Jetzt im Moment nicht, vielleicht später! – Die alle kneten die Parlamentarier weich. Es ist doch verrückt. Da werden Minister, Ex-Minister und Parlamentarier von einem Staatsunternehmen dafür bezahlt, dass Sie eine Konzernpolitik unterstützen, die gegen das Gemeinwohl gerichtet ist. Ich dachte immer, dass es das nur in Kolumbien gibt. Wer durch Parteienfilz und Ämterpatronage den Börsen
gang der Bahn durchsetzen will, erschüttert das Vertrauen der Bundesbürgerinnen und -bürger in die Demokratie. Lassen Sie uns gemeinsam diejenigen im Bundestag unterstützen, die sich diesem unappetitlichen Lobbyismus und Filz widersetzen.
Die SPD ist in dieser Frage sehr widersprüchlich. – Danke, Herr Sarrazin, dass auch Sie geklatscht haben. Herr Sarrazin! Vorhin sind Sie geflüchtet, als der SPDFraktionsvorsitzende seine Rede begonnen hat. – Vielleicht hatte es einen anderen Grund. – Sie vertreten eine Position, die der unseren sehr nahe kommt. Sie wollen, dass das Bahnnetz in Staatsbesitz bleibt und lediglich der Bahnverkehr privatisiert und in den Wettbewerb gebracht wird.
Das finden wir sehr gut. Aber sagen Sie uns doch einmal: Weshalb scheuen Sie diesen sehr vernünftigen und sehr klaren Schritt in Berlin? Sind Sie auf dem Berliner Auge blind?
Führen Sie auch den Berliner Bus- und Bahnverkehr in den Wettbewerb – zum Wohle der Fahrgäste und zum Wohle der Umwelt!
Natürlich, meine Damen und Herren! Schon bei der Vorbereitung des Börsenganges mussten wir es erleben: Die Bahn spart, dass es quietscht. 16 Prozent des Streckennetzes im Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg haben Instandsetzungsmängel. Die Langsamfahrstellen sind Standard und mehr als 10 Prozent aller Züge sind unpünktlich, die Sauberkeit lässt zu wünschen übrig. Im Güterverkehr wird bundesweit die Infrastruktur vernachlässigt. Der Anteil der Schiene am Gesamtverkehr konnte nicht gesteigert werden, regelmäßige Preiserhöhungen – die nächste steht vor der Tür – schrecken die Fahrgäste ab und im Fernverkehr sind die Verkehrsleistungen trotz der aufwändigen Neu- und Ausbaustrecken rückläufig. Insgesamt wurden 5 000 Kilometer Schienenstrecke in den letzten Jahren stillgelegt.
Wer dem größten Netzbetreiber das Netzmonopol überlässt, verhindert den Wettbewerb auf der Schiene. Wettbewerb hingegen senkt die Kosten. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Die Strecke München-Passau ist ausgeschrieben worden. Gewonnen hat die Ausschreibung DB Regio – man sieht, DB kann Ausschreibungen auch gewinnen – und hat den Zuschlag erhalten für 75 Cent pro Streckenkilometer. Auf der selben Strecke hatte DB Regio zuvor ohne Ausschreibung 8,50 Euro – mehr als das Elffache – zur Verfügung.
Im Berlin-Brandenburger Verkehrsverbund haben wir solche Erfolgsmodelle nicht, weil der Brandenburger ExVerkehrminister Hartmut Meyer vor seinem Wechsel zur Bahn den gesamten Bahnverkehr ohne Ausschreibung an DB Regio verscherbelt hat.
Das Bahnnetz soll bis 2011 rund 590 Millionen € Gewinn bringen. Dafür zahlt der Bund jedes Jahr 2,5 Milliarden € Zuschüsse plus einer weiteren Milliarde € für Neu- und Ausbauprojekte. Nach 15 Jahren werden sich die Zuwendungen auf 37,5 Milliarden € summiert haben. Mit der Bahnprivatisierung enteignet sich der Bund um eine Summe von 130 Milliarden € und überträgt die komplette Verfügungsgewalt über die Infrastruktur – auch hinsichtlich der Bilanzierung – an die Deutsche Bahn. Obwohl die Bahn dann wirtschaftlicher Eigentümer ist, haftet der Bund trotzdem für alle Risiken, die mit einer vernachlässigten Infrastruktur verbunden sind. Erinnern Sie sich an Großbritannien. Dort haben sich viele sehr schwere Unfälle bei der Bahn ereignet, weil die Infrastruktur im Zusammenhang mit der Netzprivatisierung völlig verrottet ist. Nach zehn Jahren musste die Netzprivatisierung rückgängig gemacht werden, der Staat hat das Netz zurückgekauft und komplett saniert. Wer das in Deutschland nicht will, muss diese Bahnreform verhindern.
Das Schienennetz der Bahn soll eine Umsatzrendite von mehr als 20 Prozent erbringen. Das lässt sich nur erzielen durch unterlassene Instandhaltung, Streckenstilllegung und durch Erhöhung der Trassenpreise. Das liegt weder im Interesse der Fahrgäste noch im Interesse der Steuerzahlerinnen und -zahler.
Liebe Frau Kollegin Hämmerling! Ich habe jetzt verstanden, dass Sie wollen, dass das Streckennetz im Besitz des Bundes bleibt. Wollen Sie nun die Deutsche Bahn als Unternehmen privatisieren oder nicht?
Ich möchte, dass die Deutsche Bahn in den Wettbewerb geht mit anderen Unternehmen, genau so, wie es Ihre Senatoren wollen. In welcher Rechtsform dies geschieht, ist mir zunächst egal. Ich habe kein Problem damit, wenn man es in staatlichen Händen lässt. Die wirtschaftliche
Es ist doch verrückt: Ländern, die die Bahnprivatisierung ablehnen, bietet Minister Tiefensee einen Kuhhandel an: Mit mehr Geld für den Nahverkehr, Zuschüssen für den Münchner Transrapid oder Stuttgart 21 soll ihre Zustimmung erkauft werden.
Ein solcher Schacher zulasten der Steuerzahler und Steuerzahlerinnen ist unwürdig und verantwortungslos.
Die Bahn-Privatisierung ist ein ganz mieses Geschäft für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, denn das dicke Ende kommt zum Schluss. Dafür, dass der Bund der Bahn den Besitz des 130 Milliarden € teuren Netzes für 15 Jahre übereignet und jährlich noch einmal 2,5 Milliarden € in dieses Netz investiert, darf er es nämlich nach 15 Jahren für 7,5 Milliarden € zurückkaufen. Ich versuche es mal mit einem Beispiel, weil das so irre ist, das kann man gar nicht verstehen. Das ist so, als würden Sie ein Haus bauen und es einem Mieter geben, der dort 15 Jahre mietfrei wohnen darf, und der Mieter würde von Ihnen auch noch Geld dafür bekommen, dass er da wohnen darf, und am Ende würden Sie dieses abgewohnte Haus vom Mieter zurückkaufen. So etwas ist völlig absurd. So etwas macht man mit seinem privaten Eigentum nicht, und was man mit privatem Eigentum nicht macht, das darf man auch nicht mit staatlichem Eigentum machen.
Die Meinung der Rechtsexperten, mit Ausnahme derer von der Bahn, zu diesem Privatisierungsgesetz ist ziemlich einhellig: Die Konstruktion ist mit der Gemeinwohlverpflichtung des Bundes nach Artikel 87 des Grundgesetzes nicht vereinbar. Damit ist dieser Gesetzentwurf verfassungswidrig. Das ist, als wollte der Bund die deutschen Straßen dem größten Spediteur zur alleinigen Bewirtschaftung und Vermarktung überlassen. Statt einer klaren Trennung von staatlichen und privaten Aufgaben wird deren Vermischung vorgeschlagen. Die staatlichhoheitliche Infrastrukturverantwortung wird privatisiert, die unternehmerische Verantwortung wird durch staatliche Zuwendungen in Milliardenhöhe ersetzt. Der Staat wird zum Anteilseigner und Großsponsor eines globalen Multiunternehmens ohne Gestaltungsmacht. Mit anderen Worten: Die Politik verkauft die Bahn und sich selber gleich noch mit.
Damit soll dieses Bahnprivatisierungsgesetz dem selben Prinzip folgen wie die Risikoabschirmung der Bankgesellschaft Berlin: Die Risiken trägt der Staat, die Gewinne werden privatisiert. Aber ich sage Ihnen: Das machen wir nicht mit. Dieses Gesetz ist nicht nur wettbewerbsfeindlich, es geht auch ordnungspolitisch in die völlig falsche Richtung. Es läuft dem umwelt- und verkehrspolitischen Ziel – mehr Verkehr auf der Schiene – zuwider. Die Grünen lehnen dieses Privatisierungsmodell ab.
Herr Präsident! Verehrte Damen, meine Herren! Lieber Kollege Liebich! Sie haben in der Tat recht, schöner, als Sie das für uns formuliert haben, werde ich es kaum hinbringen. Für die FDP geht es in der Tat bei der Privatisierung ganz generell nicht um das Stopfen von Haushaltslöchern oder die Kapitalisierung irgendeines dann vormals staatseigenen Unternehmens, sondern es geht der FDP ausschließlich und vordringlich um Wettbewerb.
Die von Herrn Gaebler heute zu früherer Stunde beklagte Fahrpreiserhöhung ist doch die Folge von fehlendem Wettbewerb, von einem staatlichen Monopol. Es ist Folge eines staatlichen Monopols, wenn Strecken stillgelegt werden. Das geschieht, weil Teile dem Wettbewerb entzogen werden. Nur wenn Wettbewerb herrscht, wenn jeder Mitarbeiter – von der Reinemachkraft bis zum Vorstandsvorsitzenden – dem Druck von Konkurrenz ausgesetzt wird, sind die Leute zu Höchstleistungen zum Wohle ihrer Kunden bereit.
Da gibt es eine Reihe schlechter Beispiele: Wasserbetriebe, Energieversorger auf Bundesebene, wo durch eine Scheinprivatisierung kein Wettbewerb geschaffen wurde, sondern teilweise Anteile zulasten der Kunden, zulasten der Nutzer übertragen wurden. Das haben wir in Berlin mit den Wasserbetrieben von Ihnen – SPD und CDU – eindrücklich vorgeführt bekommen.
Es gibt aber auch positive Beispiele: Telekommunikation. Wer will denn heute ernsthaft noch zurück zur Deutschen Post, wo man für 40 Mark drei Minuten lang von Berlin nach Frankfurt telefonieren konnte? Wer will denn im Luftverkehr zurück zum Staatsbetrieb Lufthansa? Da genießen wir doch heute die Früchte von Wettbewerb im Verkehr, wo es die Lufthansa als großen internationalen Player gibt, aber daneben eine Vielzahl von starken, auch regionalen Anbietern, Ferienflieder und andere, groß geworden ist – zum Wohl der Kunden. Schauen Sie sich doch einmal die Preise von damals an und vergleichen Sie sie mit den heutigen!
Aus diesen Beispielen ergibt sich für die FDP, was wir bei der Bahn wollen: eine strikte Trennung von Netz und
Betrieb. Das ist ordnungspolitisch geboten, um Wettbewerb zu generieren. Es ist auch rechtlich geboten, das ist ganz klar. Die Richtlinien 12 und 14 aus 2001 der Europäischen Union gebieten die Trassenvergabe und Entgeltfortzahlung durch den Staat und nicht durch ein halbprivatisiertes Monopolunternehmen. Und zweitens: Artikel 87e Abs. 3 des Grundgesetzes verlangt, dass der Staat eine Mehrheitsbeteiligung bei der Netzgesellschaft haben muss. Deswegen, klar, muss getrennt werden: Schiene, Netz und Betrieb.
Daraus ergibt sich die Kritik an dem Tiefensee-Modell, das wir heute haben. Es ist ordnungspolitisch mehr als fragwürdig, der Bahn das Netz zu übertragen. Was glauben Sie, was für eine Regulierung da erforderlich ist, um noch einigermaßen Wettbewerb sicherzustellen? – Es ist rechtlich schwierig, Europarecht habe ich gerade zitiert, und Artikel 87e Abs. 3 des Grundgesetzes verlangt, dass es eine dauerhafte Mehrheitsbeteiligung des Bundes an der großen Bahn geben muss, die dann international aktiv ist, in Häfen, in Logistik – und trotzdem haftet immer noch der Steuerzahler mit. Das kann nicht gewollt sein.
Das FDP-Modell ist ganz klar: Eine Netzbesitzgesellschaft in hundertprozentigem Eigentum des Bundes – die wird dann auch nicht teilprivatisiert – und auf der anderen Seite die Betriebsgesellschaft Deutsche Bahn; hier beantworte ich Ihnen die Frage im Gegensatz zu Frau Hämmerling, die dann natürlich zu 100 Prozent privatisiert wird. Es gibt nicht ein bisschen schwanger, es ist dann vollständig schwanger; und das ist dann auch gut so.
Eine saubere, wettbewerbsrechtliche und rechtskonforme Privatisierung will meine Fraktion, will meine Partei.
Wir haben Probleme, das gebe ich gerne zu, in der Frage des operativen Zugriffs der Betreibergesellschaft, dann der Deutschen Bahn und der anderen privaten Betreiber. Das ist nicht so einfach wie im Luftverkehr, das muss man ganz klar sehen. Da müssen große, milliardenschwere Investitionsentscheidungen über eine sehr lange Frist gemeinsam getroffen werden. So hat auch die FDP auf Bundesebene vorgeschlagen, zumindest als Kompromiss ein sogenanntes Eigentumsmodell Plus einzuführen, das zunächst neben der rechtlichen Trennung die operative Übertragung auf die Deutsche Bahn ermöglicht, dass die die Netzpflege hat, dass das nicht bei der Besitzgesellschaft ist, allerdings die Zuständigkeit für Netzzugang und Entgelt bei der bundeseigenen Besitzgesellschaft lässt. Frankreich ist dafür ein rechtliches Vorbild, RFF und SNCF sind so konstruiert. Das ist eine komplexe Materie, und da gibt es einen erheblichen Nachbesserungsbedarf, einen erheblichen Änderungsbedarf bei dem Modell der Bundesregierung. Daran müssen wir arbeiten.