Protocol of the Session on September 27, 2007

[Beifall bei der Linksfraktion]

Die FDP hat dazu eine klare neoliberale Linie:

[Dr. Martin Lindner (FDP): Richtig!]

Wettbewerb als Allheilmittel, verkaufen, was nicht niet- und nagelfest ist. An diese Linie hält sich die FDP konse

quenterweise auch dann, wenn es zu Lasten der Interessen des Landes Berlin geht. Das ist z. B. bei der uneingeschränkten Unterstützung für Herrn Oettinger, für Wettbewerbsföderalismus und für unterschiedliche Hebesätze bei der Lohn- und Einkommenssteuer der Fall. Die FDP ist dafür. Das schadet dem Land Berlin. Ich erinnere daran, dass die FDP aus Prinzip gewollt hat, dass wir die Bankgesellschaft Berlin an den erstbesten Bieter verschenken, und dagegen war, dass wir sie in öffentlichem Besitz behalten, sie saniert und einen höheren Preis durch den Verkauf an den Sparkassensektor erzielt haben. Auch in dieser Frage, über die wir jetzt reden, vertritt die FDP eine klare Linie. Sie setzt im Bahnsektor auf eine Effizienzsteigerung durch Wettbewerb und Privatisierung. Das ist nicht überraschend. Was mich aber überrascht und zunehmend enttäuscht, ist der Weg von Bündnis 90/Die Grünen,

[Oh! von den Grünen]

die mit erstaunlicher Geschwindigkeit der FDP hinterherlaufen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vivantes-Krankenhäuser, Tausende Wohnungen: alles in den Schlussverkauf und das inzwischen sogar mit der klaren Begründung, dass der Staat es eben nicht könne und daher auch nicht tun solle. So sagte der Kollege Esser hier am 12. Juli 2007 im Plenum, als wir über die Landesbank Berlin diskutiert haben:

In einem Bankkonzern, in dem das Land Berlin den beherrschenden Einfluss ausübt, war dem politischen Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Ich würde an Ihrer Stelle auch anderen Staatsunternehmen mit mehr Misstrauen begegnen.

Statt mehr Transparenz, statt Sanierung öffentlicher Unternehmen, wollen Sie aus Verzweiflung die Privatisierung. Liebe Bündnisgrüne! Wie habt ihr euch verändert!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Gelächter bei den Grünen– Zuruf von Elisabeth Paus (Grüne)]

In Sachen Börsenbahn habt ihr wohl vor allem Glück gehabt. Der auch unter Rot-Grün vorangetriebene Privatisierungskurs der Deutschen Bahn, vor allem durch den von eurer Regierung berufenen Hartmut Mehdorn, dauerte länger, als die grünen Minister im Amt waren.

Die Berliner CDU taumelt immer noch zwischen der Verteidigung der Westberliner Staatswirtschaft und neoliberaler Modernisierung. Man weiß nie, in welche Richtung das Pendel bei Ihnen ausschlägt.

[Uwe Goetze (CDU): Weil Sie es nicht begreifen!]

Gerade haben Sie beschlossen, habe ich gelesen, dass Sie für die Privatisierung von öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften sind, da stellt heute der Kollege Graf die Frage: Wie kann man nur? Das sind doch unsere öffentlichen Unternehmen! – Das passt alles nicht zusammen. Sie müssen sich entscheiden. Ich glaube, dass die Debatte zwischen den Westberliner Kreisfürsten und Hannover

noch nicht zu Ende ist. Ich tippe auf den Sieg des alten Westberlin.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

In der Berliner SPD hat – das konnte man vorhin sehr eindrucksvoll feststellen – seit 2001 eine Kehrtwende stattgefunden. Michael Müller hat es angedeutet, leise Selbstkritik war zu hören. Das finde ich gut. Nach der von ihr mit betriebenen Privatisierung von Bewag und GASAG und dem Sündenfall Berliner Wasserbetriebe scheut man sich nicht, eigene Fehler einzuräumen, und geht einen anderen Weg.

[Ralf Hillenberg (SPD): So sind wir!]

Sie haben vorhin gesagt, Herr Müller, dass man die Teilprivatisierung der Wasserbetriebe damals vielleicht hätte nachvollziehen können. Ich habe eine andere Auffassung, und Sie hatten, wenn ich mich richtig erinnere, damals auch eine andere Auffassung. Aber die Mehrheit der SPD hat das damals so gesehen. Ich glaube, dieser Weg war falsch. Wir sehen das heute. Deswegen sind SPD und Linke gemeinsam für die Sanierung statt Privatisierung öffentlicher Betriebe, und deswegen werden nur mit dieser Koalition die Vivantes-Krankenhäuser, die Berliner Verkehrsbetriebe, die Stadtreinigung BSR, ein großer Teil des Wohnungsbestandes

[Clara Herrmann (Grüne): Ein großer Teil, ah ja!]

und die großen Kitabetriebe in öffentlicher Hand bleiben.

Wir haben uns zum Thema Deutsche Bahn schon in unserem Koalitionsvertrag verständigt, dass wir uns in den Bund-Länder-Gremien für eine Variante einsetzen werden, die auf jeden Fall den Verbleib der Schieneninfrastruktur beim Bund vorsieht, und dass das Land Berlin einen Börsengang der Deutschen Bahn ablehnt. Das tun wir nicht nur als Koalition, sondern da sind wir uns einig. Michael Müller hat hier die Volksabstimmung eingefordert, so weit will ich gar nicht gehen. Aber ich stelle zumindest fest, dass zwei Drittel der Wählerinnen und Wähler von CDU und SPD den Börsengang der Deutschen Bahn ablehnen. Inzwischen gibt es auch zunehmenden Widerstand in der SPD – flügelübergreifend, wie ich mit großer Begeisterung festgestellt habe. Thilo Sarrazin, Ingeborg Junge-Reyer, Hermann Scheer, Andrea Ypsilanti – alle gegen Steinbrück und Tiefensee. Die Verkehrsminister haben auf ihrer Sonderkonferenz Änderungen verlangt. Das ist der richtige Weg. Diesen Weg sollte man gehen. Ich finde, dass das Land Berlin – deshalb ist es auch richtig, dass wir hier darüber reden – gut überlegen muss, in welche Richtung die Reise geht, denn wir als Land müssen der Bahnreform zustimmen. Wir haben die Macht, das gesamte Projekt zu kippen. Ein einzelnes Bundesland könnte das auch vor dem Bundesverfassungsgericht tun. Ich habe den Medien entnommen, dass das im Berliner Senat erwogen wird. Das begrüße ich sehr. Denn wir werden einer Verschleuderung von Volksvermögen nicht tatenlos zusehen und sagen deshalb zu den Plänen der Bundesregierung und von Herrn Mehdorn: nein!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Eine Kurzintervention von Frau Paus. – Bitte schön!

Herr Liebich! Ich fände es schön, wenn wir dazu zurückkommen könnten, politisch redlich miteinander umzugehen. Deshalb fordere ich Sie auf, mir zu sagen, wann Sie jemals die Äußerung von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen oder der Partei Bündnis 90/Die Grünen gehört haben, dass wir Vivantes privatisieren wollen.

[Beifall bei den Grünen – Christian Gaebler (SPD): Das war bestimmt Oswald Metzger!]

Herr Liebich, Sie wollen erwidern? – Bitte, Sie haben das Wort!

Ich kann mich erinnern – aber das kann falsch sein –, dass vor den letzten Abgeordnetenhauswahlen die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf einer Fraktionsklausur über Privatisierungen geredet hat und dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen weitaus offener war als der Landesverband Bündnis 90/Die Grünen, Krankenhäuser des Vivantes-Konzerns zu verkaufen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Wenn diese Information falsch sein sollte,

[Elisabeth Paus (Grüne): Ja!]

dann ist es Ihnen gut gelungen, das vor der Öffentlichkeit geheim zu halten. Um so besser. Aber ich bleibe bei meinem Vorwurf, dass Sie Tausende Wohnungen veräußern wollen – es sei denn, Sie kommen nach vorn und sagen, dass das auch nicht stimmt.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Zurufe von den Grünen]

Das Wort in der Debatte hat jetzt Frau Hämmerling. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Wer will verkaufen, wer hat verkauft? Wer hat denn die GSW verkauft, Herr Liebich? Wir doch nicht, oder?

[Beifall bei den Grünen]

Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Dieses vorliegende Gesetz schadet dem Schienenverkehr, es schadet

dem Klimaschutz, den Fahrgästen, den Ländern, dem Bund und der Wirtschaft. Ein öffentliches Vermögen im Wert von rund 130 Milliarden € soll für lumpige 8 Milliarden € verschleudert werden. Das ist Veruntreuung von Steuergeldern, und das lehnen wir ab.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Die EU verlangt zu Recht die Förderung des Wettbewerbs und die Trennung von Netz und Betrieb. Wir Grünen finden das richtig, aber die Infrastruktur muss uneingeschränkt in öffentlicher Hand bleiben.

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Aber die Bahn nicht?]

Ich erinnere an die Bahnreform von 1993. Damals hat der Bundestag Folgendes beschlossen: Wahrung des Gemeinwohlauftrages – des Gemeinwohls! – beim Ausbau und Erhalt der Schieneninfrastruktur, mehr Verkehr auf die Schiene, mehr Wettbewerb auf der Schiene, Begrenzung der finanziellen Belastung der Bundeshaushalte, Stärkung der Wirtschaftlichkeit der bundeseigenen Bahn und die klare Trennung von staatlich hoheitlicher und unternehmerischer Verantwortung. Und jetzt? Das soll jetzt alles privaten Renditeinteressen geopfert werden? – Wir sagen nein und nochmals nein dazu!

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Christian Gaebler (SPD)]

Ich frage Sie, gerade in Richtung SPD-Fraktion, weshalb will Ihr Minister Tiefensee im Bund das durchsetzen, was Sie und viele Ihrer Parteikolleginnen und -kollegen in den Ländern und auch im Bundestag ablehnen?

[Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Ganz einfach: Bahnchef Mehdorn hat sich eine einflussreiche Lobbyistentruppe aus Ex-Ministern, ExStaatssekretären und Ex-Abgeordneten angeheuert – Wiesheu, Meyer, Klimmt, Daubertshäuser und die anderen FroGS – noch nie gehört? FroGS sind Friends of Gerhard Schröder und nicht Freunde der Grünen, Herr Liebich. Herr Mehdorn ist nie von den Grünen favorisiert worden.

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Eure Regierung! – Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

Das nur zur Klarstellung.

Frau Hämmerling! Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Liebich?