Protocol of the Session on September 27, 2007

I. Lesung

Landesgesetz über das öffentliche Glücksspiel

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/0826

Das ist die Priorität der Fraktion der SPD und der Linksfraktion unter dem Tagesordnungspunkt 9.

Ich eröffne die I. Lesung. Die Koalitionsfraktionen haben inzwischen auf ihren Beratungswunsch verzichtet. Die Fraktionen empfehlen die Überweisung federführend an den Rechtssausschuss, mitberatend an den Sportausschuss sowie den Hauptausschuss, wozu ich keinen Widerspruch sehe.

Ich rufe nunmehr auf:

Lfd. Nr. 4 b:

Antrag

Kinderschutz konkret

Antrag der CDU Drs 16/0802

Das ist die Priorität der Fraktion der CDU unter dem Tagesordnungspunkt 18.

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion der CDU. Das Wort hat Frau Demirbüken-Wegner. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Endlich haben die jahrelangen Debatten um die Verbesserung des Kinderschutzes und der damit verbundenen notwendigen Elternarbeit auch ihren sichtbaren Niederschlag im Haushaltsentwurf für den nächsten Doppelhaushalt unter dem Titel „Zuschüsse für Familienbildungsmaßnahmen“ gefunden. Das freut mich als jugend- und familienpolitische Sprecherin meiner Fraktion ganz besonders, weil wir der Arbeit insbesondere mit jungen Familien sowie der Familienbildungsarbeit einen besonders großen Stellenwert beimessen und immer darum gekämpft haben, dass dieser Titel verstärkt wird.

[Beifall bei der CDU]

300 000 € sind jetzt für die aufsuchende Elternarbeit vorgesehen, die bereits im frühen Stadium der Elternschaft angelegt sein soll, um ihre Wirkung zum Schutze der Kinder und zur Stärkung verantwortungsvoller Elternschaft voll entfalten zu können. 300 000 € klingt nach viel Geld, ist aber im Vergleich zur Förderung solch großer Träger wie zum Beispiel dem Kinderschutzzentrum Berlin mit 531 750 € und vor dem Hintergrund des gesamtstädtischen Bedarfs an aufsuchender Elternarbeit nicht ausreichend. Das sage ich ganz bewusst vor dem Hintergrund der katastrophalen Lage der bezirklichen Gesundheitsdienste, in die uns die rot-rote Reform des öffentlichen Gesundheitsdienstes gebracht hat.

In andern Ländern inner- und außerhalb Europas gehören frühe Hilfen und aufsuchende Beratung vor und von der Geburt an seit langem zum Standard der psychosozialen Versorgung. Berlin hat sich in dieser Frage nicht weiter-, sondern durch die enormen Kürzungen der vergangenen Jahre im öffentlichen Gesundheitswesen und auch der Familienarbeit zurückentwickelt.

Die Folgen liegen auf der Hand, wie das Beispiel Neukölln zeigt. Der Erstkontakt über Hausbesuche kann bei eine Zahl von 3 000 Neugeborenen nur noch für 700 Familien geleistet werden. Ebenso ist die aufsuchende Betreuung von Problemfamilien nicht mehr im erforderlichen Maße gewährleistet. Bei 44 000 Kindern unter 15 Jahren können nur 600 Familien regelmäßig betreut werden. Ebenso leidet die gesundheitliche Prophylaxe in Kitas und Schulen, weil das notwendige Personal fehlt. Der Bezirk ist nicht einmal mehr in der Lage, die gesetzlich vorgeschrieben Schuleingangsuntersuchung voll abzudecken. Zudem ging auch noch der Kinderarzt des öffentlichen Gesundheitsdienstes in den Ruhestand, und Nachfolge ist nicht in Sicht. Ein Bezirk mit durchaus problematischen Strukturen ohne Kinderarzt!

Solch eine Entwicklung dürfte doch keinen der politisch Verantwortlichen mehr zur Ruhe kommen lassen. Deshalb müssen Sie, meine Kolleginnen und Kollegen aus der Regierungskoalition, sich schon die Kritik gefallen lassen, dass es ein schwerer Fehler ist, wenn Sie immer wieder Ihre Zustimmung dafür geben, an der Finanzie

rung von gesetzlichen Regelleistungen und an tragfähigen Versorgungsstrukturen für die Menschen zu sparen.

Nun haben wir glücklicherweise 300 000 € für ein Programm zur aufsuchenden Elternarbeit, bei dem uns der Haushaltsvermerk, der allein auf die Zielgruppe gerichtet ist, nicht genügt. Wir wollen ein Konzept, aus dem hervorgeht, wie und mit welchen Trägern nach welchen Schwerpunkten gearbeitet werden soll. Wir wollen wissen, wie und welche Zusammenarbeit mit dem öffentlichen Gesundheitsdienst der Bezirke vorgesehen ist und welche Anschlusshilfen für die betroffenen Eltern vorgesehen sind. Wir wollen wissen, wie mit dem Programm Nachhaltigkeit erzielt werden soll, und regen deshalb an, in dem Konzept auch eine Evaluierung vorzusehen, um die Wirkung des Programms solide einschätzen zu können.

Eines darf nicht passieren, nämlich dass Gelder „freihändig“ und auf Zuruf verteilt werden, um irgendwelche Löcher zu stopfen. Dazu ist das gemeinsame Anliegen des Hauses, überforderten Eltern und ihren Kindern wirksam zu helfen, zu wichtig.

[Beifall bei der CDU]

Aus diesem Grund plädiere ich noch einmal dafür, in dieses Programm das in anderen Bundesländern erfolgreich arbeitende Projekt der Familienhebammen einzubinden. Sie werden sicher einwenden, das sei alles schon im Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie behandelt und ausdiskutiert worden, als die CDU-Fraktion schon einmal diese Forderung gestellt hat. Das ist aber nur bedingt richtig, denn nach Ablehnung dieser Forderung durch die Jugendpolitiker der Koalition haben die frauen- und gesundheitspolitischen Sprecher aller Fraktionen der Durchführung eines Familienhebammenprojekts in Berlin einschließlich einer Beratung des Frauennetzwerks Gesundheit ihre ausdrückliche Unterstützung zugesagt. Daran möchte ich hier alle erinnern.

Frau Abgeordnete, Sie müssen leider zum Schluss kommen!

Ich komme zum Schluss. – Der Berliner Hebammenverband ist bereit, mit seinem Netzwerk und seinen selbst ausgebildeten 20 Hebammen als Potenzial für unser Konzept zur Verfügung zu stehen. Ich hoffe, dass die zuständige Senatsverwaltung bereits tätig geworden ist.

Sie müssen jetzt aber wirklich zum Schluss kommen!

Wenn das der Fall wäre, würde es uns sehr freuen, wenn nicht, sollten Sie sich an Ihre Zusage erinnern. – Danke!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Kollege Kohlmeier. – Bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir behandeln – das ist erfreulich – den Antrag zum Thema Kinderschutz. Man könnte meinen, der Antragsteller, die CDU-Fraktion, wolle uns neue Ideen zum Kinderschutz mitteilen. Schließlich haben Sie von der CDU-Fraktion diesen Antrag als Ihre Priorität gewählt. Wenn man aber die Rede von Frau Demirbüken-Wegner gehört hat und die leeren Reihen in der CDU sieht, dann scheint es so, als hätten Sie von unserem Netzwerk Kinderschutz noch nie etwas gehört und als sei Ihnen das Thema nicht wirklich wichtig.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Der Senat hat das Netzwerk Kinderschutz schon im Februar beschlossen. Sie hatten somit über sechs Monate Zeit, es einmal zu lesen.

[Mario Czaja (CDU): Klasse statt Masse!]

Ja, lieber Herr Czaja, auch Ihnen empfehle ich, es zu lesen. Lesen bildet auch in diesem Fall. – Es ist nicht neu, dass die CDU-Fraktion nicht weiß, welche Anträge in diesem Haus schon beschlossen wurden. Ich finde es aber geradezu erschreckend, dass die CDU-Fraktion bei dem Thema des präventiven Kinderschutzes vor und nach der Geburt völlige Unwissenheit präsentiert.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Darum bin ich froh und dankbar, dass das Netzwerk Kinderschutz und die Maßnahmen ihre ersten Wirkungen entfalten. Die Menschen in unserer Stadt sind aufmerksamer geworden; sie interessieren sich für das Thema Kindeswohl in ihrer Nachbarschaft und darüber hinaus. Das Netzwerk Kinderschutz setzt auf eine starke Gesellschaft. Darauf können wir stolz sein.

Ihr Antrag lautet „Kinderschutz konkret“, und Sie schreiben allen Ernstes:

Der Senat wird aufgefordert, ein detailliertes Konzept und einen Maßnahmenplan mit den dafür infrage kommenden Partnern vorzulegen, aus dem hervorgehen soll, welche konkreten Vorhaben durch welche Projekte mit welchen Zielen umgesetzt werden sollen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU! Das soll die Antwort der Fachpolitiker der CDU auf das Netzwerk Kinderschutz in unserer Stadt sein? Sie wissen scheinbar noch nicht einmal, welchen Maßnahmenplan Sie anfordern wollen. Sie wissen nicht, mit welchen Part

nern wir reden sollen, und Sie wissen auch nicht, wie das Ziel der aufsuchenden Elternhilfe umgesetzt werden soll.

Frau Demirbüken-Wegner sehe ich nicht mehr. Sie ist offensichtlich schon gegangen.

[Christian Gaebler (SPD): Tolle Priorität! Die Rednerin ist weg!]

Frau Demirbüken-Wegner hat schon zwei Kleine Anfragen zu diesem Thema eingereicht. Vielleicht können die Kollegen von der CDU ihr ausrichten, dass wahrscheinlich auch die nächsten zwei Anfragen nicht dazu führen werden, dass sie das Thema versteht.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Mit der aufsuchenden Elternhilfe soll die Elternkompetenz gestärkt werden. Wir wollen den Eltern in der Schwangerschaft helfen, nach und vor der Geburt. Dabei konzentrieren wir uns auf Risikogruppen. Manchen fehlt es an Erfahrung, manchen an Kenntnissen und manchen auch an der Motivation. Manche Eltern sind auch überfordert. Sie sind nicht in der Lage, notwendige Hilfe allein zu organisieren. An sie richten wir uns. Zur Abstimmung findet eine Kooperation zwischen den Ämtern statt. – So viel zur Theorie.

Nun zur Praxis: Es gibt ein Modellprojekt mit einer Laufzeit von zwei Jahren, um Erkenntnisse über Zielgruppen und den Umfang des Hilfebedarfs zu ermitteln. Die Umsetzung wird durch ein Kooperationsgremium fortlaufend begleitet, und die Ergebnisse werden evaluiert. Vier Träger haben zum 1. September die Arbeit in dem Modellprojekt aufgenommen, und insgesamt werden 300 000 € im Haushalt 2007 bereitgestellt. Das ist der richtige Weg.

Wir schließen mit der aufsuchenden Elternhilfe bisherige Problemzonen, das Problem der Vernetzung. Wir versetzen Familien in die Lage, eine angemessene Versorgung und Erziehung ihrer Kinder zu gewährleisten. Wir fördern eine gesunde Entwicklung und Lebensweise, und wir wecken auch bei schwierigen Familienverhältnissen Verständnis für die Bedürfnisse der Kinder.

Zum Modell der Familienhebammen, das von der CDU vorgeschlagen wurde: Es geht auf einen Vorschlag der Familienminister von der Leyen zurück und wird derzeit in Bremen erprobt. Das Bundesland Bremen hat das Familienhebammenmodell eingeführt und nimmt damit am Bundesmodellprojekt der Stiftung „Pro Kind“ teil. Es wurde am 4. Juli 2006 in der Bremer Bürgerschaft von CDU und SPD beschlossen. Den Grund für den Beschluss lieferte die SPD-Abgeordnete Wangenheim gleich mit – ich zitiere aus ihrer Rede –:

Von den Kosten des Modellprojekts übernimmt der Bund 75 Prozent. Das will ich an Bremen nicht vorbeigehen lassen und meine Fraktion auch nicht.

Es ist mir ein bisschen zu wenig, ein Modell ausschließlich aus finanziellen Erwägungen auszuprobieren, wo wir doch den Familien direkt helfen können. Wir brauchen in

Berlin nicht die Probleme, die Bremen mit dem Modellprojekt hat, nämlich eine fehlende Vernetzung mit den bestehenden Projekten und eine diffuse Zielvorstellung eines Familienhebammenmodells.