Nur, das ist nicht die Motivation der heutigen Aktuellen Stunde, das muss man klar sehen. Bei der PDS ist es einfach: Sie sind die traditionellen Freunde des Staatsmonopols und Feinde von Markt und Wettbewerb. Sie hätten lieber statt des Wasser bringenden freundlichen Zugbe
gleiters, dass es wieder einen hoheitlichen, mürrischen Schaffner gibt. Geschenkt werden Sie dann bekommen, dass man zwei Wochen vor Reiseantritt einen Antrag bei der Mitropa auf die Gewährung einer Tasse Filterkaffee stellen darf, wie in alten Zeiten. Da sind Sie konsequent. Sie würden auch am liebsten wieder HO- und KonsumLäden einführen. Es ist allerdings irrelevant. Sie haben vier Stimmen im Bundesrat unter Mitkontrolle, deswegen ist es ziemlich irrelevant, was Sie wollen. Wir haben 18, und nach dem Frühjahr werden es mindestens 23 sein.
Wie sieht es bei der SPD aus? – Die SPD hat heute Herrn Sarrazin die große Stunde seiner persönlichen Rache gewährt. Nicht, Herr Sarrazin, wie schaut es denn aus? – Damals der Wechsel vom Finanzministerium, von Herrn Overhaus, zur Bahn. War das so ganz freiwillig, oder war man froh, dass man Sie da auch wieder los war? Wie war es denn mit den Zwistigkeiten bei der DB Netz im Vorstand mit dem Vorstandsvorsitzenden? Wie war denn das, wie viele Diskussionen hatten Sie denn da bei der Deutschen Bahn, bis man Sie gebeten hat, das Unternehmen zu verlassen?
Wie war es denn eigentlich mit den drei Instanzen, durch die Sie erfolglos gegen Ihren ehemaligen Arbeitgeber geklagt haben?
Das verstehe ich, da verliert man verdammt viel Geld. Eine Abfindung hat es auch nicht gegeben. Da hat man natürlich ein gewisses Verständnis dafür, dass Herr Sarrazin Herrn Mehdorn blutige Rache geschworen hat. Aber was haben wir damit zu tun? Was hat die Aktuelle Stunde damit zu tun? Warum müssen wir darunter leiden, dass Sie eine persönliche Rechnung mit Herrn Mehdorn offen haben?
Als Beleg für Ihre rein persönliche Motivlage dient dann abschließend der Unsinn mit der Volksaktie. An den glauben Sie doch selbst nicht. Das hat der „Spiegel“ richtig geschrieben. Ein solcher Quatsch aus Ihrem Mund: eine stimmrechtslose Volksaktie! Wer soll die denn zeichnen? Das ist Kokolores. Ihnen geht es heute darum, eine persönliche Rechnung zu begleichen.
Warum allerdings die SPD und Wowereit als Regierender Bürgermeister mitmachen, das ist für mich eine offene Frage. Lieber Herr Regierender Bürgermeister! Wie oft haben Sie sich mit Herrn Mehdorn oder anderen Bahnverantwortlichen über das Thema Teilprivatisierung unterhalten? Wie oft haben Sie mit denen konferiert?
Stellen Sie sich einmal vor, im baden-württembergischen Landtag würde auf Antrag von CDU und FDP DaimlerChrysler vorgeführt werden oder in Hessischen Landtag die Lufthansa oder in Niedersachsen VW! Das ist in diesen Ländern überhaupt nicht vorstellbar, sondern da setzen sich die Ministerpräsidenten und Wirtschaftsminister dafür ein, dass die ökonomischen, volkswirtschaftlichen und ordnungspolitisch gebotenen Anforderungen mit den Belangen ihrer Unternehmen, die dort die größten Arbeitgeber sind, vernünftig geregelt werden. Die helfen ihren Unternehmen. Sie bekämpfen die Unternehmen, die hier in Berlin sitzen! Das ist der Unterschied.
Machen Sie weiter mit Ihren Signierstunden, die PDS mit Herrn Großmann, die SPD mit Herrn Wowereit! Wir werden dafür kämpfen, dass es eine wettbewerbliche und rechtlich vernünftige Lösung für die Privatisierung der Deutschen Bahn gibt, ein vernünftiges Modell! Wir werden uns dafür in Berlin, im Bundestag und im Bundesrat einsetzen, dass ordnungspolitische Vernunft und standortpolitische Opportunität in ein richtiges und den Menschen dienendes Verhältnis gebracht werden, in erster Linie Wettbewerb zum Wohle der Kunden, zweitens eine starke Bahn hundertprozentig privatisiert als Global Player wie die Deutsche Lufthansa, dann Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze in Berlin, in Deutschland – das ist Ziel unserer Politik und nicht, persönliche Rachegelüste zu befriedigen und nach wie vor auf den Berliner Unternehmern herumzuschlagen. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Gewährleistung des Zugangs zur Infrastruktur, die Definition von Quantität und Qualität, das ist die grundgesetzlich garantierte Verantwortung des Staates. Für den Verkehrsweg Schiene ist das im Artikel 87e des Grundgesetzes seit der ersten Stufe der Bahnreform vorgegeben. Die Mehrheit der Anteile an den Eisenbahninfrastrukturunternehmen liegt beim Bund. Dies ist der sogenannte Gewährleistungsauftrag, der den Bund verpflichtet, das Schienennetz
zum Gemeinwohl auszubauen und zu erhalten und mit den Verkehrsangeboten dieser Gewährleistungspflicht Rechnung zu tragen. Beide Vorgaben zusammen ergeben die Gemeinwohlverpflichtung des Bundes für die Bahn. Diese klare Verpflichtung ist im Übrigen auf Betreiben der Länder bei der ersten Bahnreform in das Grundgesetz aufgenommen worden.
Selbstverständlich ist die Wettbewerbsposition der Deutschen Bahn zu stärken. Selbstverständlich muss sie die verkehrspolitische Unterstützung haben, wenn sie sich auf ihr Kerngeschäft bezieht. Meine Herren von der Opposition! Ich halte es für geradezu albern, die Tatsache, dass die Deutsche Bahn ein wichtiger Partner in Berlin ist, der größte Arbeitsgeber in der Stadt, mit dieser Thematik zu verknüpfen.
Die Deutsche Bahn ist uns in Berlin lieb, aber sie muss uns, Herr Lindner, nicht noch teurer werden.
Die Bundesregierung hat versucht, in einem sehr komplexen Regelwerk zwei Ziele miteinander zu vereinbaren, die in einem natürlichen Konfliktverhältnis zueinander stehen. Das ist auf der einen Seite die Gemeinwohlverpflichtung des Grundgesetzes zum Ausbau und Erhalt des Schienennetzes. Das ist auf der anderen Seite die verständliche und im natürlichen Verhalten am Markt selbstverständliche Renditeerwartung von privaten Unternehmen, die mit Aktienanteilen arbeiten. Mit der Frage, wie dieser Gesetzentwurf wirkt, wie er sich voraussichtlich entfaltete, wenn er wirksam würde, und wie die Interessenlage der Länder zu bewerten ist, haben sich die Minister der Länder in den Verkehrsministerkonferenzen im August und zuletzt am 25. September auseinandergesetzt. Die Erkenntnisse, die wir bereits im August hatten, haben dazu geführt, dass ein Gutachten zur Bewertung der verfassungsrechtlichen Fragen und der finanziellen Folgen für die Länder in Auftrag gegeben wurde. Dieses Gutachten hat die wesentlichen Probleme, die die Länder gesehen haben, aufgegriffen und die Probleme und die starke Betroffenheit der Länderinteressen bestätigt. Wesentliches ist dazu veröffentlicht worden. Ich will mich auf die entscheidenden Punkte konzentrieren.
Private Investoren erhalten durch das wirtschaftliche Eigentum an den Infrastrukturunternehmen Einfluss auf die Infrastrukturentwicklung. Das juristische Eigentum des Bundes liefe ins Leere. Der Einfluss des Bundes reichte nicht aus, um die entsprechenden Entwicklungen zu beeinflussen und sich wie ein Eigentümer verhalten zu können. Aus Sicht der Gutachter – das ist auch die wesentliche Sicht der Länder – ist dieser Gesetzentwurf dem Grunde nach verfassungswidrig.
Diese Einschätzung wird im Wesentlichen von den Gutachtern geteilt, die hier schon erwähnt worden sind. Die Teilprivatisierung der Ausübung von Staatsgewalt ist
rechtlich nicht zulässig. Die Rückholoption der Infrastruktur des Bundes – das wurde bereits geschildert – ist eine fiktive Möglichkeit, die insbesondere in den Folgekosten nicht nur auf die 7,5 Milliarden € beschränkt zu sein scheint. Es scheint ein erheblicher Aufwuchs möglich zu sein. Die Widersprüche, die durch die Äußerungen aus dem Bundesfinanzministerium deutlich geworden sind, dass man gar nicht damit rechne, dass es zu einer solchen Situation komme, zeigen, wie schwierig sich dieses Thema im Ergebnis in 15 Jahren darstellte. Auch die Regelungen, die vorgesehen sind, um den Einfluss des Bundes und der Länder zu sichern, zeigen ein erhebliches Missbrauchspotenzial. Es kommt und es käme zu ungerechtfertigten Trassenpreissteigerungen, ja zu wirtschaftlichen Stilllegungen. Man muss sich diesen Begriff der wirtschaftlichen Stilllegung einmal vor Augen führen und zuhören, was Vorstandsmitglieder der Deutschen Bahn unter diesem Begriff verstehen. Natürlich bedeutete dies, dass Schienen liegen. Aber es bedeutete eben, dass sie vernachlässigt sind, nicht mehr befahren würden und dass schließlich der Verkehr auf vorhandenen Schienen wirtschaftlich zum Stillstand gekommen wäre. Eine solche Abwärtsspirale entstünde dadurch, dass die Benutzung der Bahnen unattraktiv würde. Es führte dazu, dass weniger Menschen die Bahn in Anspruch nähmen. Schließlich wäre die Begründung für weitere Streckenstilllegungen geliefert. Ich halte es in diesem Zusammenhang – auch aus der letzten Verkehrsministerkonferenz – für sehr bedenklich, wenn die Vertretung der Bundesregierung äußert, dass dann ggf. Busse fahren müssten. Dies ist vom Grundsatz her eine verkehrspolitisch völlig falsche und nicht akzeptable Aussage. [Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den Grünen]
Die Verkehrsminister teilen ganz wesentlich die rechtlichen Erwägungen. Sie teilen diese Erwägungen aber auch aus den Erfahrungen, die sie in den zurückliegenden Jahren gemacht haben und die sie z. B. anlässlich der Betrachtung des seit Kurzem vorliegenden Netzzustandsberichts der Deutschen Bahn gemacht haben. Was dort als Zustandsbericht vorgelegt wird, wird dem Anspruch, den man daran stellen muss, auch nicht ansatzweise gerecht. Der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg hat in einer eigenen Untersuchung für die Region darauf hingewiesen, in welchem Zustand sich das Netz befindet. Sobald Langsamfahrstellen nicht mehr beseitigt, sondern zum Gegenstand des Fahrplans gemacht und dort eingebaut werden, ist das Schönfärberei eines Zustandes, der dauerhaft nicht geduldet werden kann.
Im Ergebnis haben die Länder mit erheblichen finanziellen Mehrbelastungen zu rechnen. Auf Basis der aktuellen Gewinnplanung der Deutschen Bahn AG für die Geschäftsfelder Netz und Stationen errechnet sich bereits für das Jahr 2011 eine Mehrbelastung für die Länder von einer Milliarde € und eine Streichung des Gesamtangebots insbesondere im regionalen Verkehr von fünf bis zehn
Prozent. Bedauerlicherweise muss man feststellen, dass bereits jetzt die Bahn die Infrastruktur zugunsten einer börsenfähigen Bilanz vernachlässigt. Das ist ein Zeichen dafür, wie es weitergehen könnte. Der Grundkonflikt zwischen der Renditeorientierung der privatisierten Infrastrukturunternehmen und der Gemeinwohlverpflichtung ist nicht aufgelöst.
Wir haben in dem Gespräch der Länder mit der Bundesregierung in der letzten Konferenz feststellen müssen, dass die Bundesregierung offensichtlich den Renditedruck infolge einer kapitalmarktorientierten Teilprivatisierung unterschätzt und dass sie die Gestaltungs- und Steuerungsmöglichkeiten von Bund und Ländern überschätzt. Das wird sehr deutlich, wenn man sich anschaut, auf welche Maßnahmen in den Aufsichtsratssitzungen gegebenenfalls Einfluss genommen werden könnte, und wenn man sieht, dass operative Fragen, wie zum Beispiel der Bau und die Unterhaltung, das Betreiben der Schieneninfrastruktur selbst, nicht zum Gegenstand einer solchen Einflussnahme gemacht werden könnten. Es besteht also das große Problem, dass das zentrale verkehrspolitische Ziel – die Gewährleistung von Mobilität und die Sicherung des Transportweges Schiene für den Wirtschaftsverkehr – durch diesen Gesetzentwurf verfehlt wird. Statt mehr Verkehr, Personen und Güter, auf die Schiene zu setzen, werden negative Anreize gesetzt.
Die Länder haben einstimmig einen grundlegenden Überarbeitungsbedarf für das gesamte Regelwerk festgestellt. Das Land Berlin hat einen Weg vorgeschlagen, der die Bundesregierung veranlassen soll, sich grundlegend mit einer Überarbeitung auseinanderzusetzen und vor allen Dingen keinen Börsengang ausdrücklich vorzusehen. Dem sind die Länder nicht mit einer Mehrheit gefolgt, allerdings hat die Konferenz der Länder ganz wesentlich Fragestellungen für den Bund zur Erörterung und für die Erörterung im Bundesrat aufgegeben. Ich will hier nur nennen: die notwendige uneingeschränkte Sicherung des Einflusses auf den Infrastrukturerhalt und die Entwicklung und die Sicherung der Bezahlbarkeit der Infrastrukturnutzung, also die Frage, ob und in welchem Umfang die Länder zukünftig mit Trassen- und Stationspreisen belastet werden.
Der Berliner Senat unterstützt die zentralen Forderungen der Verkehrsministerkonferenz. Wir erwarten eine grundlegende Änderung des Gesetzentwurfes, ja wir erwarten, dass zur grundlegenden Veränderung dieser Gesetzentwurf vollständig neu überarbeitet wird. Es ist wichtig, dass wir erkennen, dass der Gesetzentwurf in der vorliegenden Form keinen Bestand haben kann.
Es bleibt allerdings die wesentliche Frage offen, ob Nachbesserungen überhaupt möglich sind. Das übergeordnete Ziel der Gemeinwohlverpflichtung zur Gewährleistung der Verkehrsbedürfnisse wird verletzt. Die wirtschaftliche Privatisierung der Schieneninfrastruktur ist nicht der richtige Weg. Es ist Aufgabe des Staates, die notwendigerweise an betriebswirtschaftlichen Kriterien
orientierte Handlungsweise den wirtschaftlichen und strukturpolitischen Vorstellungen des Staates gegenüberzustellen. Es bleibt deshalb auch bei der Aussage, dass ein staatliches Monopol nicht auf Private übertragen werden darf.
Die Bahn gehört wie Bildung und Sicherheit zur Daseinsvorsorge. Die Bahn hat gegenüber dem motorisierten Individualverkehr und dem Flugverkehr eine bessere Klima- und Umweltbilanz, eine höhere Energieeffizienz und geringere Unfallraten. Es ist erklärtes verkehrspolitisches Ziel, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen. Die vorliegenden Privatisierungsmodelle stehen diesem Ziel entgegen. Die dem Gemeinwohl verpflichtete Infrastrukturverantwortung des Staates ist nicht verhandelbar. Sie darf sich nicht an privaten, wirtschaftlichen Interessen orientieren. Dafür steht der Berliner Senat in den bisherigen und zukünftigen Verhandlungen. – Vielen Dank!
Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit hat die Aktuelle Stunde ihre Erledigung gefunden.