Protocol of the Session on September 27, 2007

Aber zurück zum Thema! Die augenblicklich hervorragende Stellung der Deutschen Bahn auf dem Weltmarkt ist nur zu halten oder auszubauen, wenn die Bahn einen erheblichen Kapitalzuwachs bekommt. Wir von der CDU glauben, dass dies unbedingt notwendig ist. Darin unter

scheiden wir uns von Ihnen fundamental, jedenfalls von den Sozialdemokraten hier in Berlin.

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Von uns auch!]

Die Kollegen in der großen Koalition im Bund sind da wesentlich realitätsnäher und offener. Für uns ist die Frage nämlich nicht ob, sondern wie. Das ist eine Frage des Willens,

[Uwe Doering (Linksfraktion): Das „Ob“ ist auch eine Frage des Willens!]

womit wir übrigens wieder einmal beim Flughafen Tempelhof wären. Auch hier ist das Offenhalten in erster Linie eine Frage des Willens, den Sie nie gehabt haben.

[Beifall bei der CDU]

Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, sagt ein altes Sprichwort. Nur, welches ist der richtige Weg? Welches ist der richtige Weg, der Bahn Kapital zufließen zu lassen? Darum ringen wir.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Vor allem Sie!]

Die Bahn hat sich für den Weg des Börsengangs stark gemacht, und zwar den Börsengang mit dem ganzen Unternehmen, sprich Betrieb und Netz. Das hat einige Menschen in unserem Land verschreckt. Zu gut sind die negativen Erfahrungen mit den Elektrokonzernen und ihrem Missbrauch hinsichtlich der Nutzung ihrer Netze durch Drittanbieter in unseren Köpfen. Statt Konkurrenz und sinkende Preise zu bekommen, bezahlen wir alle ständig mehr für den Strom. Das Wort „Heuschrecke“ ist ein Inbegriff für diese, unsere Sorgen. Das wollen wir alle nicht noch einmal mit dem Streckennetz der Bahn und den Fahrpreisen im Bahnverkehr erleben. Der Königsweg für die Politik schien daher in der Teilprivatisierung der Bahn gefunden. Die Bahnunternehmensteile, die nicht an der Infrastruktur beteiligt sind, sollten privatisiert werden,

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

die anderen von einer Privatisierung ausgeschlossen bleiben. Somit wäre der Bund Eigentümer von Netz und Schiene geblieben und hätte weiter seinen Verfassungsauftrag, nämlich seine Verpflichtung zum Ausbau und Erhalt des Schienennetzes nachzukommen, erfüllen können. Dieses sah die Deutsche Bahn als Zerschlagung des Konzerns an, und es hätte – denken Sie einmal darüber nach – viele, viele Arbeitsplätze auch in Berlin gekostet.

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Haben Sie auch eine eigene Meinung?]

In dieser Ausgangslage erhielt das Bundesministerium für Verkehr, Bauen und Stadtentwicklung im November 2006 den Auftrag, einen Gesetzesentwurf zu erarbeiten. Dieser, das Tiefensee-Papier, sieht nun abweichend vor, dass das juristische und das wirtschaftliche Eigentum für einen befristeten Zeitraum aufgespaltet werden. Ich will dieses komplizierte Geflecht hier nicht weiter beschreiben.

Dies hat jedoch zu juristischen Komplikationen auch mit dem Börsenrecht geführt, deren Lösung heute noch nicht

absehbar sind. Die CDU Berlin hat sich deshalb eng an die Seite der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gestellt,

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Ah, echt? – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Tatsächlich?]

sich eindeutig positioniert und Korrekturen angemahnt. Ich nenne sie:

Erstens: Wir begrüßen grundsätzlich die Kapitalprivatisierung der Bahn, um ihre wirtschaftliche Stellung auf den Märkten zu festigen und auszubauen.

Zweitens: Juristische und verfassungsrechtliche Probleme müssen ausgeräumt werden. Das heißt, der Bund muss seine im Grundgesetz verankerte Infrastrukturverantwortung umfassend ausüben können und mit entsprechenden Durchgriffsrechten ausstatten.

Drittens: Die Kapitalprivatisierung darf nicht zu Streckenstilllegungen, insbesondere im Regionalverkehr oder zu Qualitätseinbußen führen.

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Habt ihr bei den Wasserpreisen auch versprochen!]

Darunter verstehen wir auch den umwelt- und menschengerechten Ausbau der Dresdener Bahn in Tunnellage in Lichtenrade. Die Anforderungen und die Einhaltung dieser Qualitätsforderungen sind durch fortgeschriebene Netzzustandsberichte von unabhängigen und externen Gutachtern zu dokumentieren.

Viertens: Die Regulierungsbehörde muss durch abgesicherte Eigenständigkeit einen marktgerechten Wettbewerb auf dem Schienennetz gewährleisten können.

Fünftens: Der Bund muss nach Ablauf eines festzulegenden Bewirtschaftungszeitraums – der Gesetzentwurf von Herrn Tiefensee sieht 18 Jahre vor, wir plädieren für einen kürzeren Zeitraum von beispielsweise 10 Jahren – die volle Verfügungsgewalt über sein Eigentum zurückerhalten.

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Wer’s glaubt!]

So helfen wir der Bahn, und so stärken wir den Wirtschaftsstandort Bundesrepublik Deutschland.

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Nee!]

Vielleicht begreifen auch Sie, meine Damen und Herren auf den Senatsbänken und von der rot-roten Koalition, dass Sie mit Ihrem ständigen Schlechtreden, ohne Chancen und Alternativen aufzuzeigen, dem Standort Berlin als Konzernzentrale der Deutschen Bahn und damit dem Land Berlin schaden.

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Weder, noch!]

Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Das Wort für die Linksfraktion hat der Kollege Liebich.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Ueckert hat uns jetzt ein Loblied auf die Deutsche Bahn gesungen,

[Uwe Goetze (CDU): Sie haben es nicht verstanden!]

vor allen Dingen auch mit Formulierungen der Deutschen Bahn, weil die CDU wahrscheinlich keine eigene Position hat. Ich werde versuchen, ein differenziertes Bild zu zeichnen. Das differenzierte Bild besteht daraus – das ist vorhin schon von Herrn Müller gesagt worden –, dass die Deutsche Bahn ein wichtiges Unternehmen in unserer Stadt ist, dass viele Berlinerinnen und Berliner bei der Deutschen Bahn arbeiten und dass die Investitionen in unserer Stadt und auch für den Hauptbahnhof – das sage ich trotz aller Diskussionen – der Berliner Wirtschaft einen wichtigen Schub gegeben haben. Aber verschweigen Sie doch nicht die Kehrseite! Zur Kehrseite gehört die abenteuerliche Entscheidung für den bayerischen Transrapid. Das muss doch nicht sein!

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Dazu gehören Entscheidungen über Fahrpreiserhöhungen. Dazu gehören einerseits die ostfeindlichen Pläne – ich sage das so deutlich –, den Konzernsitz von hier nach Hamburg zu verlagern, und andererseits die westberlinfeindlichen Pläne wie die Abkopplung des Bahnhofs Zoo. Das muss man hier nicht verschweigen. Sie stehen doch immer ganz vorn bei Demonstrationen. Dann reden Sie das doch hier nicht weg!

[Beifall bei der Linksfraktion – Dr. Friedbert Pflüger (CDU): Sind Sie jetzt für den Bahnhof Zoo?]

Zu dem differenzierten Bild gehört auch, dass ein Wort zur Geschichte der Deutschen Bahn in den letzten Jahren gesagt werden muss.

Der sozialdemokratische Bundesverkehrsminister Tiefensee – hier wurde darum gebeten, das noch einmal zu sagen – der Bundesregierung Angela Merkel, die den Gesetzentwurf, der hier diskutiert und in kleinen Anflügen von Herrn Ueckert auch kritisiert wurde, beschlossen hat – es ist eine Regierung aus CDU und SPD, die diesen Gesetzentwurf beschlossen hat –, sagt: Die Geschichte der Bahn in den letzten Jahren ist eine Erfolgsgeschichte. – Schauen wir sie uns einmal ein bisschen genauer an. Zwischen 1994 und 2004 sind 5 000 Kilometer Schiene stillgelegt, 400 Bahnhöfe geschlossen und 100 000 Arbeitsplätze abgebaut worden. Die in den letzten Jahren aufgehäuften Schulden sind höher als die, die vor der Privatisierung der Bahn aufgehäuft wurden, und das wird im Bundestag als Erfolgsgeschichte bezeichnet.

[Zuruf von Uwe Goetze (CDU)]

Ich sage Ihnen: Wenn Renditedenken künftig im Vordergrund stehen soll, dann wird es nicht besser.

[Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Dann werden weiter Arbeitsplätze abgebaut, Bahnhöfe verkauft und Strecken stillgelegt werden. Das halte ich ebenso wie der Kollege Müller – das sage ich auch als Berliner – für die Brandenburgerinnen und Brandenburger, für die Menschen in den neuen Bundesländern für ein Riesenproblem. Ich finde es tragisch, dass der Minister, der für den Aufbau Ost zuständig ist, solche Entscheidungen vorantreibt.

[Beifall bei der Linksfraktion und von Lars Oberg (SPD)]

Der Börsengang der Bahn ist meiner Ansicht nach auch ein unökologischer Weg, denn wir wissen doch alle, dass der Transport von Menschen und Gütern auf der Schiene der günstigste und ökologischste Weg ist. Wir wollen, dass die Bahn in öffentlicher Hand bleibt – das sage ich hier klipp und klar –, und zwar aus juristischen, finanziellen und politischen Gründen: juristisch, weil die Bundesregierung die grundgesetzliche Verpflichtung unterlaufen will, die Eisenbahninfrastruktur im Bundeseigentum zu behalten, finanziell, weil die Bundesregierung eine Verschleuderung von Volksvermögen und – Herr Lindner, weil Sie mich darum gebeten haben – Volkseigentum betreibt.

[Beifall von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

Jawohl, darum handelt es sich hier! 138 Milliarden € ist die Bahn wert, dem stehen vielleicht 8 Milliarden € an Einnahmen aus dem Aktienverkauf gegenüber, die möglicherweise zur Hälfte an die Bahn fließen. Politisch – das will ich nicht verschweigen, das ist auch unsere Grundsatzdiskussion, die wir in regelmäßigen Abständen führen –, weil wir gegen eine Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge sind. Dazu will ich noch ein paar Worte sagen, denn das ist auch unsere Berliner Diskussion.

Wir finden, dass öffentliche Unternehmen der Infrastruktur, des Nah- und Fernverkehrs sowie der Ver- und Entsorgung wichtige Aufgaben haben. Wir finden auch, dass öffentliche Banken und Sparkassen wichtige Aufgaben haben. Sie sollen der Bevölkerung dienen und bürgernahe Leistungen erbringen. Unsere Partei setzt sich in der Koalition mit der SPD dafür ein, dass die öffentlichen Unternehmen transparent arbeiten, gut geführt und saniert werden, aber wir wenden uns dagegen, dass jedes öffentliche Unternehmen auf den Markt geworfen werden muss. Ich weiß, dass diese Linie umstritten ist, aber ich finde, darüber können wir auch streiten, damit die Bürgerinnen und Bürger wissen, woran sie sind.