Das ist die Priorität der Fraktion der FDP unter den Tagesordnungspunkten 39 und 40. Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktion jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Das Wort für die FDPFraktion hat der Kollege von Lüdeke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In diesen Wochen diskutieren wir den vom Senat vorgelegten Haushaltsentwurf 2008/2009 – eine gute Gelegenheit, das Interesse des Parlaments auf den Verkehrsvertrag zwischen dem Land Berlin und der BVG zu lenken, bevor uns der Senat vor vollendete Tatsachen stellt, was er ja so gerne macht!
Gute Gründe sprechen für die Befassung mit diesem Thema, der Vertrag soll nämlich dem Vernehmen nach Berlin bis zum Jahre 2020 binden. Das heißt, er wird in seiner haushaltspolitischen Wirkung weit über die aktuelle Haushaltsvorlage des Senats hinausgehen.
Zum anderen betrifft dieser Vertrag nicht irgendwelche hoheitlichen oder allgemein administrativen Aufgaben Berlins. Dieser Vertrag betrifft eine Dienstleistung, denn der öffentliche Personennahverkehr ist eine Dienstleistung und nichts anderes. Ganz nebenbei: Die größte Einzelausgabe, die der Landeshaushalt vorsieht! Da lohnt es sich schon, genauer hinzuschauen. Ich kündige an, das wird meine Fraktion auch ganz genau tun.
Ja! – An dem im Werden begriffenen Verkehrsvertrag überrascht die Art des Zustandekommens. Obwohl die Beschaffung der ÖPNV-Leistungen im Unterschied zur Erbringung eine öffentliche Angelegenheit ist, obwohl die Vertragspartner Senat und BVG öffentliche Stellen sind, umgibt der Senat die Vertragsverhandlungen mit einer Geheimniskrämerei, als ob die BVG die feindliche Übernahme der Deutschen Bahn plane, was den Bahnkunden hoffentlich nie widerfahren wird. Bei den Vertragsverhandlungen mit der landeseigenen BVG scheinen Interessen im Spiel zu sein, die der Senat nicht allzu früh dem Licht der Öffentlichkeit aussetzen möchte. Im Grundsatz werden die Verhandlungen üblichen Vertragsverhandlungen kaufmännischer Art ähneln: Der Käufer möchte möglichst viel Leistung für möglichst wenig Geld, der Verkäufer möglichst viel Geld für möglichst wenig Leistung. Damit dürfte sich der Vergleich zum realen Marktgeschehen aber bereits erschöpft haben. Die Rahmenbedingungen dieser Vertragsverhandlungen weichen von einem normalen Marktgeschehen sicher fundamental ab. Der Senat ist nicht Käufer eines leistungsfähigen ÖPNV zu möglichst geringen Kosten, nein, er ist gleichzeitig Gewährträger der BVG, des Anbieters der Leistung. Diese Doppelrolle muss zwangsläufig zu Interessenkollisionen führen. Die BVG dagegen sitzt auf dem bequemen Sessel des Monopolisten. Was sie nicht an Zuschüssen bekommt, das holt sie sich einfach über Kredite. Der Insolvenzverwalter ist ihr gänzlich fremd. Aber sie hat als Monopolist einen starken stillen Gesellschafter an ihrer Seite, nämlich die Gewerkschaften. Wird der stille Gesellschafter allerdings gereizt und vom stillen zum lauten Gesellschafter, dann mutiert unser Partylöwe Klaus Wowereit flugs zum Schmusekätzchen. Das haben wir bei den Tarifverhandlungen im September 2005 erlebt, als ein Streik bevorstand: Husch war der Partylöwe Schmusekätzchen!
Der Senat hat damals einen langjährig wirksamen Tarifvertrag akzeptiert, der ein zentrales Element des Jahre später abzuschließenden Verkehrsvertrags vorwegnimmt, nämlich die Bindung an ein Unternehmen, die Bindung an die BVG.
Die Landeshaushaltsordnung mit ihren Nebenbestimmungen verlangt die öffentliche Ausschreibung von Leistungen. Soweit sie eine freihändige bzw. Direktvergabe zulässt, verlangt sie die Einholung von mindestens drei Angeboten. Ausgerechnet aber bei der größten Dienstleistung, die Berlin zu vergeben hat, wird jeglicher Wettbewerb ausgeschlossen. Meine Fraktion will keine ungewisse Zukunft für das BVG-Personal. Wir reden auch nicht der Privatisierung der ÖPNV-Infrastruktur das Wort. Die BVG-Verkehrsanlagen, die U-Bahntunnel sollen beim Land bleiben, aber Berlin muss nicht in Form einer Anstalt des öffentlichen Rechts den Bahn- und Busunternehmer spielen.
Das fahren einer U-Bahn, einer Straßenbahn oder eines Busses ist keine öffentliche Aufgabe, auch wenn der Senat diesen Unfug weiter mitmachen will. Wem nutzt das Ganze? Nicht den Fahrgästen, nicht den Steuerzahlern, den Nutzen hat allein der stille Gesellschafter. Die gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmerinteressen hängen dem Senat sichtbar wie ein Klotz am Bein. Daraus resultiert wohl Ihre Geheimniskrämerei um den Verkehrsvertrag.
Herr Regierender Bürgermeister! Frau Senatorin JungeReyer! Sie müssen sich zwischen Monopol und Zahlen ohne Ende oder Wettbewerb und damit Zoff mit Verdi entscheiden. Die FDP-Fraktion empfiehlt: Folgen Sie der Vernunft der Landeshaushaltsordnung, setzen Sie endlich auf Wettbewerb! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wieder einmal müssen wir uns mit den halbjährlich wiederkehrenden Glaubensbekenntnissen der FDP-Fraktion zu Privatisierung und Wettbewerb im Nahverkehr beschäftigen.
Wieder einmal steht nichts Neues drin, es steht nichts anderes drin, es ist immer das Gleiche. Ich habe mir überlegt, ob ich hier immer das Gleiche sagen soll. Eigentlich gebietet es die Höflichkeit gegenüber der antragstellenden Fraktion, dass man einige Sätze dazu sagt. Da ich den Eindruck habe, dass Sie es noch immer nicht begriffen haben, wiederhole ich es gerne noch einmal.
Dieses Parlament hat den Senat beauftragt, mit den Eckpunkten des Nahverkehrsplans eine bestimmte ÖPNVLeistung für Berlin zu bestellen und diese Bestellung bei
der BVG abzugeben, um einen leistungsfähiges, integriertes Nahverkehrssystem zu erhalten. Dazu stehen wir auch nach wie vor, weil wir das für den richtigen Weg halten. Es gibt keine andere Großstadt auf dem europäischen Festland, die einen anderen Weg gegangen ist. In Paris, in Wien, in Stockholm, in Madrid haben wir überall städtische Verkehrsunternehmen, kommunale Verkehrsunternehmen, die den Großteil des ÖPNV tragen. Das kann ergänzt werden durch einzelne Private, die dann im Auftrag fahren, das kann ergänzt werden durch Unternehmen, wie bei uns die S-Bahn. Aber das ist ein Weg, der garantiert, dass ein gutes, integriertes Angebot vorgehalten wird. Deshalb wollen wir daran auch festhalten.
Die einzige Ausnahme bilden englische Städte, London insbesondere. Diesem englischen Beispiel, lieber Herr von Lüdeke, wollen wir nicht nacheifern. Das ist für uns kein Vorbild, das ist für uns eher ein Schreckensbild. Wenn Sie diesen Schwung in die Stadt bringen wollen, haben Sie uns nicht an Ihrer Seite – ganz deutlich.
Aber es ist nicht nur Ihr übliches Glaubensbekenntnis, Wettbewerb mache alles besser und billiger, sondern ist gleich auch die Aufforderung zum Tarifbruch. Es war nicht so einfach, wie Sie es hier schildern. Es war eine lange Auseinandersetzung mit den Beschäftigten bei der BVG um einen Tarifvertrag, weil dieser Tarifvertrag den Beschäftigten eben nicht weiche Betten und goldene Briefumschläge garantiert, sondern erhebliche Einbußen abverlangt – in einer Art Solidarpakt zum Erhalt des integrierten Verkehrsunternehmen. Für einen dauerhaften, langfristigen Verkehrsvertrag haben Beschäftigte auf Gehalt und Sonderleistungen verzichtet, und das verdient zum einen Anerkennung, zum anderen auch Bestandswahrung, nicht ständige Infragestellung.
Deshalb werden wir diese Anträge wie auch alle ihrer Vorgänger im Ausschuss sicher noch einmal beraten müssen, aber anschließend ablehnen. Ich gehe davon aus, dass sie auch auf lange Sicht in diesem Parlament nicht mehrheitsfähig sind. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! – Liebe Freunde von der FDP! Ich glaube, mit so einer Schwarz-WeißDiskussion, Monopol oder Wettbewerb, kommen wir in der Frage BVG und öffentliche Betriebe nicht weiter.
aber es muss mit Augenmaß betrieben werden. Ich würde Sie bitten, von der Schwarz-Weiß-Malerei abzusehen.
Einem Antrag, der eine vertragsähnliche Vereinbarung zwischen dem Senat und der BVG kurzfristig aufzukündigen beabsichtigt, können und wollen wir aus Gründen der Vertragstreue und der Zuverlässigkeit nicht zustimmen. Diese besagte Vereinbarung – Herr Gaebler hat sie angesprochen – ist nämlich eine Tarifvereinbarung, der TVN, mit einer Zusage, dass alle bisherigen Fahrleistungsprofile der BVG von heute bis 2020 ausschließlich der BVG vorzuhalten sind.
Das war und ist aus zweierlei Gründen auch prinzipiell richtig: Erstens senkte es die Personalausgaben der BVG drastisch und damit auch den Zuwendungsbedarf des Landes Berlin an die BVG. Zweitens sicherte es Arbeitsplätze zu erheblich reduzierten Tarifbedingungen. Das sollte Anerkennung finden. Man kann sich nun trefflich streiten, ob 2020 der richtige Zeitpunkt für das Ende der Vereinbarung ist, aber so ist das nun einmal mit Tarifverhandlungen. Wir jedenfalls halten die Tarifautonomie für ein hohes Gut. Deshalb können Veränderungen an der Vereinbarung nur einvernehmlich mit den Partner, und nicht durch Abgeordnetenhausbeschluss erfolgen.
Aber auch die in Ihrem zweiten Antrag „Verkehrsvertrag im Wettbewerb“ gemachten Vorschläge bieten eine Reihe von Punkten, über die es sich lohnt zu streiten. Inwieweit ist eine vollständige Zerteilung der BVG überhaupt durchführbar? Welche positiven und welche negativen Folgen hätte das? Ich weiß nicht, ob dies bereits alles geklärt ist.
Kommen wir nicht ganz schnell an die Grenze der Diskussion, die wir hier bereits vor vierzehn Tagen zur Teilprivatisierung der DB geführt haben? Wie ist dies mit der Daseinsvorsorgepflicht des Landes Berlin? Klagen wir nicht heute schon über die Ausdünnung der Fahrverkehre am Stadtrand? Können wir Rosinenpickerei zulassen, lukrative Strecken verscherbeln und privatisieren und auf dem Rest sitzen bleiben? Wer bekommt zum Beispiel die Nachtlinien? Fragen über Fragen!