte man das deutlich trennen.

[Beifall bei der FDP und den Grünen]

Es schien mir notwendig, weil ich den Eindruck hatte, dass die Enquetekommission sehr lange zurückliegt. Aber da hatten wir Gelegenheit, uns intensiver damit auseinanderzusetzen. Ich hatte als Stichwort nur aufgeschrieben, dass es mittlerweile zwischen Kultur- und Wirtschaftinteressierten dieser Stadt gar keinen Dissens gibt über die Fraktionen hinweg, die sagen: Eine Perle, die wir weiter polieren müssen, ist die Kreativwirtschaft. So verstehe ich auch die Anträge der Grünen, die sich ihre Gedanken gemacht haben: Wie können wir die Kreativwirtschaft weiter befördern, wie können wir ihnen helfen. Da wird es für mich spannend.

Nicht nur, dass die Kreativwirtschaft uns eine Riesenzukunft eröffnet, Zahlen wurden schon genannt: 2005 allein 11 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt, so viel wie das produzierende Gewerbe. Das halte ich für beachtlich. Ich nehme an, die Zahlen 2006 folgende werden sogar noch höher sein. Interessant ist aber – darüber werden wir sicher lange diskutieren, weil wir uns unterscheiden werden –: Was und wie kann Politik vorgehen, Clusterbildungen zu fördern? Was ist dabei unsere Aufgabe, unser Beitrag? – Ein liberaler Ansatz ist – auch wenn er erst einmal langweilig klingt –: Wir wollen die Rahmenbedingungen verbessern.

[Zuruf von Uwe Doering (Linksfraktion)]

Ja, Herr Doering, er kann nur dann langweilig klingen, wenn man ihn noch nicht verstanden hat. Aber ich gebe mir Mühe, dafür zu werben.

[Beifall bei der FDP und den Grünen]

Wir wollen die Rahmenbedingungen verbessern. Was heißt das ganz konkret für Leute, die in der Kreativwirtschaft arbeiten? – Das heißt als Allererstes: Weg mit unnützer Bürokratie. Das betrifft alle, die in der Wirtschaft sind, aber erst recht die Menschen, die sich vom Kreativen leiten lassen. Sie kennen solche – positiv gesehen – Typen, die für alles Verständnis haben, aber nicht unbedingt für irgendwelche Formulare.

Dann brauchen wir – nicht nur für die Kreativwirtschaft – eine unternehmerfreundliche Politik und eine unternehmerfreundliche Verwaltung. Es nützt nichts, dass wir hier gute Sachen beschließen, wenn sie in der Verwaltung unterlaufen werden, weil dort Leute arbeiten, denen jegliches Verständnis für Unternehmertum fehlt.

[Beifall bei der FDP – Zurufe von der Linksfraktion]

Wir als Liberale sind der Ansicht: Wir brauchen primär nicht neue Förderprogramme, sondern die Diskussion darüber, ob wir Förderprogramme öffnen können. Wir hatten in der letzten Legislaturperiode einen Vorstoß gemacht und werden ihn wieder tun, ein bestehendes Programm – Beteiligung und Unterstützung von Messen – dahin gehend zu öffnen, dass auch Künstlerinnen und Künstler an diesem Programm beteiligt werden. Das ist leider in der letzten Legislaturperiode gescheitert. Wir versuchen es ein zweites Mal – hoffentlich mit mehr Erfolg!

Zu den Anträgen in der Kürze der verbleibenden Zeit: Liebe Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90! Dieser Fonds mit aufgesparten 50 Millionen € und wie diese ausgegeben werden sollen – ich zitiere aus Ihrem Antrag:

Durch den Kreativfonds sollen insbesondere die Kreativwirtschaftler unterstützt werden, die aufgrund schwer einzuschätzender Erfolgsaussichten, geringer Renditeaussichten und nicht vorhandener Sicherheiten bislang keine Fremdfinanzierung oder Fördermittel in Anspruch nehmen konnten.

[Elisabeth Paus (Grüne): Aber ein tolles Projekt!]

Liebe Kollegin Paus! Dann bin ich doch eher für eine Lotterie. Derjenige, der die höchste Nummer zieht, kriegt das Geld. Das wäre ehrlicher.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Bärbel Holzheuer-Rothensteiner (Linksfraktion)]

Das hier verbietet jedem, der sich auch nur im Entferntesten mit Wirtschaft auseinandersetzt, die Unterstützung. Auch die Umschichtung von den KMU im Einzelplan 13 werden wir nicht mittragen. Aber zum Trost: Die Einführung des Microlending wird unsere Unterstützung finden, wenn Sie uns noch verraten, wie wir die 2 Millionen €

zusammenbekommen. Die anderen Anträge zum Immobilienmarkt sind schon richtig niedlich: Raum für Kreative sichern. – Und dann gibt es den nächsten Antrag – eine Steigerung: Eroberungsräume für Kreative. – Sehen Sie es mir nach, mir fiel dazu spontan nur Bethanien ein. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Beifall von Bärbel Holzheuer-Rothensteiner (Linksfraktion)]

Vielen Dank, Herr Kollege Thiel! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt zu allen fünf Anträgen die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Frauen – federführend – und mitberatend an den Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten sowie an den Hauptausschuss. Zu diesen Überweisungen höre ich keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf