Protocol of the Session on September 27, 2007

Bitte geben Sie die Redebeiträge hierzu zu Protokoll.

Als der heute zur Abstimmung stehende Antrag über die Einrichtung eines Verbindungsbüros in Warschau vor knapp einem halben Jahr gestellt wurde, dominierten ne

gative Schlagzeilen des deutsch-polnischen Verhältnisses die Tagespresse und belasteten dabei auch die bilateralen Beziehungen zu Berlin. Heute sind wir zwar einen von der FDP-Fraktion in einer Kleinen Anfrage, Drucksache 16/10 649, geforderten Gegenbesuch von dem Regierenden Bürgermeister bei der Stadtpräsidentin Hanna Gronkiewicz-Waltz weiter, doch gibt es nach wie vor keine permanente und institutionalisierte Vertretung der Berliner Interessen in der polnischen Hauptstadt – wie wir finden ein Mangel, der behoben gehört!

Wie beabsichtigen, ein Verbindungsbüro in Warschau einzurichten, das Berlin aus verschiedener Perspektive seinem östlichen Nachbarn vorstellt und positioniert. So werden neue Kontakte geknüpft und bestehende Verbindungen gepflegt, um abseits der begrüßenswerten lokalen Projekte wie den Oder-Partnerschaften, aber auch fern von tagespolitischen Differenzen für klare und verlässliche Verbindungen und produktiven Dialog zu sorgen.

In Anbetracht einer beständig um fünf Prozent wachsenden Wirtschaft und knapp 40 Millionen Einwohnern – dabei besonders in der Woiwodschaft Masowien rund um Warschau eine große Konzentration von Unternehmen und hohem Pro-Kopf-Einkommen – wäre das Verharren auf der bestehenden Strategie, nämlich projektbezogenes Engagement im Rahmen der auswärtigen Städteverbindungen, die mittlerweile nur noch ein jährliches Budget von 45 000 € haben, mittel- und langfristig für Berlin von Nachteil.

Aktives Lobbying und klare Abgrenzung von der Konkurrenz durch Nutzung der geographischen Standortvorteile müssen in den Vordergrund rücken, und das nicht nur temporär im Zuge der Fußballeuropameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine. Berlin als touristisches Reiseziel, die kurzen Entfernungen zum Flughafen BBI und weit reichende Investitionsmöglichkeiten in der Hauptstadt sind Beispiele für die guten Voraussetzungen die durch ein Verbindungsbüro voll ausgenutzt werden könnten.

Solch ein Büro sollte u. a. folgende Aufgabenfelder abdecken:

Organisation von Veranstaltungen – Runder Tisch, Konferenzen –,

Expertise im Umgang mit der polnischen Regierung,

konkrete Projektberatung,

Hauptstadtmarketing für Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort,

Erschließung neuer Märkte.

Diese Aufgabenwahrnehmung funktioniert schon vorzüglich in der Wirtschaftsrepräsentanz Berlin-Brandenburg – warum sollte ein ähnliches Konzept nicht auch in Warschau funktionieren?

In der Ausschussberatung haben wir keine nachvollziehbaren Gegenargumente gehört: Für den Senat erklärten

Sie, Frau Staatssekretärin Helbig, Berlin betreibe keine Außenwirtschaftsbeziehungen, außerdem seien zu hohe Fixkosten mit solch einem Büro verbunden. Unserer Argument, durch Kooperationen, wie im Antrag dargelegt, ließen sich Kosten sparen, interessierte die Ausschussmehrheit nicht.

Sie, Kollege Mutlu von den Grünen, sprachen von vielen Unklarheiten im Antrag wie fehlende Hinweise auf die Ausstattung des Büros. Herr Kollege Mutlu, Besetzung und Details müssen nicht in der Antragsphase erläutert werden zumal ja bereits auf die bestehenden Erfahrungen im Brüsseler Verbindungsbüro verwiesen wurde. Es ist ferner nicht ersichtlich, von welcher Parallelstruktur hier die Rede sein soll. Aus dem Antrag wird klar, dass neben wirtschaftlichen Interessen insbesondere wissenschaftliche Kontakte aufgebaut und gepflegt werden sollen.

Ihre Forderung, wehrte Kollegen Scholz und Goiny, ein gemeinsames Verbindungsbüro zusammen mit Brandenburg einzurichten, wollen wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht nachkommen. Im ersten Schritt muss es um die Berliner Interessen gehen. Inwiefern Brandenburg zu einem späteren Zeitpunkt eingebunden wird, ist abzuwarten, sollte aber absichtlich kein Kriterium bei der Schaffung sein.

Von Ihnen, Frau Kollegin Michels, habe ich im Ausschuss lediglich gehört, die Lobbyarbeit fände in der Oder-Partnerschaft statt, und unser Antrag gehe daher am Problem vorbei. Ich will Sie darauf hinweisen, dass Frau Staatssekretärin Helbig der Meinung war, dass die Zusammenarbeit mit Warschau explizit unabhängig von der Oder-Partnerschaft gestaltet werden müsse. Also sind wir wohl doch nicht so sehr am Problem vorbei? Durch die ständigen Ansprechpartner vor Ort können viele Probleme bereits im Voraus behoben und z. B. auch die Kontaktaufnahme mit dem Stadtparlament in Warschau erleichtert werden. Dies wäre durch eine reine Projektorientierung nicht möglich.

Herr Kollege Zimmermann! Sie fordern, dass die Senatslinie fortgesetzt werden soll. Ein Ausbau sei gewollt, aber nicht so. Da es – zumindest für uns – keine ersichtliche konkrete Senatslinie zur Förderung der deutschpolnischen Beziehungen gibt, kann diese auch nicht fortgesetzt werden. Überdies fehlt es an konkreten Vorschlägen aus der Koalition, wie genau das deutsch-polnische Verhältnis verbessert werden soll.

Zusammenfassend stelle ich für ein Verbindungsbüro in Warschau fest:

Berlin hinkt nach bei der strategischen Ausrichtung seiner Mittel- und Osteuropapolitik.

Es gibt keine ernstzunehmenden politischen Alternativen der anderen Fraktionen.

Die Kosten für Berlin sind aufgrund Partnerschaften mit der Wirtschaft überschaubar.

Ein Vorbild kann das Verbindungsbüro in Brüssel sein.

Eine Einbindung Brandenburgs ist denkbar, aber nicht prioritär.

Berlin braucht Warschau und Warschau braucht Berlin – ganz unabhängig von den Höhen und Tiefen der deutschpolnischen Tagespolitik

In und um Warschau boomt es. In vielen Bereichen nahezu zweistellige Zuwachsraten, zahlreiche Großbaustellen, Investoren geben sich die Klinke in die Hand. Berlin hingegen zeichnet sich durch das Tragen der roten Laterne nicht nur in puncto Wirtschaftswachstum aus.

Lediglich 80 km trennen Berlin von der polnischen Grenze. Warschau ist eine der nahegelegensten Metropolen Europas. Deshalb ist es schon verwunderlich, dass es erst eines Antrages einer Oppositionsfraktion bedurfte, um dem Senat zu zeigen, wohin die Reise gehen muss.

Information, Kommunikation, Netzwerkbildung sind wichtige Faktoren, wenn es um die Wirtschaftsansiedlung geht. Ob polnische Investitionen in Berlin oder Aktivitäten Berliner Firmen im Nachbarland, der Weg muss über die Zusammenarbeit beider Hauptstädte führen.

Die CDU-Fraktion hat bereits 2004 – im Jahre der EUErweiterung und dem Beitritt Polens – gefordert, vor Ort in Warschau für den Wirtschaftsstandort Berlin zu werben. Nachzulesen ist dies im Warschauer Positionspapier der CDU-Fraktion vom 18. September 2004.

Schauen Sie sich nur die Liste von Informationsbüros an, die erfolgreiche, zumeist CDU-geführte Bundesländer in andern Europäischen Metropolen unterhalten, z. B. Freistaat Bayern in Warschau, Schleswig-Holstein in Danzig, Sachsen in Prag.

Herr Wowereit – träumen Sie nicht länger vom Kanzleramt! Tun Sie etwas, damit Berlin auf der Bühne der europäischen Hauptstädte wettbewerbsfähig wird! Tun Sie etwas, damit durch mehr Investitionen Arbeitsplätze entstehen und die Menschen in Berlin eine Perspektive haben!

Und um der Frage nach der Finanzierung eines solchen Verbindungsbüros vorzugreifen – schauen Sie sich den Haushalt der Senatskanzlei an! Neben den vielen „kleinen“ Beträgen von denen der Senat noch gar nicht weiß, wofür sie konkret verwendet werden sollen, will der Regierende Bürgermeister in den nächsten zwei Jahren 10 Millionen € für seine persönliche Werbekampagne durch den Schornstein jagen. Von diesem Geld könnten in fast jeder zweiten EU-Hauptstadt Berlinbüros betrieben werden.

Bei der Begrüßung der Warschauer Stadtpräsidentin im Roten Rathaus sagten Sie, Herr Regierender Bürgermeister: Wir müssen uns künftig stärker gen Osten orientieren.

Diese Erkenntnis kommt im Jahre 2007 etwas sehr spät. Vielleicht jedoch nicht zu spät. Das Parlament hat heute hier die Möglichkeit, die Schlafmützigkeit des Senats auszubügeln. Stimmen Sie dem Antrag auf Errichtung eines Berliner Verbindungsbüros in Warschau zu!

Zunächst möchte ich feststellen, dass es einen erfreulichen Grundkonsens zwischen allen Fraktionen dieses Hauses gibt, der die Notwendigkeit einer verstärkten außenpolitischen Orientierung der Berliner Landespolitik auf die mittel- und osteuropäischen Länder festschreibt. Dieser Grundsatz geht von der grundsätzlichen politischen Einschätzung aus, den Fokus Berlins vor dem Hintergrund der Erweiterung der Europäischen Union zu verändern. Wir haben in diesem Haus mehrfach über die neue Rolle Berlins in der Mitte Europas nach dessen Erweiterung debattiert.

Selbstverständlich nehmen die Beziehungen zu unseren unmittelbaren polnischen Nachbarn in enger Kooperation mit dem Land Brandenburg einen zentralen Platz ein. Demzufolge ist das Nachbarland Polen auch unsere erste außenwirtschaftliche Zielregion.

Unbestritten ist also der Ansatz der FDP, die deutschpolnischen Beziehungen voranzubringen, eingeschlossen der Ausbau der Zusammenarbeit mit unserer Partnerstadt Warschau. Die Orientierung des Senats auf die projektbezogene Zusammenarbeit in der deutsch-polnischen Oderregion ist und bleibt ein wesentlicher Baustein der Europaarbeit.

In dem vorliegenden Antrag der FDP geht es allerdings um die konkrete Frage, welche Instrumente auf diesem gemeinsamen Weg die richtigen und effektivsten sind. Wir sind nicht der Auffassung, dass die konkreten Probleme der deutsch-polnischen Kooperation durch die Einrichtung eines Verbindungsbüros in Warschau gelöst werden können.

Berlin und Warschau verbindet eine Städtepartnerschaft, die zweifelsfrei ausbaufähig ist und verbessert werden muss. Warum aber ein solches Büro – dessen Aufgabenbeschreibung und Arbeitsweise in Ihrem Antrag im Übrigen gänzlich fehlt – das Instrument zur Lösung der anstehenden Aufgaben sein soll, gerade in Relation zu den dafür notwendigen Mitteln und Kosten, erschließt sich uns nicht.

Nicht mehr neue Strukturen und Institutionen sind nötig, sondern viel mehr konkrete inhaltliche Projekte und die Schaffung von effektiven Bedingungen für die Kooperationen vor Ort. Die Oder-Partnerschaft zeigt sehr gut, wie das am besten funktionieren kann und andere Aufgaben der Zusammenarbeit als Beispiel dienen kann. Hier hat Berlin in enger Abstimmung mit Brandenburg bereits eine Art Geschäftsstellenfunktion übernommen und ist im deutschen Maßstab Koordinator. Kontaktpflege und -anbahnung geschehen in der Regel durch konkrete Projekte

und nicht über ein Büro. Das kann am einen oder anderen Ort durchaus sinnvoll sein – keine Frage. Unsere Berliner Repräsentanz in Brüssel ist wichtig und notwendig. In den konkreten bilateralen Beziehungen arbeitet Berlin jedoch, unter Bündelung seiner Möglichkeiten, projektbezogen mit Außenwirtschaftspartnern vor Ort zusammen. Und das ist unserer Auffassung nach auch der richtige und effektive Weg.

Zusammenfassend bleibt festzustellen: Eines Antrags in Form einer Absichtserklärung zur Vertiefung der deutschpolnischen Zusammenarbeit bedarf es in diesem Hause nicht. Über konkrete Formen der Ausgestaltung können und müssen wir diskutieren. Aber das hier vorgeschlagene Mittel ist nach unserer Auffassung nicht ausreichend geeignet, um es heute hier zu beschließen.

Grundsätzlich muss man den Vorstoß, die Beziehungen zwischen Berlin und Polen nachhaltig zu verbessern, sehr begrüßen. Wir sehen auch, dass man dort noch vieles verbessern kann, und dafür setzen wir uns auch ein. Doch das, was hier von der FDP gefordert wird – nämlich ein von allen bereits existierenden Strukturen abgelöstes, nicht näher definiertes „Verbindungsbüro“ in Warschau einzurichten – das halten wir nicht für den richtigen Weg.

Erstens: Zum einen sind da die ganz simplen logistischen Fragen. Es ist völlig unklar, wer dieses Büro, seine Ausstattung sowie die Gehälter der für die benannten Aufgaben notwendigerweise hochqualifizierten Personen finanzieren soll. Wo im Haushalt soll dies mit welchen Mitteln bezahlt werden? Diese Frage soll, ja muss man in den gerade laufenden Haushaltsberatungen stellen – und bislang hat uns noch niemand ausreichend dargelegt, an welchen Stellen das Land Berlin weitere Einsparungen vornehmen soll, um dieses Prestigeprojekt zu finanzieren. Es scheint ja noch nicht mal eine Vorstellung zu existieren, wie groß die Aufwendungen für ein solches Projekt tatsächlich wären, würden alle inhaltlichen Fragen beantwortet sein. Was sie – leider – nicht sind.

Zweitens: Aber zu den Inhalten, wenn man mal den schnöden Mammon beiseite lassen will. Aus dem uns vorliegenden Antrag der FDP geht nicht hervor, welche Befugnisse genau die dort operierenden Personen eigentlich haben sollen. Diese Frage konnte leider auch nicht in der Diskussion im Fachausschuss beantwortet werden. Gerade die gewollten Verhandlungsmandate mit der polnischen Regierung erscheinen in dem Zusammenhang fragwürdig. Welche Zusagen kann eine dort beschäftigte Person machen, mit welcher Autorität? Welche Legitimierung haben diese Personen? Sind sie Teil des Senats? Oder der Senatsverwaltung? Freie „Beauftragte“ des Landes Berlin? Sind dazu neue Stellen notwendig, oder sollen bereits existierende Beschäftigte oder Mandatsträger regelmäßig zwischen Berlin und Warschau hin und her pendeln? Wenn ja, wem wollen Sie diese Aufgabe dann noch zusätzlich überhelfen? Wenn dieser Antrag so wie ihn gestellt haben bewilligt werden würde, fürchten wir

die Schaffung von Doppelkompetenzen, oder – im Falle von Berlin-Warschau-Pendlern – einen erheblichen Reibungsverlust. Das kann nicht unser Ziel sein.

Drittens: Das dritte wichtige Argument, weswegen wir Grünen diesen Antrag so nicht unterstützen können, ist, was in diesem Antrag alles fehlt. Hier wird von Standortvermarktung und wirtschaftlichen Interessen geredet. Allenfalls noch, wenn es den wirtschaftlichen Interessen zu gute kommt, dem Ausbau von wissenschaftlichen Kontakten zu Forschungszwecken. Wenn man dann die Begründung sehr genau liest, findet man – etwas versteckt - unter anderem auch „kulturelle Beziehungen“, aber im Antragstext selber wird außer den rein wirtschaftlichen Interessen nichts konkret benannt. Das genau reicht uns nicht. Im Falle einer kleinen „Berliner Botschaft“ in Warschau müssten nach unserem Verständnis die Aufgaben logischerweise sehr viel weiterführender sein. Da sind als Aufgaben, die Sie mal so einfach vergessen haben, folgende zu benennen:

Die kulturelle Kooperation. Man muss sich bei einer solchen „Miniatur-Botschaft“ auch mit der Ausstrahlung und den Synergieeffekten des größten kulturellen Zentrums der Region – Berlin – auf die umliegenden Regionen wie auch die Wojewodschaften Polens beschäftigen. Das darf nicht unter den Tisch fallen.

Dann liegen unserer Partei natürlich ganz besonders die möglichen ökologischen und energiewirtschaftlichen Kooperationen zur Lösung gemeinsamer Aufgaben am Herzen. Auch dieser Bereich fehlt in dem vorliegendem Antrag – und wir sehen da erhebliche Potentiale, die man gemeinsam mit Polen erschließen könnte.

Als Drittes fehlen uns die möglichen Kooperationen im Bildungs- und auch Wissenschaftsbereich, wobei wir Wissenschaft nicht so wie Sie auf außeruniversitäre Forschungseinrichtungen beschränken. Wir würden uns da vor allem auch eine Verbesserung der Kontakte zwischen Schulen, Hochschulen sowie Forschungseinrichtungen wünschen.